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Cin

Hallo ihr Lieben,
ich überlege schon seit Tagen ob ich hier einen Beitrag verfassen sollte, oder nicht. Aber ich würde gerne eure Meinung dazu wissen ...
Ich wurde im März 2015, an zwei Keilbeinmeningeomen operiert, die vollständig entfernt worden sind.
Ich kämpfe im Moment mit wahrscheinlich den gleichen Beschwerden wie die, die das auch schon hinter sich haben.
Wie fehlende Belastbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen (hier mal ein ziehen, da mal ein ziehen), Müdigkeit usw.
Ich hab die letzten Wochen nur so unglaubliche Schwierigkeiten mit meinem Umfeld. Ich hab das Gefühl, das keiner wirklich verstehen kann mit was ich noch zu kämpfen habe und wie es in mir aussieht. Ich zweifel manchmal auch an mir selber und überlege, ob ich mir das alles vielleicht nur einbilde und mein Umfeld Recht hat, das ich mich nicht so "anstellen" soll. Mir geht es wie den meisten hier ... man sieht die Narbe nicht mehr, ich sehe "gut" aus und alle denken, es geht mir wieder gut. Sogar meine Eltern (die mir wirklich nah stehen und während dem letzten Jahr noch näher als sonst gestanden haben), scheinen alles "vergessen" zu haben. Ich muss zwischendurch alle dran erinnern, was passiert ist und ich nicht wie vorher kann. Das ist anstrengend .. sich immer wieder für etwas rechtfertigen und entschuldigen zu müssen, was eigentlich gar nicht nötig sein sollte.. Auch Freunde und Kollegen scheinen nichts zu verstehen.
Ich merke das ich mich immer mehr zurückziehe, weil ich es allen einfach nicht recht machen kann und auch gar nicht mehr will!
Ich vergesse MICH dabei. Ist das aber egoistisch!?

LG an alle
Cin

bittersweet

Warum rechtfertigst du dich?
Sprichst du über deine Probleme? Kommunizierst du, wenn etwas nicht so funktioniert wie es sollte?
Mein Mann vergißt auch hin und wieder, dass durch die OP etwas hängen geblieben ist. Bei mir funktionieren bestimmte Denkvorgänge nicht mehr so wie es sein sollte. Ich kann gewisse technische Geschichten gedanklich nicht mehr so umsetzen. Mein Mann ist aber immer gewöhnt gewesen, dass ich mitdenke.

Konfrontiert er mich jetzt mit so einer Geschichte, sage ich ihm, dass ich das gedanklich nicht so schnell umsetzen kann. Manchmal bin ich sehr "wuschig". Ich kannd as nicht genau definieren. Wenn das so ist und ich deshalb eine Aktion nicht durchführen möchte, sage ich das ganz deutlich.

Meine Mitmenschen haben mittlerweile akzeptiert, dass sie darauf Rücksicht nehmen sollten. man muß das natürlich kommunizieren, wie sollten sie es auch anders verstehen.

krimi

Hallo Cin,
Deine OP ist überstanden, komplette Entfernung. Das signalisiert für das Umfeld - jetzt ist alles wieder gut. Sie verstehen nicht, dass mit der OP mehr zusammenhängt. So war es bei mir ebenfalls und ich habe darunter gelitten.
Du musst dich nicht erklären und zutexten hilft auch nicht. Es dauert leider seine Zeit bis sie und ich glaube auch du, diese neue Situation akzeptierst.
Und was deine Eltern betrifft - sie fühlen sich jetzt wohl auch etwas hilflos, da du das Schlimmste in ihren Augen ja überstanden hast.
Was deine kognitiven Probleme angeht - hast du da noch Hilfe, um wieder fit zu werden?
Das Verarbeiten der Krankheit, deiner OP - denkst du daran dir hier evtl. Hilfe zu holen?
Eine neuropsychologische Therapie bei einem dafür ausgebildeten Therapeuten könnte hilfreich sein.
Lass den Kopf nicht hängen und zieh dich nicht zurück. Mach das was du kannst, an dem Anderen kannst du arbeiten.
Es werden sich auch andere, neue Türen öffnen.
LG krimi

Majeb

Hallo Cin
Ich kann dich so gut verstehen, mir geht es oft auch so. Ich meine mich rechtfertigen zu müssen, warum ich so "gut" aussehe und doch noch nicht so kann. Habe auch selber gemeint es läuft jetzt dann mal alles so weiter wie vorher. Dem ist aber nicht so. Nur die Menschen in deinem nächsten Umfeld bekommen ja mit, dass du abends total müde ins Bett fällst und auch zwischendurch mal eine Pause brauchst.
Ich gehe mittlerweile recht offensiv mit meiner Geschichte um. Zeige jedem gerne mein MRT Bild und erkläre, dass ich noch lange nicht so fit sein werde wie es den Anschein macht.
Habe für mich meine Ehrenämter weit von mir geschmissen und habe mittlerweile auch kein schlechtes Gewissen mehr.
Es kommt für mich jetzt darauf an, mein Leben und meine Familie auf einen guten Weg weiter zu führen.
Und nein, ich finde dich gar nicht egoistisch. Du weißt am besten was dir gut tut. Und ganz ehrlich, unser Umfeld kann manches nicht verstehen, aber woher auch. Richtig einfühlen kann man sich doch oft erst wenn man selber betroffen ist.
Darum ist ja dieses Forum auch so wichtig und gut.
Mich begleitet zur Zeit ein Gedicht, aus dem ich viel Kraft schöpfe und das mich in einigen Entscheidungen bestärkt hat:

gut gemeint

ich sagte dir was gut tut
ich sagte dir was richtig ist
ich sagte dir was du tun sollst

aber du wolltest es nicht begreifen

dann begriff ich

du weißt was gut für dich ist
du weißt was richtig ist
du weißt was du tun musst

Gott schütze dich

- Franziska Plum -

Auch wenn sicher manchmal das Unverständnis anderer total nervt, lass dich in deinem Weg nicht entmutigen und nimm dir deine Auszeiten .
So wie Krimi es so toll gesagt hat, es öffnen sich immer auch andere Türen...
Ich wünsche dir alles Gute weiterhin.
Liebe Grüße Majeb

Cin

Hallo zusammen,

ja .. ich rechtfertige mich, weil ich selber manchmal denke das ich 100% wieder geben muss und das auch den anderen beweisen muss. Es ist sehr schwierig sich da alleine Grenzen zu setzen und zu sagen "bis hier hin und mehr geht nicht". Vor allem, wenn man sich schwer fallen lassen kann.
Wahrscheinlich liegt auch da das Problem, das ich nicht gerne sage wie es mir geht und es auch nach außen nicht zeige.
Hilfe hol ich mir jetzt bei einer Psychotherapie. Da habe ich aber erst gestern mit angefangen. Ich bin gespannt ob sie mir damit helfen kann und ob ich da an der richtigen Adresse bin. Aber ein Versuch ist es wert :)

Es ist aber ganz lieb von euch, wie ihr mir Mut macht und es "beruhigt" auch ein wenig die Tatsache, das man nicht alleine ist damit und es Menschen gibt, die einen verstehen und es auch nachvollziehen können.

Das Gedicht ist sehr schön Majeb. Es ist schön, wenn man etwas hat, was einen Mut macht und einen "voran treibt".

LG
Cin

Clematis

Hallo Cin,

auch ich suche im Forum "Betroffene". Ich hatte im April meine OP. Mir wurde aus dem Rückenmarkskanal ein Ependymom WHO° II in Höhe HWS 4/5 herausgeholt. Seit der Operation kann ich nicht mehr richtig laufen und habe in den Beinen und auf der rechten Seite und in der rechten Hand starke Mißempfindungen. Mir ging es vor der OP gut, der Tumor war ein Zufallsbefund. Und nun geht es mir ein halbes Jahr nach der OP so schlecht wie noch nie. Mein Körper wehrt sich gegen Kleidung und vor allem gegen Schuhe, sobald ich beides anhabe werde ich hart und mein Körper krampft. Deshalb verlasse ich nicht oft das Haus. Ich weine sehr viel , weil ich mich noch nie so hilflos gefühlt habe wie jetzt. Ich kann also noch nicht arbeiten und komme gerade so mit Haushalt und mit mir zurecht. Ich werde auch oft gefragt, ob ich überhaupt mal wieder arbeiten gehen will und warum ich nicht Sport mache und warum ich nicht dies oder jenes mache. Wenn ich dann anfange meine Situation zu erklären, habe ich immer das Gefühl dass mich niemand versteht. Die Ärzte können mir auch nicht sagen ob sich dieser Zustand mal bessert. Bei mir wurde die Nerven im Rückenmark verletzt und wie lange es dauert bis sich das wieder normalisiert weiß niemand.
Ich fange demnächst wieder eine Gesprächstherapie an, aber ich weiß ja was dort passiert und erhoffe mir deshalb nicht viel.
Ich bin mit der Gesamtsituation so unzufrieden und unglücklich und dann kommt das "Umfeld" und fällt über mich her. Ich habe mich sehr zurückgezogen.

Würde mich freuen bald wieder von Dir zu hören .
LG Clematis

probastel

Hallo Cin,
hallo Clematis,

leider ist es normal, dass wir nicht vom Umfeld verstanden werden. Die OP ist ja bereits Wochen, Monate oder Jahre her und der Tumor ist raus. Dann muss doch alles in Ordnung sein.

OP-bedingte Nebenwirkungen haben die meisten aus unserem Umfeld nur für die ersten 2 bis 4 Wochen im Kopf. Spätestens wenn die Narbe verheilt ist und Haare über die Sache gewachsen sind, ist doch alles in bester Ordnung!

Das diese leider nicht so ist, dass man auch noch lange Zeit nach der OP unter den Folgen leiden kann und in der einen oder anderen "Funktion" eingeschränkt sein kann, das versteht unser Umfeld nicht.

Die Frage nach dem Warum lässt sich so einfach wie auch plausibel erklären:
Dem Umfeld fehlt die Erfahrung, sie haben eine Hirn- oder Spinal-OP noch nie durchgemacht. Ein verknackstes Sprunggelenk, das kennt jeder. Da versteht jeder, dass es Wochen dauern kann, bis das Sprunggelenk wieder belastbar ist und Jahre bis es nicht wieder umknickt. Dass wir unter Umständen noch Jahre später postoperative Probleme haben können sieht man uns nicht an, wir tragen keine Krücke am Kopf.

Ich habe das Glück, dass bei mir bis auf einen Fuß, der ab und an Fehlinformationen abgibt, nichts übrig geblieben ist. Und dennoch sage ich meinem Umfeld mit schonungsloser Offenheit (Klartext und keine falsche Bescheidenheit), dass es eben doch noch Nachwirkungen gibt, wenn sie es nicht verstehen (wollen). Bis dato bin ich dann noch immer auf Verständnis gestoßen.

Lasst Euch nicht entmutigen und versucht gegen die Symptome zu arbeiten.

Beste Grüße
Probastel

Mamamuhki

Liebe Cin,
ich schließe mich allen anderen hier an. Ich verstehe dich so gut, auch ich habe immer wieder an mir selbst gezweifelt und mich infrage gestellt, ob ich mich nicht einfach nur anstelle. Das passiert mir auch heute noch manchmal.
Ich meine auch immer, mich rechtfertigen zu müssen, und es fällt mir schwer, meine Grenzen zu akzeptieren. Man will funktionieren wie früher, sich selbst und den anderen beweisen, dass man wieder "funktioniert" - nur es geht einfach nicht.
Wie bei Bittersweet funktionieren einige Denkvorgänge auch bei mir nicht mehr so wie vorher, da, zumindest bei mir, der Frontalbereich meines Gehirns durch den Tumor sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Meine Therapeutin hilft mir dabei, meine Grenzen und den "Ist- Zustand" zu akzeptieren, Schritt für Schritt langsam voran zu kommen. Wie ein Bergsteiger, der auf seinem Weg zum Gipfel (der immer steiler und schwieriger wird, je näher man dem Ziel kommt) immer wieder Pausen einlegen muss.

Majeb, dein Gedicht gefällt mir sehr gut!

Ich wünsche allen hier weiterhin Kraft, Mut, Hoffnung und Zuversicht und Gottes Segen
Umarmung und liebe Grüße
Cordula

Liwi

Liebe Cin,
ich kann hier nicht mehr viel Hinzufügen, außer das es mit der Zeit erst erträglicher und dann einfacher wird, bis der Schmerz ganz verfliegt und nur noch Erinnerung ist.
Ich habe mich endlich von meiner missglückten Lipomentfernung am Hirnstamm erholt, ist inoperabel, rettet mich aber vor Aneurysmen.
Auch habe ich seid 2,5 Jahren keine Anzeichen meines stillen Begleiters mehr gespürt.
Ich musste mit vielen Hindernissen zurecht kommen.
Ich konnte nicht richtig gucken, greifen und meine Körperwahrnehmung war stark eingeschränkt.
Zum Teil habe ich 10h am Tag geschlafen oder konnte gar nicht aufstehen.

In den ersten Wochen waren alle sehr verständnisvoll, nach 3 Monaten fürchteten meine Angehörigen ich könnte meinen "Job" verlieren, ein FSJ im OP.
Also habe ich mich nach 3 Monaten aufgerappelt und bin wieder arbeiten gegangen.
Das war der größte Fehler den ich machen konnte, ich dachte aber ich muss.

Ich war schmerzgeplagt und wütend auf mich und auf die Ärzte, auch habe ich mich nie wirklich verstanden Gefühlt.
Nachdem ich dann im Epilepsiezentrum in Hamburg war, habe ich eine Gesprächstherapie begonnen, die mich und mein soziales Leben sozusagen gerettet hat.

Heute stehe ich fest im Leben und habe in meiner Zeit als Betroffener viel gelernt.
Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft und es wird dauern, bis sich dein Umfeld mit deiner Situation abfindet.

Du wurdest am Kopf operiert, das ist nicht mit einem gebrochenem Arm zu vergleichen du musst auf dich acht geben, das hat nichts mit Egoismus zu tun.
Bei deinen Angehörigen spielt die Angst um dich und deine Zukunft sicher eine große Rolle.
Niemand wird zu 100% verstehen wie du dich fühlst, wenn er nicht in deiner Lage war.
Hör auf deinen Körper und werde nicht müde es deiner Umgebung zu erklären, wenn sie es vergessen.
Du hast ein Trauma hinter dir, das überwindet man nicht so schnell.

Keiner der über ein gewisses Maß an Empathie verfügt wird es dir übel nehmen und keiner wir dich egoistisch nennen.

Ich hoffe ich konnte dir ein hilfreiches Beispiel sein und wünsche dir alle Kraft das durchzustehen.

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