Isarflimmern
Es ist bei allem tiefen Verständnis für die Situation und tief empfundener, bedingungsloser Liebe sehr schwer, als Angehörige und Versorgerin die Launen und aggressiven verbalen Ausfälle abzufangen und auch auszuhalten. Ich bin nun seit fünf Jahren ununterbrochen (!) im Einsatz und in der Schusslinie, bin einfühlsam, ermutige, versorge, bin bedingungslos da, habe Verständnis, handle vorauseilend, helfe wo es geht... und werde aus heiterem Himmel mit Trennungsabsichten konfrontiert, der Dominanz und Bevormundung beschuldigt und ernte Wut, Zorn, Blicke und Beschimpfungen, die mich fast schon das Fürchten lehren. Nicht immer, klar, die liebevolle Zugewandtheit überwiegt, viele gute Gespräche, auch wieder ein langer Spaziergang am zweiten Feiertag, zärtliche Umarmungen beim Einschlafen - aber dann legt sich der Schalter um und ich kann es kaum glauben. Der rechte Temporallappen fehlt, sage ich mir mantramäßig, er kann nichts dafür. Auch für seine kaum mehr vorhandene Kurzzeit-Merkfähigkeit. Rezidive auf dem Balken und am vorderen Horn, wen wunderts also... Neulich schrieb jemand, dass ihn in solchen Momenten die Krankheit ansehe. Ja so ist es. Wir können über so vieles miteinander sprechen, aber nicht über diese Auswirkungen der Krankheit. Mein Mann scheint hier einen enormen Schutzwall um sich errichtet zu haben. Er weiß genau, was ihm guttut und was er will - und setzt es durch. Er geht weiter, ohne rechts und links zu schauen. Manchmal komplett irrational. Ich stimme zu, lass ihn gewähren, er ist ja der, der ein Glioblastom hat und tue, was ich kann - ohne Murren und ohne Knurren. Meistens. Manchmal platzt mir auch der Kragen. Ich bin zutiefst dankbar, dass wir zusammen sind, 20 Jahre verheiratet, das schweißt zusammen. Meinem Mann geht es eigentlich gut, er hat die Fünfjahresmarke geknackt und freut sich mit mir über sein Langzeitüberleben. Was für eine Herausforderung für uns Angehörige!!! Ihr merkt, ich bin ziemlich am Limit. Was hilt Euch Angehörigen in solchen Momenten??? Wie wird es weitergehen? Wie sind Eure Langzeit- Erfahrungen???