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Katja[a]

Donnerstag 31. Oktober 2002, 07:51 Uhr
Mit «Trojanischen Pferden» in Nanogröße gegen Krebs


Der Junge hat einen aggressiven Tumor mitten im Hirn - Operation unmöglich. Unter Narkose bekommt er in die Geschwulst eine Flüssigkeit injiziert, in der sich winzige, mit Zucker ummantelte Eisenteilchen befinden. Anschließend wird sein Kopf einem elektromagnetischem Feld ausgesetzt, das die Eisenteilchen im Tumor erhitzt. Völlig schmerzlos.

Darauf folgt eine Chemotherapie. Nach einem Monat wiederholter Behandlungen ist die lebensgefährliche Geschwulst verschwunden. Zukunftsmusik? Nach Ansicht von Experten ist eine solche Therapie mit Hilfe von Nanopartikeln auf dem besten Wege, in absehbarer Zeit Wirklichkeit zu werden.

Zwar sind komplexe Nanoroboter, die in Gefäßen und Organen selbstständig Reparaturen durchführen, Blutgerinnsel beseitigen oder einzelne Krebszellen mit punktgenauen Laserstrahlen abtöten, noch ferne Utopie. Doch andere Ansätze stehen bereits mitten in klinischen Versuchen oder kurz davor. Nanoteilchen, nur wenige millionstel Millimeter groß, dienen dabei als trickreiche Akteure.

Recht weit ist etwa der Einsatz von winzigen Eisenoxidteilchen als Kontrastmittel bei der Kernspintomographie etabliert. Leberschäden, aber auch Herz- oder Lymphfunktionen können auf diese Weise hoch sensibel untersucht werden. Einer der Pioniere in der Krebstherapie mit Nanopartikeln ist der Biologe Andreas Jordan mit seinem Team an der Berliner Charité. Er macht sich die eisenhaltigen Nanoteilchen bei der Hyperthermie, der Überhitzung von Tumoren, zu Nutze.

Dazu umhüllt er die Eisenteilchen mit einer nahrhaften Schicht, so dass sie von den Tumorzellen gierig verschlungen werden: Werden die Eisenoxidteilchen dann jedoch durch das Magnetwechselfeld berührungsfrei erhitzt, bekommen die Krebszellen sozusagen hohes Fieber. Sie sterben ab oder werden zumindest empfindlich für eine anschließende Chemotherapie. «Hyperthermie kann die konventionelle Therapie nicht ersetzen, sie kann sie aber verbessern», sagt Jordan. Im Versuch mit Ratten war das Verfahren erfolgreich. Das erste, zehn Millionen Euro teure Therapiegerät für Menschen steht an der Charité schon zu Studien bereit.

Einen anderen Weg geht das Forscherteam um Prof. Jörg Kreuter an der Universität Frankfurt am Main: Die Wissenschaftler arbeiten daran, das Krebsmittel Doxorubicin mit «Trojanischen Pferden» durch die Blut-Hirn-Schanke hinweg direkt zum Hirntumor zu schleusen. Dazu binden sie das Medikament an Nanopartikel und versehen diese dann mit einer Hülle, die wiederum körpereigene Lipoproteine anzieht. Derart als Low-Density-Lipoproteine (LDL) getarnt können die Teilchen die Blut-Hirn-Schranke problemlos passieren, da LDL zur Versorgung der Nervenzellen notwendig ist. Im Tierversuch mit Ratten waren die «Trojanischen Pferde» erfolgreich, berichtet Kreuter: «40 Prozent der Ratten mit einem Glioblastom überlebten.»

Mit Antikörpern als «Lockmitteln» arbeiten die so genannten Nano- Shells, die an der Rice-Universität in Houston (US-Bundesstaat Texas) entwickelt werden: Es sind winzige, wärmeempfindliche Perlen aus goldbeschichtetem Glas. Füllt man diese nun mit Krebsmitteln und versieht sie mit Antikörpern, so dass sie sich an die Tumorzellen heften, so könne man sie durch gezielte Infrarotstrahlung zum Schmelzen bringen, hoffen die Forscher: Die Krebszelle würde punktgenau zerstört, während die Zellumgebung unbeschädigt bliebe.

Dies ist zwar ebenso wie viele andere Ansätze noch Theorie. Doch der sind getreu der Devise «Think small, think big» kaum Grenzen gesetzt: So sieht etwa die amerikanische National Nanotechnology Initiative es als Ziel und Herausforderung an, in absehbarer Zukunft via Nanotechnik nicht nur Knochen, Knorpel und Haut zu regenerieren, sondern auch kompliziertere Organe. Künstliche Gerüste könnten dabei die Vermehrung der Zellen steuern und Wachstumsrichtungen für die verschiedenen Zelltypen vorgeben

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