
Tina[a]
Deutsches Ärzteblatt, 10. November 2005
Glioblastom: Gentest sagt Medikamentenwirkung voraus
Tyrosinkinase-Hemmer gehören zu den neuen Medikamenten, die eine gezielte Krebsbehandlung ("targeted therapy") versprechen. Eine neue Studie im New England Journal of Medicine (NEJM 2005; 353: 2012-24) zeigt, dass sie diesem Anspruch aber nur genügen, wenn diese Ziele auch auf dem Tumor vorhanden sind, wobei genetische Details entscheiden. Liegen die Voraussetzungen vor, dann scheinen die neuen Medikamente eine viel versprechende Wirkung zu haben, selbst bei bisher "hoffnungslosen" Tumoren wie dem Glioblastom.
Das Glioblastom ist der häufigste Hirntumor, gehört aber gleichzeitig zu den Krebserkrankungen mit der schlechtesten Prognose überhaupt. Die durchschnittliche Überlebenszeit beträgt weniger als ein Jahr. Mitverantwortlich für das schnelle Wachstum des Tumors sind Rezeptoren für epidermale Wachstumsfaktoren (EGFR), die die Vermehrung der Zellen anregen. Die Aktivierung des EGFR lässt sich durch eine neue Gruppe von Medikamenten verhindern, die als Tyrosinkinase-Hemmer bezeichnet werden und deren erste Vertreter Erlotinib und Gefitinib sind. Beide Medikamente sind in den USA für die Behandlung des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms zugelassen. Erlotinib wurde im September auch in Deutschland zugelassen, während der Hersteller von Gefitinib den Zulassungsantrag Anfang des Jahres zurückzog. Beide Medikamente sind aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Auch das jetzt zugelassene Erlotinib verlängert die Überlebenszeit nur um wenige Wochen.
Nun stellen Paul Mischel und Mitarbeiter der Universität von Kalifornien in Los Angeles eine Studie zum Glioblastom vor, bei der die Gene für den EGFR und den verwandten Rezeptor HER2/neu näher untersucht wurden. Es zeigte sich, dass Patienten mit speziellen Varianten in diesen Rezeptoren ausgesprochen günstig auf die Therapie mit den beiden Tyrosinkinase-Hemmern ansprachen. Patienten mit einer EGFR-Variante namens EGFRvIII, die gleichzeitig ein anderes Gen namens PTEN exprimierten, hatten eine um den Faktor 51 höhere Ansprechrate.
Die Zeitdauer bis zur erneuten Tumorprogression war fünffach länger: 243 Tage statt 50 Tage. Die günstige genetische Ausgangslage soll bei etwa zehn bis 20 Prozent der Patienten vorliegen. Nach Ansicht der Autoren könnte es sinnvoll sein, den Tumor der Patienten vor der Erstbehandlung genetisch zu untersuchen, um dann sofort eine Behandlung mit Tyrosinkinase-Hemmern zu beginnen. Ob dieser Ansatz Erfolg versprechend ist, müsste allerdings noch in weiteren randomisierten kontrollierten Studien untersucht werden./rme
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