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Herzlich willkommen im Forum der Deutschen Hirntumorhilfe!

Thema: Psyche

Teddy9
07.12.2016 11:33:27
Hallo!
Bei meinem Mann ist ein 2. Rezidiv festgestellt worden, es kann nicht mehr operiert werden.
Er ist - verständlicherweise - total niedergeschlagen und weint ständig. Auch ist er gereizt und es kommt ständig zu Auseinandersetzungen mit unserer 10jährigen Tochter.
Das macht mich selbst alles fertig.
Wie geht ihr als Betroffener/Angehöriger damit um?
Ich stehe immer dazwischen und die ganze Situation macht mich fertig. Außerdem bin ich noch 3/4 berufstätig.
LG
Tanja
Teddy9
hitachiman
07.12.2016 11:53:44
Hallo Tanja,
hab es selber durch nur ohne das ich gereizt war. Es ist für Euch 3 nicht einfach und es ist schwierig damit klar zu kommen. Es tut mir weh wenn ich die Situation bei Euch lese. Als bei mir das 2. Rezitiv festgestellt wurde war mir alles zuviel. Ich lief tagelang heulend durch die Wohnung, dachte schon ans Schluss machen. Meine Familie gab mir dann die Kraft zu kämpfen, ich weis jetzt es war für alle eine schwere Zeit. Richtig aufgebaut hat mich meine Familie und die Gruppengespräche bei der Psychologin. Egal wie Aussichtslos auch die Situation manchmal scheint, es lohnt sich zu kämpfen.
Bei deinem Mann gehen Sachen durch den Kopf ,Angst,Sorge,Panik,Trauer und Hoffnungslosigkeit. Gib Ihm die Kraft und seit Beide für Ihn da.
LG Heiko
hitachiman
Teddy9
07.12.2016 12:07:17
Hallo Heiko!
Es stimmt, die Situation ist für alle nicht einfach. Mein Mann war immer ein Arbeitstier und noch in der Feuerwehr. Jetzt ist er nur noch auf unsere Hilfe angewiesen. Dass er auch unzufrieden ist verstehe ich auch. Ich nehme ihm wirklich alles ab - weil er es aber auch selbst nicht mehr kann -, so dass er sich eigentlich nur um sich kümmern muss.
Es ist eine erbärmliche Krankheit.
Morgen steht das nächste MRT an.
Mein Man lehnt eine psychologische Betreuung strikt ab.
Ich würde es als hilfreich empfinden, man kann ihn aber nicht zwingen.
Vielen Dank für deine Antwort!
LG
Tanja
Teddy9
hitachiman
07.12.2016 13:05:07
Tanja,
ich war genau wie Dein Mann. Arbeitstier und Feuerwehr genau wie ich. Leitete 20 Jahre die JFW, bauten das Gerätehaus um. Und auf einmal nutzlos für Arbeit und Feuerwehr, keine Perspektive.
Anfangs sagte ich auch ich gehe nicht zum Seelenklempner, doch bei der Reha hatte ich viele Gespräche mit Psychologen, die zeigten mir das es gut tut über die Probleme zu sprechen. Zwingen bringt nichts , er muss es wollen. Heute Sehe ich es war der richtige Schritt, auch für Familie und Beziehung.
Seid stark ich drücke Euch die Daumen. Heiko
hitachiman
hopeflower
07.12.2016 17:25:23
Hallo Teddy,

ich hatte auch schon in einem anderen Thread geschrieben.

Aber bei deinen Worten hab ich mich gefragt was du meinst mit "dazwischen stehen". Meinst du dazwischen wenn dein Mann Auseinandersetzungen hat mit deiner Tochter? Oder Meinst du du stehst zwischen Arbeiten und zu Hause bleiben?
Gibt es Gedanken wie "eigentlich wäre es besser wenn..., aber das geht nun mal nicht"? Was würde dir konkret helfen, dass es dir besser geht?

Alles Gute für euer MRT.

LG,
h.
hopeflower
Lara
08.12.2016 08:25:06
Ich kenne das Problem auch.
Eigentlich war man gemeinsam mit dem Partner ein Team. Man hat versucht das Kind gemeinsam zu erziehen(Liebe,Werte,Grenzen...vermitteln). Plötzlich ist der Partner auf Grund der Erkrankung dazu nicht mehr in der Lage.
Er verhält sich wie ein trotziges kleines Kind. Und begibt sich für mich als Mutter in untragbare Konflikte.
Ich bin gezwungen Partei für unser Kind zu ergreifen, ich untergrabe damit seine Autorität... dass fühlt sich ganz furchtbar an.
Es widerstebt mir, da ja eigentlich vereinbart war so etwas nicht zu tun.
Nur lässt es sich durch das Verhalten des Partners nicht verhindern.
Er hat somit irgendwie die Ebene eines Kindes bekommen. Nur das man dieses Kind nicht erziehen kann, weil es nicht mehr dazu lernt sondern dass immer mehr vergisst.
Unsere Kinder helfen sich meistens mit der Weißheit "Der Klügere gibt nach" .... ( und das in der Pupertät..)
Da sie auch erkannt haben, dass es keinen Zweck hat...sich mit ihm zu streiten.
Vielleicht hat irgend jemand von euch Anregungen und Tipps wie man als Kind oder Partner damit umgehen kann.
Das Gefühl der Punchingball zwischen den Konfliktparteien zu sein ist nicht schön....

LG

Lara
Lara
Teddy9
08.12.2016 10:50:22
Genau SO ist es.
Teddy9
hopeflower
08.12.2016 10:57:52
Kenn ich. Völlig irrationale Entschiedungen. Ich weiß noch als unsere Tochter nach einem gegessenen Apfel UND einer aufgegessenen Birne gefragt hat ob sie EIN Gummibärchen darf. Und mein Mann meinte "Nein". "Aus Prinzip". Dabei ernährt sich die Kleine echt gesund. Ich war sprachlos. Und dann kam immer öfter ein "Lass mich!!" wenn der Papa sie ansprach. Sie hat ihn überhaupt nicht mehr akzeptiert, ob er nun recht hatte oder nicht (und das mit 3 Jahren). Es war nicht schön.

Ich weiß nicht warum genau, aber es wurde wieder gut als wir im Hospiz waren. Vielleicht weil wir alle besser geschlafen haben. Weil ich wieder mehr Kraft hatte, gute Nächte. Weil ich wieder bessere Nerven hatte mit der Kleinen. Weil viel Erziehung zu Hause passierte und Hospiz eher wie ein schöner Ausflug war. Auch mein Mann war wieder relaxter. Und es kam nicht mehr so zu Konflikten. Im Gegenteil. Aus dem "Lass mich!" wurden eher wieder Streicheleinheiten, Umarmungen und Küsse.

Es hat mir sehr viel bedeutet, dass es so viel besser wurde zwischen der Kleinen und meinem Mann (und auch uns, weil wir eben einfach mehr "quality time" hatten).
hopeflower
Schatz Bea
09.12.2016 15:42:41
Hallo Teddy,
ich nehme großen Anteil an deiner Situation, da ich in selbiger stecke. ich habe Regeln aufgestellt, im Umgang meines Mannes mit Moritz, damit die Reibungsflächen reduziert werden und ich bringe Moritz regelmäßig zu einer Kinder- und Jugend-Psychologin des Haus Lebenswert, welche mit Kindern krebskranker Eltern arbeitet, damit er sich seelisch entlasten kann. Außerdem habe ich schon am 1. oder 2. postoperativen Tag die Onkopsychologen über die Stationsärzte geordert. Jetzt geht mein Mann jede Woche zu einer Onkopsychologin und zur Neuropsychologin, das sind wichtige Bausteine der Therapie und wichtig Du brauchst ebenfalls Entlastung.
Ich drücke Dich und bin in Gedanken bei Dir.
Schatz Bea
wsb
10.12.2016 05:28:51
Hallo,

möchte nur kurz meinen Weg bezüglich der Familie mit meinem Glio4 erwähnen (männlich, bisher Arbeitstier....). Nach den zwei OPs (alles entfernt) und der Diagnose war mir klar, dass es so oder so zu Veränderungen kommen wird, dass mein bisheriges Leben und das der Familie Vergangenheit ist. Gereiztheit, Wesensveränderung und was alles noch so kommen wird. Meinen 3 Kindern und meiner Frau wollte/will ich dies alles in dem Elternhaus der Kinder ersparen.

Ich habe mir 60 km entfernt, in der Stadt, wo auch die Behandlungen in der Uniklinik stattfinden, ein kleines Apartment genommen und wohne nun dort. Die Kinder (17, 2x15) kennen die Diagnose. Diese akzeptieren die Entscheidung und verstehen es. Ich versuche 1-2 die Woche dort zu sein. Mal übernachte ich da. Meist aber nicht. Die Kinder können sich so um Ihren schulischen Alltag und so weiter kümmern. Diese kommen mich auch mal besuchen.

Alle können zur Zeit so "gut" mit der Situation leben, ich auch. Ich habe hier so viel gelesen, dass für mich eine derartige Belastung der Familie nicht infrage kommt. Aber der Weg, den jeder geht, ist individuell, so auch meiner.

Ist ja vielleicht für den einen oder anderen ein Denkanstoß.
wsb
hopeflower
10.12.2016 09:16:14
Hallo wsb,

das finde ich eine mutige Entscheidung, die auf jeden Fall Respekt verdient. Ich hoffe dass ihr alle gut damit klar kommt, auch deine Kinder und deine Frau.

Es kommt meiner Meinung nach aber auch auf die Lage an (frontal-temporal, links oder rechts). Persönlichkeitsveränderungen sitzen gerne rechts. Sicher gibt es auch links viele Veränderungen, bei meinm Mann war das so, aber zum Beispiel Aggression hatten wir gar nicht (bzw. nur 1x wegen Keppra und dann haben wir die Antikonvulsiva geändert).

Für mich würde sich die Frage stellen, welche Möglichkeiten es gibt wenn man den Betroffenen egtl. lieber nicht mehr alleine lassen möchte (z.B. Weglauftendenz, Orientierungsschwierigkeiten, Úberschätzung oder einfach "Quatsch" machen, Ofen anlassen usw.) - bitte redet auch darüber. Es kann sein dass dieser Tag kommen wird.

LG,
h.
hopeflower
styrianpanther
10.12.2016 13:34:01
Hallo ,

@ wsb: Ich finde diese Möglichkeit , getrennt oder mit mehreren Wohnmöglichkeiten zu leben, durchaus praktisch, wenn es finanziell und betreuungstechnisch möglich ist.
Betroffene und Angehörige haben verschiedene Bedürfnisse, ganz besonders, wenn Kinder noch dabei sind. Getrennt wohnen heißt auch Freiraum haben.

@ hopeflower: Das kann man meiner Ansicht und Erfahrung nach so nicht sagen bzw. zuordnen, ich habe genau das Gegenteil gelesen ;-)

Eine Wesensveränderung hängt von mehreren Faktoren und Umständen ab, vom Mensch an sich, auch seinem Charakter , sicher auch von seinem sozialen Umfeld und vom individuellen Umgang mit dieser Veränderung/ Erkrankung ab.

Welche persönliche Auswirkung hat diese Erkrankung auf den Betroffenen und sein Umfeld - reine Theorie - Bei einem Tumor an der exakt selben Stelle kann das ein, mehr oder weniger schwieriger Verlauf werden.
z.B. bei einem GLIO IV ist der lebensverändernde Aspekt bedeutender als bei einem niedriggradigen oder WHO I.- z.B. ich habe mehr Zeit und Möglichkeiten. Ich denke ICH persönlich würde vielleicht anders emotional (re) agieren, wie bei einem WHO IVer.

Weiters, die genaue Lage, die Epi Medikamente , dann die psychoemotionalen Folgen einer Behandlung, Operation, Bestrahlung oder der Chemo usw. (Merkfähigkeit, Arbeitsfähigkeit, Orientierung und besonders diese Rcehtschriebefhler usw.)
Alles was uns als Mensch bisher ausgemacht hat, ist mal auf den Kopf gestellt.
Schlussendlich kann man alles positive probieren und es ist trotzdem schwierig.

Mit einem Hirntumor oder der Diagnose leben lernen ist für alle Beteiligten eine Herausforderung. Dieses gemeinsam anzunehmen, birgt meiner Ansicht nach, aber auch viele positive Chancen, das Leben von anderen, außergewöhnlichen wertvollen Blickwinkeln und mit neuen Erkenntnisse zu betrachten.

ab sofort:
Lebensfreude für das was ist
Vertrauen dem anderen gegenüber
Zuversicht,
Mut entwickeln und andere zurücklassen können
Freude am jetzt
Loslassen
Zeit haben hier und jetzt- für kleine Dinge
Zuversicht, dass die Familie weiterlebt
abschalten lernen
nicht alles zu wissen und zu können
alleine sein wollen
mit gleichgesinnten eine besondere Vertrautheit haben
trotz allem doch noch en bisschen oder mehr Spass haben,
Reisen wollen, echte Freunde kennen lernen
mit den Kindern oder Enkeln mehr echte zeit verbringen
die Sonne scheinen lassen
und HOFFNUNG zu haben

und vieles , vieles mehr ...
und ich ärger mich schon auch mal über diesen Sch...

und nachdem ich meinen Tumor auch rechtsfrontal habe, glaube ich an die Zuversicht und weniger an die Lage,
Ich denke, ich sollte das Beste aus dem bisschen Leben machen- ist insgesamt kurz genug, jetzt ist mir bewußter geworden, dass sich die Zeit nicht ausgeht deshalb tausche ich unnütze Zeitvergeudung mit nützlichem und soweit möglich zufriedenem Sein, ich versuche es zumindest.

mfg
styrianpanther
styrianpanther
hopeflower
10.12.2016 13:46:46
styrianpanther,

ich stimme mit dir überein dass es bei jedem anders sein kann. Unser Arzt meinte halt dass bei Rechtshändern links die Sprache sitzt und rechts die Emotionen, Musik, Kunst usw. - aber bei Linkshändern ist das wieder anders und auch bei einem anderen Rechtshänder kann es wieder anders sein als bei dem anderen. Und ob es dann frontal ist oder temporal oder insulär,....bestrahlt wurde oder nicht, und mit welcher Stärke und wie hat der Einzelne reagiert...eine unendliche Geschichte.

Insofern...lieber Zuversicht als Lage, absolut!! :)

Im Endeffekt kann man sich bei allem verrückt machen aber das nutzt nichts. Vielleicht passiert einem vieles selber nicht.

Lg,
h.
hopeflower
Teddy9
10.12.2016 16:21:22
Hallo wsb!

Also so eine Entscheidung zu treffen ist ja der Wahnsinn. Ich denke aber auch, dass es wirklich die wenigstens machen.

Wir hatten gestern wieder die nächste Situation :-(
Die Freundin meiner Tochter wurde von Ihrer Mutter abgeholt. Ich unterhielt mich noch ca. 1 Stunde mit ihr ich hatte schon Angst, dass mein Mann von oben runter kommt und sie zusammenfaltet weil sie so viel quatscht. Dann ist er auch nicht zu halten. Er ist einfach außer sich. Das tat er nicht. ABER: als sie weg war bollerte er los, wieso sie solange quatschen würde, demnächst braucht sie nicht mehr zu kommen und und und. Meine Tochter stand sofort vom Esstisch auf und hatte keinen Hunger mehr und verzog sich ins Kinderzimmer. Auch mir verging der Appetit. Ich machte ihm sein Abendbrot und ging auch ins Kinderzimmer.
Das kann doch so nicht weitergehen.
So wird es aber wahrscheinlich weitergehen.

Das MRT am Donnerstag zeigte eine deutliche Verbesserung. Der Tumor ist ETWAS zurückgegangen, doch die Schwellung drumherum ist komplett weg.

Das ändert trotzdem aber nichts an seinem Verhalten.

LG, Teddy9
Teddy9
mery
10.12.2016 16:27:04
sei glücklich das er reden kann....wir kommunizierten ohne Worte 1,5 Jahre. geniess es erfreue dich , dein Mann ist wichtig ...nicht ob eine Freundin kommt oder nicht...ihn wird es evtl. bald nicht mehr geben........alles gute
mery
Teddy9
10.12.2016 16:52:49
Habt ihr Kinder?
Ich sehe das etwas anders. Wir tun alles für ihn, doch auch unser Leben geht weiter. Und wenn sich dann auch die Freundinnen meiner Tochter zurückziehen und "Angst" vor ihm haben bricht es einem das Herz.
Alles Gute für Euch!
Teddy9
Ironfighters
10.12.2016 23:13:45
Liebe Teddy,
es tut mir sehr leid was ihr da momentan durchmachen müsst. Es ist eine schreckliche Situation.

Da Kinder im Haushalt leben, denke auch das ihr das so einfach hinnehmen dürft. Wenn kein zielführendes Gespräch mit deinem Mann über dieses Thema möglich ist, sollte man sich zeitnah fachärztlichen Rat dazu holen. Dieses (unterschwellig aggressive) Verhalten ist schon als psychiatrisches Symptom zu werten und somit wäre ein Psychiater der geeignete Ansprechpartner. Er kann euch über geeignete Therapie Maßnahmen und Verhaltensweisen beraten.

Ich wünsche Euch viel Kraft für die nächste Zeit.
Ironfighters
Forever
11.12.2016 10:43:51
Hallo Teddy,

das ist eine sehr schwierige Situation, insbesondere wenn Kinder im Haushalt betroffen sind. Bei der Erkrankung meiner Frau waren unsere Kinder 9 und 12 Jahre alt. Glücklicherweise hat meine Frau keine solchen Aggressionen gezeigt, fast eher das Gegenteil. Also eine Art von Gleichgültigkeit. Diese kann auch nerven, aber dürfte insbesondere für das Umfeld weniger belastend sein.

Du schreibst nicht wie alt deine Tochter ist. Je nach Alter solltes du versuchen ihr klar zu machen, dass es nicht ihr Vater ist, der sich in dieser Situation so unverständlich verhält. Es ist ausschließlich der Tumor, nicht er selbst. Bei vielen anderen Krankheiten ist die Beeinträchtigung äußerlich zu sehen und wird dann oft auch leichter akzeptiert. Sieh das Beispiel eines Querschnittgelähmten nach einem Unfall. Er würde sicher gerne mit seiner Frau am Strand spazieren gehen, kann es aber aus körperlichen Gründen nicht, egal wie sehr er oder sein Partner es sich wünschen. Die Akzeptanz ist jedoch schnell da, weil man sieht die Grenzen des Möglichen und erträgt sie dann leichter.
Bei "unserer" Erkrankung ist das leider anders und damit auch schwieriger. Man sieht die Einschränkungen nicht, bekommt sie aber tagtäglich genau so deutlich zu spüren. Man kann sie deshalb nur sehr viel schwerer fassen und damit auch erfassen.

Deine Äußerung zur Flucht ins Kinderzimmer zeigt mir deutlich, dass zwischen euch beiden Mädels und ihm momentan eine hohe Mauer steht. Sicher auch verständlich aus eurer eigenen Sicht. Du musst verstehen lernen (je nach Alter deiner Tochter sie auch), dass dein Mann diese Mauer nicht einreißen kann. So sehr er dies auch gerne würde - und er würde wahrscheinlich alles dafür tun, um es zu können. Aber die Krankheit hindert ihn daran, es zu tun.

Ich habe in den vielen Jahren gelernt, dass meine Frau ihr Umfeld sehr stark reflektiert. Das bedeutet, dass der Erkrankte die negative Stimmung, das Gereiztsein, die Ablehnung usw. 1:1 wahrnimmt und ggfls. verstärkt reflektiert. Das Gleiche gilt aber für die positiven Stimmungen. Versucht mal ein paar Tage ihm gegenüber nur positiv, fröhlich, heiter, verständnisvoll zu sein (nur Beispiele gennant und nicht übertrieben). Also so wie früher im normalen Umgang und bleibt auch so positiv, wenn er wieder eine andere Stimmung anschlägt. Ich kann mir vorstellen, dass sich sein Verhalten nach einiger Zeit anpassen wird.

Das kostet Kraft, oft auch Überwindung. Aber denkt bitte daran, in den von dir geschilderten Situationen spricht die Krankheit, nicht dein Mann oder der Vater. Sollte das alles nichts helfen, müsst ihr an professionelle Hilfe denken.

Alles Gute für euch. Ihr schafft das!
Forever
Andrea 1
11.12.2016 12:05:44
Hallo Teddy,
ich sehe das eigentlich ganz anders.
Sein Gehirn wurde scheinbar sehr stark geschädigt.
Wenn ich von mir ausgehe, dann KÖNNTE es sein, dass er ganz einfach nicht anders kann, als so zu reagieren, weil er restlos überfordert ist.

So ging es mir zumindest nach meiner OP, ich war damals mit ALLEN äußeren Einflüssen total überfordert.
Selbst heute, nach fast 6 Jahren, komme ich mit Lautstärke nur schlecht klar. Plappern zu viele auf mich ein, dann merkt das zwar rein äußerlich keiner, aber im Nachhinein stellte ich schon häufig fest, dass ich viele Dinge dadurch gar nicht mitbekam.
Mein Hirn beschäftigte mich sozusagen "selbstständig" und das mit extrem vielen Gedanken - ähnlich wie im PC - extrem große Datenmengen, welche der Rechner verarbeiten muss, wenn der Arbeitsspeicher nicht reicht.
Mir rauschten gefühlt Milliarden von Gedanken durch den Kopf und ich musste irgendwie eine Lücke finden, in die ich meine Belange einschieben konnte. Ist irgendwie ganz schwer zu beschreiben. Ich reagierte stark verlangsamt und als ich etwas schneller reagieren konnte, regte ich mich sogar über Musik auf. Obwohl ich selber viele Jahre sehr gerne musizierte und sang.
Wenn mein Mann "sich seine geliebte Rockmusik" anhörte, drehte ich ab/ fast schon durch; Zu laut, zu viel, überhaupt nicht (mehr) mein Ding. Wenn Musik, dann ganz ruhige, langsame, eher klassische Musik, mit wenig Bässen und wenig hohen oder schrillen Tönen. Gerne würde ich wieder im Trompetenchor, oder einem Gesangschor mitwirken, aber ich habe echt Angst davor, dass es mir zu laut ist. Es überfordert mich selbst heute noch.
Mein Mann hört "seine Musik" mir zur Liebe oft nur noch über Kopfhörer. Ich habe ihm extra richtig Gute geschenkt. Er hat 2 echt "fette" Anlagen (5.1 Dolby und seine Z4 von Logitech am PC entsprechendes Zubehör, womit er den ganzen Ort hier beschallen könnte), aber er nutzt sie nur noch, wenn ich nicht zu Hause bin.
Es tut mir innerlich sehr weh zu sehen, dass er sich damit wegen mir, nicht mehr so frei bewegen kann, aber ich ertrage es ganz einfach nicht, wenn diese sch.. E-Gitarrensolos (gefühlt) bis in den Ultraschallbereich gehen und die Bässe mir einen nicht gebrauchten Herzschrittmacher ersetzen. Schlimm ist es auch auf Weihnachtsmärkten oder Musikevents. Geht nicht mehr, Konzerte, Kino und sowas mag ich auch nicht mehr. Zu laut und zu viele Menschen.
Ich bin sehr geräuschempfindlich und konnte schon immer Fledermäuse sehr gut hören, deren Orientierungslaute tatsächlich im Ultraschallbereich zu finden sind. Während ich immer von deren "Piepserei" genervt war, wusste meine Familie selten oder nicht, was ich meine.
Für die Musik war mein empfindliches Ohr bestens geeignet, jetzt ist es teilw. echt nervig.
Am besten jeden Tag die selben Abläufe und keine ungeplanten Veränderungen, dann kann ich ein halbwegs normales Leben führen.
Das Wissen darum belastet mich auch sehr, kann es aber nicht ändern. Ich versuche regelmäßig über meine Belastungsgrenzen hinaus zu gehen. Immer mit der Hoffnung, dass ich dadurch irgendwann belastbarer werde, es scheint aber nur begrenzt zu klappen. Wer mich nicht kennt, der merkt wie gesagt keine Einschränkungen bei mir, aber mein Mann erkennt meine Signale inzwischen sehr gut und zieht mich bewusst aus solchen Situationen heraus, wenn ich es möchte.
Würde er versuchen mich zu bevormunden, dann würde ich zickig reagieren, das mag ich gar nicht.
Das schränkt leider ihn auch ein.
Unterm Strich aber gesehen, ist alles nicht so wild, denn ich lebe und auf mich verzichten möchte aus meiner Familie niemand.
Von meinem Sohn bekam ich damals schon "Sterbeverbot"... ;-) und ich versuche mich daran zu halten.
Es ist für alle Betroffenen sehr schwer, aber man sollte als Angehöriger möglichst versuchen nichts hineinzuinterpretieren und als Betroffener heißt das, dass man an sich arbeiten muss, was selbstverständlich nur so geht, wie man es kann/in der Lage ist.

Liebe Teddy und Tochter, hoffentlich hilft euch meine Erfahrung, mein Durchlebtes, dass ihr etwas besser mit der Gesamtsituation umgehen könnt.
Viel Mut, viel Kraft und alles Gute wünsche ich euch dafür....
LG Andrea
Andrea 1
Lara
12.12.2016 08:12:27
@Wsb Hut ab vor dieser mutigen Entscheidung. Toll wenn es für euch finanziell machbar ist. Ich erlebe es ja gerade durch die Kurzzeitpflege meines Mannes wie sehr die räumliche Trennung seinen und unseren Bedürfnissen gut tut. Leider könnte mein Mann nicht mehr alleine leben.

@Styrianpanther
Wo auch immer die Veränderungen her kommen ob es psychisch durch die extreme Situation oder organisch an der Lokalisation des Tumors liegt???
Bei meinem Mann wurde nach dem Rezidiv frontal rechts etwas Hirn entfernt somit ist frontal rechts nur noch Hirnwasser und frontal links ist das Hirn komplett mit Nebel durchzogen???
Er hat seit der Rebestrahlung keine Emotionen mehr und versteht diese auch nicht mehr. Dies ist als Angehöriger sehr schwer zu ertragen, besonders für Kinder. Unser Kleiner (2013 war er 11Jahre) hat es damals für sich so erklärt die haben Papa zum Autisten operiert.
@forever
Nur dieses wissen und akzeptieren der Situation verhindert nicht, dass die Kinder in der gemeinsamen Wohnung leben, sich streiten, mal etwas fallen lassen.....auch mal mit Freunden sprechen und spielen wollen.
Hier würde die Situation oft eskalieren wenn ich dies nicht verhindern würde.
Und genau hier ist es für mich total schwierig...meistens haben die Kinder Recht und ich muss sie verteidigen. Leider kann der Partner seinen Fehler nicht eingestehen und so zieht man sich zurück und erklärt den Kindern sie sind im Recht aber Papa kann das nicht nachvollziehen.....
Das wiederspricht absolut dem was ich für mich an Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit für wichtig erachte nur sehe ich in solchen Situationen keine andere Möglichkeit.
Jetzt mit 14,16 und 22 ist es so dass die Kinder mich vor unnötiger Arbeit und Stress (er hat Symtome wie Demenz) beschützen wollen. ...Tja und dann eskaliert die Situation weil die Kinder meinen sie müssten die Mama beschützen.
@ mery
Es ist total schrecklich wenn ein Angehöriger wie deine Schwester nicht mehr mit dir reden kann.
Es ist aber genau so schrecklich wenn du als Angehöriger dich nicht mehr mit anderen unterhalten darfst, weil er eifersüchtig ist oder weil er es für zu laut hält.
Ich musste mich z.B. zum Telefonieren ins Auto vor der Tür setzen weil er es nicht erträgt....die Kinder können keinen mehr zum spielen zu uns mitbringen und das seit Jahren.....das geht nicht du fühlst dich in deiner eigenen Wohnung nicht wohl und musst dich überwinden Heim zu kommen.
Hier muss jeder einen Weg finden, denn so kann man die Zeit die man hat nicht genießen sondern hofft, dass sie bald vorbei ist. Und das ist gar nicht gut. Es fühlt sich auch ganz schrecklich an weil mein den Partner liebt.

Es geht irgendwie immer weiter und ich kann nur empfehlen sich durch die Kurzzeitpflege mal zu gönnen. Das tut extrem gut.
Ich habe das Gefühl es geht wenn er wieder kommt weiter...denn jch weiß Ostern dürfen wir wieder eine Auszeit nehmen.

LG

Lara
Lara
Teddy9
12.12.2016 12:30:54
Lara, du sprichst mir aus der Seele.

Lara, du bist doch auch berufstätig oder?
Was ist dann mit deinem Mann?

Meine Tochter kann keine Freundin mehr kommen lassen und wenn dann doch mal jemand kommt, habe ich Angst, dass er wieder aggressiv wird weil ihm alles zuviel wird. Meine Tochter tut mir total leid.
Man fühlt sich Zuhause nicht mehr wirklich wohl.
Als die Chemo anfing musste er schonmal für 1 oder 2 Nächte ins Krankenhaus. Es war für mich wie ein Kurzurlaub. Ich habe es mit meiner Tochter genossen. Im Nachhinein hatte ich zwar für meine Gedanken ein schlechtes Gewissen, doch auch wir müssen mal zu Kräften kommen.

In die Kurzzeitpflege würde mein Mann gar nicht gehen wollen.

LG
Teddy9
Teddy9
Teddy9
12.12.2016 12:34:09
Forever:
Meine Tochter ist 10. Sie weiß natürlich, dass ihr Papa schwer krank ist und er eigentlich auch gar nicht dafür kann, doch wenn er sie dann persönlich (verbal) angreift, dann kann ich das total verstehen, dass sie sich zurückzieht. Zumal sie ihm auch wirklich hilft wo sie kann, das tut mir so weh.

LG

Teddy9
Teddy9
Forever
12.12.2016 13:39:37
Hallo Teddy,

das kann ich absolut verstehen und die Situation tut mir unglaublich leid. Mit 10 Jahren ist sie natürlich auch in einem empfindlichen und dennoch sehr bewussten Alter. Meine Anregung, die ich aus eigener Erfahrung geschildert habe (war bei uns aber auch nicht so schlimm wie du es schilderst), sollte sich auch nur auf wenige Tage beziehen, um sein Verhalten dann mal zu checken. Aber es ist ja leider bei dieser Erkrankung/Behandlung so, das alle Probleme sehr individuell sind.

Ich habe aus deiner Schilderung entnommen, dass die Situation ihn gar nicht unmittelbar belasten musste, z.B. wie durch hohen Lärm oder sonstiges (Andrea's Beitrag). Vielmehr hat ihn wohl einfach die Situation genervt, dass da ne Stunde lange gequatscht wurde. Vor diesem Hintergrund erging mein Beitrag.

Was du auf keinen Fall haben solltest ist ein schlechtes Gewissen! Ich hatte auch in vielen Situationen ein schlechtes Gewissen. Und ehrlich, in schlimmsten Momenten wünscht man sich sogar den Tod des Partners als Beendigung dieser ganzen Situation. Und es ist normal, sich danach schlecht zu fühlen. Aber diese Gedanken halte ich eher für einen Schutz der eigenen Psyche. Aber auch hier: ganz individuell bei jedem.

LG
Forever
Lara
12.12.2016 15:07:21
Liebe Teddy,

Ja ich arbeite auch noch.
Zur Zeit ist mein Mann in Kurzzeitpflege. Diese Woche hole ich ihn wieder.
Wir haben dann ein höheres Klo einbauen lassen (zahlt die Krankenkasse) und ein Pflegebett wird am Entlassungstag geliefert. Am 21.12. ist MRT..... ich denke dass der Tumor wieder wächst.
Wenn dies nicht der Fall sein sollte müssen wir weiter nach der Ursache für seine immer schlechter werdenden Zustand suchen. Das Avastin hatten wir ja nach fast 3 Jahren im September bereits abgesetzt.
Im August haben wir eine Reha beantragt... die wurde von der Rentenversicherung abgelehnt und an die Arge zur Krebsbekämpfung weitergeleitet von dort wieder zur Krankenkasse :(
Und jetzt nach dem die Ablehnung 2 Monate bei der Krankenkasse lag wieder an die Arge für Krebsbekämpfung... Der zweite darf nicht ablehnen...er muss die Reha organisieren und sich ggf. von einer anderen Stelle das Geld wieder holen....
Mal schauen ob es was wird mit der Reha und überhaupt noch sinnvoll wäre.


LG

Lara
Lara
Sabrini
31.01.2017 02:51:45
Hallo Teddy, hallo Lara,
Ich kann eure Situation so gut verstehen.
Bei meinem Papa ist am 1.3.16 ein Glioblastom Grad IV diagnostiziert worden. Bestrahlung wurden stationär durchgeführt, ein letzter Chemozyklus steht in 21 Tagen an.
Ich kenne dieses Misstrauen nur zu gut, mein Papa versteckt Briefe vor meiner Mama, meiner Schwester und mir, weil er denkt, wir würden hinter seinem Rücken ich-weiß-nicht-was machen.
Meine kleine Schwester (19) und ich wohnen noch zu Hause, ich kann seit einem Unfall vor 3 Jahren nicht mehr laufen, musste deshalb mein Studium abbrechen und bin deshalb zur Zeit die Hauptbetreuungsperson, da meine Mama arbeiten muss und meine Schwester zur Uni geht.

Ihr kennt das sicher, dass man es niemals schafft es jemandem recht zu machen,zum Beispiel schmeckt oder riecht alles was ich koche "zum kotzen".
Ich kann noch so viel im Haushalt erledigen, überall gibt es etwas auszusetzen, an allem bin ich schuld.
Habt ihr auch erlebt, sodass eure Angehörigen zu Hause nur stöhnen, nicht aufrecht laufen können, an allem nörgeln und sobald Besuch für ihn da ist, auf einmal wieder alles funktioniert und jeder Besucher wie ein König behandelt wird?

Wenn es zum Beispiel beim Abendessen mal nicht um meinen Papa geht, sondern um den Job meiner Mutter, wird das noch schlimmer: jegliche Aufmerksamkeit muss ihm zuteil werden. Wir haben schon viel gelernt ihm seinen Willen zu lassen, allerdings wenn er so keine Diskussionen provozieren kann, sucht er krankhaft nach "Fehlern" bei vor allem meiner Mama und mir, um dann zu streiten. Wenn er jedoch keine "Angriffsfläche" findet, wird er auch wieder immer häufiger richtig böse: gestern Abend fängt er aus heiterem Himmel an, dass die Bremsbeläge im Auto erneuert werden müssten, worauf wir vorgeschlagen haben, das beim Reifenwechsel auf Sommerreifen von einem Bekannten prüfen zu lassen, da wird er wieder laut und beschwert sich, dass nie etwas so gemacht wird, wie er es sagt und er hofft, dass wenn die Bremsen versagen, meine Mama und ich gegen eine Mauer fahren.

Ich fühle mich zu Hause wie in einem Gefängnis, manchmal würde ich am liebsten gehen und nicht wieder zurück kommen, könnte meine Mama und Schwester ja aber niemals alleine lassen.

Ich kann mir kaum vorstellen, wie es ist, wenn eine 10-Jährige da auch noch involviert ist, das tut mir so sehr leid, vor allem da sie jeden Tag in der Schule sieht, dass sich ihre Klassenkameraden am Nachmittag treffen, nur sie kaum Besuch bekommt, einfach schrecklich. Und so schwer zu begreifen, dass das nicht "der Papa" ist sondern die Krankheit. Das muss ich mir jeden Tag vorsagen und trotzdem bin ich tief verletzt.

Ich wünsche euch, dass die nächsten Tage möglichst stressfrei/ stressarm verlaufen und ihr zwischendurch Kraft schöpfen könnt!

Herzliche Grüße,
Sabrini
Sabrini
Ilöni
31.01.2017 06:48:03
Liebe Sabrini
Es ist eine sehr grosse Herausforderung , die an euch gestellt wird. Und ganz besonders an dich, da du zu Hause bist.
Dein Papa ist durch den Tumor ein anderer . Ich erlebe es auch an meinem Mann. Es ist nicht immer leicht Geduld und Gelassenheit Anzubringen.
Habt ihr schon mal darüber nachgedacht euch Hilfe zu holen ...?
Lieben Gruss
Ilöni
Teddy9
01.02.2017 19:57:26
Hallo Sabrini!

Ich fühle mich seit Oktober wie in einem Gefängnis. Seit Oktober habe ich keine Nacht mehr durchgeschlafen.
Der Zustand hat sich weiter verschlechtert. Morgen kommt mein Mann auf die Palliativstation. Ich kann das hier Zuhause nicht mehr bewerkstelligen.
Ich kann dir nur raten dir Hilfe zu holen. Ich habe diese Hilfen leider scjon fast zu spät in Anspruch genommen . Wende dich an den ambulanten Hospizdienst, sie werden dir wirklich sehr helfen. Das sind ganz tolle Mitarbeiter die dort mitwirken.
Alles Gute für euch.

Teddy9
Teddy9
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