Selbsthilfegruppe soll Hirntumor-Patienten halt geben
21.03.2018
Ein Hirntumor ist kein Todesurteil, aber eine Diagnose, die für den Patienten und seine Angehörigen eine Herausforderung ist. Eine Herausforderung, die leichter anzunehmen ist, wenn man andere Betroffene kennt. Deshalb wollen Dirk und Martina Ruster eine Selbsthilfegruppe gründen. Gemeinsam sind sie stark: Martina und Dirk Ruster leiden beide unter Dirk Rusters Hirntumor und beschäftigen sich intensiv mit Behandlungsmöglichkeiten. Sie hoffen auf Unterstützung und Austausch in einer regionalen Selbsthilfegruppe.
Die Ärzte hatten Dirk Ruster eigentlich schon aufgegeben. Schließlich hatte er schon sechs Chemotherapie-Zyklen hinter sich, und der Tumor war sogar gewachsen, jedenfalls war er nicht kleiner geworden. Aber Dirk Ruster wollte sich nicht aufgeben, und seine Frau wollte das schon gar nicht. „Wenn man nichts mehr macht, wird es ja nur noch schlimmer“, sagt Martina Ruster. Also hat sie sich mit Onkologie beschäftigt, mit Biochemie und mit Statistik. Und dann waren die beiden nochmal in der Tumor-Sprechstunde.
Täglich 700 neue Patienten weltweit
Es gibt insgesamt 150 verschiedene Hirntumor-Arten. Einige darunter sind bösartig. Der bösartigste und aggressivste ist das Glioblastom, der häufigste hirneigene Tumor bei Erwachsenen.
Dass er jetzt wieder Hoffnung habe, habe er eigentlich seiner Frau zu verdanken, sagt Dirk Ruster. Sie hatte sich damals nicht einfach auf die Ärzte verlassen, sie hatte sich in Internet-Foren mit Angehörigen anderer Tumorpatienten ausgetauscht, hatte Kontakt zu anderen Ärzten aufgenommen und sich selbst schlau gelesen. Und sie hat ihm erklärt, wie wichtig der Austausch mit anderen Patienten und ihren Angehörigen ist – für die Seele und auch für die Gesundheit.
In einem Internet-Forum wolle er aber nicht aktiv werden, sagt Dirk Ruster. „Das würde mich nur noch mehr belasten.“ Aber andere Patienten kennenlernen möchte er schon. Deshalb haben die beiden sich auf die Suche nach einer Selbsthilfegruppe gemacht. Und weil sie in der Nähe keine gefunden haben, möchten sie eine gründen. Weil sie ihre Erfahrungen weitergeben, anderen Patienten und ihren Angehörigen Mut machen und vielleicht auch mal jemanden zum Mitfühlen finden wollen, jemanden, der sie und ihre Ängste und Sorgen versteht. „Es ist wichtig, dass man jemanden hat“, sagt Martina Ruster. Und man könne ja nicht immer die Familie belasten.
„Der kleine Onkel“
Dirk Ruster ist im Moment ganz guter Dinge. „Ich möchte so weiterleben, und wenn es gut läuft, wird der Tumor immer kleiner.“ Dirk Ruster hat den achten Chemo-Therapie-Zyklus hinter sich, und der Tumor ist geschrumpft. Nicht viel, aber immerhin. Beim letzten MRT wurden 4,5 mal 3,2 Zentimeter gemessen. Zwischendurch war das Glioblastom auch schon mal 6,5 Zentimeter groß gewesen.
„Der kleine Onkel“ nennt Dirk Ruster den Tumor in seinem Kopf. Er habe einen „Nichtangriffspakt“ mit ihm geschlossen, sagt er. „Er soll mich nicht ärgern, dann lasse ich ihn auch in Ruhe.“ Das gilt natürlich umgekehrt auch. Und der kleine Onkel lässt ihn nicht in Ruhe – er bereitet ihm Kopfzerbrechen, er lässt ihn langsamer werden, er beschert ihm Wortfindungsstörungen und macht ihm Angst, auch Angst vor Aussetzern. Weil er sich auf seinen Kopf nicht mehr verlassen kann, darf Dirk Ruster nicht mehr Autofahren.
Überhaupt muss er vorsichtig sein: Weil sich nach einer Schädeloperation der Schädelknochen entzündet hatte, musste ein Stück Knochen entfernt werden. Seit Monaten läuft Dirk Ruster nun schon mit einem etwa vier Zentimeter großen Loch im Schädel herum. Die Ärzte hätten ihm versichert, dass da nichts passieren kann, dass das Loch im Kopf eigentlich ganz gut sei, damit der Druck nicht zu groß wird. „Aber man weiß ja nie.“
Verdacht auf Depression
Seit wann Dirk Ruster einen Hirntumor hat, weiß er nicht. Aber er weiß, dass das Glioblastom eine schnellwachsende Tumorart ist und dass es bösartig ist. Als der kleine Onkel entdeckt wurde, war er jedenfalls nicht alleine in seinem Kopf. Im November 2016 war das. Schon lange hatte Dirk Ruster immer wieder über Kopfschmerzen und Schlafstörungen geklagt, den Druck im Kopf aber auf zu viel Arbeit und zu viel Stress geschoben. Seine Frau vermutete damals, dass er unter einer Depression leide; sein Wesen habe sich verändert, sagt sie. Irgendwann ist er einfach zusammengebrochen. Martina Ruster fuhr ihren Mann zum ärztlichen Notdienst, der hat die beiden an die Psychiatrie in Hadamar verwiesen. Den Experten war schnell klar, dass Dirk Ruster nicht psychisch krank ist – er kam ins Krankenhaus, und ein MRT zeigte die Ursache seiner Probleme: zwei Hirntumore.
Der eine Tumor wurde rasch entfernt, den anderen können die Ärzte nicht einfach herausoperieren, „er sitzt zu nah am Sprach- und Motorikzentrum“, sagt Dirk Ruster. Und in den Rollstuhl wolle er auf keinen Fall.
Methadon und Chemo
Der zweite Tumor wurde erst bestrahlt, dann folgte eine Chemotherapie nach der anderen. Und dann die Auskunft, dass er jetzt austherapiert sei. Dass mit der Chemotherapie nach dem sechsten Zyklus Schluss sei, weil die Chemotherapie entweder bis dahin geholfen habe oder gar nicht helfe.
Martin Ruster wechselte den Arzt und gab nicht auf. Schließlich hatte seine Frau in einem Internetforum Hoffnung geschöpft: Eine Kombination von Methadon und Chemotherapie versprach Erfolg. Martina Ruster nahm Kontakt zu der Chemikerin Dr. Claudia Friesen auf, die sich mit dieser Kombination wissenschaftlich beschäftigt. Und danach stand fest: „Wir machen Chemo und Methadon und sonst nichts“, sagt Martin Ruster.
Nach langer Suche fanden sie sogar einen Arzt in der Region, der Dirk Ruster das Schmerzmittel Methadon verschreibt. Die Rolle des Methadons erklärt er so: Das Mittel habe die Aufgabe, die Krebszellen zu öffnen, damit die Chemotherapie besser wirken kann.
Und offenbar funktioniert’s. Dirk Ruster hofft es jedenfalls. „Natürlich denkt man auch mal an den Tod“, sagt er. Aber er habe Vertrauen in die Therapie. Und er weiß, dass die Einstellung zur Krankheit eine große Rolle spielt: „Wenn man positiv denkt, ist die Therapie erfolgreicher.“
Quelle: http://www.nnp.de/lokales/limburg_und_umgebung
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Mitstreiter gesucht
Wer Interesse an einer Selbsthilfegruppe für Hirntumor-Patienten und ihre Angehörigen hat, kann sich bei der Deutschen Hirntumorhilfe melden, Telefon: (0 341) 5 90 93 96, per E-Mail an: info@hirntumorhilfe.de Kontakt aufnehmen oder beim nächsten Hirntumor-Informationstag am 21.04.2018 Kontakte knüpfen.
https://www.hirntumorhilfe.de/projekte/informationstag/wuerzburg-2018/