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Thema: Presseschau Methadon

Presseschau Methadon
muggel
27.03.2019 11:23:26
Im Netz gefunden:

Der Fall Methadon

Über Krebs und Hoffnung

Seit einem Jahr elektrisiert eine Zufallsentdeckung die Krebsmedizin: Methadon, eine Substanz, die aus der Drogenersatztherapie bekannt ist, soll wahre Wunder wirken. Krebspatienten, die mit Methadon behandelt wurden, leben. Doch heißt das auch: Methadon heilt Krebs?

"Ich bin wieder da, und ich kann weiterleben, ich muss nicht sterben. "
"Ich konnte es nicht glauben, wie ich die Aufnahmen gesehen hab, dass da fast nichts mehr zu sehen war von den Metastasen."
"Ungefähr zwei Drittel der Patienten erfahren eine Minderung oder gar Verschwinden ihrer Tumorerkrankung.
"Und so fangen wir diesen Beitrag an: Da sind zwei Überlebende, die dank Methadon überlebt haben, und ein Arzt, der sagt: Zwei Drittel aller Krebserkrankungen verschwinden - da fällt mir nichts mehr ein."
Mediale Aufmerksamkeit erzeugt großen Druck

"Der ganz entscheidende Punkt war wirklich, dass ein sonst für sehr seriös eingestufter Sender das so gebracht hat. Es ist ja das erste Mal, dass wir, zumindest in der Onkologie, eine solche mediale Aufmerksamkeit für ein Thema haben und einen so hohen Druck bei den Patienten", sagt Jutta Hübner: "Ich hatte 40.000 Anfragen von Patienten im letzten Jahr. Und die meisten Patienten, die bei mir ankamen, waren austherapierte Patienten, wo der Arzt gesagt hat: Tut uns leid, wir haben keine Option mehr für sie. Es waren Patienten, die dann andere Opioide, Opiate hatten, und die wurden von Schmerztherapeuten auf Methadon umgestellt - einerseits weil es ein gutes Schmerzmittel ist, und andererseits natürlich auch die Hoffnung, vielleicht länger zu leben. "

"Das sind ja nicht ein, zwei oder drei Patientenfälle, wo man immer nur sagen könnte: Zufall, Zufall, Zufall", sagt die Chemikerin Claudia Friesen. Sie arbeitet am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Ulm. Es ist ihre Beobachtung, die Krebspatienten seit vergangenem Jahr elektrisiert. Krebspatienten, die mit Methadon behandelt wurden, leben.

Heißt das auch: Methadon heilt Krebs? Ein YouTube-Video der Veranstalter zeigt Claudia Friesen am Rande eines Kongresses für Biologische Krebsabwehr: "Das sind Pankreaspatienten, die eigentlich, zum - ja zum Sterben entlassen wurden und die jetzt Methadon genommen haben. Die wurden nur in der Schmerztherapie umgestellt. Und, ja, der eine ist im Moment gerade in Skiurlaub", so Claudia Friesen.

Zufallsfund wird zur Sensation

Nahezu jedes Medium hat im letzten Jahr berichtet über das Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide, das vielen auch aus der Drogenersatztherapie bekannt ist. Unter Patienten wird Methadon seither als potenzielle Wunderwaffe gegen den Krebs gehandelt.

Schwerstkranke bestürmen ihre Onkologen. Viele beschaffen sich das Mittel ohne Wissen des behandelnden Arztes. Der Druck ist so groß, dass Methadon mittlerweile wohl bei mehreren hundert Krebspatienten eingesetzt wird, ohne für diesen Zweck zugelassen zu sein.

Der Medizinjournalist Marcus Anhäuser: "Das Problem ist, dass an dem Punkt darüber berichtet wird, an die Öffentlichkeit gegangen wird, obwohl wir zugeben müssen: Wir wissen fast nichts. Und es wird aber so dargestellt, als wüssten wir eine ganze Menge, dabei haben wir nur einen Verdacht."

Die Geschichte beginnt mit einem Zufallsfund in Ulm. Ursprünglich wollte Claudia Friesen nur die molekularen Mechanismen von Opioiden erforschen. Dafür brauchte sie Zellen, die dafür empfänglich sind.

Claudia Friesen: "Bei mir im Labor waren das damals die Leukämiezellen. Die haben wir mit verschiedenen Opioiden behandelt, ja, und Methadon hat die Leukämiezellen zerstört. Und für mich war das damals ein ungewöhnlicher Befund, ich habe eher gedacht, es wäre ein Fehler, hab die aber mehrmals reproduziert und kam zum gleichen Ergebnis."

Folgeexperimente ergaben, dass nicht alle Leukämiezellen im Reagenzglas durch Methadon starben. Friesen erprobte Methadon daraufhin als Wirkverstärker in Kombination mit dem Chemotherapeutikum Doxorubicin.

Claudia Friesen: "Wir haben aber nicht nur Leukämiezellen untersucht, mittlerweile haben wir viele viele Tumorzellen untersucht, und wir kommen immer zum gleichen Schluss: dass Methadon in diesen Tumorzellen, die die Opioidrezeptoren besitzen, einen Zelltod auslösen kann."

Die Arbeiten von Claudia Friesen sind noch experimentell, zählen zur Grundlagenforschung. Von diesem Stadium der wissenschaftlichen Erkundung erfährt die Öffentlichkeit normalerweise nichts. Das erklärt sich schon allein durch die Menge vielversprechender Wirkstoffkandidaten.
Eine von neun Substanzen bewährt sich beim Menschen

Gegen Krebs werden derzeit 2.440 Substanzen in Zellkultur oder im Tierversuch getestet. Rund ein Drittel der Wirkstoffe wird in diesem frühen Forschungsstadium nach systematischen Sicherheitsprüfungen aussortiert – bei bereits bekannten Medikamenten wie Methadon dürfte die Quote besser sein.

Nur eine von neun Substanzen, die erfolgreich im Labor getestet wurden, bewährt sich beim Menschen. Doch Methadon hat als potentielle Allzweckwaffe gegen den Krebs eine Ausnahme-Karriere gemacht.

"So klingen gute Nachrichten, und so klingt Hoffnung, Hoffnung, den Kampf gegen den Krebs zu gewinnen, und damit willkommen bei Plusminus heute aus Erfurt."

Die bundesweit ausgestrahlte Sendung Plusminus vom 12. April 2017 bildet den Auftakt vieler Berichte, vor allem im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen. Nach dem Trailer mit den Zitaten zweier Krebspatientinnen und des Palliativmediziners Hans-Jörg Hilscher führt der Moderator in das Thema ein: Milliarden investiere die Pharmaindustrie jährlich in die Erforschung neuer Wirkstoffe gegen den Krebs, ständig bringe sie neue Medikamente auf den Markt – und verdiene gut daran.

Plusminus Moderator: "Aber was passiert, wenn ein Wirkstoff Hoffnung verspricht, nur eben kaum Profit - genau das zeigen wir Ihnen jetzt."
Fernsehsendung setzt neuen Deutungsrahmen über Wirkung

"Und damit ist der Rahmen gesetzt: Die Pharmafirmen sind diejenigen, die arbeiten aus Profitgründen. Und wenn es keinen Profit gibt, werden sie sich nicht drum kümmern." Marcus Anhäuser ist Medizinjournalist, war mehrere Jahre leitender Redakteur beim Medien-Doktor, einem Monitoringprojekt für Medizinjournalismus der TU Dortmund.

"Und wenn man sich auch in Foren umguckt oder auf Webseiten, dann sieht man eben: Viele greifen das auf, und sagen: Hier, die Pharmafirma, ist ja mal wieder typisch, und so ist der ganze Rahmen gesetzt für jegliche Berichte, die nachher noch kommen."

Der Diplombiologe hat den Plusminusbeitrag vom April 2017 für die Medienkonferenz Wissenswerte analysiert. Weil er den Beginn des beispiellosen Interesses an Methadon als Krebsmedikament markiert.

Anhäuser: "Ein Tool von Google habe ich benutzt, das nennt sich Google Trends, mit dem man Suchanfragen über einen bestimmten Zeitraum sich angucken kann. Und man sieht sehr schön, wie die Berichterstattung die Suchanfragen triggert."

Jahrelang bewegte sich die Zahl der Anfragen zu Methadon auf einem gleichmäßigen, eher niedrigen Niveau. Anhäuser: "Kurz nach der Berichterstattung von Plusminus stieg dieser Wert und ist dann im Laufe der Monate bis auf das Zwanzigfache gestiegen, als dann vor allem RTL innerhalb von zwei, drei Wochen mehrfach berichtet hat, Stern TV hat berichtet. Und das war die absolute Spitze dann im Sommer 2017."
Patienten und Angehörige schöpfen durch Berichte Hoffnung

Es sind verzweifelte Krebspatienten oder deren Angehörige, die die Botschaft der Berichte aufsaugen, sie in den sozialen Medien verbreiten. Und es sind Fälle wie der von Sabine Kloske, die selbst austherapierte Krebspatienten wieder hoffen lassen. Im Dezember 2014 wurde bei der damals 36-jährigen ein Glioblastom diagnostiziert, ein schnell wachsender Hirntumor, der als nicht heilbar gilt.

In Plusminus schildert Kloske, ein Arzt habe ihr nach der Operation noch zwölf bis 15 Monate Lebenszeit gegeben. Zum Zeitpunkt der Sendung hat sie diese Prognose bereits um ein Jahr überlebt. Und auch heute, mehr als drei Jahre nach der Diagnose, geht es ihr gut. Was der Zuschauer nicht erfährt: Rund acht Prozent der Glioblastompatienten leben noch fünf Jahre nach Entdeckung des Tumors. Dieses Wunder, heißt es hingegen bei Plusminus, führe Sabine Kloske auf Methadon zurück. Zusätzlich zur Chemotherapie nehme sie 2 mal 35 Tropfen täglich.

Kloske: "Es ist so, dass ich das Gefühl habe, ich bin wieder da, und ich kann weiterleben, ich muss nicht sterben."

Sprecherin Plusminus: "Sabine Kloske gehört zu den Patienten, die von der Entdeckung dieser Forscherin aus Ulm profitieren."

Anhäuser: "Der Satz war: Sie gehört zu den Patienten, die von dieser Entdeckung profitieren - wissen wir aber gar nicht, wir wissen ja gar nicht, wie gut dieses Mittel hilft, ob es überhaupt hilft. Aber hier werden schon Tatsachen geschaffen, nachdem so ein Fall geschildert wurde, der so eindringlich ist. Ich stell mir immer vor, da sitzt jemand mit Krebs vor dem Fernseher und sieht diesen Bericht. Der braucht eigentlich gar nicht mehr weiterzugucken, weil alle Infos danach sind fast überflüssig. Ich find die suggestive Kraft von solchen Personen ist so stark, da gibt es wenig, was man da noch gegensetzen kann."

Die Autorin des Beitrags ist Christiane Cichy. Sie hat Jura und Publizistik studiert, ist in der Wirtschaftsredaktion Plusminus für Medizinthemen zuständig. Ein Jahr vor Ausstrahlung des Beitrags habe sie mit der Recherche begonnen.

Christiane Cichy: "Was für mich auch sehr wichtig war und was, ich denke, auch in der Zukunft an Bedeutung gewinnen sollte, habe ich natürlich das Gespräch mit zahlreichen Patienten und Patientinnen geführt, nicht nur deutschlandweit sondern auch in der Schweiz und in Österreich.

Patienten, vor allem solche mit sehr schlechter Prognose, haben oft eine andere Sicht auf medizinische Forschung als Wissenschaftler. Der Weg bis zur Zulassung eines neuen Medikaments ist weit, folgt strengen Regeln, dauert viele Jahre. Doch die Lebenszeit von schwerstkranken Patienten bemisst sich oft in Tagen, Wochen oder Monaten.

Sprecherin Plusminus: "Das Drogenersatzmittel Methadon ein Krebskiller? Die Forscherin zeigt uns Patientenbeispiele: Selbst große Tumore wie hier im Hirn, die auf keine Therapie mehr ansprachen, verschwanden.

Anhäuser: "Und das ist jetzt eine extrem gefährliche Stelle. Auch hier wird dann suggeriert: Man nimmt Methadon, und die Tumore verschwinden. Und dann sieht man diese beiden Röntgenaufnahme vom Gehirn von Patienten: einmal mit Tumor, mit so einer weißen Kugel im Kopf, und dann das zweite Bild, wo an der Stelle einfach nichts mehr ist - der Tumor ist weg. Und als ich das zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: wow.

Ahnungslos wie ich manchmal bin, habe ich natürlich gar nicht dran gedacht: Das liegt nicht an dem Methadon, diese Tumoren werden rausoperiert, die werden standardmäßig rausoperiert. Und natürlich sieht bei jedem Patienten, der so ein Glioblastom hat, das Röntgenbild nachher so aus: Der Tumor ist erst mal weg."

Cichy: "Ich denke, es ist keine Suggestion, wenn man im Prinzip Patientenfälle vorstellt, und wenn man sagt: Okay, das war das Glioblastom vorher, und seitdem kam es nicht zu einer Progression. Das hat doch nichts mit Suggestion zu tun, ich weiß nicht, was Sie da unterstellen."

Keller: "Man denkt der Tumor ist weg wegen Methadon, aber der ist ja wegen der Operation weg."

Cichy: "Sie vielleicht, weil Sie vielleicht genau nicht hinhören. Es wird noch mal ganz klar gestellt: Niemand kann sagen, ob DL-Methadon dafür verantwortlich ist, aber die Laboruntersuchungen von Frau Friesen sprechen eine deutliche Sprache. Auch wenn im Prinzip erst mal für niemanden ein finanzielles Interesse besteht, klinische Studien, die ja sehr teuer sind, durchzuführen, könnte man genau diese Daten zum Anlass nehmen, das in die Wege zu leiten."

Welle von Nachfragen überschwemmte Onkologie-Praxen

"Ganz grundsätzlich gilt: Immer wenn man so eine Substanz entdeckt, dass man sich überlegen muss, ist das anwendbar. Dann kommen halt Mehrzellexperimente, Tierexperimente", sagt Jutta Hübner, Professorin für Integrative Onkologie an der Universität Jena.

"Und dann muss ich mir überlegen: Okay, könnte das auch beim Menschen funktionieren, bei welcher Tumor-Art. Und dann würde man in die ersten Studien einsteigen. Ja, das ist ein ganz sinnvolles Vorgehen, aber genau dieses stufenweise Vorgehen muss es auch sein, bevor man damit an die Öffentlichkeit geht und sagt: Wir haben hier was tolles Neues."

Totkranke Patienten glauben, sie hätten viel zu gewinnen und nichts zu verlieren. Doch Ärzte wissen aus Erfahrung, dass auch in der Endphase noch katastrophal viel schief gehen kann. Und nicht nur austherapierte Patienten verlangen nach Methadon. Eine Welle von Nachfragen überschwemmte onkologische Praxen und Kliniken.

Jutta Hübner: "Die hat uns direkt nach den ersten Sendungen über die Patienten erreicht, fast schon am Tag danach ging das los. Und dann nahm das einen irrsinnigen Schwung an, dass praktisch jeder Patient danach fragte, egal ob stationär, in der Ambulanz, in meiner Sprechstunde - also alle Patienten fragten. Da brauchen Sie fast schon in der Klinik oder in der Praxis eine Task Force, die nichts anderes mehr macht."

Jutta Hübner leitet eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Krebsgesellschaft, die sich für eine bessere Patientenversorgung einsetzt. Zudem ist sie Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Methadon in der Krebstherapie einzusetzen, lehnt sie derzeit ab. Nicht nur weil der Nutzen nicht belegt ist, wie sie im Deutschen Ärzteblatt erläutert.

Jutta Hübner: "Es gibt sehr viele Patienten, die sich Methadon besorgt haben. Es gibt in unserem Beitrag im Ärzteblatt Patienten, die ein zumindest lebensgefährliches Ereignis erlebt haben..."

"Mir gibt das zu denken, was das für Ärzte sind", sagt die Chemikerin Claudia Friesen. "Methadon ist ein Medikament, das man seit den 40er-Jahren kennt. Man weiß die Dosierung, man weiß, wo die Toxikologie, und da dürfen diese Fehler, die da passiert sind, erst gar nicht passieren. Da gibt es klinische Studien, das ist ja nicht ein niegelnagelneues Medikament, wo man die Toxikologie nicht kennt."
Methadon kein harmloses Medikament

Methadon wird seit dem Zweiten Weltkrieg weltweit als Schmerzmittel vertrieben. In der Palliativmedizin wird es in Deutschland als Reserve-Medikament bei mittleren oder schweren Tumorschmerzen empfohlen. Da Methadon in zwei Schritten abgebaut wird und die Wirkung verzögert eintritt, kann es leicht überdosiert werden.

"Man weiß eben, dass es nicht gut verträglich ist. Methadon in der Suchttherapie ist besser als die Suchtsubstanz selber, aber kein Mensch würde sagen, Methadon an sich ist eine gute Idee. Das ist nur die bessere Idee von zwei schlechten Ideen", sagt die Onkologin Jutta Hübner.

"Zweitens: Die Patienten in der Suchttherapie haben in der Regel keine anderen Medikamente. Unsere Patienten mit einer onkologischen Therapie haben aber eine ganze Reihe weitere Medikamente, nämlich die Tumormedikamente und häufig viele Begleitmedikamente.

Meistens sind sie auch älter und haben auch noch ein paar andere Krankheiten mit Medikamenten. Das heißt, hier kommt eine ganze Gemengelage von Medikamenten zusammen. Und Methadon hat durchaus eine hohe Wahrscheinlichkeit, eine hohe Gefahr von Wechselwirkungen. Also: Harmlos ist das Zeug auf keinen Fall."

Claudia Friesen hat mit Charité-Medizinern eine Studie zu 27 Glioblastompatienten vorgelegt, um rückblickend die Verträglichkeit von Methadon zu prüfen. Die Aussagekraft dieser kleinen Studie ist aber begrenzt. Zu unterschiedlich sind die Patienten in Bezug auf Krankheitsstadien, Prognose und Medikation.

In Deutschland nahmen bis heute fünf Medizinische Fachgesellschaften oder deren Arbeitsgruppen Stellung, in Österreich sind es drei Fachgesellschaften. Sie warnen vor dem Einsatz von Methadon in der Krebstherapie, weil ein Nutzen noch nicht belegt, Neben- oder Wechselwirkungen aber zu befürchten seien. Frage an Claudia Friesen, an Christiane Cichy: Gibt das zu denken?

Claudia Friesen: "Nö, also potentielle Nebenwirkungen hat eigentlich jedes Medikament, da dürfte man überhaupt keine Chemotherapeutika einsetzen, die weiß Gott mehr Nebenwirkungen haben als Methadon. Wenn die von gefährlichen Nebenwirkungen reden, dann müsste man eigentlich vor jedem Medikament warnen."

Christiane Cichy: "Da muss man wirklich fragen, wie weit diese Warnungen tatsächlich unabhängig sind, weil gerade in der zweiten Berichterstattung ist ja deutlich geworden, dass DL-Methadon als Schmerzmedikament wissenschaftlich erforscht ist, und auch da wurde wieder vor den Nebenwirkungen und den Risiken, die bis zum tödlichen Ausgang führen könnten, gewarnt."

TV-Bericht säht Verdacht gegen Pharmakonzerne

Da ist er wieder, der Verdacht: Anderweitige Interessen blockieren den Hoffnungsträger Methadon, die Pharmaindustrie ist an einem extrem günstigen Wirkstoff nicht interessiert. In der Plusminus-Sendung heißt es, anders als Methadon werde etwa das Medikament Avastin seit Jahren mit Hochdruck erforscht. Liege das womöglich an den Behandlungskosten von 25.000 Euro pro Quartal?

Christiane Cichy interviewt den Methadonkritiker Wolfgang Wick, ärztlicher Direktor der Abteilung Neuroonkologie an der Universitätsklinik Heidelberg, Spezialist für Hirntumore, in leitender Funktion für europäische Expertengremien tätig. Er verfasste 2015 die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zu Methadon, aus der Cichy vorab zitiert.

Plusminus Sprecherin: "Die Wirkung beim Menschen sei völlig unklar. Methadon sei potenziell reich an unerwünschten Wirkungen, die die Lebensqualität der Patienten unnötig einschränken. Die Therapie mit Methadon sei bisher nur experimentell."

Wir fragen Prof. Wick, den Verfasser der Stellungnahmen, wie er darauf kommt. "Dass etwas experimentell ist, bedeutet, dass es für die Anwendung keine erforderliche Datenbasis gibt, auf Grund derer unsere Zulassungsbehörden, das ist ja national und international ganz gut geregelt und organisiert, eine Zulassung von Patienten mit Hirntumoren besteht."

Später in der Sendung erfahren die Zuschauer: Wick habe Honorare des Avastin-Herstellers Roche bekommen und somit einen Interessenkonflikt.

Plusminus- Sprecherin: "An der klinischen Forschung von Avastin maßgeblich beteiligt war Professor Doktor Wick, also der Mann mit den Vorbehalten gegenüber dem Einsatz von Methadon bei Tumorpatienten. Mittlerweile hat eine weltweite Studie ergeben: Hirntumorpatienten, die Avastin bekommen, leben insgesamt nicht länger."

Marcus Anhäuser: "Und an der Studie war der Herr Wick beteiligt, und die hat dazu geführt, dass das Mittel nicht zugelassen wird: Avastin wird nicht zugelassen für Glioblastome. Die Information bekommt man aber nicht, weil das nicht ins Bild passt. Da ist nämlich plötzlich der Kritiker, der aus Interessenkonflikten Methadon nicht erforschen will, plötzlich derjenige, der auch dafür sorgt, dass dieses Mittel von der Firma, von der er sein Geld bekommt, nicht zugelassen wird. Und das ist eine extrem wichtige Information, die hier aber weggelassen wird."

Warum wurde sie weggelassen? Auf Nachfrage erklärt die Redaktionsleitung, Professor Wick habe sich trotz der Studienergebnisse bei einem vom Hersteller unterstützten Symposium positiv über Avastin geäußert. Wick hingegen erklärt, er habe die Daten der Studie bei akademischen Krebskongressen präsentiert, und sei dort auch auf positive Teilergebnisse eingegangen. Das im Wesentlichen negative Hauptergebnis habe in Deutschland den breiten Einsatz von Avastin außerhalb der Zulassung beendet.

Interessenkonflikte sind ein komplexes Feld. Sie können das unabhängige Urteil eines Experten verzerren, müssen es aber nicht. Und die Fronten verlaufen oft anders, als man denkt.


Was treibt die Mahner, was die Befürworter von Methadon?

Claudia Friesen selbst betont, es gehe ihr um das Wohl der Patienten und um Klarheit: "Es geht mir um Methadon zur Lebensqualitätsverbesserung, und ich freue mich bei den Patienten, wenn sie eine gute Lebensqualität haben. Und natürlich auch als Wirkverstärker in der Tumortherapie, aber bevor ich da eine generelle Aussage treffe – und das sage ich immer dazu - brauchen wir den evidenzbasierten Beweis. Und ich hab noch nie was anderes gesagt."

Im Juni 2017 gab es auf "Stern.de" einen Chat mit Zuschauern. Als Experten im Studio: Claudia Friesen und der Palliativmediziner Hans-Jörg Hilscher, ihr Mitstreiter aus der Plusminus-Sendung. Für Marcus Anhäuser hört es sich nicht so an, als sei für die Experten – gerade im Interesse der Patienten – noch ein Beweis erforderlich: "Und da gibt‘s eben genauso ganz konkrete Sachen, wo jemand fragt: Meinem Mann wurde im April ein Sigma-Karzinom entfernt - also beim Darmkrebs - da ein Lymphknoten betroffen war, bekommt er jetzt eine adjuvante Chemotherapie. Kann Methadon ihm zusätzlich helfen?"

Antwort von Dr. Hilscher: Gerade bei adjuvanten Chemotherapien hat sich Methadon besonders bewährt. Und wir fragen uns: Woher weiß der Mann das?

Eine Sylvia Calw fragt: Hallo, 79jährige Patientin mit Cervixkarzinom, mit Metastasen in Lunge und Bauchraum, soll nun Monochemotherapie mit Carboplatin alle vier Wochen bekommen. Welche Dosierung Methadon würden sie empfehlen. Ist die Kombination bereits zu empfehlen, bereits getestet worden?

Und Frau Friesen antwortet: Carboplatin kann sehr gut mit Methadon in seiner Wirkung verstärkt werden. Die Dosierung sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Dann fragt eine Eika 1987: Hallo, wirkt das Methadon auch bei Plasmozytom? Claudia Friesen: Ja, es kann auch hier wirken. - Ich frag mich bei welcher Krankheit sie nein gesagt hätte."

Jutta Hübner: "Ich denke, wir können an jeden Wissenschaftler den Anspruch stellen, dass er die Grenzen seines Faches und seines Wissens erkennt, und umso mehr, wenn man sich in ein fremdes Gebiet hineinwagt. Ich habe nicht umsonst Frau Friesen gefragt, ob sie eine Zulassung als Heilpraktikerin hat, denn sie empfiehlt Patienten, Sachen zu tun.

Sie sagt, sie empfiehlt nicht, das ist klar widerlegt, man findet es überall: Und da sie nicht Ärztin ist und offensichtlich nicht Heilpraktikerin ist, muss man sich fragen, auf welchem Boden arbeitet sie hier."


Methadon-Unterstützer organisieren sich auf Facebook

Die Unterstützer von Claudia Friesen haben sich mittlerweile organisiert. Fast 90.000 Menschen unterzeichneten zwei Online-Petitionen auf change.org und openpetition.de. Mehr als 17.000 schlossen sich in sechs Facebook-Gruppen pro Methadon gegen Krebs zusammen. Ebenfalls auf Facebook finden sich Spendenaufrufe für die Krebsforschung der Rechtsmedizin Ulm, auf ein Konto der Universitätsklinik.

Die Plattform W wie Wahrheit postete die Plusminus-Sendung, angereichert mit eigenen Kommentaren, unter dem Titel Verschwörung – Aufgedeckt. Das Video wurde bis heute 4,7 Millionen Mal geklickt.

"Methadon ist bei vielen Patienten in verschiedenen Tumorindaktionen aber insbesondere bei Hirntumoren im breiten Einsatz, und aus dem Grund brauchen wir für eine vernünftige Datenbasis eine klinische Erprobung", sagt Wolfgang Wick, der Neurologe aus Heidelberg. Er hat im Laufe von zwanzig Jahren Tausende von Hirntumorpatienten behandelt und etliche Studien geleitet.

Wick sagt, er könne damit leben, dass er in der Debatte um Methadon persönlich angegriffen wurde und viele böse Briefe bekam. Sorge bereite ihm etwas Anderes: " Aus unserer Sicht hat die Diskussion um Methadon dazu geführt, dass viele Einrichtungen, Gruppen, Ärzte, Teams die sich um Hirntumorpatienten kümmern, in erheblichem Maße diskreditiert worden sind. Demgegenüber sind Menschen, einige wenige, die sich auf Basis von sehr schwachen Daten mit der Debatte profiliert haben, zu einer Aufmerksamkeit gekommen, die den Patienten schlussendlich nicht nutzt."

Wick hat jetzt bei der Deutschen Krebshilfe eine Studie beantragt, die er schon seit längerem plant. Teilnehmen sollen 250 Glioblastom-Patienten, denen die Standardtherapie bereits gut geholfen hat und die man möglichst lange vor einer Rückkehr des Tumors bewahren will. Wick hat eine Reihe von Substanzen ausgewählt, bei denen Labordaten und Beobachtungen an Patienten vielversprechend sind.

"Jeder seriöse Wissenschaftler würde seine Archive öffnen"

Wolfgang Wick. "Das sind alles Substanzen, die gut ins Gehirn gehen, die relativ nebenwirkungsarm sind, die verfübar sind, regelmäßig genommen werden können, Medikamente aus der Gruppe der Blutdruckmedikamente, der Zuckermedikamente, es sind Nahrungsergänzungsmittel, es sind infektvorbeugende Medikamente und nicht zuletzt auch das Methadon"

Das Methadon bezieht Wick in die Studie ein, obwohl er selbst sich keine großen Hoffnungen macht. Seine eigenen Untersuchungen hätten die Ergebnisse aus Friesens Labor nicht bestätigt, sagt Wick.

Ein sorgfältiges Register mit Patientendaten könnte unabhängig von Studien Hinweise liefern, ob Methadon etwas bewirkt, bei welchen Tumorarten und zusammen mit welchen Therapien.

Der Allgemeinmediziner Rainer Ullmann hat mit dem Aufbau eines solchen Registers begonnen. Er gehört zu einem Ärzte-Netzwerk, das Claudia Friesen initiiert hat. Allerdings haben erst zehn Ärzte Ullmann Daten geschickt. Die Jenaer Onkologin Jutta Hübner:

"Was wir gerne anbieten, das haben wir Frau Friesen und den anderen Ärzten angeboten, dass wir wissenschaftlich unabhängig uns jeden einzelnen Fall anschauen, erst mal auf Plausibilität, also gibt es hier denn wirklich einen echten Hinweis, hat Methadon hier was bewirkt.

Aber, wir haben noch nicht mal die Möglichkeit, uns diese Fälle wirklich genau anzuschauen, weil man uns nicht an die Daten ranlässt. Jeder seriöse Wissenschaftler würde seine Archive öffnen."

Ein Jahr, nachdem Methadon in der öffentlichen Wahrnehmung vom Hoffnungsschimmer zum Leuchtfeuer mutierte, fällt die Bewertung des Vorgangs höchst unterschiedlich aus.

Medienecho hat Patienten und Ärzte verunsichert

Medizinjournalist Marcus Anhäuser: "Den Impact hat‘s ja gehabt. Also, wenn es mir als Journalist darum ginge, nur Impact zu haben, dann ist die Geschichte ein voller Erfolg. Weil alle Medien haben das übernommen, alle haben dieselbe Geschichte erzählt. Von daher betrachtet ist es ein Erfolg. Aus Sicht von Patienten, und wenn ich das selber als Journalist betrachte, würde ich sagen: Es ist komplett in die Hose gegangen. "

Das Medienecho habe Patienten, Angehörige und Ärzte stark verunsichert, sagt die Universitätsklinik Ulm. Gleich mehrfach hat man dort im letzten Jahr Stellung bezogen und davor gewarnt, Methadon außerhalb klinischer Studien einzusetzen. Es gebe Berichte, dass Patienten im Glauben an die Wirksamkeit von Methadon erprobte Therapien abgelehnt hätten.
Man habe eine Diskussion angestoßen, teilt dagegen die Redaktionsleitung von Plusminus mit. Den Vorwurf einer emotionalen oder unangemessen sensationellen Darstellung weist sie zurück. Ihr sei es darum gegangen aufzuzeigen, wie schwierig es sein könne, für einen Wirkstoff, der keinen Gewinn verspricht, Mittel für klinische Studien aufzubringen.

Von Heilung sei vor einem Jahr an keiner Stelle des Beitrags die Rede gewesen, nur von Einzelfällen, die keinen Beweis lieferten. Dafür brauche es klinische Studien.


Besorgniseregende Dynamik

Die Studien soll es jetzt geben. In Heidelberg, am Zentrum von Wolfgang Wick, und in Ulm mit 66 Dickdarmkrebspatienten.

Am Ende doch ein Erfolg für Patienten und Patientinnen?

So mag es die Onkologin Jutta Hübner nicht sehen. Sie beobachtet die Dynamik eher mit Sorge. "Wir müssen damit rechnen, dass das in Zukunft häufiger passiert, weil sich unsere Gesellschaft in diese mediale Entwicklung herein begibt. Und wir können nicht jedes Mal, wenn irgend so ein Thema wuppt in den sozialen Medien, gleich mit einer Riesen-Studie hinterherschießen.

Denn so eine Studie erfordert Ressourcen - Ressourcen finanziell, Ressourcen bei den Forschern und Ressourcen bei den Patienten, die an der Studie teilnehmen. Und die sind weg für irgendeine andere Studie, die vielleicht viel besser wäre. Wir haben ja eine hohe Verantwortung, uns wirklich zu überlegen, mit unseren begrenzten Möglichkeiten, was ist denn ganz oben auf der Liste, weil es wirklich Patienten weiterbringt. Und deshalb finde ich ist das auch ethisch gerade eine ganz schwierige Frage."
(Deutschlandfunk, 8.4.18, Martina Keller)


Experten-Chat zum Nachlesen

Antworten auf Zuschauerfragen zur Wirkung von Methadon gegen Krebs

Bei welchen Krebsarten kann man Methadon einsetzen? Wo bekomme ich ein Rezept? Welche Ärzte verschreiben es? Diese und weitere Fragen haben Dr. Claudia Friesen und Dr. Hans-Jörg Hilscher im Zuschauer-Chat beantwortet.

Die Chemikerin Dr. Claudia Friesen entdeckte die Wirkung von Methadon auf Tumorzellen vor zehn Jahren eher zufällig - und forscht seitdem intensiv dazu. Der Allgemein- und Palliativmediziner Dr. Hans-Jörg Hilscher hat jahrelange Erfahrung mit der Verordnung von dem Schmerzmittel Methadon. Gemeinsam haben die beiden ein Präparat entwickelt, das Krebspatienten helfen kann. Hier im Chat haben sie Zuschauerfragen zum Thema beantwortet.

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, die Zahl der Fragen zeigt, wie wichtig das Thema ist. Wir hoffen, einige beantwortet zu haben. Ein paar Fragen werden jetzt gleich auch in der Sendung noch geklärt. Weitere Informationen zum Thema finden Sie hier auf der Seite und auf der Internetseite der Universitätsklinik Ulm: www.uniklinik-ulm.de/methadon

Anna: Sehr geehrte Frau Dr. Friesen, bei meinem Vater wurde vor anderthalb Wochen ein Bronchialkarzinom sowie eine Metastase im Gehirn diagnostiziert. Am Montag soll die Chemotherapie starten. Beim Aufklärungsgespräch habe ich angesprochen, ob die Möglichkeit besteht die Chemotherapie unterstützend mit Methadon zu behandeln. Dieses wurde vom Onkologen mit dem Hinweis auf das Betäubungsmittelgesetz abgelehnt. Mein Vater hat bislang erträgliche Schmerzen. Die Erkrankung wurde bei einer Vorsorgeuntersuchung festgestellt, dennoch ist sie weit fortgeschritten. Klassifizierung T4 L2 M1. Gibt es wirklich keine Möglichkeit Methadon unterstützend einzusetzen so lange mein Vater "schmerzfrei" ist?

Dr. Claudia Friesen: Ihr Vater hat Tumor bedingte Schmerzen, da kann Methadon als Schmerzmittel eingesetzt werden. Bitte eine Email an mich.

Eule: Meinem Mann wurde im April ein Sigmakarzinom entfernt. Da ein Lymphknoten betroffen war bekommt er jetzt eine adjuvante Chemotherapie. Kann Methadon ihm zusätzlich helfen?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Gerade bei adjuvanten Chemotherapien hat sich Methadon besonders bewährt.

Werner Siegl: Meine Mutter hat ein Stadium 4 Hodgkin Lymphom mit Metastasen in den Knochen. Am Montag beginnt bei ihr der 2te Chemoblock. Bekommt man Methadon auch in Österreich?

Dr. Claudia Friesen: Man bekommt es auch in Österreich, wenn es nicht klappt, bitte eine Email an mich, mit dem Betreff Stern TV

macguitar: Ist die Behandlung eines Glioblastoms (anaplastisches Astrozytom WHO III) auch bei einem 8-jährigen Kind möglich? Kann mir mein behandelnder Arzt bei der Uniklinik Würzburg das Medikament verschreiben?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Prinzipiell ist Methadon bei Kindern genauso wirksam wie bei Erwachsenen, wird nur häufig besser vertragen.

Yvonne Henschel: Würde Methadon auch bei Leukämie also Blutkrebs "helfen" ?

Dr. Claudia Friesen: Ja. Ich habe das 2008 und 2013 publiziert.

B.H.: Kann Methadon in der Palliativmedizin und bei schlechtem Allgemeinzustand zur Schmerzreduzierung verwendet werden?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Methadon ist ein ideales Medikament in der Palliativmedizin. Da es bereits im Mund wirksam wird und daher auch bei Schluckstörungen, die in der Endphase die Regel sind, verwendet werden kann.

Mirko: Wie bekomme ich Methadon? Muss am 17.06. mit meiner 3. Chemo beginnen.

Dr. Claudia Friesen: Ich würde zuerst den Hausarzt fragen und den Onkologen, ansonsten senden Sie mir eine Email.

inane: Verbessert Methadon auch die Wirkung der Chemo bei einem Befall des Bauchfells welches generell schlecht durchblutet ist?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Methadon ist beim Bauchfellbefall besonders wirksam.

Connal: Nach wie länger Anwendung zur Chemo konnten bereits positive Veränderungen erkannt werden?

Dr. Claudia Friesen: Es ist ganz unterschiedlich, es hängt vom Tumor ab.

Massimo: Was für Möglichkeiten habe ich, wenn die Ärzte sich stur stellen mich mit Methadon zu behandeln?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Sie haben die freie Arztwahl, das heißt Sie müssen sich jemanden suchen, der das mit Ihnen durchführt.

Laura: Bei welchen Arten von Krebs kann das Medikament nicht helfen?

Dr. Claudia Friesen: Bisher haben wir noch keinen Krebs gefunden, der nicht von Methadon profitiert. Bei allen Krebsarten, die wir untersucht haben hat es geholfen. Wir haben die gängisten untersucht.

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Es ist nicht bekannt welche Krebsarten nicht reagieren, angesichts der geringen Nebenwirkungen der Methadontherapie und der häufig aussichtslosen Situation, lohnt der Therapieversuch.

Juan: Wie viel Geld ist notwendig für die Klinischen Studien? Muss man Methadon immer noch nehmen. nachdem die Tumorzellen verschwunden sind?

Dr. Claudia Friesen: I,2 Millionen €. Methadon sollte auch weiterhin genommen werden, wenn alle Tumorzellen verschwunden sind, da Methadon alleine die Teilung der Zelle hemmen kann.

Antonio Welche wirklich nennenswerte Nebenwirkungen gibt es bei der Methadoneinnahme? Stimmt die immense Gewichtszunahme als Nebenwirkung und was kann man dagegen halten?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Nebenwirkungen von Methadon sind: Abhängigkeit, am Anfang Übelkeit, Schwindel und Benommenheit und dauerhaft Verstopfung. Gewichtszunahme eventuell dadurch, dass die Krankheit zurückgeht.

Oliver: Gibt es in Österreich Ärzte, die Methadon einsetzen?

Dr. Claudia Friesen Ja es gibt in Österreich Ärzte die es verschreiben.

Sylvia kalff: 79 jährige Patienten mit cervix karzinom mit Metastasen in Lunge und Bauchraum soll nun Mono Chemotherapie mit karboplatin alle 4 Wochen bekommen. Welche Dosierung Methadon würden sie empfehlen? Ist die Kombination zu empfehlen/ bereits getestet worden?

Dr. Claudia Friesen: Carboplatin kann sehr gut durch Methadon in seiner Wirkung verstärkt werden. Die Dosierung sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Annegret: Kann man von Methadon süchtig werden? Kann es auch als einfaches Schmerzmittel vom Arzt verschrieben werden?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Sie werden von Methadon schon nach kurzer Zeit abhängig, das heißt Sie bekommen beim abrupten Absetzen Entzugserscheinungen, süchtig werden Sie nur von Substanzen, die einen Kick verursachen, genau deswegen, weil es Kicks blockiert, wird es in der Drogenentzugsbehandlung eingesetzt.

Eika1987: Wirkt das Metadon auch beim Plasmazytom?

Dr. Claudia Friesen: Ja. Es kann auch hier wirken.

Sternii: Hilft Methadon bei Krebs nur wenn man eine Chemo-Therapie macht oder kann man Methadon auch nehmen als Vorbeugung gegen ein Rezidiv - es geht um ein Krebs im Frühstadium

Dr. Claudia Friesen: Man sollte immer zum Methadon eine Chemo machen. Da die alleinige Wirkung von Methadon von der Opioidrezeptordichte abhängt.

Kesei: Kann Methadon auch helfen, wenn ein 2. Rezidiv entstanden ist trotz Temodaltherapie bei Glioblastom?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Methadon kann die verlorene Wirkung von Temodal wieder herstellen, vor allen Dingen unter metronomischer, das heißt täglicher Einnahme geringer Dosen.

Marta: Eine Freundin von mir ist an Krebs erkrankt! Anfang des Jahres hat sie die Diagnose bekommen. Magenkrebs! Sie macht zur Zeit die 2. Chemo! Untersuchungen haben jetzt ergeben, dass der Krebs weiter gestreut ist. Mittlerweile auch auf die Lunge. Sie hat dadurch starken Husten. Da der Krebs gestreut hat, kann sie auch nicht operiert werden. Meinen sie, dass sie die Chemos in Verbindung mit Methadon testen sollte?

Dr. Claudia Friesen: Es gibt Patienten mit Magen CA, die heute in Komplettremission sind.

Angélique: Kann Methadon vorbeugend auch eingenommen werden? Ich habe das Gleiche gehört von der Wirkung von Cannabis-Öl. Hat Cannabis-Öl die gleiche Wirkung wie Methadon?

Dr. Claudia Friesen: Dafür fehlt der wissenschaftliche Beweis. Wir wissen aber, dass bei Drogensubstituierten, die im Methadonprogramm sind, so gut wie keine Tumore auftreten und auch nicht an Tumoren versterben.

R.Lang: Ich habe Neoplasie in der Leber mit einer Größe von ca 14 mm. Leider lebe ich in Spanien und habe versucht das Thema mit dem Methadon bei meinen Ärzten anzusprechen, ohne Erfolg! Ich habe eine Nieren OP seit 1 Jahr hinter mir, die erfolgreich war. Ich komme über den Hausarzt meines Sohnes, der bei Stuttgart lebt, an Methadon ran. Das Problem ist, dass ich nicht weiß, in welcher Menge ich Methadon ein nehmen müsste.

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Zu Dosierung, Nebenwirkungen und Risiken finden Sie einen Beitrag auf unserer Homepage.

Vici: Kann Methadon auch bei Nicht-Krebspatienten verschrieben werden, z.B. bei einem chronischen Schmerzsyndrom nach einer Fraktur ?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Auch bei nicht unter Krebsschmerzen leidenden Patienten kann Methadon häufig besser helfen als andere Opioide. Vor allen Dingen bei Nervenschmerzen.

Jenny Meyermann: Mein Bruder hat Knochenmarkkrebs. Hilft Methadon auch gegen diesen Krebs?

Dr. Claudia Friesen: Ja es hilft auch bei Knochenmarkrebs.

Baba23: Hilft es auch gegen Leber-Krebs oder hab ich eine Chance, etwas länger damit zu leben?

Dr. Claudia Friesen: Ja. Beides. Es wurde auch wissenschaftlich untersucht.

Thorsten Wenn ich Methadon bekomme, darf ich dann noch Auto fahren?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Nach 14 Tagen einer gleichbleibenden Dosis, egal welchen Opiates oder Opioides, sind Sie wieder fahrtüchtig.

Edgar Schneider: Meine Frau hat ein Ovarialkarzinom und schon die 3. Chemo. Zuletzt mit carboplatin . Ich hoffe, das Mittel hilft nochmals. Wäre hier eine Ergänzung mit Methadon möglich und sinnvoll?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Selbst Chemotherapien die ihre Wirkung bereits verloren haben, können durch Methadon wieder wirksam werden.

Stefan90: Hallo. Kann Methadon nach erfolgter sechsfacher Chemotherapie plus Stammzelltransplantiert noch helfen? Mein Vater hatte AML und hat nun starke Schmerzen und Lustlosigkeit.

Dr. Claudia Friesen: Da Methadon ein gutes Schmerzmittel ist, würde ich Methadon schon deswegen einnehmen. Es gibt auch Berichte, dass Patienten auch in weit fortgeschrittenen Stadien profitieren können.

Britta Hüneke: Meine Mutter ist 2007 an der chronisch myeloischen Leukämie erkrankt und nimmt seither glivec 400. Ostern 2017 wurde ein 3facher Bandscheibenvorfall sowie eine Spinalkanalstenose und ein eingeklemmter Ischias diagnostiziert. Medikation seitdem: Morphium, targin, capros, Ibuprofen 800, tramadol retardkapseln, PRt-Spritzen sowie mehrfach Spritzen unterm Monitor. Die Schmerzen bestehen nach wie vor: Brennen am Unterschenkel, Verhärtungen im Gesäß. Der Fußheber ist immer noch nicht wieder in Takt, trotz Faszientherapie und Akupunktur. Wäre Methadon auch eine Möglichkeit für sie zur Schmerzlinderung?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Alle durch Nervenschädigung ausgelöste Schmerzen reagieren besonders gut auf die Behandlung mit Methadon.

Holischeck: Ich bin 27 Jahre und habe fortgeschrittenen Darmkrebs. Ich nehme jetzt seit ca. 6 Wochen Methadon und fühle mich auch schon besser , ich werde die Hoffnung nicht aufgeben . Da bei mir keine Chemo mehr anschlägt , nehme ich Methadon.

Dr. Claudia Friesen: Ich würde mich freuen, wenn Sie mir eine Email schreiben würden.

Claudia Meyer: Ich habe Brustkrebs(G1) und bekomme morgen die 2.Chemo. Der Tumor und 3 befallene Wächterknoten wurden operativ entfernt, 10 weitere Lymphknoten, die nicht befallen waren, in einer 2 OP. Würde für mich Methadon in Frage kommen, obwohl ich keine erkennbaren Metastasen habe?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Solange keine Tumore nachweisbar sind, vor allen Dingen auch nicht im so genannten PET-Scan, sollte eine Methadontherapie nicht erwogen werden.

Heike: Kann es auch bei einem Sarkom helfen?

Dr. Claudia Friesen: Ja. Ich stehe mit einigen Patienten in Kontakt, die nach Zugabe von Methadon zu ihrer Krebstherapie heute in Komplettremission sind.

Maria: Ich bin an Brustkrebs erkrankt und bekomme keine Chemotherapie. Ich werde mit Strahlen-Therapie und Antihormontherapie behandelt. Wirkt Methadon nur bei einer Chemotherapie gegen Krebs oder hat es auch bei anderen Therapien eine unterstützende Wirkung?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Methadon wirkt über seinen Mechanismus der Blockierung von Entgiftungspumpen der Tumorzelle, auch bei Bestrahlung, da diese zu giftigen Stoffwechselprodukten in der Zelle führt.

Lila blassblau: Ist es eine Frage dessen, wie weit eine Krebserkrankung bereits fortgeschritten ist, ob diese evtl. sogar Heilung erreicht, wenn man früh genug mit dem Methadon beginnt?

Dr. Claudia Friesen: Ob es Heilung erreichen kann und ob es besser ist, früh zu beginnen,, dafür benötigen wir die klinischen Studien.

Lydia Fenske-van der Meulen: Cannabis soll doch die gleiche Wirkung haben wie das Methadon in Bezug auf die Chemotherapie? Nur ohne Nebenwirkungen?

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Kein wirksames Medikament ist ohne Nebenwirkungen. Cannabis wirkt zum Teil über die gleichen Signalwege wie Methadon, nur deutlich schwächer.

Lara: Wie muss das Rezept von Methadon richtig ausgestellt werden ? Wird es auf einem normalen Rezept aufgeschrieben oder auch auf einem BTM-Rezept wie das Morphin ?

Dr. Claudia Friesen: Es wird auf einem BTM ausgestellt.

TMR79: Wirkt das Methadon auch bei Blutkrebs?

Dr. Claudia Friesen: Ja auch bei Blutkrebs kann es wirken. wissenschaftliche Publikationen liegen vor.

Jenny: Darmkrebs gestreut in Lunge Leber, kompletter Bauchraum. Unheilbar. Ärzte sagen, wenn überhaupt Zeit Gewinnen durch Chemo. Haben wir eine größere Chance mit Methadon? Der Hausarzt weigert sich momentan.

Dr. Claudia Friesen: Hierzu gibt es präklinische Daten, die zeigen, dass auch Darmkrebszellen von Methadon profitieren.

Lennie Warum stellen sich die Ärzte stur, wenn man sie gezielt darauf anspricht ? Keiner hört zu oder es interessiert einfach nicht.

Dr. Hans-Jörg Hilscher: Das liegt an der Angst der Kollegen vor dem Unbekannten, was als bedrohlich in der Fachliteratur beschrieben wird, es aber nicht ist.
(SternTV, 21.7.17)


Glioblastom: Hype um Methadon

Glioblastome gehören zu den Krebserkrankungen mit besonders schlechter Prognose. Medienberichte wecken in Patienten nun die Hoffnung, Methadon könnte ihnen helfen. Sollten Ärzte einen Behandlungsversuch wagen oder besser auf neue Studien warten?

In den letzten Monaten haben etliche Formate, darunter BR, NDR, Tagesschau.de oder Stern TV, von sensationellen Behandlungserfolgen durch Methadon berichtet. Dabei ging es häufig um Glioblastome, bei denen Onkologen kaum Möglichkeiten zur Intervention haben. Patienten klammern sich an jeden Strohhalm. Wie sollten Ärzte jetzt handeln?
Ein Kracher im Labor

Dr. Julia Onken von der Charité Berlin und Dr. Claudia Friesen von der Uniklinik Ulm haben Daten von 27 Patienten mit Gliom ausgewertet. Sie erhielten neben Temozolomid, Lomustin (CCNU) sowie Bevacizumab im Rahmen eines individuellen Heilversuchs Methadon zur Unterstützung der Chemotherapie. Die Dosis wurde von fünf auf bis zu 35 Milligramm pro Tag gesteigert. Vegetative Nebenwirkungen wie Tachykardie oder Unruhe oder Interaktionen traten nicht auf. Hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens innerhalb von sechs Monaten sehen Onken und ihre Kollegen keine Unterschiede, verglichen mit älteren Daten ohne Methadon.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Dr. Reddy Akhila vom University of Texas MD Anderson Cancer Center. Sie verglich bei einer retrospektiven Studie das Gesamtüberleben von 164 Patienten. Teilnehmer erhielten Methadon oder andere Opioide. Signifikante Unterschiede ließen sich auch hier nicht nachweisen. Sowohl Onken als auch Akhila schreiben einschränkend, dies sei aufgrund des retrospektiven Studiendesigns, der geringen Patientenzahl und der heterogenen Population auch kaum möglich.

Mit der Thematik befasst sich Friesen schon seit Jahren. Bei einer Arbeit im Labor mit Glioblastoma-Zellen zeigte sie, welche Effekte auftraten. Ausgangspunkt war, dass Methadon als Agonist an µ- und ?-Opioid-Rezeptoren wirkt. Deren Aktivierung kann zur Apoptose führen. Zwar haben viele Tumorentitäten eine erhöhte Rezeptordichte. Für die Behandlung sind es jedoch zu wenige Bindungsstellen. Setzen Onkologen Chemo- und Strahlentherapien ein, erhöht sich die Rezeptordichte allerdings, und Methadon kann wirken.

Bindet das synthetische Opioid an Rezeptoren, werden diese aktiviert. Das führt zur vermehrten Aktivität des Gi-Proteins und zur verminderten Aktivität der Adenylatzyklase. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Konzentration an zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) verringert sich. „Dadurch werden Krebszellen empfindlicher gegenüber der Chemotherapie“, schreibt Friesen im Artikel. Methadon hemmt ebenfalls das P-Glycoprotein-abhängige Ausschleusen von Zytostatika aus Krebszellen und beugt damit Resistenzen vor. Im Labor wirken Zytostatika besser. Wie es bei Patienten aussieht, bleibt offen.
Daten nicht automatisch auf Patienten übertragbar

Angesichts der fehlenden Daten aus klinischen Studien bemüht sich die Uniklinik Ulm, Sachverhalte klarzustellen. In einer Meldung heißt es: „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die von der Arbeitsgruppe der Molekularbiologin Frau Dr. Friesen am Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm erhoben wurden, beziehen sich ausschließlich auf vorklinische Experimente entweder mit Zellkulturen oder tierexperimentellen Studien. Diese Daten lassen sich nicht automatisch auf die Situation beim Patienten übertragen.“ Man halte den „unkritischen Einsatz von Methadon außerhalb klinischer Studien für nicht gerechtfertigt“.

Professor Dr. Wolfgang Wick warnte bei Stern TV Ärzte, Betroffenen vorschnell falsche Hoffnungen zu machen: Berichte von Krebspatienten, denen mit Methadon geholfen wurde, seien „kritisch zu betrachten“, sagte der Experte der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft. „Um Methadon flächendeckend einzusetzen, fehlt die Grundlage.“ Zusammen mit Professor Dr. Ralf Gold von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat Wick deshalb eine Stellungnahme veröffentlicht. Beide Fachgesellschaften raten vom Einsatz des vermeintlichen Wundermedikaments ab.

Zu einem ähnlichen Fazit kommt die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO): „Die vorgelegten Daten zur Wirksamkeit von Methadon bei Patienten mit Gliomen beruhen auf einer einzigen, unkontrollierten Studie. Diese Daten müssen in kontrollierten Studien überprüft werden, idealerweise in einer randomisierten Studie, alternativ in einer Fall-Kontroll-Studie.“ Auf Basis der vorliegenden Daten sei eine unkritische Off-Label-Anwendung von Methadon nicht gerechtfertigt.

Patienten leben zwei bis drei Jahre länger

Dr. Hans-Jörg Hilscher vom Hospiz Mutter Teresa in Iserlohn teilt diese Skepsis nicht. „Die Menschen in meinem Hospiz leben dramatisch viel länger als in anderen Hospizen und ich habe überlegt, woran das liegen könnte“, erklärt er gegenüber Medscape. „Bei etwa zwei Drittel der Patienten gehen die Tumoren zurück oder verschwinden sogar. Bei dem anderen Drittel steigen zumindest Überlebenszeit und Lebensqualität.“

Patienten mit Glioblastomen seien bislang nach rund zwei Jahren gestorben. Unter Methadontherapie lebten sie nun vier bis fünf Jahre und würden im Zweifel an radiogener Demenz sterben. „Es ist schon bitter, zu sehen, dass die Patienten keine Tumoren mehr haben, aber dann an den Nebenwirkungen der Radiotherapie sterben“, ergänzt Hilscher. Hier handelt es sich nur um Fallberichte, nicht um klinische Untersuchungen.

Mit dem Rücken zur Wand

Damit ist die Sachlage mehr als verzwickt. Einerseits fehlen hochwertige Studien, andererseits deuten Labordaten und Fallberichte auf mögliche Effekte hin. Wick: „Die vielen Patientenberichte rechtfertigen, dass wir uns Gedanken machen, wie wir das Ganze klinisch weiterentwickeln.“ Er ergänzt: „Die Studie haben wir beantragt.“ Dann habe man „hoffentlich in drei Jahren seriöse Daten für die Therapie.“

Der Aktionismus zum jetzigen Zeitpunkt überrascht. Vor rund zehn Jahren fand Friesen erste Erkenntnisse, dass Methadon Krebszellen absterben lassen könnte. Seither ist wenig passiert. „Wenn Methadon seine zwölf Euro für vier bis sechs Wochen kostet und in Konkurrenz zu einem Medikament mit 20.000 oder 25.000 Euro steht, kann ich mir vorstellen, dass Methadon keine Chance hat“, sagt die Wissenschaftlerin. Das Opioid ist nicht mehr patentfähig und damit für „Big Pharma“ uninteressant.

Betroffene werden Ergebnisse der geplanten Studie kaum erleben. Beim Glioblastom schwankt die mittlere Überlebenszeit zwischen acht und 17 Monaten. Angesichts mangelnder Alternativen haben Ärzte jedoch die Möglichkeit, Methadon off label einzusetzen. Um später den Vorwurf eines Behandlungsfehlers zu vermeiden, sollten sie zu Beginn die medizinische Begründung und das Einverständnis ihrer Patienten dokumentieren. Später können sie Erkrankte auch für klinische Studien vorschlagen. Bei Methadon, einem alten, gut untersuchten Wirkstoff, ist das medizinische Risiko verglichen mit neuen Molekülen als gering einzustufen. Auch die Kosten halten sich im Rahmen, falls GKVen keine Kosten übernehmen sollten.
(DocCheck.com, 4.7.17, Michael van den Heuvel)


Plötzlich interessieren sich alle für Methadon

Das Interesse an Methadon in der Krebstherapie ist groß. Niedergelassene Onkologen werden in letzter Zeit vermehrt darauf angesprochen. Ihr Berufsverband sieht den Einsatz des Opiats jedoch ebenso kritisch wie die verschiedenen Fachgesellschaften.

In Medien und sozialen Netzwerken sorgt Methadon derzeit für Schlagzeilen. Es geht allerdings nicht um die schmerzlindernde Wirkung des Opiats und auch nicht um die Drogenersatztherapie. Es geht um Krebserkrankungen, genauer gesagt um unheilbare Krebserkrankungen. Methadon, das belegen Studien mit Krebszellen und Mäusen, kann die Wirkung einer Chemotherapie verstärken, und zwar so, dass selbst chemoresistente Tumorzellen massenhaft absterben. Und es gibt einzelne Patienten, bei denen die Chemotherapie erst durch die zusätzliche Gabe von Methadon wirkte. Dr. Claudia Friesen vom Universitätsklinikum Ulm hat mehr als 350 solcher Fälle dokumentiert.

Das Problem: Bei den Fällen handelt es sich um individuelle Heilversuche. Die haben zwar für den einzelnen Patienten eine enorme Bedeutung, aber nicht für die Wissenschaft. Theoretisch könnte der Behandlungserfolg nämlich auch einfach nur Zufall oder ein großes Glück gewesen sein. Einen sicheren wissenschaftlichen Beweis, dass Methadon Krebspatienten hilft, können nur prospektive, randomisierte klinische Studien erbringen, aber die gibt es dato nicht.

Onkologen wollen keine falschen Hoffnungen wecken

Doch die Berichte von regelrechten Wunderheilungen wecken enorme Hoffnungen bei Krebspatienten. Das bekommen aktuell auch die onkologischen Praxen mit. Bundesweit häufen sich laut dem Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (BNHO) in den letzten Monaten die Nachfragen, ob Methadon die Wirksamkeit einer Krebstherapie verbessern kann. Die Onkologen bezweifeln das jedoch. Ihrer Ansicht nach basieren die dargestellten Erfolge hauptsächlich auf Laborversuchen mit Krebszellen in Zellkulturen, die beim Menschen erst noch in unabhängigen Studien bestätigt werden müssen.

„Die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse entsprechen bei weitem nicht den medizinischen Qualitätsanforderungen für ein neues Medikament in der Krebstherapie“, teilte der BNHO auf Nachfrage mit. Methadon sei lediglich ein experimenteller Ansatz, der aber weiter erforscht werden sollte. „Der BNHO fordert eine Förderung von auch industrieunabhängiger Forschung damit Krebspatienten möglichst rasch in den Nutzen von neuen innovativen Medikamenten kommen“, so der Verband weiter.

Zweifel an der Wirksamkeit und Sicherheit äußerten bereits die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO), der neuroonkologische Arbeitskreis der Deutschen Krebsgesellschaft und andere Fachgesellschaften. Zuletzt hatte die DGHO im April eine Stellungnahme per Rundschreiben verschickt, indem sie vor dem unkritischen Einsatz von Methadon in der Krebstherapie warnte. Diesen kritischen Stellungnahmen schließt sich auch der Berufsverband der niedergelassenen Onkologen an.

„Allroundtalent gegen Hirntumore“ soll in klinischer Studie getestet werden

Krebspatienten dürften im Moment also kaum einen Onkologen finden, der ihnen D, L-Methadon verschreibt. Um einen flächendeckenden Einsatz zu rechtfertigen, geht kein Weg an den geforderten prospektiven, randomisierten Studien vorbei. Nachdem die Deutsche Krebshilfe Methadon bereits vor drei Jahren als „Allroundtalent gegen Hirntumore“ gepriesen hatte, - Auslöser waren Laborexperimente von Dr. Claudia Friesen - liegt der Organisation nun ein erneuter Antrag auf eine Studie vor. Diesmal geht es nicht um Zellen im Labor, sondern um Patienten mit Glioblastom im Rahmen einer klinischen Studie, wie Prof. Wolfgang Wick vom Universitätsklinikum Heidelberg kürzlich bei SternTV bestätigte. Der Neuroonkologe rechnet bis Herbst mit einer Entscheidung, glaubt aber, dass die Krebshilfe "aufgrund des hohen öffentlichen Drucks" grünes Licht geben wird.

Der Medizinjournalist Michael van den Heuvel wundert sich unterdessen über den aktuellen Hype um Methadon. Auf Doc Check News schreibt er: „Der Aktionismus zum jetzigen Zeitpunkt überrascht. Vor rund zehn Jahren fand Friesen erste Erkenntnisse, dass Methadon Krebszellen absterben lassen könnte. Seither ist wenig passiert.“ Auch gibt er zu Bedenken, dass die Betroffenen die Ergebnisse der geplanten Studie kaum erleben dürften. Beim Glioblastom schwankt die mittlere Überlebenszeit zwischen 8 und 17 Monaten – die geplante Studie dauert mindestens drei Jahre.
(Gesundheitsstadt Berlin, 5.7.17, Beatrice Hamberger)


Methadon gegen Krebs: Kaum Nebenwirkungen

Das Schmerzmittel Methadon wird seit den 70er-Jahren als Drogenersatz für Heroin verwendet. Doch Methadon kann auch eine Chance für krebskranke Menschen bedeuten: Vor allem in Kombination mit einer Chemotherapie kann die Substanz Krebszellen abtöten. Und die Nebenwirkungen einer Methadon-Therapie sind offenber weniger gravierend, als viele Ärzte befürchten.

Methadon gegen Krebs: Kaum Nebenwirkungen

Das Schmerzmittel Methadon kann Krebszellen töten. Die Nebenwirkungen einer Methadon-Therapie sind laut einer Studie nicht so gravierend, wie viele Ärzte befürchten.

Methadon kann Krebszellen töten

Krebszellen sind schwer zu zerstören. Oft prallen körpereigene Abwehrstoffe und Medikamente der Chemotherapie einfach an ihnen ab. Methadon jedoch besetzt spezielle Opioidrezeptoren auf den Krebszellen und macht die Zellwände durchlässiger. Dadurch können chemotherapeutische Gifte die bösartigen Zellen besser bekämpfen - der Tumor schrumpft. Doch auch wenn Methadon möglicherweise schon das Leben vieler krebskranker Menschen verlängert hat, fehlt ein wissenschaftlicher Beweis für die Wirksamkeit.

Studie: Kaum Nebenwirkungen

Um Methadon im Kampf gegen Krebs einsetzen zu können, müssen Ärzte es als Schmerzmittel verschreiben. Doch viele Mediziner haben Bedenken wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen. In einer Studie eines Berliner Neurologen mit 27 Hirntumor-Erkrankten zeigten sich jedoch als schlimmste Nebenwirkungen von Methadon Übelkeit und Verstopfung. Einige Probanden schwitzten zudem etwas mehr als gewöhnlich. Doch das Methadon machte in der Studie weder psychisch abhängig, noch führte es zu Benommenheit.
(NDR, 11.4.17, Judith König)


Methadon als Krebsmittel

Ulm - Methadon führt in Kombination mit einer Chemotherapie zum massenhaften Absterben von Gehirntumorzellen.

Methadon – bisher vor allem als Mittel gegen körperliche Entzugserscheinungen bei Heroinabhängigen bekannt – ist in den vergangenen Jahren als potentielles Krebs­medikament in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Bereits 2008 konnten Forscher aus Ulm zeigen, dass Methadon Leukämiezellen in den Zelltod treiben kann.

Unter der Leitung von Dr. Claudia Friesen haben sich die Wissenschaftler des Uni­versitätsklinikums Ulm nun eine besondere Eigenschaft von Zellen des Glioblastoms – eines sehr bösartigen Hirntumors – zunutze gemacht: Glioblastomzellen bilden auf ihrer Oberfläche zahlreiche Moleküle aus, an die sich Methadon heften kann.

Einmal angedockt, legt das Methadon einen molekularen Schalter um und öffnet so die Tür für Krebsmedikamente, die dann ungehindert in die Zelle strömen. Umge­kehrt regen die Chemotherapeutika die Krebszelle dazu an, vermehrt Oberflächen­moleküle zu produzieren, an die das Methadon andocken kann – was wiederum das Einströmen von noch mehr Medikamenten zur Folge hat. Auf diese Weise schaukeln sich Krebsmedikament und Methadon gegenseitig immer weiter hoch – bis die Krebszelle den Zelltod stirbt. Gesunde Zellen werden nicht angegriffen.

Methadon schaltet zudem eine wichtige Abwehrreaktion des Tumors aus: Normaler­weise pumpen Zellen die giftigen Krebsmedikamente schnellstmöglich wieder heraus. Methadon stoppt jedoch die Pumpmaschinerie und die Wirkstoffe bleiben in großer Menge für lange Zeit in der Zelle. Dementsprechend wird eine geringere Dosis benötigt. Für den Patienten bedeutet dies weniger Nebenwirkungen durch die Chemotherapie und eine bessere Lebensqualität.

Die Zugabe von Methadon verstärkt die Wirksamkeit der Chemotherapie um bis zu 90 Prozent. Die Ergebnisse des Projekts, das die Deutsche Krebshilfe mit 299.000 Euro gefördert hat, werden die Forscher nun in klinischen Studien untersuchen. Bis dahin ist aber noch weitere umfangreiche Forschungsarbeit notwendig.
Projektleitung: Dr. Claudia Friesen, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Ulm.
(Magazin der Deutschen Krebshilfe Nr. 4/2014, gb)


Krebstherapie
Alte Bekannte, verborgene Fähigkeiten

Methadon und Vitamin C: Zwei Substanzen, die man nicht unbedingt als Krebsmittel bezeichnen würde. Das könnte sich ändern, wenn sich die Ergebnisse bestätigen, die Forschergruppen in der vergangenen Woche veröffentlicht haben.

Methadon statt Chemo? Gar nicht so unrealistisch. Per Zufall haben Wissenschaftler des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Ulm kürzlich nachweisen können, dass Methadon in der Lage ist, Leukämiezellen abzutöten. Wie das Team um Dr. Claudia Friesen im Fachmagazin »Cancer Research« (Band 68, Seiten 6059 bis 6064) berichtet, ist diese Wirkung des Suchtersatzstoffes sogar bei Chemotherapie- und bestrahlungsresistenten Zellen zu beobachten.

Für ihre Versuche verwendeten die Wissenschaftler Zelllinien einer lymphoblastischen T-Zell-Leukämie und einer myeloiden Leukämie, auf deren Oberfläche sich Opioidrezeptoren befinden, die Methadon binden. Warum die Blutzellen überhaupt mit diesen Rezeptoren ausgestattet sind, ist bisher noch unklar. Behandelten die Forscher die Krebszellen mit Methadon, geschah etwas Überraschendes: Die Zellen starben ab. Methadon war ebenso effektiv wirksam wie eine Standard-Chemotherapie oder eine Bestrahlung. Ob für kurze Zeit eine hohe Opioid-Dosis oder langfristig eine niedrige Dosis gewählt wurde, machte dabei keinen entscheidenden Unterschied. Und: Gesunde Zellen überlebten beide Methadon-Dosierschemata problemlos. Was man von gesunden Zellen, die einer Standard-Chemotherapie ausgesetzt sind, nicht behaupten kann.

Befehl zum Selbstmord

Den Forschern zufolge setzt Methadon Mechanismen der Apoptose, des programmierten Zelltods, in Gang. Dabei spielen Caspasen, genauer gesagt die Caspase-3 und die Caspase-9, eine wichtige Rolle. Die Aktivierung dieser Enzyme, die für die gesunde Entwicklung einer Zelle und für deren Reaktion auf eine schwere Beschädigung oder Infektion verantwortlich sind, leitet den Zelltod ein.

Dass Methadon auch solche Krebszellen zerstört, die auf eine Chemo- oder Radiotherapie nicht mehr ansprechen, fand Friesens Team in Versuchen mit Doxorubicin-, Multidrug- und Apoptose-resistenten Leukämiezellen heraus. Als nächstes wollen die Wissenschaftler in Tierversuchen prüfen, ob sich die Ergebnisse bestätigen lassen. Laut Friesen könnte sich Methadon nicht nur zur Leukämie-Therapie, sondern auch zur Behandlung anderer Krebsarten eignen. Die Entwicklung einer möglichen Methadon-Abhängigkeit wäre im Fall einer effektiven Krebstherapie sicher das kleinere Übel.

Vitamin-C-Spritze bei Krebs

Neben Methadon machte in der vergangenen Woche eine weitere, gut bekannte Substanz als möglicher Hoffnungsträger in der Krebstherapie auf sich aufmerksam: Vitamin C.

Hoch dosierte Ascorbinsäure-Injektionen verzögern bei Mäusen das Tumorwachstum. Zu diesem Ergebnis kommt die Arbeitsgruppe um Dr. Mark Levine von den National Institutes of Health in Bethesda. Wie die Wissenschaftler in »Proceedings of the National Academy of Science« (Doi: 10.1073/pnas.0804226105) berichten, ist auch die Anwendung beim Menschen aussichtsreich, vor allem bei der Therapie aggressiver Tumoren mit schlechter Prognose.

Den tierexperimentellen Studien waren Laborversuche mit Zelllinien vorausgegangen. Insgesamt testeten die Wissenschaftler die Auswirkung hoher Dosen Vitamin C an 43 unterschiedlichen Krebszelllinien. In drei von vier Fällen konnten sie einen Antitumor-Effekt nachweisen. Andererseits konnten selbst hohe Dosen Ascorbinsäure gesunden Zellen nichts anhaben.

Im nächsten Schritt testeten die Forscher das Vitamin an Mäusen, die an einem aggressiven Tumor der Bauchspeicheldrüse, der Eierstöcke oder des Gehirns erkrankt waren. Entweder intravenös oder intraperitoneal spritzten sie den Tieren Ascorbinsäure in einer Dosierung von bis zu 4 g pro kg Körpergewicht. Das Ergebnis: Bei allen drei Krebsarten reduzierten sich Tumorwachstum und -gewicht um 41 bis 53 Prozent. Im Falle der an Hirntumor-erkrankten Mäusen machte Levines Team eine weitere Entdeckung. Bei 30 Prozent der Tiere in der Kontrollgruppe traten Metastasen in anderen Organen auf. Bei Mäusen, die Ascorbinsäure injiziert bekommen hatten, konnten die Wissenschaftler das nicht feststellen.

Vom Antioxidans zum Prooxidans

Wie lassen sich diese Ergebnis erklären? In normalen Dosen wirkt Vitamin C als Antioxidans, das Zellen vor freien Radikalen schützt. In hoher Konzentration wirkt es genau entgegengesetzt. Aus dem Antioxidans wird ein Prooxidans, so die Forscher. Es komme zur Bildung von freien Radikalen und Wasserstoffperoxid. Bei gesunden Zellen löst das keine akuten Schäden aus, ein Großteil der Krebszellen wird dadurch aber zerstört. Die Wissenschaftler machen darauf aufmerksam, dass dies nicht geschieht, wenn das Vitamin geschluckt wird, da der Körper im Verdauungstrakt Schutzmechanismen gegen Radikale entwickelt hat. Eine orale Aufnahme, zum Beispiel über Vitamintabletten, erzielt demnach nicht diese Wirkung. In weiteren Versuchen wiesen die Wissenschaftler nach, dass sich auch beim Menschen durch die intravenöse Gabe hoher Vitamin-C-Dosen Konzentrationen im Blut erreichen lassen, die für eine Zerstörung von Tumorzellen notwendig sind.

Über den möglichen Nutzen einer Hochdosis-Therapie mit Vitamin C bei Krebspatienten wird seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert. Schon vor mehr als 30 Jahren gab es Hinweise darauf. In zwei placebokontrollierten Doppelblindstudien aus den Jahren 1979 und 1985 konnte ein Nutzen jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Studienteilnehmer hatten hohe Dosen Vitamin C erhalten – allerdings oral, nicht parenteral. Levine kündigte an, dass (aufbauend auf den neuen Erkenntnissen) nun neue Studien zur Behandlung von Onkologie-Patienten mit Ascorbinsäure in Planung sind. Pharmazeutische Zeitung, 33/2008, Sv. Siebenand)


Methadon: Allroundtalent gegen Hirntumoren
Schmerzmittel sorgt für mögliche Therapieverbesserung

Das Schmerzmittel Methadon könnte zukünftig auch in der Therapie von Hirntumoren eingesetzt werden. In Kombination mit einer Chemotherapie führt Methadon zu einem Massensterben von Glioblastomzellen, wie Wissenschaftler des Universitätsklinikums Ulm in Laborexperimenten her-ausgefunden haben. Sogar gegen alle bisherigen Therapien resistente Tumorzellen wurden nicht verschont. Nun sollen die neuen Erkenntnisse in klinischen Studien getestet werden. Zudem könnte sich Methadon auch gegen andere Krebsarten als wirksam erweisen. Die Deutsche Krebshilfe hat das Forschungsprojekt mit 299.000 Euro gefördert.

Methadon ist bisher vor allem als Mittel gegen körperliche Entzugserscheinungen bei Heroinabhängigkeit bekannt. In den vergangenen Jahren ist es allerdings als potenzielles Krebsmedikament in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Bereits 2008 konnte die Chemikerin Dr. Claudia Friesen vom Ulmer Institut für Rechtsmedizin zeigen, dass Methadon Leukämiezellen in den Zelltod treiben kann. Nun gelang Friesen und ihrem Team ein Durchbruch in der Behandlung der häufigsten bösartigen Hirntumoren bei Erwachsenen, den Glioblastomen, die derzeit als unheilbar gelten.

„Wir haben entdeckt, dass die zusätzliche Gabe von Methadon bei einer Chemotherapie die Wirkung der Zellgifte um bis zu 90 Prozent verstärkt“, erklärt Friesen. Für ihre Laborversuche machten sich die Ulmer Wissenschaftler zunutze, dass Glioblastomzellen an ihrer Oberfläche zahlreiche Moleküle auf-weisen, die als Andockstelle für das Methadon dienen. Einmal an diese sogenannten Opioid-Rezeptoren angedockt, legt das Methadon einen molekularen Schalter um und die Krebszelle öffnet ihre Schleusen. Nun können die Chemotherapeutika ungehindert die Tumorzelle erobern.

Eine mit Methadon behandelte Tumorzelle nimmt jedoch nicht nur mehr Zellgift auf als ohne Methadon, sondern gibt auch viel weniger davon wieder ab. Damit wird eine weitere Verteidigungsstrategie der Krebszellen ausgehebelt: Als Abwehrreaktion auf das Zellgift pumpt sie normalerweise das Medikament schnellstmöglich wieder nach draußen. Methadon jedoch stört die Pumpmaschinerie. So verbleibt das Krebsmedikament in großer Menge über einen langen Zeitraum in der Zelle. Dementsprechend wird auch eine geringere Menge benötigt, um die bösartige Zelle abzutöten. Für den Patienten bedeutet dies: weniger Nebenwirkungen durch die Chemotherapie und eine bessere Lebensqualität.

Umgekehrt erhöht die Chemotherapie die Zahl der Opioid-Rezeptoren auf der Krebszelle. Dadurch können auch größere Mengen Methadon andocken. Mehr Methadon wiederum bedeutet mehr Zellgift in der Zelle. Auf diese Weise schaukeln sich Krebsmedikament und Methadon gegenseitig immer weiter hoch – bis die Krebszelle den Zelltod stirbt.

Sogar Glioblastome, die sich als sehr widerstandsfähig gegen die bisherigen Therapien erwiesen haben, wurden durch die Kombination Chemotherapie und Methadon fast komplett zerstört. So könnten sogar als austherapiert geltende Patienten von den Erkenntnissen der Ulmer Wissenschaftler profitieren: „Möglicherweise können wir mit Methadon bisher resistente Tumorzellen wieder für die Chemotherapie empfänglich machen“, erläutert Friesen. Auch die berüchtigten Tumorstammzellen, die einen Rückfall auslösen können, hatten dem schlagkräftigen Duo Chemotherapie und Methadon nichts entgegenzusetzen.

Die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts werden die Forscher nun in klinischen Studien überprüfen. Friesen: „Wir wollen Methadon als Unterstützer und Verstärker der konventionellen Chemotherapie in den klinischen Alltag einbringen. Methadon erhöht den Therapieerfolg signifikant, überwindet Resistenzen und greift gesunde Zellen nicht an.“ Ihre Erkenntnisse ließen sich auch auf andere Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs oder bestimmte Formen von Brust-, Eierstock- und Prostatakrebs übertragen, so Friesen weiter. Bis dahin sei aber noch viel Forschungsarbeit nötig.
(Deutsche Krebshilfe, Bonn, 30. September 2014, Ulm/gb, Projektnr.: 109035)
muggel
Willi2
28.03.2019 13:13:00
Ein sehr interessanter und ausführlicher Artikel !!!!!!!!!!!

Danke für die vielen nützlichen Informationen:

seit Mai 2017 Glioblastom und Nutzer der Methadon-Therapie ab 09/2017...... mal sehen wie es weiter ausgehen wird.
8.MRT ohne Befund und 10.Zyklus mit Lomustin ab Oktober 2017.
Willi2
muggel
04.04.2019 20:54:31
https://www.forum-substitutionspraxis.de/substitutionsmittel/methadon/methadon-in-der-krebsmedizin
muggel
muggel
29.05.2019 10:12:23
Die NOA-24-Studie wird nicht von der Krebshilfe gefördert. Bei dieser Untersuchung sollte auch Methadon in der Therapie des Glioblastoms getestet werden:

"...Das Studienkonzept erschien den Gutachtern letztlich nicht überzeugend. Klärungsbedarf wurde insbesondere zu methodischen und statistischen Fragen gesehen (beispielsweise zur Anzahl der Studienarme und Studienpatienten, zum Studienendpunkt, zum Umgang mit möglichen Studienarm-Präferenzen der Patienten). Zusammenfassend wurden von gutachterlicher Seite zu der vorgeschlagenen Phase-I/II-Therapiestudie, bei der der heutige Therapiestandard mit anderen Testsubstanzen – unter anderem mit Methadon – verglichen werden soll, Zweifel geäußert, ob die Fragestellung(en) mit dem vorgeschlagenen komplexen Studiendesign (7-armig) beantwortet werden können...."

https://www.krebshilfe.de/fileadmin/Downloads/PDFs/Stellungnahmen/Deutsche_Krebshilfe_Stellungnahme_Methadon_04_2019.pdf
muggel
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