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Thema: Presse: Maßgeschneiderte Strategie gegen Glioblastome

Presse: Maßgeschneiderte Strategie gegen Glioblastome
redwood
30.09.2016 12:20:22
Maßgeschneiderte Strategie gegen Glioblastome

Glioblastome zählen zu den häufigsten und bösartigsten Hirntumoren. „Charakteristisch ist, dass die Tumorzellen eine große Verschiedenartigkeit aufweisen“, sagt Prof. Dr. Björn Scheffler vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn, der seit kurzem auch am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg forscht und eine Professur am Universitätsklinikum Essen innehat. Die Zellen in einem solchen Hirntumor können sehr unterschiedliche Eigenschaften wie zum Beispiel hinsichtlich der Größe der Zellen oder der Zahl der Zellkerne aufweisen. Weil die verschiedenen Krebszellen innerhalb eines Tumorgewebes auch unterschiedliche Abwehrmethoden gegen Therapiemaßnahmen entwickeln, gestaltet sich die Behandlung der Patienten außerordentlich schwierig. Nach einer operativen Entfernung, Bestrahlung und Chemotherapie kehrt diese Tumorart häufig wieder, Medikamente wirken dann meist nicht mehr.

Ein Team um Prof. Scheffler aus Forschern des Universitätsklinikums Bonn, des Life & Brain Zentrums, des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung, der Tufts University Boston/Massachusetts und weiterer Institute in den USA hat nun einen neuen Weg entwickelt, wie sich solch komplexe Hirntumore absehbar besser bekämpfen lassen. Aus Gewebe- und Zellproben von fünf Glioblastom-Patienten gewannen die Wissenschaftler insgesamt 33 individuelle, vermehrungsfähige Krebszellen, die im Labor zu sehr unterschiedlichen Tumoren heranwuchsen. Für jeden Patienten standen somit mehrere Testsysteme zur Verfügung, um die unterschiedlichen Facetten eines Tumors repräsentativ und separat untersuchen zu können.

Für jede individuelle Krebszelle werden 180 Wirkstoffe getestet

Um für jede einzelne dieser 33 Tumor-Facetten die beste Therapie zu finden, testeten die Forscher rund 180 verschiedene Wirkstoffe. Dabei machten die Wissenschaftler eine überraschende Beobachtung: „Ein und derselbe Wirkstoff konnte dafür sorgen, dass die meisten Tumor-Facetten abstarben“, berichtet Erstautor Roman Reinartz aus Prof. Schefflers Team. Die Krebszellen einzelner anderer Tumor-Facetten des gleichen Patienten überlebten die Behandlung allerdings und konnten sich sogar viel stärker vermehren. „Diese zunächst resistenten Tumor-Facetten ließen sich mit anderen Wirkstoffen dann viel wirksamer bekämpfen.“

Die Verschiedenartigkeit der Tumorzellen erfordert den Einsatz von kombinierten Therapiemaßnahmen. Wie viele Medikamente wären aber nötig, um alle Facetten eines Tumors wirksam zu bekämpfen? „Im besten Falle zwei“, erläutert Reinartz. Statt wie bisher auf zeitgleiche Anwendung von kombinierten Chemotherapien zu setzen, wollen die Forscher künftig nämlich schrittweise vorgehen. Und so könnte die Therapie der Zukunft aussehen: Um den Tumor an der Weiterverbreitung im Gehirn zu hindern, werden wie bisher Teile operativ entfernt. An den gewonnenen Gewebeproben könnten künftig Labortests durchgeführt werden, um das Ansprechverhalten der verschiedenen Tumor-Facetten zu katalogisieren. Für jeden Patienten könnte dann die geeignete Kombinationsbehandlung entworfen werden, die im ersten Schritt aus der Vielzahl unterschiedlicher Tumorzellen eine Anhäufung gleichartiger Krebszellen machen würde. Im zweiten Schritt könnte genau die Substanz herausgesucht werden, die die schärfste Waffe gegen die speziell angereicherte Tumor-Facette darstellt.

Wissenschaftler bringen Ordnung ins Chaos

Bislang verhindert die Verschiedenartigkeit der Krebszellen bei einem Glioblastom die erfolgreiche Behandlung, weil sich womöglich einige der resistenten Tumor-Facetten unter Chemotherapie verstärkt vermehren. Mit ihrer Methode bringen die Wissenschaftler nun Ordnung ins scheinbare Chaos. „Wie bei einem Auto, das in seine Einzelteile zerlegt und auf Schäden geprüft wird, untersuchen wir die verschiedenen Krebszellen“, vergleicht Prof. Scheffler die Vorgehensweise. Wenn die Eigenschaften der Zellen des Tumors bekannt seien, könne mit diesem Wissen das komplexe System in die richtige Richtung gelenkt werden.

Mit Förderung durch das Lichtenberg-Programm der VolkswagenStiftung haben die Forscher um Prof. Scheffler an der Universität Bonn rund acht Jahre die Eigenschaften und Mechanismen der Glioblastome untersucht. „Unsere Strategie kann die Therapiechancen künftig absehbar erheblich verbessern, weil der Weg über die Tumorproben uns eine sehr genaue Vorhersage für die maßgeschneiderte Behandlung der Patienten erlaubt“, sagt Prof. Scheffler. Die Forscher haben diese Schritte bereits an Mäusen erfolgreich nachvollzogen. Um die Therapie auch für Menschen verfügbar zu machen, ist jedoch noch weitere Forschung erforderlich.

Publikation: Functional Subclone Profiling for Prediction of Treatment-Induced Intratumor Population Shifts and Discovery of Rational Drug Combinations in Human Glioblastoma, Journal “Clinical Cancer Research”, DOI: 10.1158/1078-0432.CCR-15-2089

Quelle: IDW, http://medizin-aspekte.de/massgeschneiderte-strategie-gegen-glioblastome

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Achtung Veranstaltungstermin zum Thema Glioblastom:

Das Programm des Hirntumor-Informationstag ist verfügbar:

https://www.hirntumorhilfe.de/fileadmin/inhalte/Infotage/39-Hirntumor-Informationstag-Wuerzburg-2016-Programm.pdf

Anmeldung: https://forum.hirntumorhilfe.de/hirntumorinformationstag-anmeldung.html


Acht Hirntumorexperten werden auf der ganztägigen Veranstaltung am 29.10.2016 Innovationen und Standards bei der Hirntumortherapie vorstellen. Neben den konventionellen Behandlungsformen werden auch aktuelle kliniscge Studien, Komplementärmaßnahmen und die psychoonkologische Betreuung thematisiert.

Bei Podiumsdiskussionen und persönlichen Gesprächen mit den Referenten haben die Teilnehmer der Veranstaltung zudem die Möglichkeit, individuelle Fragen zu klären. Im zweiten Teil des Symposiums wird Patienten und Angehörigen die seltene Gelegenheit geboten, mit anderen Betroffenen in Kontakt zu treten, Tipps zum Umgang und zur besseren Bewältigung der Erkrankung auszutauschen sowie eigene Erfahrungen zu teilen.

Wir freuen uns über Eure / Ihre Teilnahme.
redwood
AntonS
02.10.2016 08:23:54
Vielen Dank für die Info! Sehr interessant...

Das spricht ja doch ein wenig für die experimentellen Kombinationen aus TMZ+Resochin/Methadon/CCNU, CUSP9 usw.
AntonS
styrianpanther
02.10.2016 11:22:41
@ AntonS ja schon, aber auch dann dagegen, falls die Wirkstoffen nicht zum Tumor des Patienten passen....

@ blue Gene: Danke für diese Informationen. sehr interessante nun publik gemachte Erkenntnisse, das geht immer mehr in Richtung individualisierte Krebstherapie

und es bestärkt mich in meiner laienhaften Vermutung/Annahme und Überzeugung, dass bei komplexen Tumorerkrankungen mehrere (Bekämpfungs-) Ansätze gleichzeitig in Betracht ziehen müssen um die vielfältige Resistenz und Überlebensfähigkeit von Tumorzellen auszuschalten.
Einerseits schulmedizinisch (zuerst OP , vielleicht wneiger Bestrahlung oder Chemo, mehr Immuntherapie usw. , wenn es nachweislich auch wirkt....) und auch die oft unterschätzte komplementäre zusätzlichen Behandlungen, die das Immunsystems im "Kampf" unterstützen (wobei man da ja auch acht geben muss, ob z.B. bestimmte pflanzliche Wirkstoffe wie indischer Weihrauch, Curcuma in Verbindung mit z.B Methadon sich in ihrer vermuteten Wirkung nicht aufheben usw. )

Ich hatte immer noch den einfachen Vergleich bzw. eine Vorstellung, bei meiner Erkrankung ist ein Zellsystem und vielleicht auch Immunsystem gestört, vgl. mit einem Kübel mit mehr oder weniger vielen Löchern aus dem Wasser ausläuft. Um diesen Kübel dauerhaft dicht zu bekommen, braucht es gleichzeitige Ansätze und die Rücksichtnahme, dass ein scheinbar repariertes Loch auch eine neues Loch verursachen kann oder ein anderes vergrössert. wie gesagt sehr vereinfacht.

hoffentlich dauert es nicht wieder eine gefühlte Ewigkeit bis das umgesetzt wird .

einen schönen Tag Euch !


styrianpanther
styrianpanther
AntonS
04.10.2016 21:11:18
@ styrianpanther: Danke für die Rückmeldung! Was spräche denn gegen eine Einnahme des Wirkstoffs, außer das er keinen Vorteil bringt? Ich verstehe den Artikel nicht so, das ein unwirksamer Wirkstoff zu einer"Verböserung" führt. Vielmehr werden nur die überlebenden Zellen bösartiger nach Anwendung eines an sich wirksamen Wirkstoffs. Der Grundsatz, so viele Zellen wie möglich zu bekämpfen, bleibt aber. Oder habe ich etwas falsch verstanden?
AntonS
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