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Sprachverlust durch Krankheit
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Wie kleine Kinder in einem fremden Land
Bei den einen war es ein Schlaganfall, bei den anderen ein sich schleichend entwickelnder Gehirntumor oder aber ein schwerer Unfall - Krankheiten, die das Sprachzentrum des Gehirns geschädigt haben. Insgesamt können fast 400 000 Menschen in Deutschland nach einem solchen Ereignis weder sprechen noch schreiben oder etwas verstehen. Dennoch sind sie in der Lage, normal zu denken, und haben dieselben Bedürfnisse wie gesunde Menschen auch.
Wie kleine Kinder oder Besucher in fremden Ländern müssen diese Patienten wieder mühsam Worte, Begriffe und Zahlen erlernen.
Bis zu 80 000 dieser so genannten Aphasiker kommen bundesweit pro Jahr hinzu. "Aphasie, das heißt völliger oder teilweiser Verlust des Sprachvermögens oder des Sprachverständnisses", sagt der neurologische Chefarzt Ulrich Jobst vom Aphasie-Stützpunkt des Saarlandes in St. Wendel: "Eine Pille oder ein Medikament, mit dem man die plötzlich verlorene Sprache wiedererlangt, gibt es aber leider nicht", weist er aber zugleich auf die begrenzten Therapiemöglichkeiten hin.
Schon solch relativ einfache Dinge wie sich selbst anzuziehen, etwas zu organisieren oder Einkaufen fällt den betroffenen Aphasikern, die nicht mit geistig Behinderten gleichzusetzen sind, deshalb meist schwer.
Hier setzt das aus einer Selbsthilfegruppe des Bundesverbandes der Aphasiker (Würzburg) entstandene neue Zentrum in St. Wendel an: Eine Logopädin (Sprachheilkundlerin) sowie ein Sozialarbeiter und Sozialpädagoge versuchen den Patienten auch mit Hilfe von Bildwörterbüchern und neuerdings Computerprogrammen beizubringen, wie sie sich überhaupt wieder verständlich machen können: "Sie deuten auf Wasser, wenn sie Durst haben, und lernen wie ein kleiner Sprössling, dass ein Hund Hund genannt wird."
Bundesweit gibt es außer in St. Wendel noch in Bad Orb, Reichshof (Nordrhein-Westfalen), Bayreuth, Bad Düben (Sachsen-Anhalt) und Plau am See (Mecklenburg-Vorpommern) Zentren für Aphasiker. "Deren Rehabilitation kann jahrelang dauern, durch entsprechende fachkundige Begleitung aber beschleunigt und vorangetrieben werden. Nur fünf bis sieben Prozent sind fast gar nicht therapierbar", sagt Jobst: "Der Aphasie-Stützpunkt stellt eine wohnortnahe Anlaufstelle dar, die den Betroffenen und ihren Angehörigen bei der Bewältigung einer Vielzahl von Problemen Hilfestellung bietet." Ziel ist es, den Betroffenen ein neues Selbstwertgefühl zu vermitteln und ihnen somit den Weg in ein halbwegs "normales Leben" zu öffnen. dpa
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Copyright © Frankfurter Rundschau 2001
Dokument erstellt am 18.06.2001 um 21:20:39 Uhr
Erscheinungsdatum 19.06.2001