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Viren gegen Krebs?

Tumortherapie: Suche nach Methoden, um wuchernde Zellen von innen zu zerstören

Bei über einem Drittel aller Krebsformen sind Viren an der Entstehung beteiligt. Umgekehrt denken Ärzte seit rund 100 Jahren darüber nach, Viren für die Krebsbekämpfung nutzbar zu machen, weil sie hierfür prädestiniert sind: Sie dringen in Zellen ein, benutzen deren Lebens-Maschinerie zur Vermehrung, bringen sie zum Platzen, strömen aus und stürzen sich auf ein neues Opfer.

Biotechnologen nutzen Viren deshalb bereits, um Medikamente in kranke Zellen einzuschleusen und dort zu deponieren. Wirkungsvoller wären allerdings solche Viren, die Krebszellen von sich aus töten, gesundes Gewebe aber verschonen.

Die Hoffnung, dass es solche Viren tatsächlich geben könnte, wurde unter anderem geschürt durch die Beobachtung, dass bei einem Drittel der dokumentierten Fälle von Krebs-Spontanheilungen hohes Fieber, wie es für Infektionen typisch ist, im Spiel war.

Diese Beobachtung hat zum Beispiel mit dazu geführt, dass manche Patienten begleitend zu einer Chemotherapie in einen künstlichen Fieberzustand versetzt werden.

Fündig wurde vor sechs Jahren ein Team der Universität Calgary in Kanada. Die Forscher brachten in Mäusen Tumoren durch Injektionen mit für Menschen relativ harmlosen Reoviren - sie verursachen höchstens Fieber und Durchfall - zum Verschwinden.

Der Trick beruht darauf, dass bei gut der Hälfte aller Krebsformen das sogenannte RAS-Protein in Übermengen vorhanden ist. Es ermöglicht die unkontrollierte Teilung der Krebszellen. RAS behindert gleichzeitig aber auch ein Enzym (Proteinkinase PKR), das zur Abwehr von Viren notwendig ist. Deshalb können sich Reoviren in RAS-positiven Tumoren gut vermehren und sie zerstören.

An diese Arbeiten knüpft derzeit der Kinderonkologe Professor Norbert Graf am Universitätsklinikum Homburg an. Im Visier hat er das Glioblastom, einen bösartigen Hirntumor, der als unheilbar gilt.

"Hirntumoren sind nach den Leukämien die zweithäufigste Krebserkrankung im Kindesalter. Bei ungefähr einem Drittel der betroffenen Kinder finden wir dabei einen bösartigen Tumor, unter anderem auch das Glioblastom. Die meisten von ihnen sterben trotz Chemobehandlung und ergänzender Bestrahlung", sagt Graf.

Um den bösartigen Hirntumoren systematisch zu Leibe rücken zu können, hat Graf nun ein Netzwerk aus Neuropathologen, Radiologen, Humangenetikern, Virologen, Hämatologen und Onkologen aufgebaut, das im Detail die Reaktion von Tumorgewebeproben auf neuartige Medikamente und die Reoviren untersucht und dokumentiert.

Hinsichtlich der Viren teilt Graf jedoch nicht ganz den Optimismus anderer Mediziner: "Wir wissen, dass Reoviren solche Zellen zerstören, die genügend RAS-Protein haben. Das gilt aber bei weitem nicht für alle Zellen eines Tumors".

Nur in den seltensten Fällen seien alle Zellen im Tumorgewebe gleich beschaffen. "Daher besteht die Gefahr, dass nach einer reinen Behandlung mit Viren aggressive Zellen übrig bleiben und sich daraus erneut ein Tumor bildet", so der Kinderonkologe.

Daher untersuchen die Forscher parallel dazu solche Wirkstoffe, die direkt in den Ablauf der Zellteilung eingreifen und von denen man hofft, dass sie das Tumorwachstum stoppen.

Wolfgang Kappler
28.7.2004 Echo-online

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