Interview mit Dr. Manmeet Ahluwalia, Neuroonkologe an der Cleveland Clinic https://my.clevelandclinic.org/staff/13740-manmeet-ahluwalia
09.03.2020
Dr. Haffizulla: Können Sie uns einiges zum Thema Immuntherapien beim Glioblastom berichten?
Dr. Ahluwalia: Wie Sie wissen, gab es im letzten Jahrzehnt eine Menge Aufregung um die Immuntherapie bei Krebs. Beim Glioblastom waren die Immuntherapie-Ansätze nicht so erfolgreich, wie wir es uns gewünscht hätten. Aber diese Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Eine der größten Immuntherapie-Studien war die mit einem Medikament Nivolumab beim rezidivierendem Glioblastom. Es handelte sich um eine Studie mit über 340 Patienten, bei der eine Eins-zu-Eins-Randomisierung von Nivolumab im Vergleich zu Bevacizumab durchgeführt wurde. Nivolumab ist ein Medikament, das auf den Anti-PD-1-Signalweg abzielt. In dieser Studie fanden wir heraus, dass Nivolumab weder das progressionsfreie Überleben noch das Gesamtüberleben bei Patienten mit rezidivierendem Glioblastom verlängerte.
Es gab jedoch zwei große Studien, die sich mit Nivolumab in einer Erstlinienbehandlung des Glioblastoms befassten. Die eine war eine Kombination aus Nivolumab und Strahlentherapie, die mit Nivolumab und Temozolomid bei Patienten mit einem unmethylierten MGMT-Promotortyp verglichen wurde. Was wir wissen, ist, dass Temozolomid, das eine orale alkylierende Chemotherapie ist, bei Patienten mit unmethyliertem Typ keinen großen Nutzen hat. Daher gab es am Anfang dieses Jahres eine Pressemitteilung, die informierte, dass die Kombination von Nivolumab und Strahlentherapie nicht besser war als Temozolomid und Strahlentherapie.
Die nächste Studie war CheckMate 548, eine Kombination aus Nivolumab, Strahlentherapie und Temozolomid, im Vergleich zu Temozolomid und Strahlentherapie. Diese Studie hatte zwei Endpunkte: das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben. Und erst letzten Monat erhielten wir eine Pressemitteilung, aus der hervorging, dass die Studie diesen primären Endpunkt, das progressionsfreie Überleben, nicht erreichte. Wir warten jedoch immer noch auf Daten, um herauszufinden, ob die Kombination einen Einfluss auf das Gesamtüberleben haben könnte.
Nun gibt es andere Ansätze, um Krankheiten wie das Glioblastom gezielt zu bekämpfen oder eine Immuntherapie einzusetzen, und einige dieser Ansätze können entweder auf Viren basieren, also auf onkolytischen Viren oder auf sich replizierenden Viren. So konzentrierte sich eine Studie, die auf der SNO 2019 vorgestellt wird, auf Toca 511, einen retroviralen Vektor. Dieses Gen wandelt ein Medikament, in 5-Fluorouracil um. Über die Studie wurde hier auf der SNO-Tagung in Phoenix im Jahr 2019 berichtet.
Unglücklicherweise wurden rezidivierendes Glioblastom und rezidivierendes anaplastisches Astrozytom gemeinsam untersucht, so dass es sich um eine Studie nit höhergradigen Gliomen handelte. Die Studienergebnisse verfehlten den primären Endpunkt, als sie mit der Standardbehandlung verglichen wurden. Das Gesamtüberleben war in beiden Armen in der Größenordnung von etwa durchschnittlich elf Monaten vergleichbar.
Dies war also leider ein weiterer Schritt, der nicht in die richtige Richtung ging. Was wir jedoch bei unseren Forschungen herausgefunden haben, ist, dass manchmal Modalitäten, die beim rezidivierenden Glioblastom nicht funktioniert haben, wie das Temozolomid oder die TT-Fields, in der Anfangsphase der Therapie einen Überlebensvorteil bringen könnten. Und die Immuntherapie braucht tatsächlich einige Zeit, um zu wirken, und das rezidivierende Glioblastom ist eine sehr schnell wachsender Tumor. Es gibt also immer noch einen großen Enthusiasmus in der von den NRG geleiteten Studie, die sich mit dem Toca 511-Virus zusammen mit Toca FC bei neu diagnostiziertem Glioblastom mit einer Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie befasst. Wir und mehrere andere sind an dieser Studie beteiligt, und wir hoffen, dass die Studie Anfang 2020 aktiviert wird.
Dr. Haffizulla: Das klingt aufregend, und wir freuen uns darauf, mehr darüber zu hören. Nur um noch einmal auf die Immuntherapie zurückzukommen: Warum waren diese Ergebnisse Ihrer Meinung nach so enttäuschend?
Dr. Ahluwalia: Ich denke, die Herausforderung für uns ist, dass das Glioblastom zunächst einmal ein sehr immunsuppressiver Tumor ist. Glioblastom-Patienten haben im Vergleich zu anderen Menschen 12-mal mehr myeloische Suppressorzellen, so dass es sich zunächst einmal um einen immunsuppressiven Tumor handelt. Darüber hinaus ist es ein sehr infiltrierender Tumor, der tief ins Gehirn eindringt, so dass er eine starke Schwellung oder ein Ödem auslöst, und wir verwenden eine beträchtliche Menge an Steroiden, um dieses Ödem tatsächlich zu bekämpfen. Steroide sind immunosuppressiv. Und wenn wir dann noch einen Patienten mit einem rezidivierenden Glioblastom haben, bekommt die Immuntherapie vielleicht nicht die 3 bis 4 Monate, die sie braucht, um das Immunsystem zu aktivieren, um tatsächlich bessere Ergebnisse zu erzielen.
Was wir bei der Toca 511-Studie herausgefunden haben, war also sehr vergleichbar mit dem, was wir bei der CheckMate 143-Studie herausgefunden hatten, dass die Zeit bis zum Fortschreiten der Krankheit im Median bei ziemlich genau 6 bis 8 Wochen lag, und das ist nicht genug Zeit, um mit dieser Immuntherapie zu arbeiten, und daher besteht immer noch Interesse daran, die Immuntherapie in einer Firstlinetherapie zu untersuchen, in der Sie vielleicht 6 bis 8 Monate benötigen, bis der Effekt der Immuntherapie einsetzt.