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Stellungnahme der DGHO vom 26.04.2017

Methadon bei Krebspatienten: Zweifel an Wirksamkeit und Sicherheit

Ulrich Schuler, Bernhard Wörmann, Arbeitskreis Palliativmedizin

Unter dem Titel „Methadon – Warum ein preiswertes Mittel für Krebspatienten nicht erforscht wird“ hat das Politmagazin Plusminus am 12. April 2017 über Heilversuche mit diesem Opioid berichtet [1]. Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. beschäftigt sich intensiv mit neuen Krebsmedikamenten [2], auch mit komplementären Verfahren [3]. Bei Methadon hat sie Anlass, vor unrealistischen Erwartungen und möglichen Gefahren zu warnen.


Studie von Onken, Friesen et al. bei Patienten mit Gliomen

Der Plusminus -Bericht beruht im Wesentlichen auf der im März 2017 veröffentlichten, retrospektiven Studie von Onken, Friesen et al. [4]. Sie wurde an 27 Patienten mit Gliomen in unterschiedlichen Stadien (II-IV), unterschiedlichen Krankheitssituationen (Erstdiagnose, Rezidiv) und mit unterschiedlichen Risikofaktoren durchgeführt. Alle Patienten erhielten auch Chemotherapie, die meisten Temozolomid, einige zusätzlich Bevacizumab. Die Dosierung von D,L-Methadon wurde von anfänglich 5 mg pro Tag auf 15 bis 35 mg pro Tag gesteigert, abhängig von der Verträglichkeit. Für die Mehrzahl der Patienten wurden keine Nebenwirkungen registriert, einige Patienten litten unter Übelkeit und Verstopfung. Laut der Veröffentlichung hatten nur 9 der 27 Patienten zum Zeitpunkt der Auswertung einen Rückfall. Die informative Tabelle III in der Publikation ist bei zwei Patienten fehlerhaft (Patient 15 und 20) und
in der Berechnung der progressionsfreien Überlebenszeit unscharf (Berechnung ab Erstdiagnose oder ab Beginn der Behandlung mit Methadon). Bei den dargestellten Krankheitsbildern ist unklar, ob die günstigen Therapieverläufe zwingend auf die Methadon-Einnahme zurückzuführen sind.


Stellungnahmen anderer Fachgesellschaften und Institutionen

Auf der Basis früherer, ähnlicher Berichte hatte die Neuroonkologische Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft (NOA) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bereits am 26. März 2015 eine gemeinsame Stellungnahme [5] abgegeben, die auf die unzureichende Datenbasis verweist und vor Risiken unkontrollierter Off-Label Anwendungen warnt. Auch in einer Stellungnahme der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm vom 23. August 2016 wird darauf hingewiesen, dass „die Angaben zum Erfolg der Behandlung [ … ] nicht auf wissenschaftlichen Publikationen [beruhen]“und „nicht überprüfbar“ sind [6]. Es lasse sich daher nicht beurteilen, ob bei diesen Patienten ein möglicher Therapieerfolg auf Grund der Einnahme von Methadon eingetreten sei. Weiterhin hat der Arbeitskreis Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft in der Zeitschrift „Der Schmerz“ im Januar 2017 eine kritische Stellungnahme [7] publiziert. Darin wird insbesondere auf
das Nebenwirkungsprofil und die differenzierte juristische Lage abgehoben.


Weitere Studien zur Wirksamkeit

Die Arbeiten von Frau Friesen werden wahrgenommen und haben zu kritischen Diskussionen geführt. Da Methadon in den USA weitaus häufiger als in Deutschland eingesetzt wird, wurde der Gedanke aufgegriffen und auf deutsche Initiative hin am MD Anderson Cancer Center in Houston eine retrospektive Untersuchung [8] durchgeführt, um Auswirkungen von Methadon auf den Tumorverlauf zu erfassen. Ausgewertet wurden Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, die für eine Umstellung der Schmerztherapie aufgenommen worden waren. Dabei erfolgte bei 76 Patienten eine Umstellung auf Methadon. In gematchten Vergleichsgruppe von 88 Patienten wurden andere Opioide eingesetzt. Ein signifikanter Unterschied im Überleben der Patienten zwischen den beiden Gruppen konnte nicht nachgewiesen werden.


Risiken von Methadon

Risiken der Substanz lassen sich quantifizieren. Die Auswertung einer Arbeitsgruppe aus Tennessee untersuchte von 1997 bis 2009 den Langzeitverlauf von Patienten mit nicht-tumorbedingten Schmerzen,
die Verordnungen für Morphin oder Methadon erhalten hatten [9]. In der Auswertung standen über 30.000 Patienten mit Morphin etwa 6.000 Patienten mit Methadon gegenüber. Das Risiko zu versterben war unter Methadon um 46 Prozent gesteigert (p <0,001). Schon die niedrigsten Methadon-Dosen führten im Vergleich zu den niedrigsten Morphin-Dosen (<60 mg/Tag) zu einem gesteigerten Sterberisiko mit einer Hazard Ratio von 1,59 (CI 1,01-2,51, p=0,046).

Schlussfolgerungen

Die vorgelegten Daten zur Wirksamkeit von Methadon bei Patienten mit Gliomen beruhen auf einer einzigen, unkontrollierten Studie. Diese Daten müssen in kontrollierten Studien überprüft werden, idealerweise in einer randomisierten Studie, alternativ in einer Fall-Kontroll-Studie. Eine kurzfristige Option ist die Durchführung einer Bestfall-Analyse anhand der vorliegenden Dokumentationen. Hierbei kann die DGHO unterstützend tätig werden. Auf der Basis der bisher vorliegenden Daten zur Wirksamkeit und des möglichen Risikos einer erhöhten Sterblichkeit ist eine unkritische Off-Label-Anwendung von Methadon nicht gerechtfertigt.


Quellen
1. Methadon als Krebsmittel, http://www.ardmediathek.de/tv/Plusminus/Methadon-als-Krebsmittel/Das-Erste/Video?bcastId=432744&documentId=42130112
2. https://www.onkopedia.com/de/drug-assessment/guidelines
3. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines.
4. Onken J, Friesen C, Vajkoczy P, Misch M: Safety and Tolerance of D,L-Methadone in Combination with Chemotherapy in Patients with Glioma. Anticancer Res. 37:1227-1235, 2017. http://ar.iiarjournals.org/content/37/3/1227.long

della

Hallo Josh,

worauf bezieht sich Deine Ironie? Die Dosis-Angaben stimmen doch, oder hab ich da was falsch verstanden?

Viele Grüße
della

Josh

Stimmt. Sorry, war ein Fehler meinerseits. Ich habe das pro Einnahme gesehen statt pro Tag. Danke für den Hinweis.

Viele Grüße
Josh

AntonS

- Die Fallsammlung der Charité mit den 27 Patienten hat wenig mit der Wirksamkeit sondern eher mit der Verträglichkeit zu tun. Es wird lediglich eine Vermutung einer möglichen Wirksamkeit geäußert und Studien gefordert.
- Die Untersuchung am MD Anderson Cancer Center in Houston erfasst Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, die zur Schmerztherapie Methadon erhalten haben. Ob es eine Chemo dazu gab, wird nicht berichtet. Das ist hier jedoch äußerst wichtig, wenn es schon um die Wirksamkeit geht.
- Die Auswertung der Arbeitsgruppe aus Tennessee hat wohl gar nichts mit Krebs zu tun. (Nicht-tumorbedingte Schmerzen). Welche Patienten mit welchen Erkrankungen berichtet werden ist nicht erkennbar. Warum das Sterbensrisiko vom Methafon kommen soll, auch nicht.

Kein Mittel dieser Welt sollte unreflektiert eingesetzt werden. Dies gilt selbstverständlich für Methadon genauso wie für eine Chemo, Avastin, NEM oder etwa Paracetamol.
Warum aber die angeführten Erkenntnisse aus den USA zu dieser Schlussfolgerung angeführt werden, erschließt sich mir nicht. Erst recht nicht, warum sie zur Diskussion, ob Methadon ein Wirkverstärker der Chemo ist, angeführt werden.

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