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Thema: Presse: Renaissance eines Heilmittels

Presse: Renaissance eines Heilmittels
Birgit[a]
04.01.2003 10:12:25
Renaissance eines Heilmittels

Weihrauch wirkt bei chronischen Entzündungen und könnte eine Alternative zu Cortison sein

Weihrauch (hier eine Darstellung aus dem Köhlerschen Pflanzenbuch des 19. Jahrhunderts) wächst vor allem in Indien. Pharma-Firmen, die auf die Wirkung der Pflanze als Arzneimittel setzen, haben dort bereits Weihrauch-Plantagen gekauft.


Sein herber Duft mag Katholiken aus dem Gottesdienst bekannt sein. Der Weihrauch gehörte neben Gold und Myrrhe aber auch zu den Kostbarkeiten, mit denen die Heiligen Drei Könige das Christuskind beschenkten. Um die Bedeutung des Weihrauchs als Naturheilmittel wusste man bereits im Altertum. Studien des Tübinger Pharmakologen Prof. Hermann P. T. Ammon haben gezeigt, dass Weihrauch in manchen Fällen so wirksam ist wie Cortison, hingegen keine Nebenwirkungen hat. Ammon setzt sich nun für die rechtliche Zulassung von Weihrauch als Medikament ein.

Seit 5000 Jahren werden in der ayurvedischen Medizin Indiens die vielfältigsten Leiden mit dem Harz des Weihrauchs behandelt. Bis in die 1950er-Jahre war Weihrauch selbst im deutschen Arzneimittelbuch verzeichnet, verschwand dann aber, weil keine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über seine Wirkung vorlagen. Mittlerweile gibt es mehrere Studien, die bestätigen, dass Weihrauch bei gewissen Erkrankungen eine Alternative zu Cortison sein könnte.

Bereits vor mehreren Jahren untersuchten Professor Ammon und sein Assistent, der Biochemiker Hassan Safayhi, die Inhaltsstoffe und die Wirkung des "weißen Pulvers", das Ammon einst von einem Indien-Aufenthalt mitbrachte. "Die Überraschung war groß", erinnert sich der Pharmakologe. "Das Weihrauchharz hat die Bildung von Leukotrienen unterdrückt, die dafür mitverantwortlich sind, dass der Entzündungsprozess bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie Polyarthritis, Asthma, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn (beides chronische Darmentzündungen) aufrecht erhalten bleibt."

Die Wirkung des Weihrauchs geht von den so genannten Boswellia-Säuren aus, die sich neben ätherischen Ölen und Schleimstoffen in dessen Harz befinden. Aufgrund dieser vielversprechenden Erkenntnis wollten Ammon und Safayhi eine Pilotstudie machen. Mit dem Vorhaben stießen die beiden Naturwissenschaftler im Kollegenkreis indessen auf wenig Verständnis. "Man lachte!", ärgert sich Ammon. Und das, obwohl es für chronische Entzündungskrankheiten bisher außer Cortison, das erhebliche Nebenwirkungen hat, keine hilfreichen Medikamente gibt. Daraufhin habe man in Indien eine Pilotstudie gemacht. Patienten mit Colitis ulcerosa wurden dabei sechs Wochen mit einem Extrakt aus Boswellia-Säuren behandelt - "die Erkrankung besserte sich deutlich". Eine weitere Studie habe bewiesen, dass Asthma-Patienten bei Einnahme eines Weihrauchproduktes weniger Atemnot und weniger Anfälle hatten. "Inzwischen gibt es zudem eine vielversprechende Studie zu Morbus Crohn."

Im Altertum wurden Tumore und Geschwülste mit Weihrauch behandelt. Die Tübinger Wissenschaftler haben bei Patienten mit Hirntumoren die Erfahrung gemacht, dass sich das Ödem, das sich um einen Tumor bildet, durch die Einnahme von Weihrauch verringern kann. Keine Studien liegen bislang vor, die beweisen könnten, dass sich ein Tumor durch die Behandlung mit Weihrauch zurückbildet. Immerhin gibt es bisher ein gemeinsames Labor-Experiment mit der Kinderklinik, bei dem im Reagenzglas Leukämie-Zellen gezüchtet und mit Boswellia-Säuren versetzt wurden. "Die Vermehrung der Krebszellen wurde durch die Boswellia-Säuren unterdrückt. Die Zellen wurden sogar zum Selbstmord getrieben", erläutert der Pharmakologe.

Um diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen zu können, brauche man jedoch "saubere" klinische Studien. Die toxikologischen und vorklinischen Untersuchungen seien ja größtenteils gelaufen. Ammon möchte nun zusammen mit einer "kleinen" pharmazeutischen Firma in Freiburg Studien machen, um die Zulassung für Weihrauch zu erreichen. Das große Problem dabei: "Solche Untersuchungen kosten viele Millionen Euro", betont der Pharmakologe. Teuer seien die Studien deshalb, weil die Wirkung des Weihrauchs eben nicht nur bei einer, sondern verschiedenen Krankheiten getestet werden soll. Auch für die Krebsforschung könnten Weihrauch-Präparate ganz neue Perspektiven eröffnen. Außer Magen-Darm-Unverträglichkeiten sind bislang keine Nebenwirkungen bekannt. Der Vorteil sei zudem, dass man einen nachwachsenden Rohstoff habe und keine chemischen Produkte brauche.

Mittlerweile werde durch diese Tübinger "Initialzündung" viel über Weihrauch geforscht. "Wissenschaftler aus den USA oder China haben sich drangehängt", sagt Ammon. "Viele Firmen haben bereits Weihrauch-Plantagen in Indien gekauft." Die große Pharmaindustrie halte sich bislang aber zurück. "Ob da was läuft, wissen wir nicht." Ammon warnt indessen vor gewissen Weihrauchprodukten, die im Handel erhältlich sind. Manche Hersteller würden die kostspielige Zulassung umgehen, indem sie Weihrauchprodukte als Nahrungsergänzungsmittel anbieten. "Sie sind wissenschaftlich nicht untersucht, auch ist deren pharmazeutische Qualität unklar", betont der Pharmakologe. Die Einnahme könne gefährlich sein, "weil sich im Weihrauch auch Stoffe befinden, die bei falscher Dosierung die Leukotrien-Synthese steigern und damit die Krankheit verschlimmern könnten."


Text: Susanne Wiedmann
SCHWÄBISCHES TAGBLATT 04.01.2003
Online Redaktion: Wolfgang Brenner
Birgit[a]
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