Katja[a]
Wirkung von Zytostatika durch Glukokortikoide gehemmt
Steroidhormone wie Dexamethason verhindern in Zell- und Tierversuchen programmierten Zelltod / Überprüfung in Studien gefordert
Forscher in Heidelberg haben in Zell- und Tierversuchen herausgefunden, daß etwa Dexamethason auf molekularer Ebene die Apoptose bei Krebszellen beeinflußt. Möglicherweise hemmt die begleitende Glukokortikoid-Applikation bei Chemo- und Strahlentherapie den zytostatischen Effekt.
Die Krebsforscher Professor Magnus von Knebel Doeberitz und Privatdozentin Dr. Ingrid Herr aus Heidelberg sowie Professor Klaus Michael Debatin aus Ulm haben entdeckt, daß Zellen solider Tumoren wie Zervix- und Lungenkarzinom unter dem Einfluß von Glukokortikoiden schneller wachsen (Cancer Research, 63, 2003, 3112). Proapoptotische Gene werden in den Zellinien dieser Tumoren durch Glukokortikoide offenbar verstärkt stillgelegt. Dies basiere hauptsächlich auf der verringerten Aktivität der Enzyme Caspase-8, Caspase-9 und Caspase-3, die für den programmierten Zelltod wichtig sind. Denn werden die Gene für diese Enzyme wieder in die Tumorzellen geschleust, so werden die Zellen wieder empfänglich für das Todessignal der Apoptose; sie gehen unter. Anders ist dies bei Leukämiezellen: Hier sind diese Enzyme als Folge der Glukokortikoid-Therapie verstärkt aktiv, die Zellen sterben somit rascher ab.
Bislang werden Glukokortikoide generell als Begleitmedikation in der zytostatischen Therapie verabreicht, weil sie zum einen einen antiemetischen Effekt haben, zum anderen das gesunde Gewebe schützen. Sollten die experimentellen Ergebnisse bereits zu einem Umdenken in der Krebsbehandlung führen, obwohl die molekularen Mechanismen im einzelnen noch nicht geklärt sind?
Von Knebel Doeberitz hält angesichts dieser Ergebnisse klinische Studien für dringend erforderlich, wie er zur "Ärzte Zeitung" gesagt hat. Derzeit wird von der Forschergruppe die Wirkung der Glukokortikoide auf unterschiedliche Krebsarten experimentell überprüft. Jedoch ist der antiapoptotische Effekt durch Kortison bei soliden Tumoren nach Angaben von von Knebel Doeberitz ein grundsätzliches Prinzip, das nicht nur bei Plattenepithelkarzinomen, sondern auch bei Adenokarzinomen gilt. Man könne also recht sicher davon ausgehen, daß es bei allen soliden Tumoren zutreffe. Der Effekt sei in den Versuchen unabhängig von der Art des Zytostatikums aufgetreten. Die Ergebnisse sollten bereits Anlaß sein, darüber nachzudenken, ob man in der Krebstherapie den antiemetischen Effekt nicht anders, etwa durch Höherdosieren der Antiemetika, erreichen kann. Die Änderung des derzeit gängigen Therapieregimes erfordere klinische Studien.
HEIDELBERG (bd).
Ärzte Zeitung 18.06.03