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Jörg[a]

Aus der FTD vom 4.8.2003
Schneiden mit dem Solar-Skalpell
Von Jan Oliver Löfken und Vardina Hilloo

Klassische Operationstechniken bekommen verstärkt Konkurrenz. Forscher setzen dabei auf Sonnenlicht und elektrische Felder.


Heiß und grell scheint die Sonne über Beer-Sheva am Nordrand der Negev-Wüste. Keine Wolke trübt den blauen Himmel. Beste Operationsbedingungen für Jeffrey Gordon und Daniel Feuermann: Sie schneiden mit gebündeltem Sonnenlicht in lebendes Gewebe.

"Der große Vorteil liegt in den potenziell geringeren Kosten im Vergleich zu konventionellen Laserverfahren", sagt Gordon, der mit seinen Kollegen an der israelischen Ben-Gurion-Universität die Solarchirurgie entwickelt hat. Erstmals schnitten die Wissenschaftler nun mit ihrem Sonnenskalpell in die Leber von betäubten Ratten. Wie ihr Bericht in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" zeigt, funktioniert das Operieren mit Sonnenlicht ähnlich gut wie die Chirurgie mit den weit verbreiteten und teuren Lasern.


Mit diesem Solarskalpell wollen die beiden Forscher moderne Chirurgieverfahren auch für Krankenhäuser erschwinglich machen, die sich in sonnensicheren Regionen oft keinen Laser leisten können. Messerschnitte, so fein sie auch sein müssen, werden bei immer mehr Eingriffen durch berührungslose Methoden ersetzt.


Laserlicht ist gerade bei Augenoperationen nicht mehr wegzudenken. Hauttumore und Risse in der Netzhaut werden durch das intensive Licht weggebrannt oder zusammengeschweißt. Auch lokal begrenztes Schockfrieren oder gebündelte Ultraschallwellen können krankhaftes Gewebe mit weniger Blutungen und geringerem Risiko schonender vernichten.



Sonnenlicht bietet sich an


Für den Einsatz am biologischen Gewebe eigne sich die Sonnenstrahlung besonders gut, berichten Gordon und Feuermann. Denn das Sonnenlicht ist so zusammengesetzt, dass es gut in das Gewebe eindringen kann. Der Aufbau des Operationswerkzeugs ist vergleichsweise einfach: Über einen Parabolspiegel fokussieren die Forscher das Licht der Sonne auf eine kleine Fläche, von der aus es in ein Glasfaserkabel gelangt. Dieses Kabel leitet die Strahlung ohne großen Verlust bis zu 20 Meter weit. Die Spitze des Kabels ist das eigentliche Skalpell. Mit Leistungen zwischen zwei und drei Watt - das ist rund 10.000-mal intensiver als der einfache Sonnenstrahl - verbrannten die Wissenschaftler gezielt Leberzellen der betäubten Versuchstiere.


Wie ein starker Laser kann auch das gebündelte Sonnenlicht einige Millimeter tief in das Gewebe eindringen. Das Risiko, dass sich der Operateur die Augen verletze, sei geringer als bei der Lasertechnik, sagt Gordon. Gelangt nämlich der Laserstrahl versehentlich auf die Netzhaut des Chirurgen, sind die Schäden oft irreversibel und reichen bis zur Blindheit. Bei konzentriertem Sonnenlicht bestehe dieses Risiko nicht.


Setzen Laserchirurgen und die israelischen Sonnenforscher auf die Hitze eines Lichtstrahls, wollen Entwickler von Carl Zeiss im schwäbischen Oberkochen auch ohne direkten Kontakt und vor allem kalt schneiden. Winzige, kollabierende Blasen sollen die Präzision gerade bei Augenoperationen verbessern. Diese Blasen werden in der feinen Spitze eines "Plasmamessers" erzeugt und sollen das Erblindungsrisiko der Patienten senken.



Präzise und schonend


"Mit dem Plasmamesser kann der Augenchirurg dünne, exakte Schnitte von rund 100 millionstel Meter Breite setzen", sagt Hans-Joachim Miesner, Projektleiter bei Carl Zeiss. Von großem Vorteil ist dabei, dass das Plasmaskalpell die direkte Umgebung um den Schnitt nicht aufheizt und sich in seiner Wirkung besser als ein Laser dosieren lässt. "Benachbarte Zellen werden dadurch eher verschont als bei Schnitten mit Lasern oder Mikroscheren, weil gesundes und krankes Gewebe auf der Netzhaut nah beieinander liegen."


Erzeugt wird das Plasma durch hohe elektrische Feldstärken in der filigranen Spitze des Hightech-Messers. Dabei trennen sich in einer umgebenden Kochsalzlösung Elektronen von ihren Atomen und bilden eine Plasmawolke aus positiv geladenen Ionen. Auf engstem Raum wachsen in diesem vierten bekannten Zustand der Materie - neben fest, flüssig und gasförmig - millionstel Meter (Mikrometer) kleine Blasen. Doch diese sind nicht stabil und fallen nach Bruchteilen einer Sekunde mit enormer Geschwindigkeit in sich zusammen - sie kollabieren. Bei diesem Kollaps entsteht eine Schockwelle, die das unmittelbar benachbarte, krankhafte Gewebe zerstört.



Plasmamesser im Test


Amerikanische und deutsche Augenchirurgen haben bereits Prototypen des Plasmamessers getestet. Ebenfalls weit vorangeschritten ist die Entwicklung einer Technik, bei der Ultraschall genutzt wird, um Hirntumore zu zerstören. Ein Öffnen der Schädeldecke ist nicht mehr nötig. Die Firma Insightec aus dem israelischen Haifa hat jetzt die Zulassung von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA erhalten, klinische Versuche an Patienten zu beginnen, die sich im Endstadium einer Hirntumorerkrankung befinden.


Insightec hat ein Skalpell entwickelt, das durch Hochleistungsultraschall das Krebsgewebe ins Visier nimmt, ohne umgebendes gesundes Gewebe zu zerstören. Mit Hilfe der Magnetresonanztomografie überprüfen die Ärzte den Erfolg der Operation. Dov Maor, Vize Präsident von Insightec, gibt sich optimistisch: "Die Wirksamkeit wird in naher Zukunft auch an Tumoren in der Leber, der Prostata und den Nieren klinisch getestet werden."

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