Hallo Teddy,
ich sehe das eigentlich ganz anders.
Sein Gehirn wurde scheinbar sehr stark geschädigt.
Wenn ich von mir ausgehe, dann KÖNNTE es sein, dass er ganz einfach nicht anders kann, als so zu reagieren, weil er restlos überfordert ist.
So ging es mir zumindest nach meiner OP, ich war damals mit ALLEN äußeren Einflüssen total überfordert.
Selbst heute, nach fast 6 Jahren, komme ich mit Lautstärke nur schlecht klar. Plappern zu viele auf mich ein, dann merkt das zwar rein äußerlich keiner, aber im Nachhinein stellte ich schon häufig fest, dass ich viele Dinge dadurch gar nicht mitbekam.
Mein Hirn beschäftigte mich sozusagen "selbstständig" und das mit extrem vielen Gedanken - ähnlich wie im PC - extrem große Datenmengen, welche der Rechner verarbeiten muss, wenn der Arbeitsspeicher nicht reicht.
Mir rauschten gefühlt Milliarden von Gedanken durch den Kopf und ich musste irgendwie eine Lücke finden, in die ich meine Belange einschieben konnte. Ist irgendwie ganz schwer zu beschreiben. Ich reagierte stark verlangsamt und als ich etwas schneller reagieren konnte, regte ich mich sogar über Musik auf. Obwohl ich selber viele Jahre sehr gerne musizierte und sang.
Wenn mein Mann "sich seine geliebte Rockmusik" anhörte, drehte ich ab/ fast schon durch; Zu laut, zu viel, überhaupt nicht (mehr) mein Ding. Wenn Musik, dann ganz ruhige, langsame, eher klassische Musik, mit wenig Bässen und wenig hohen oder schrillen Tönen. Gerne würde ich wieder im Trompetenchor, oder einem Gesangschor mitwirken, aber ich habe echt Angst davor, dass es mir zu laut ist. Es überfordert mich selbst heute noch.
Mein Mann hört "seine Musik" mir zur Liebe oft nur noch über Kopfhörer. Ich habe ihm extra richtig Gute geschenkt. Er hat 2 echt "fette" Anlagen (5.1 Dolby und seine Z4 von Logitech am PC entsprechendes Zubehör, womit er den ganzen Ort hier beschallen könnte), aber er nutzt sie nur noch, wenn ich nicht zu Hause bin.
Es tut mir innerlich sehr weh zu sehen, dass er sich damit wegen mir, nicht mehr so frei bewegen kann, aber ich ertrage es ganz einfach nicht, wenn diese sch.. E-Gitarrensolos (gefühlt) bis in den Ultraschallbereich gehen und die Bässe mir einen nicht gebrauchten Herzschrittmacher ersetzen. Schlimm ist es auch auf Weihnachtsmärkten oder Musikevents. Geht nicht mehr, Konzerte, Kino und sowas mag ich auch nicht mehr. Zu laut und zu viele Menschen.
Ich bin sehr geräuschempfindlich und konnte schon immer Fledermäuse sehr gut hören, deren Orientierungslaute tatsächlich im Ultraschallbereich zu finden sind. Während ich immer von deren "Piepserei" genervt war, wusste meine Familie selten oder nicht, was ich meine.
Für die Musik war mein empfindliches Ohr bestens geeignet, jetzt ist es teilw. echt nervig.
Am besten jeden Tag die selben Abläufe und keine ungeplanten Veränderungen, dann kann ich ein halbwegs normales Leben führen.
Das Wissen darum belastet mich auch sehr, kann es aber nicht ändern. Ich versuche regelmäßig über meine Belastungsgrenzen hinaus zu gehen. Immer mit der Hoffnung, dass ich dadurch irgendwann belastbarer werde, es scheint aber nur begrenzt zu klappen. Wer mich nicht kennt, der merkt wie gesagt keine Einschränkungen bei mir, aber mein Mann erkennt meine Signale inzwischen sehr gut und zieht mich bewusst aus solchen Situationen heraus, wenn ich es möchte.
Würde er versuchen mich zu bevormunden, dann würde ich zickig reagieren, das mag ich gar nicht.
Das schränkt leider ihn auch ein.
Unterm Strich aber gesehen, ist alles nicht so wild, denn ich lebe und auf mich verzichten möchte aus meiner Familie niemand.
Von meinem Sohn bekam ich damals schon "Sterbeverbot"... ;-) und ich versuche mich daran zu halten.
Es ist für alle Betroffenen sehr schwer, aber man sollte als Angehöriger möglichst versuchen nichts hineinzuinterpretieren und als Betroffener heißt das, dass man an sich arbeiten muss, was selbstverständlich nur so geht, wie man es kann/in der Lage ist.
Liebe Teddy und Tochter, hoffentlich hilft euch meine Erfahrung, mein Durchlebtes, dass ihr etwas besser mit der Gesamtsituation umgehen könnt.
Viel Mut, viel Kraft und alles Gute wünsche ich euch dafür....
LG Andrea