Krebstherapie: Höhere Mortalität bei Anhängern der Alternativmedizin
Michael Simm, univadis, 25 Juli 2018
In dieser US-amerikanischen Studie fanden sich unter den Anhängern komplementärer Krebsbehandlungen wie Yoga und Homöopathie besonders viele Frauen, Jüngere, und Privatversicherte. Zwar begannen sie ihre konventionellen Therapien nicht später als andere, sie verweigerten aber sehr viel häufiger Operationen, Chemo-, Strahlen-, und Hormontherapien. Diese Verweigerung ging mit einem um 4,4 Prozentpunkte geringeren 5-Jahresüberleben einher und mit einem mehr als doppelt so hohen Mortalitätsrisiko.
Hintergrund
Die Zusammenhänge zwischen einer Neigung zu komplementären Behandlungen bei Krebspatienten, der Inanspruchnahme schulmedizinischer Therapien, und dem Gesamtüberleben sind nur wenig erforscht.
Design
Retrospektive Beobachtungsstudie mit Patienten mit nichtmetastasiertem Brust-, Prostata-, Lungen- oder Darmkrebs, die in einem von 1500 akkreditierten onkologischen Zentren in den USA zwischen 2004 und 2014 behandelt worden waren. Aus der Nationalen Krebsdatenbank mit mehr als 1,9 Millionen Patienten wurden 258 ausgewählt, die sich neben mindestens einer schulmedizinischen Behandlung auch mit einem komplementären Verfahren behandeln ließen (definiert als Krebsbehandlung ohne nachgewiesene Wirkung durch nichtmedizinisches Personal). Diesen Patienten wurden 1032 Kontrollen mit gleichem Alter, Krebsstadium und -art, Komorbidität, Versicherungstyp, ethnischer Zugehörigkeit und Diagnosejahr gegenübergestellt. Studienziele waren das Gesamtüberleben, die Therapietreue, und Patientencharakteristika.
Hauptergebnisse
• Im Vergleich zur Kontrollgruppe begannen die Anhänger komplementärer Verfahren ihre konventionellen Therapien ohne Verzögerung.
• Anhänger alternativer Therapien lehnten konventionelle Therapien sehr viel häufiger ab als die Kontrollgruppe: Operationen 7,0 % vs. 0,1 %, Chemotherapie 34,1 % vs. 3,2 %, Strahlentherapie 53,0 % vs. 2,3 % und Hormontherapie 33,7 % vs. 2,8 % (alle Vergleiche P<0,001).
• Die 5-Jahres-Überlebensrate war unter den Anhängern komplementärer Verfahren mit 82,2 % gegenüber 86,6 % niedriger (P<0,001) und das Sterberisiko war in einem multivariaten Modell unter Ausschluss von Behandlungsverweigerung und – verzögerung mehr als verdoppelt (Chancenverhältnis HR 2,08, 95%-Konfidenzintervall 1,50 – 2,90).
Klinische Bedeutung
Die Studie bestätigt die Erwartung, dass Anhänger alternativer Heilmethoden bei einer Krebserkrankung eine schulmedizinische Behandlung häufiger ablehnen. Sie zeigt, dass damit auch das Todesrisiko stark ansteigt. Zwar handelt es sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie, und es fehlen leider Angaben zur Lebensqualität der Patienten. Die statistischen Analysen legen aber dennoch nahe, dass der Zusammenhang kausal ist und dass „Patienten, die Komplementärmedizin nutzen, sich einem unnötig größeren Sterberisiko aussetzen, indem sie einige konventionelle Krebstherapien verweigern“, so die Autoren.
Quelle: Johnson SB et al.: Complementary Medicine, Refusal of Conventional Cancer Therapy, and Survival Among Patients With Curable Cancers. JAMA Oncol. 2018 Jul 19. doi: 10.1001/jamaoncol.2018.2487.