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Thema: Presse: Jede Frage ist willkommen - Interview Prof.Bamberg

Presse: Jede Frage ist willkommen - Interview Prof.Bamberg
Anne[a]
22.02.2005 23:42:45
Berliner Zeitung

Krebskongress am Wochenende in Berlin

Jede Frage ist willkommen

Herr Professor Bamberg, die Deutsche Krebsgesellschaft ist bekannt als Organisatorin von Fachkongressen für Ärzte. Jetzt veranstaltet sie zum ersten Mal eine Konferenz für Krebspatienten und alle am Thema Krebs Interessierten. Warum?

Die Patienten sind kritischer geworden, sie möchten an ihrer Behandlung beteiligt werden. Dazu ist es wichtig, den neuesten Stand der medizinischen Forschung zu kennen - und den wollen wir auf der Konferenz darstellen.

Aber nicht alles, was medizinisch möglich ist, ist gut für den einzelnen Patienten.

Ja, das stimmt. Heute fragen immer mehr Patienten: Wie beeinflusst die Therapie meine Lebensqualität? Mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen? Dieses kritische Abwägen wollen wir fördern.

Es heißt, die Patienten seien heute viel besser als früher über ihre Krankheit informiert. Trifft das wirklich zu?

Ja, im Großen und Ganzen kann man das schon sagen. Vor allem die in Selbsthilfegruppen organisierten Patienten wissen oft sehr gut Bescheid. Sie holen sich Informationen aus dem Internet und kennen die aktuellen Studienergebnisse manchmal besser als ihre Ärzte.

Angenommen, einer dieser hochinformierten Patienten kommt zu Ihnen: Wie reagieren Sie in dieser Situation?

Es kann schon sein, dass man schluckt, wenn so etwas zum ersten Mal geschieht. Aber wir Ärzte müssen lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Heute freue ich mich darüber, wenn Patienten mit Fragen zu mir kommen. Das zeigt, dass sie die erste Phase der Krankheitsverarbeitung überwunden haben.

Die erste Phase?

Ja, das ist die Zeit nach der Diagnose. Da sind die meisten Patienten wie gelähmt vor Angst. Die meisten denken gleich an Tod und Leiden, wenn sie das Wort Krebs hören.

Ändert sich das in der nächsten Phase?

Ja, oft. Die Patienten entwickeln dann eine andere Einstellung zu der neuen Lebenssituation. Manche reagieren fatalistisch. Andere werden aktiv und versuchen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Das ist die eindeutig gesündere Haltung. Einige Studien zeigen sogar, dass sich daraus ein Überlebensvorteil ergibt.

Fragen ist also gesund. Andererseits hört man immer wieder, dass Ärzte kaum noch Zeit für die Fragen ihrer Patienten haben.

Dazu kann ich nur sagen: Wer sich in der Tumortherapie keine Zeit nimmt für die Sorgen seiner Patienten, hat den Beruf verfehlt. Die Betroffenen werden künftig noch stärker fordern, dass wir Zeit für sie haben.

Wie beurteilen Sie die Qualität der Krebsmedizin in Deutschland?

Wir haben ein hohes Niveau, sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie. Natürlich gibt es Unterschiede von Arzt zu Arzt und von Klinik zu Klinik. Aber insgesamt gesehen müssen wir uns nicht verstecken - weder im europäischen Vergleich noch im Hinblick auf die USA.

Aber die Überlebensraten sind in den USA besser als bei uns.

Ja, zumindest vermutet man das. Wir haben ja in Deutschland noch kein umfassendes klinisches Krebsregister, in dem Krankheitsverläufe zentral erfasst werden. Daher können wir die Qualität nicht wirklich überprüfen.

Was schlagen Sie vor, um die Krebsmedizin in Deutschland zu verbessern?

Wir Ärzte sollten uns stärker an die Leitlinien halten. Solche Empfehlungen gibt es mittlerweile für alle Krebsarten. Sie werden von den ärztlichen Fachgesellschaften nach dem neuesten Stand der Wissenschaft erarbeitet.

Wie können Patienten herausfinden, ob sie leitliniengerecht behandelt werden?

Alle Leitlinien stehen im Internet und sind für jeden kostenlos zugänglich. Für einige Krebsarten sollen sie künftig so formuliert werden, dass auch medizinische Laien sie gut verstehen können.

Sie wollen bei der Konferenz über neue Entwicklungen in Diagnose und Therapie informieren. Welche Ansätze sind besonders viel versprechend?

Da ist zum einen die IMRT, eine intensitätsmodulierte Radiotherapie, mit der man sehr zielgerichtet und ohne größere Nebenwirkungen Krebsgewebe bestrahlen kann. Patienten mit Mundkrebs leiden zum Beispiel nach einer herkömmlichen Bestrahlung oft unter Mundtrockenheit, weil die Strahlen auch viele gesunde Zellen geschädigt haben. Das ist nach einer IMRT nicht mehr der Fall. Dann gibt es neue Wirkstoffe, die den Tumor aushungern, indem sie die Neubildung von Blutgefäßen unterdrücken. Es hat sich gezeigt, dass Darmkrebspatienten mit Metastasen mit Hilfe dieser Wirkstoffe mehrere Monate länger lebten. Auf der Konferenz werden noch viele weitere Neuigkeiten vorgestellt.

Erfährt man auf dem Kongress, wo die neuen Verfahren eingesetzt werden und wo es die besten Spezialisten dafür gibt?

Ja. Empfehlungen und Hinweise wird man von der Krebsgesellschaft bekommen. Auch die Selbsthilfegruppen können genau sagen, wo die besten Experten für bestimmte Krankheiten sitzen.

Wo ist zum Beispiel ein Patient mit einem Hirntumor am besten aufgehoben?

Da würde die Krebsgesellschaft die Zentren in München, Freiburg, Hamburg, Tübingen und Dresden empfehlen.

Die Qualität von Ärzten und Kliniken ist ein heikles Thema. Haben Sie keine Angst, in Fettnäpfchen zu treten?

Man soll bei diesem Kongress wirklich über alles sprechen dürfen. Kritik ist willkommen. Für die Krebsgesellschaft sind das alles Anregungen, nach denen wir unsere künftige Arbeit gestalten wollen.

Wird die Konferenz in Zukunft regelmäßig stattfinden?

Ja. Wir denken an eine Veranstaltung im Zweijahresrhythmus.

Der Eintritt ist für alle Besucher frei. Wie decken Sie die Kosten der Konferenz?

Wir wirtschaften so sparsam wie möglich und die Referenten verzichten alle auf ein Honorar. Die Ausgaben für die Miete und alles andere können wir dank der Spenden von Pharmafirmen bestreiten.

Was erhalten die Firmen dafür?

Die Möglichkeit, ihre Therapiekonzepte in einem Saal zu präsentieren.

Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?

Ich hoffe, dass einige tausend Besucher kommen werden. Wir freuen uns über jeden Einzelnen.

Interview: Lilo Berg
Anne[a]
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