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Magnetfelder verdrängen das Röntgen
Tomographie ohne Strahlenbelastung - 3-D-Bilder vom schlagenden Herzen
Von Nicole Szlezák

Berlin - Die Magnetresonanztomographie (MRT) macht in der medizinischen Diagnostik dem Röntgen immer mehr Konkurrenz. Früher war diese Technik nur zur Darstellung unbewegter Körperteile geeignet. Heute kann man damit Gefäße beurteilen, Infarkte diagnostizieren und sogar das Herz dreidimensional beim Schlagen beobachten. Dies wurde durch Fortschritte in der Magnettechnik und der Bildverarbeitung erreicht.

In der Radiologie ist die MRT seit etwa 15 Jahren in Gebrauch. Anders als bei der Computertomographie (CT), die ebenfalls 3-D-Bilder aus dem Inneren des Körpers liefern kann, kommen jedoch bei der MRT keine Röntgenstrahlen zum Einsatz. Während die CT bei der Darstellung von Knochen überlegen ist, ist die MRT besser zur Abbildung von Weichteilen geeignet. So leistet heute die MRT bei der Suche nach Gehirntumoren unverzichtbare Dienste.

Bis vor einigen Jahren hatte die MRT jedoch einen großen Nachteil: Man konnte damit nur unbewegt Körperteile wie Gehirn, Muskeln oder Gelenke abbilden. Das hat sich geändert. "Die MRT ist dabei, die gesamte Radiologie aufzurollen", kommentiert Professor Jörg Oestmann, leitender Oberarzt der Klinik für Strahlenheilkunde an der Berliner Charité, die neuen Einsatzgebiete der magnetischen Tomographie.

Ein Beispiel von der "vordersten Front" der MRT-Technologie ist die Untersuchung des Herzens. Vor wenigen Jahren war die scharfe Abbildung dieses bewegten Organs in der MRT noch nicht möglich. Heute können Ärzte damit die Funktion und Durchblutung des Herzmuskels beurteilen, so feine Strukturen wie die Herzklappen untersuchen, Infarkte diagnostizieren und die Herzkranzgefäße begutachten. Beim Infarkt können sie irreversibel geschädigte Areale von solchen unterscheiden, die durch Therapie wieder funktionsfähig gemacht werden können.

Bislang konnte die Gesamtheit all dieser Informationen nur durch mehrere separate Untersuchungen mit verschiedenen Techniken gewonnen werden. Jetzt verspricht die MRT-Technik einen "one-stop-shop", in dem man alle wichtigen Aspekte der Herzdiagnostik in einer einzigen Untersuchung abdeckt. "Bei bestimmten Fragestellungen ist die MRT schon heute der Ultraschalluntersuchung des Herzens überlegen", erklärt Matthias Gutberlet, Oberarzt der Klinik für Strahlenheilkunde der Charité und Leiter der dortigen Arbeitsgruppe kardiovaskuläre MRT. "Dazu gehört die Darstellung der Blutvolumina, die durch die Herzkammern fließen." Für die MRT sind bislang keine Nebenwirkungen bekannt geworden. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass Patienten, die metallische Gegenstände oder Herzschrittmacher im Körper tragen, nicht per MRT untersucht werden dürfen.

Ähnlich viel versprechend wie in der Herzdiagnostik sind die Neuerungen im Bereich der Neuroradiologie. Während früher eine vollständige MRT-Untersuchung des Gehirns bis zu einer Stunde dauern konnte, ist heute ein Bild in Sekunden fertig. Das ermöglicht auch einen Einsatz der MRT in der Schlaganfalldiagnostik. Ein erfahrenes Team kann in 15 bis 20 Minuten das geschädigte Gehirngewebe beurteilen, Gefäßverschlüsse aufspüren und die Gewebeareale identifizieren, die durch eine Therapie "gerettet" werden können.

Seit einigen Jahren können Neurochirurgen auch in speziellen MRT-Geräten operieren. Gehirnaufnahmen während der Operation ermöglichen eine genaue Orientierung auf kleinstem Raum und eine exakte Beurteilung der Grenzen zwischen Tumor und gesundem Gewebe. Dazu werden mit der MR-Spektroskopie spezifische Stoffe nachgewiesen, die der Tumor produziert. Dies könnte in Zukunft die Entnahme von Proben zur Feststellung der Tumorart ersetzen. Nicht zuletzt lässt sich mit der so genannten funktionellen MRT die Aktivierung von Hirnarealen, etwa der Sprachregion, beobachten.

"Die MRT hat die neuroradiologische Diagnostik revolutioniert", sagt Professor Olav Jansen, Leiter der Sektion Neuroradiologie an der Neurochirurgischen Klinik der Universität Kiel. "Auf längere Sicht wird die MRT das Röntgen sicherlich in vielen Bereichen ersetzen."

Bei einer MRT-Untersuchung legt man den Patienten in ein starkes Magnetfeld. Die Kerne der Wasserstoffatome im Körper richten sich nun wie kleine Stabmagnete (Kernspins) nach dessen Linien aus. Sendet man Radiowellen in den Körper, so werden die Wasserstoffatomkerne angeregt und beginnen, sich wie kleine Kreisel um die Achse des lokalen Magnetfelds zu drehen. Dabei strahlen sie elektromagnetische Wellen ab: die "Resonanz" der Wasserstoffatomkerne. Die Stärke dieses Antwortsignals ist von der chemischen Umgebung abhängig und gibt Auskunft über die Beschaffenheit des Gewebes. Die Gehirnflüssigkeit erscheint etwa in bestimmten MRT-Aufnahmen sehr hell, während Knochen, der wenig Wasserstoffatome enthält, in diesen Aufnahmen kaum zu sehen ist.

Um dreidimensionale Bilder des Körperinneren zu erhalten, macht man sich zu Nutze, dass Wasserstoffkerne nur bei einer ganz bestimmten Magnetfeldstärke "antworten". Wenn man das Magnetfeld nun variiert, dann antworten immer nur die Wasserstoffkerne in der Schicht, die gerade die richtige Magnetfeldstärke aufweist. Ebene für Ebene wird so "gescannt". Die Informationen werden dann schichtweise zu einem 3-D-Bild zusammengesetzt.

Je stärker das Basismagnetfeld, umso höher die Auflösung. Zur Zeit sind Magnetfelder von 0,5 bis 1,5 Tesla Standard. 1,5 Tesla entsprechen dem 30 000fachen des Erdmagnetfeldes. Damit kann man einen Gehirntumor millimetergenau vom gesunden Gewebe abgrenzen. Um das sich bewegende Herz scharf abzubilden, müssen viele Schichtaufnahmen pro Zeiteinheit gemacht werden. Dies ist erst seit wenigen Jahren möglich. Neue Systeme können die Magnetfeldstärke innerhalb von Millisekunden ändern. Damit wird die "Scanner-Schicht" schnell genug bewegt, um das Herz aufnehmen zu können.

Der "one-stop-shop" für die Herzdiagnostik ist aber noch nicht ganz perfekt. "Noch liefert die MRT keine Echtzeitaufnahmen vom schlagenden Herzen", erklärt Gutberlet. Zwar ermöglichen neue Geräte mehrere Bilder pro Sekunde und damit eine Beurteilung der Herzfunktion; Echtzeit schafft jedoch bislang nur der Ultraschall. Stärkere Magnete und noch bessere Bildverarbeitungstechniken könnten dies in naher Zukunft ändern, meint Gutberlet. Erste Geräte mit einer Magnetfeldstärke von drei Tesla werden bereits an einigen Kliniken erprobt.

Die Welt 28.08.02

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