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Soundso

Hallo,

ich habe vor ein paar Monaten die Diagnose Oligodendrogliom bekommen. Zudem habe ich schon seit vielen Jahren psychische Erkrankungen, hauptsächlich chronische Depressionen. Meine Depressionen wurden also nicht erst durch die Tumordiagnose ausgelöst sondern bestanden vorher schon lange.
Oft wenn ich etwas über Tumore lese, lese ich von Menschen die bis zum Zeitpunkt der Diagnose ein weitesgehend unbeschwertes und aktives Leben hatten. Gleichzeitig wenn ich mich mit dem Thema Depressionen beschäftige, lese ich kaum etwas von Menschen die zusätzlich zur Depression noch eine schwerwiegende körperliche Erkrankung haben.

Ich frage mich daher, ob es hier vielleicht auch noch andere User_innen gibt, denen es ähnlich wie mir ergeht und die den Tumor zusätzlich zu einer vorbestehenden psychischen Erkrankung haben? Wie geht ihr mit der Doppelbelastung um? Hat eure psychische Erkrankung einen Einfluss auf euren Umgang mit dem Tumor oder mit Behandlungen?

Mego13

Liebe Soundso,

ich antworte Dir auch einmal hier, obwohl ich eines von diesen "unbeschwerten Vögelchen" war. Ich kann Dir aus meiner subjektiven Erfahrung gerade nicht sagen, ob es mir zur Zeit hilft, dass ich früher psychisch sehr belastbar war. Ich habe mir sehr früh eine Psychoonkologin gesucht, weil ich durch meine Arbeit wusste, dass existentielle Lebenseinschnitte eine Herausforderung für jeden Menschen sind und zu posttraumatischen Belastungsstörungen und Fatigue führen können (nicht müssen).

Übrigens ist psychische Widerstandsfähigkeit erlernbar, schau einmal unter dem Begriff "Resilienz" nach. Da ist Deine Psychotherapeutin bestimmt eine sehr gute Begleitung. Die Deutsche Krebshilfe gibt auch sehr informative Hefte heraus: Gerade den zum Thema Fatigue finde ich auch wertvoll.

LG
Mego

KaSy

Liebe Soundso,

Die Büchertipps von Mego13 sind vielleicht gut, aber ich möchte ihr insofern widersprechen, dass bei einer diagnostizierten psychischen Erkrankung (wie bei Dir) eine psychische Widerstandsfähigkeit nicht oder nur bedingt erlernbar ist.

Bestehende und fachärztlich diagnostizierte psychische Erkrankungen werden zunehmend als ernsthafte und (durch eine mitunter oder ab und zu bestehende Suizidgefahr) sogar als lebensbedrohend eingestuft.

Die psychische Krankheit betrifft den ganzen Menschen, während sich andere Krankheiten auf einzelne Körperorgane beschränken, wo gezielte Behandlungen besser möglich sind.

Du bist (vermutlich) bereits in psychotherapeutischer Behandlung und hast (möglicherweise) auch bereits (mehr oder weniger gute) Erfahrungen mit medikamentösen Therapien. Das ist für Dich in der jetzigen Situation, einen Hirntumor zu haben, ein Vorteil.

Viele (nicht alle) Betroffene (und auch ihre Angehörigen) entwickeln durch die Hirntumordiagnose sofort oder dauerhaft psychische Probleme.

Das ging mir auch so. Ich war zwar vor der Meningeom-Diagnose sehr aktiv, fühlte mich völlig fit, habe mit meinen drei Kindern viel unternommen, war als Lehrerin und in einigen Ehrenämtern sehr engagiert und es gelang mir nahezu alles. Aber in der Rückbesinnung war ich bei bestimmten psychischen Belastungen nicht besonders stabil, was ich aber durch Anforderungen an mich nach einer gewissen Zeit ausgleichen konnte.

Die Hirntumor-Diagnose wirkte ähnlich, ich fand einen Weg, auch psychisch damit umzugehen und es gelang mir gut. Als es nach 4,5 Jahren ein WHO-III-Rezidiv gab, suchte ich aktiv nach fachärztlicher Hilfe für die vom Neurologen diagnostizierte "reaktive Depression". Der Neurologe hatte begonnen, mich medikamentös zu behandeln, was nicht half. Die Gesprächstherapie mit einem Psychotherapeuten war viel sinnvoller. Weitere WHO-III-Meningeome und später der Ausstieg aus meinem geliebten Beruf führten dazu, dass seitens der Neurologie verschiedene Antidepressiva, auch in Kombinationen, probiert wurden. Leider halfen sie alle nicht und auch ein fast dreimonatiger Aufenthalt in einer Psychiatrieklinik (die seit mehr als 100 Jahren viele Erfahrungen und einen sehr guten Ruf hat) war eher "kontraproduktiv".

Mit psychischen Erkrankungen können Psychiater und einige Neurologen sehr gut umgehen, aber ich glaube, bei psychischen Belastungen durch eine organische Krankheit fällt es ihnen schwerer.

Ich nehme keine Antidepressiva mehr, da sich keines als wirksam erwiesen hat und bei mir außerdem eine Epilepsie-Therapie erforderlich wurde, die sich nicht mit allen derartigen Medikamenten verträgt.

Du aber hast bereits Fachärzte für Deine psychischen Erkrankungen, die Dich gut kennen und Dich in dieser neuen Situation auch gut weiter behandeln können.

Ich verstehe Deine Frage sehr gut und vielleicht melden sich bei Dir Betroffene, die zuvor bereits psychisch erkrankt waren.

Die Diagnose eines Hirntumors bei sich selbst oder einer/m Angehörigen oder Freund/in erzeugt aber nicht selten auch bei all diesen Personen psychische Probleme und damit die durch Dich beschriebene Doppelbelastung, wenn auch in "umgekehrter Reihenfolge". Letztendlich bestehen beide Probleme nebeneinander und jeder muss für sich einschätzen, ob und wann eine fachliche Unterstützung für die Psyche erforderlich ist.

Du hast sie bereits und musst nicht erst nach Hilfe suchen, was durch die (regional unterschiedliche) Überlastung der Fachleute oft mit monatelangen Wartezeiten verbunden ist, die ein akut erkrankter Hirntumorpatient nicht unbedingt hat.

Damit möchte ich Dein Doppel-Problem aber keineswegs kleinreden. Du hast einen "schweren Packen" zu tragen und eine weiterer "schwerer Packen" kam oben drauf. Das ist wirklich nicht leicht. Aber Du hast bisher in Deinem Leben nicht aufgegeben und das wirst Du auch jetzt nicht tun. Für einen Hirntumor gibt es einige Therapiemöglichkeiten, die konkreter sind als die mitunter "Probiermethoden" bei psychischen Erkrankungen. Allerdings betrifft ein Hirntumor auch in gewisser Weise, nur anders, auch den gesamten Menschen und sein Umfeld. Aber das schaffst Du!

KaSy

asteri1

Es gibt hier eine Reihe an Usern, die eine Doppeldiagnose haben, und das nicht nur im psychischen Sinne. Manche haben/hatten sogar 2 Arten von Krebs.

Mego13

Liebe Kasy,

ich möchte Deinem Beitrag insofern widersprechen, dass es in der Psychologie, wie in jeder Wissenschaft, sehr unterschiedlich Schulen und damit auch Therapieansätze gibt. Es ist natürlich schade, dass Du so viele schlechte Erfahrungen sammeln musstest.
Gerade Therapeuten, die den Ansatz verfolgen, dass das Erlernen von Resilienz bis zu einem gewissen Grad möglich ist, versuchen den Klienten zu stärken und nach Kraftressourcen zu suchen. Dadurch wird der Patient auf Augenhöhe behandelt, der Therapeut wird sich seiner Verantwortung als Wegbegleiter umso mehr bewusst. Und das heißt nicht, dass psychische Erkrankungen verharmlost werden oder Suizidgefahr negiert wird. Aber selbst bei Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson, die in sehr hoher Prozentzahl mit schweren Formen von Depression und schwersten kognitiven Einschränkugen einhergehen, versucht man mittlerweile das Konzept der Resilienz umzusetzen.

Daher empfehle ich hier aber auch gezielt Psychoonkologen, die eine entsprechende Ausbildung genossen haben, aber auch gleichzeitig die praktische Erfahrungen in der Arbeit mit Tumor/Krebspatienten mitbringen.

Gerade Psychologen, die sich regelmäßig über die DGPs fortbilden, werden kaum den Rezeptblock zücken und als einzige Therapiemöglichkeit das Verschreiben von Antidepressiva anwenden.

Herzliche Grüße

Mego

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