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Katja[a]

Schwarzwälder Bote, Lokales 17.9.2002


"Ich lebe mit dem Tod auf Du und Du"

Bei Karin Leiter wurde vor 15 Jahren ein Gehirntumor festgestellt / Hospiz-Veranstaltungsreihe


Altensteig. Die sechstägige Informationsreihe der Hospizgruppe Oberes Nagoldtal startete mit einer Veranstaltung im evangelischen Gemeindehaus Altensteig. Die Referentin - Karin E. Leiter - betonte in ihrem Vortrag: "Ohne Hospiz wäre ich nicht mehr am Leben".



Mit einem Zitat, in dem ein Menschenleben als Humankapital bezeichnet wurde, begann die Urtirolerin ihren Beitrag und damit einen emotionsgeladenen und wortgewaltigen Abend.

Die Wichtigkeit der Hospizbewegung zu diskutieren war in diesem Rahmen überflüssig. Die engagierte Rednerin legte vielmehr Wert auf den Wortteil "Bewegung" und stellte klar: "Hospiz ist das Spiel mit allen Möglichkeiten!"

Und in diesem - im wörtlichen Sinn - todernsten Spiel griff sie zu allen Mitteln und rief schon mal im Pariser "Moulin Rouge" an, um sich vom Barkeeper Mixrezepte erklären zu lassen.

Karin Leiter wünscht sich bei ihrem Ableben weniger Kränze auf dem Grab, dafür mehr Begegnungen am Sterbebett, weniger Mitleid, dafür mehr Leidenschaft. Man solle bis in den Tod hinein spüren, wie und wo das Leben ist - und sie formuliert den ungewöhnlichen Satz: "Ich sterbe - lasst es mich erleben!"

Frau Leiter fordert vehement mehr Sensibilität und Menschlichkeit und fand bei ihrem hochinteressanten Vortrag in Altensteig knallharte Worte: "In meinen Augen gilt eine unterlassene Schmerztherapie als Körperverletzung".

Wie war es möglich, dass sie die zahlreich erschienenen Besucher innerhalb weniger Minuten mitreißen und auf eine Reise in jenes Niemandsland der Gefühle mitnehmen konnte, in dem man mit Smalltalk totgeredet wird, in dem man versorgt, umsorgt und entsorgt wird?

Der Grund ist dramatisch und einleuchtend zugleich: Sie weiß, wovon sie spricht! Karin Leiter litt an einem Hirntumor. Das wurde vor 15 Jahren festgestellt. Damit war das Todesurteil gesprochen. Weshalb sie immer noch lebt?" Die Antwort klingt einfach: "Weil ich es will".

Mit ihrem unvergleichlichen morbiden Wiener Charme kokettiert sie, mit dynamischer Energie explodiert sie. Mit feinen Nuancen berührt sie die Zuhörer, mit Verrücktheiten besticht sie.

Die Mitbegründerin der österreichischen Hospizbewegung ist gewöhnungsbedürftig. Nicht nur äußerlich ist sie eine gewaltige Frau. Sie hat ihre Angst bekämpft, denn: "Angst macht abhängig!" Frau Leiter lebt für den heutigen Tag, sie kann ganz da sein.

Ihre Bücher heißen nicht umsonst "Der Trotzdem-Baum", "Tanzendes Kreuz" oder die "Lachfalten Gottes".

Die altkatholische Priesterin hat einen Weg hinter sich, der alle Farben des menschlichen Leidens aufweist. "Ich lebe jetzt mit dem Tod auf Du und Du. Wir streiten, dass die Fetzen fliegen".

Ähnlich beschreibt sie ihr Verhältnis zu Gott: "Nach einer zornigen Pause - ich hab ihm einfach gekündigt - ist es jetzt eine neue, unverkrampfte Freundschaft".

Herrlich unverbraucht wehrt sie sich gegen hochtrabende Worte und sagt glaubwürdig. "Ich habe gelernt, mit den sterbenden Menschen ins Leben zu tauchen und auf die Weisheit der Kinder zu bauen". Und jeder der ihr begegnet, lässt sich davon anstecken.


Von Angela Maria Körner-Armbruster

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