Virus löst Hirntumor auf
07. Mai 2003 06:57, ergänzt 09:56
Gehirntumor
Foto: Harvard University
Wo vorher einer der aggressivsten Hirntumoren wucherte, finden Forscher nach einer neuen Therapie nur noch einen Hohlraum. Die Krebszellen wurden einfach aufgelöst - mit Hilfe von Schnupfenviren.
Delta-24-RGD nennt sich eine neue Therapie-Idee zur Bekämpfung von Hirntumoren, die sich jetzt im Tierversuch bewährt hat. Forscher des M. D. Anderson Cancer Center der University of Texas haben ein Virus genetisch so verändert, das es selektiv Krebszellen im Gehirn zerstört.
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Die Viren verhielten sich wie eine «Viral smart bomb», sagt Forschungsleiter Juan Fueyo, da sie offenbar nur Krebszellen und kein normales Gewebe angreifen. Fueyos Team veränderte das Erbgut von Adenoviren, die ursprünglich Schnupfen auslösen. Diese Delta-24-RGD-Viren können sich deshalb nur in Krebszellen vermehren, die sie anschließend töten. Die frei werdenden Viren infizieren weitere Krebszellen, bis mit den letzten Tumorzellen auch die Viren absterben.
Sechzig Prozent der 26 Mäuse, in deren Hirntumore die Forscher Delta-24-RGD-Viren gespritzt hatten, lebten danach für mindestens vier Monate weiter, während unbehandelte weniger als drei Wochen überlebten. Die Tumore verschwanden, übrig blieb in den Mäuseschädeln lediglich ein Hohlraum, umgeben von Narbengewebe. «Noch nie zuvor haben wir nach einer Therapie ein solches Ergebnis gesehen», sagt Fueyo.
Krebsverursachende Mutation ausgenutzt
Die Delta-24-RGD-Viren wirken, indem sie die Funktion des Retinoblastom-Proteins (Rb) ausnutzen. Rb stoppt normalerweise die Teilung einer Zelle. Ist das Protein jedoch mutiert wie beim Gliom-Krebs, dann können die Zellen ungehemmt wuchern. Eine andere Funktion des Rb-Proteins ist es, die Vermehrung von Viren in einer Zelle zu unterdrücken. Adenoviren können diesen Mechanismus jedoch umgehen, sie legen das Rb-Protein mit dem E1A-Protein lahm.
Fueyos Team mutierte nun das E1A-Protein der Adenoviren: «Delta-24» bedeutet, dass 24 Bausteine des Viruserbguts entfernt wurden. Diese Delta-24-RGD-Viren können sich in Zellen mit funktionierendem Rb-Protein nicht mehr vermehren. In Krebszellen jedoch, deren Rb-Protein defekt ist, replizieren sich die Viren ungehemmt und können die Zellen töten.
Anwendung am Menschen noch nicht sicher
Juan Fueyo-Margareto (University of Texas)
Labor Frederick Lang (University of Texas)
Deutsche Hirntumorhilfe
Glioblastom
Allerdings ist die Therapie deshalb auf Krebsarten beschränkt, bei denen das Rb-Protein verändert ist. Eine erste Version (Delta-24) funktionierte jedoch nur eingeschränkt, erst eine Verbesserung der Anheftung der Viren an die Tumorzellen (RGD) brachte den Durchbruch.
Da die neue Technik Hoffnung auf eine Therapie einer bisher unbehandelbaren Krebserkrankung gibt, plant das National Cancer Institute voraussichtlich noch Ende nächsten Jahres erste klinische Tests mit Delta-24-RGD am Menschen.
«In diesem Krieg zwischen Krebs und Virus-Therapie hat diesmal das Virus gewonnen», sagt Frederick Lang, Leiter des Labors. «Wir hoffen, ähnliche Resultate auch beim Menschen erreichen zu können, aber wir können einen solchen Erfolg anhand von Tierexperimenten nicht vorhersagen.» Erst dann könne auch geklärt werden, ob die Behandlung keine neurologischen Schäden auslöst. (nz)