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Thema: Resttumor Therapie

Resttumor Therapie
Einohrküken
12.07.2013 21:19:10
Liebe Forumsmitglieder,
mein Vater bekam lim Juli 2012 die Diagnose Akkustikneurinom. Seine Anzeichen waren Kopfschmerzen, Tinitus und Verlust des Gehörs auf der betroffenen Seite. In einem MRT stellte sich heraus, daß er einen fast 3xm großen Tumor auf dem linken Hörnerv habe. Im September wurde er in Main von Prof. Mann operiert. Uns wurde nach der OP gesagt, der Tumor sei vollständig entfernt worden und die Operation sei "nervenschonend" verlaufen. Die Folgen waren Gleichgewichtsstörungen und eine Lähmung der linken Gesichtshälfte, beides sollte nach ca 6 Monaten verschwunden, bzw deutlich verbessert sein. Was die Gleichgewichtsstörung betrifft, so traf dies auch zu. Vor ca 4 Wochen wurde erneut ein MRT gemacht und es stellte sich heraus, fass nach wie vor 9mm Restgewebe vorhanden sind. Heute war er wieder in der Klinik und erfuhr, dass die Nerven nicht nachwachsen werden und dass seine Gesichtshälfte gelähmt bleiben wird. Er soll wieder operiert werden, diesmal über einen anderen Zugang, der die Nerven nicht weiter angreifen soll. Außerdem will man ihm in das betroffene Auge, das er nicht richtig schließen kann ein Goldgewicht einsetzen.
Ich hatte im Vorfeld der Operation gelesen, dass man einen Tumor bis zu einer gewissen Größe auch durch Strahlung therapieren kann, dies wurde ihm jedoch nicht vorgeschlagen.
Kann es sein, dass eine Strahlung nach einer Operation nicht mehr möglich ist? Wir würden gerne eine Zweitmeinung einholen und uns überhaupt mehr über alternative Therapiemöglichkeiten erfahren. Leider fühlen wir uns in Mainz nicht sehr gut aufgehoben, überhaupt, fühlen wir uns alleingelassen und sind verzweifelt. Weiß jemand einen Spezialisten in Südwestdeutschland, den er empfehlen kann? Mein Vater hat in gewisser Weise sein Vertrauen verloren, weil er glaubt, man habe ihm nicht von Anfang an reinen Wein eingeschenkt. Es ist alles sehr schwierig für ihn und uns alle und er hat große Angst vor einer erneuten Operation.
Für Ratschläge bin ich sehr dankbar.
Herzlichen Dank im voraus.
Naser
Einohrküken
wando
13.07.2013 00:27:34
Hallo Naser,

ich habe Deine Zeilen gelesen. Schau Dir dazu mal meinen Beitrag vom 15.06.2013 an. Dort findest Du meinen "Erfahrungsbericht" zur Behandlung meines AKN mit Cyberknife.
Ich hoffe, es hilft Dir ein Stück weiter. Du kannst mir auch gern Fragen stellen.

Liebe Grüße.

Andrea
wando
Pomperipossa
13.07.2013 20:29:46
Hallo Naser,

Dein Vater gehört mit zu den 21 % der AN/Vestibularisschwannom Patienten der Größe T4. Das ist die Patientengruppe mit den meisten Folgeschäden bzw. Schwerbehinderungen. Bei dieser Größe und bei der Lage ist eine Bestrahlung nicht möglich, da muss operiert werden.

Mögliche Folgen des Eingriffs: Surditas (Einseitige Ertaubung), Gleichgewichtsstörungen, hochgradige Fazialisparesen, Trigeminusverletzungen, Ageusie, Tinnitus, Schwindel ....

Die Vereinigung der Akustikusneurinom-Betroffenen (VAN) hat eine gute Broschüre über die Fazialisparese herausgegeben. Mehr unter www.akustikus.de

Dort gibt es auch eine Übersicht über die Beraterinnen und Berater - je nach Bundesland geordnet. Prof. Mann ist eine Kapazität in Mainz. Soweit ich weiß, ist er inzwischen im Ruhestand. In Süddeutschland hat
Prof. Tatagiba, Uni Tübingen, einen guten Ruf bei AN-Patienten.

Zur Fazialisparese: "Nerven sind wie Diven. Und Sie wissen ja, wie Diven sind - leicht schreckhaft, launisch und zickig".
Das war die Diagnose nach meinem Vestibularisschwannom-Eingriff (3 cm Durchmesser, mit Hirnstammkompression am 4. Ventrikel).
Jetzt nach 3 Jahren ist erst auf dem MRT Bild zu sehen, dass die Nerven narbig verzogen und nicht mehr abgrenzbar sind.

Es gilt als oberstes Gebot: Geduld und Training.
6 Monate ist eine kurze Zeit. Bei mir hat sich nach 18 Monate das erste Mal etwas getan. Wichtig ist eine gute logopädische Begleitung und üben, üben, üben ...

Zum Resttumor: Wando hat schon auf ihren tollen Bericht verwiesen. Ich würde mir auch eine 2. Meinung einholen. Gamma- oder Cyberknife-Bestrahlung ist nach einer OP möglich, es muss ein gewisser Zeitabstand vorliegen (ca. 6 Monate).
München oder das Gamma-Knifezentrum in Krefeld sind gute Anlaufstellen.

Zum Auge: Postoperativ ist bei mir eine Fazialisparese der Stufe V nach House and Breckman eingetreten. D.h. Keine Tränenflüssigkeit, großer Lagophthalmus. Ganz wichtig ist eine ausreichende Benetzung der Hornhaut (z.B. mit Hylo-Gel, keine Tropfen, die fallen heraus) und Uhrglasverbände (z.B. pro-ophta oder visumetrics).

Es gibt 2 Wege:
1) Eine Hypoglossos-facial-anastomosis (wird hier im Forum in älteren Beiträgen zum Akustikusneurinom gut erklärt). Mit dieser Zungennerv-Transplantation soll ein "Überbrückungskabel" für den Fazialisnerv gelegt werden, um dynamische Verbesserungen, sprich neurologische Impulse zu erreichen.

2) Statische Verfahren für das Auge sind u.a.
- Laterale Tarrsoraphie
- Gold- oder Platinkettenimplantat im Oberlid.
Mir wurde im Juli 2011 eine 2g schwere Platinkette ins Oberlid implantiert. Das Ziel: Durch das Gewicht wird das Lid statisch nach unten bewegt. Bei mir funktioniert das, in dem ich das rechte Auge bewusst schließe, dann geht das linke mit. Das Auge darf nicht austrocknen.Dadurch konnte ich auch wieder Auto fahren (Goldmann-Gesichts-Feldanalyse knapp bestanden. Nachts muss ich das Auge mit einem Uhrglasverband weiter schützen. Sobald ich die senkrechte Position verlasse, öffnet sich das Lid.
- Eigenfetttransplantation, um die Augenhöhle zu stabilisieren (das war die faszinierendste OP von allen für mich).

Zum Hören:
Bei einseitiger Ertaubung gibt es 3 Möglichkeiten, diese Situation zu verbessern:
- CROS-Versorgung (Kabel oder Funk)
- BAHA (Bone ancoring hearing aid)
- CI Cochlear Implantat

Zum Umgang mit der neuen Situation gibt es von Siemens eine DVD zum Hörtraining. Ich selber hatte erst eine CROS-Versorgung, mit der ich nicht zurecht kam. Ein CI kam nicht in Frage - mein Ohr ist nur Dekoration. Habe seit April 2012 einen Hörcomputer mit Knochenschallleitung. Klasse.

Ich wünsche Deinem Vater und Dir weiterhin viel Kraft und Geduld.

Auch ich stehe für weitere Fragen gerne zur Verfügung.
Beste Grüße
Pomperipossa
Pomperipossa
Einohrküken
13.07.2013 21:57:01
Liebe/Lieber Pomperipossa,
tausend Dank für deine Zeilen! Meines Vaters und deine Situation scheinen einige Ähnlichkeiten aufzuweisen und es bedeutet mir viel, dass du dir die Zeit genommen hast so ausführlich meine Fragen zu beantworten und von deiner Situation zu erzählen. Es macht Mut zu hören, dass sich bei dir nach 18 Monaten etwas getan hat. Ich werde meinem Vater alles erzählen, was du beschrieben hast ( lesen, for allem am Bildschirm macht ihm zu schaffen..) und dann melde ich mich wieder!
Nochmal Danke und bald.
Naser
Einohrküken
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