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Thema: Richtige Entscheidung?

Richtige Entscheidung?
Helma
03.08.2016 22:13:54
Hallo, ich möchte vorab den Zustand meines Lebensgefährten beschreiben. Seit 02/216 wurde geklärt, warum er ständig müde war und vor allem welche Ursache der immer wieder mal auftretende metallische Geschmack haben könnte. Schließlich wurde ein Glioblastom IV diagnostiziert. Von da ab hatte er verstärkt Fantasien. Eine OP war wegen Größe und Lage nicht möglich. Es folgte eine Chemo- und Strahlentherapie. Schon bald verlor er seine Sprache und baute körperlich und geistig ab. Was wirklich in seinem Kopf vorging, konnte niemand wissen, nur seine Augen drückten etwas aus.
Seit Mitte April war ich froh, dass er endlich nach Hause entlassen wurde, weil ich meinte, die bis zu 1 Jahr prognostizierte Zeit, sollte er in familiärer Atmosphäre so geborgen wie möglich verleben. Familie bedeutet, dass ich ihn allein pflege, nachdem ich einen Pflegekurs absolviert hatte. Er liegt zentral in der Wohnung und alle 2 Tage kommt die Caritas, die dem Palliativnetz angeschlossen ist und prüft seinen Zustand, gibt Tipps usw.

Ich bin sehr zurückhaltend mit der Gabe von Medikamenten und möchte nur die anwenden, die der Arzt verschreibt. Das sind letztendlich morgens 1 Pantoprazol, 2 Fortecortin, mittags/abends je 1. Ich kann nicht erkennen , dass er Schmerzen hat, deshalb gebe ich keine Tavor und noch kein Novalgin, die mir zur Verfügung stehen. Da er seit heute manchmal verkrampft, denke ich doch daran, ihn mit einer Tavor zu entspannen.

Oder hat jemand aus Erfahrung eine andere Empfehlung?

Es ist so, dass mein Lebensgefährte nun seit ca. 4 Mon. sprachlos, kraftlos, bewegungslos im Bett liegt, außer ein wenig seine Hände bewegt er nichts. Trotzdem werde ich immer wieder gelobt, wie gut er versorgt wird, kein Dekubitus, viel liebevolle Zuwendung, leichte Bewegungsübungen usw. Leider hat er oft Mundblockaden, da geht kein Essen, Trinken, die sich aber lösen, wenn ich einige Tricks anwende, wie z. B. zum Trinken ansetze, danach kann er auch den Mund zum Essen wieder öffnen.

Wenn ich hier allerdings lese, welche Medikamente und Hilfsmittel viele anwenden, bekomme ich fast ein schlechtes Gewissen. Ich beruhige mich, indem ich weiß, dass seine Blut-/Urinwerte regelmäßig kontrolliert werden und er entsprechend medizin. behandelt wird, wie Gabe eines Eisenpräparates oder Kalium. Da er wenig trinkt, ihm auch das Schlucken nicht leicht fällt, gebe ich ihm tägl. eine Infusion. Sorgen macht mir, dass er stark abgenommen hat, obwohl er zum Glück noch essen kann.

Ich möchte, dass er eine würdige und schmerzfreie Zeit bis zum Lebensende erlebt. Eine weitere Chemotherapie hatte ich im Mai abgelehnt, da ich ihn keinen weiteren Strapazen aussetzen wollte.

Ob ich mich richtig entschieden habe?
Gruß Helma
Helma
Wasa
03.08.2016 22:59:45
Ich denke schon Helma.

Hut ab, ich glaube ich schaffe das nicht. Nach 8 Monaten bin ich schon mit meinen Kräften am Ende und wenn irgendwann Pflege dazukommt, dann gebe ich die Pflege ab.

Allr guten Wünsche liebe Helma
Wasa
Carbonmaus
04.08.2016 00:37:38
Liebe Helga, Du machst alles richtig. Entscheide immer was Dein BUCH Dir sagt. So habe ich es immer gemacht. Im Nachhinein war alles richtig. Begleite Deinen Schatz, so liebevoll wie zur Zeit. Es ist so schwer, aber Du wirst den richtigen Weg gehen.
Carbonmaus
Helma
04.08.2016 11:51:21
Danke für euren Zuspruch.
LG Helma
Helma
Rehsis
04.08.2016 18:30:13
Liebe Helma,
Du machst das wirklich toll und handelst ja auch sehr überlegt. Dass dein Mann verkrampft, kann am Tumor liegen, Schmerzen würdest Du an der Mimik erkennen, sofern er noch eine besitzt, am Blutdruck, denn der steigt bei Scmerzen normalerweise an, und der Puls auch. Mit einer Tablette Tavor am Tag oder besser zur Nacht, damit er tagsüber noch gut essen und trinken kann, machst Du nichts falsch. Und auch mit z.B. 3x 20 Tr. Novalgin nicht. Du kannst durchaus ausprobieren, ob sich die Verkrampungen darunter bessern und schadest deinem Mann damit nicht.
Ich wünsche Dir noch recht viel Kraft, bei Bedarf und Unsicherheit halte einfach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, er wird dich mit Sicherheit gerne unterstützen.
Herzliche Grüße,
Iris
Rehsis
Helma
04.08.2016 20:39:57
Danke Iris, auch du hast mir Mut gemacht. Oh ja, seine Augen und Mimik sagen mir viel. Ein Kuss auf seine eingezogenen Lippen z. B. im Halbschlaf, bringen oft sofortige Entspannung. Bei Verkrampfung der Hände nehme ich sie in meine und spreche Mut zu. Ich bin ziemlich sicher, dass ihn das beruhigt. Der Pfötchenhaltung wirke ich entgegen, indem ich ihm zwei zusammengewickelte weiche Socken von mir in die Hand lege, so bleibt sie eine Weile gerade. Er genießt auch die Ganzkörperwaschung, da sieht er sehr entspannt aus. Und wie gut er auf meine Ansprache reagiert, seine Arme schön zu lockern, damit ich sie ausbreiten kann, ich bewege sie und er genießt es. Nachts beim Umlagern bewege ich auch seine Beine vorsichtig, denn ich stelle mir vor, wie schlimm es ist, wenn stundenlang nichts bewegt wird.
Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass psychologischer Zuspruch und intensive Zuwendung auch eine gute Unterstützung sein kann.
Helma
melle7979
05.08.2016 22:33:08
Hut ab liebe Helma,
du scheinst das toll zu machen und dein Mann wird sehr zufrieden und stolz
sein, so eine tolle Frau zu haben. Ich wünsch dir ganz viel Kraft....! Zweifle nicht an dir, ich glaube du hast jede Menge Einfühlungsvermögen und weisst was dein Mann braucht! Pass auf dich auf!
Lg Melle
melle7979
Helma
06.08.2016 14:37:15
Danke Melle, nachdem ich hier von einigen neuen Todesfällen gelesen habe und wie die Zurückgebliebenen leiden, wird mir auch Angst vor dem Ende, obwohl ich Zeit habe, mich darauf einzustellen. Wir haben über 11 Jahre alles gemeinsam gemacht, wir ergänzten uns, haben gemeinsame Hobbies, und mein Lebensgefährte hat vor einigen Jahren meine Schwester, die an Brustkrebs erkrankt war und die meine Mutter pflegte, mit in unsere kleine Wohnung 230 km entfernt, aufgenommen. Wir schliefen die Monate im viel schmaleren Gästebett und das ging auch. Ich arbeitete noch und er versorgte alle, still aber wie selbstverständlich. Für alles bin ich ihm so dankbar, dass ich ihm jetzt auch alles geben möchte. Mich traf es ins Herz, als eine Fußpflegerin anfangs sagte: Wenn Sie es nicht schaffen, ab ins ... (Pflegeheim).

Leider hat sich nach Meinung des Pflegedienstes vermeintlich eine Aphte im Mund gebildet. Nach der Nacht bei Schlaf mit offenem Mund gab ich ihm morgens etwas Wasser zum Anfeuchten und sah sein schmerzhaftes Gesicht. Ich dachte, das wäre nur der erste Schluck, der nach der Trockenheit schmerzen könnte. Ab sofort gab ich ihm morgens warmen Salbeitee, eingeflößt mit einem Teelöffel, also sehr vorsichtig und das klappte gut. Als ich dann die Blase unter der Zunge und an der Innenlippe sah, ließ ich mich sofort beraten und reibe die Stellen wenn er wieder mit offenen Mund schläft, mit Kamistad Gel ein und hoffe, dass das bald überstanden ist. Jetzt kommt auch das Novalgin zum Einsatz. Iris hat mich ja darin bestärkt.

Ich möchte noch sagen, dass niemand ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn er diese Pflege zuhause nicht leisten kann. Ich bin Rentnerin, die Kinder sind längst aus dem Haus, meine Schwester wohnt mit im Haus und hilft mir gern, wenn ich sie um einen Gefallen bitte. Diese guten Voraussetzungen hat nicht jeder. Leicht ist es nicht.
Helma
Helma
23.09.2016 17:40:03
Nun hat mich am Dienstag, 20.09.16 mein geliebter Schatz für immer verlassen. Er konnte die letzten Wochen nicht mehr essen und die letzte Woche auch nichts mehr trinken. Die wenigen Tropfen, die durch Säubern des Mundes in den Hals flossen, verursachten Husten und erschwerten das Atmen. Beim Lagern in die Seitenlage konnte er gut etwas abhusten, so dass die Atmung wieder frei war. Dienstag sah ich die Schwäche und wusste, diesen Tag wird er nicht überleben. Ich saß an seinem Bett, streichelte und beruhigte ihn. So erlebte ich seinen letzten Atemzug. Das zu begreifen ist für jeden ein Moment, der nicht den Vorstellungen entspricht. Plötzlich die Leere zu spüren, das Zurückgelassen werden ist eine schreckliche Erfahrung. Nun sind 4 Tage vorbei und ich spüre, dass ich nicht mehr so viel weinen muss. Ein großes Foto, auf dem er mir morgens entgegen strahlt, ist eine gute Hilfe. Schlimm wird nochmal die Athmosphäre in der Kapelle am Tag der Bestattung, die ich meine ich, sehr schön gestaltet habe.

Beim Nachlesen im Tagebuch kommen mir Gedanken, ob er nicht noch länger hätte leben können. Schon nach 2 Wochen nachdem er ins Krankenhaus kam, konnte er nicht mehr sprechen und hatte kaum noch Kräfte. Wie stabil war er am 01.02. als er ins Krankenhaus ging, nicht gesund, nein aber doch weder sprachlos noch so schwach. Ich frage mich, ob die Ursache des schnellen Verfalls nicht die Probenahme war. Wenn man vorher wüsste, welche Folgen etwas hat, könnte man von vornherein auf bestimmte Behandlungen verzichten. Über eines bin ich sehr froh, er hatte keine Schmerzen, ich hätte es seinem Gesicht angesehen.
Helma
Helma
23.09.2016 17:54:24
Ich lese jetzt, was 'alma' zu 'estee' geschrieben hat:
"möglicherweise braucht er nicht mehr zu essen und zu trinken.
Am Ende des Lebens stellen die Nieren ihre Arbeit ein, noch bevor der Mensch stirbt. Also kann man nicht austrocknen, denn das meiste Wasser bleibt ja im Körper, bis auf das, was ausgeschwitzt wird. Häufig wird der Fehler gemacht, Infusionen zu geben. Das kann zu Luftnot führen, da im Körper zuviel Wasser ist, das dann in die Lunge gerät."

Ich denke, sie hat recht und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich falsch gehandelt habe. Ich sah, dass seine Hände dick wurden und habe auf den Hausarzt gehört, der meinte, ich solle ihm nur 2 Infusionen à 500 ml statt einer geben, das würde reichen. Es war zu viel, das erkenne ich jetzt. Das wird seine Atmung erschwert haben. Den Hinweis finde ich wichtig für andere in ähnlicher Situation.
Helma
Justina
24.09.2016 23:40:01
Helma, du hast das alles sehr, sehr gut gemacht. Nach bestem Wissen und Gewissen. Ob ich diese Kraft jemals haben werde, dies alles für meinen Mann zu tun, was du für deinen getan hast?!?
Wirklich, Hut ab vor deiner Liebe und deiner Leistung. Ja, du hattest die Zeit und die Unterstützung. Trotzdem, das schafft nicht jeder. Hochachtung!
Mach dir bitte kein schlechtes Gewissen wegen der Infusionen. Meines Wissens wird die Atmung auch ohne Infusion am Ende schwer ... aber das gehört zum Prozeß und ist für uns Angehörigen schwerer zu ertragen als es für den Patienten wirklich ist. Das hat mir eine befreundete Hopizdame erklärt.
Du hast alles richtig gemacht. Das hast du hier ja auch beschrieben, dass er entspannen konnte, wenn du dich um ihn gekümmert hast. Und das ist das Wichtigste.
Nimm das Foto mit dem strahlenden Lächeln in dein Herz. Er bedankt sich sicher für alles, was du für ihn getan hast.
Ich wünsche dir ganz arg viel Kraft für die nächste Zeit. Und dass du bald ein bißchen die Leere zu füllen lernst, in dem du dir selber ein wenig Gutes tust.
LG Justina
Justina
alma
25.09.2016 01:32:53
Liebe Helma,

woher solltest du das wissen? Du hast dich mit viel Mut, Liebe und Sorgsamkeit in diese Lebenslage begeben und sie auch sehr gut gemeistert.
Um dich herum waren genug Fachkräfte, die ja dazu da sind, das Richtige zu tun oder die richtigen Anleitungen zu geben.
Deine Schuldgefühle sind wohl eher der Trauer zuzurechnen als dass sie eine reale Grundlage hätten. Aber so oder so - man kann nicht alles richtig machen, wenn man jemanden bei schwerer Krankheit bis an sein Lebensende pflegt. Die Pflege ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Leider fällt sie in unserer Gesellschaft unter so etwas wie "erweiterte Hausfrauenarbeit".
Du warst emotional bei ihm, das lese ich aus deinen Schilderungen. Und das ist das Allerwertvollste.

Liebe Grüße, Alma.
alma
Helma
25.09.2016 06:46:51
Danke Justina und Alma für eure beruhigenden und verständnisvollen Worte.
Helma
alma
25.09.2016 09:29:15
Und noch ein kleiner Zusatz: so klar ist es bei einem Sterbenden nicht, was er nun hat. Er wird ja nicht mehr untersucht. Man lässt ihn in Ruhe.
alma
Helma
25.09.2016 10:10:03
Ja, das stimmt. Daran hatte ich schwer zu knabbern. Ich wollte nicht akzeptieren, dass der Arzt sagte: Nichts mehr zu essen und zu trinken geben, die beiden Infusionen reichen. Am nächsten Morgen probierte ich doch noch, ihm zum Frühstück kleine Häppchen anzubieten, er öffnete den Mund und kaute und schluckte. Wie habe ich mich gefreut. Leider war das nur einmalig, dann ging es doch nicht mehr.
Helma
alma
25.09.2016 12:38:53
Ja, und ich meinte auch: wenn es in der Lunge Rasselgeräusche gibt, sieht man nicht mehr nach, ob wegen Überwässerung oder z.B. Lungenmetastasen.
Außerdem basiert die Palliativpflege, wenn es auf das Ende zugeht, vielfach noch auf Traditionen und nicht auf neueren Erkenntnissen. Deshalb gibt man eben Infusionen. Es ist ja auch schwer, sich vorzustellen, dass ein Mensch niemals wieder essen und trinken wird. Ein Teil dessen, was wir unter Zuwendung und guter Versorgung verstehen, fällt dann weg. Und man selbst wird noch hilfloser.
alma
Helma
25.09.2016 17:35:13
Der Hausarzt und der Palliativarzt haben seine Lunge untersucht und sie war frei. Trotzdem brodelte es manchmal bei der Atmung durch Speichel oder wenige Tropfen Flüssigkeit durch das gelegentliche Sprühen, aber ehr im Hals, was die Atmung erschwerte.
Durch das Abhusten in der Seitenlage, was aus Kräftegründen nicht immer gelang, war er wieder frei und konnte ruhig mit geschlossenem Mund atmen. Rückenlage war gar nicht gut, die habe ich vermieden, außer kurfristig bei erhöhter Oberkörperhaltung.
Du kennst dich gut aus, alma.
Helma
alma
25.09.2016 17:50:11
Dann war es doch so weit in Ordnung. Es war gut genug.
alma
Justina
26.09.2016 00:02:40
... und gut genug ist das Beste was wir tun können.

Helma, ich drück dich ganz fest und denke an dich. Ganz arg viel Kraft für die nächste Zeit.
Justina
Helma
26.09.2016 09:02:01
Danke, Justina.
Im Nachhinein fallen mir so viele Dinge ein, die seit Weihnachten 2015 auf eine beginnende Krankheit hinweisen konnten. R. hatte öfter Kopfschmerzen über die er aber nicht sprach. Es sah nicht nach starken Schmerzen aus, er rieb sich nur gelegentlich die Stirn. Weihnachten baute er sehr schön die Krippe mit den Figuren auf, nur räumte er die Kartons später nicht mehr im Keller in die Regale was er sonst immer tat. Das fand ich seltsam. Er verkaufte sein Motorrad im Januar. Dazu gehörte eine Gegensprechanlage, die er nachsenden wollte. Das ließ er schleifen, bis ich sagte, nun müsse er sie aber ausbauen und dem Käufer zuschicken. Ich holte dann den Helm und versuchte mit ihm gemeinsam, das Teil auszubauen, was sehr kniffelig war. Normalerweise hat er das ruck-zuck erledigt, dieses Mal dauerte es länger, er tat mir leid und ich versuchte, mitzuhelfen. Er wollte es allein machen. Endlich bekam er es raus und ich konnte es versenden. Bei allem war er so schweigsam, dass ich wusste, es stimmt etwas nicht. Das bestätigte sich, als er mich gelegentlich fragte: Was soll ich jetzt tun? oder Welcher Tag ist heute? Und er war auffallend müde. Kaum saß er auf der Couch, machte er die Augen zu. Als dann noch der chem. Geschmack eintrat, wusste ich, jetzt wird es Zeit, das zu klären. Untersuchungen des Hals-Nasen-Rachenraums, der i. O. war, Besuch des Hausarztes, der zum Neurologen überwies. 2 Wochen Warten war zu lang und ich brachte ihn am 1. 2. ins Krankenhaus. Nun baute er rapide ab und es begann eine traurige Zeit, aber er war da. Erstmalig sparte ich einen Tag, nicht ins Kh fahren zu müssen, da er mit dem KW von PB nach MS gebracht wurde. Ich dachte, dort wird er gründlich untersucht, ich kann am nächsten Tag fahren. Mittags rief ich an, ob er schon auf dem Zimmer sei. Nein, auch nachmittags nicht. Mir kamen Zweifel. Dann rief ein Arzt an, sie suchten R., ob es sein kann, dass er nach Hause wolle. Nein, das konnte nicht sein, er kennt sich in MS nicht aus und er war nicht verwirrt. Aber man kann nie wissen, was im Gehirn abläuft. Kurz darauf rief die Polizei an, ich solle eine Personenbeschreibung abgeben. Ich war aufgelöst vor Sorge, so kannte ich R. doch nicht! 1 Std. später rief der Arzt an, R. habe in der Ambulanz gesessen und auf mich gewartet, ich hätte eine Führung mitmachen und ihn dann abholen wollen. Jetzt wusste ich, dass Schlimmes auf uns wartete. Alles andere habe ich schon geschrieben.

Wie lange muss das Glioblastom inzwischen IV schon in ihm geschlummert haben? Noch im Aug. 2015 ist er doch noch 6 Tage den Karn. Höhenweg gegangen. Ich empfing ihn am Plöckenhaus und dachte, er wird strapaziert aussehen. Nein, er kam lachend braun gebrannt den Berg herab. War alles nur vorgetäuscht und hatte er selbst Angst vor einer möglichen Krankheit? Die Lebenserwartung in seinem Alter beträgt im Durchschnitt 1,3 Jahre. Warum hat er die Zeit nicht geschafft? Er hatte bereits vor 5 Jahren eine Prostata-OP, die gut verlaufen ist, der Arzt sagte, von "unten" käme der Tumor nicht. Jetzt kann ich lange grübeln, tue es aber nicht, da es vorbei ist und wir nichts mehr tun können. R. möchte sicher auch, dass Ruhe einkehrt und wir ihn in guter Erinnerung behalten.
Helma
alma
26.09.2016 09:30:29
Liebe Helma,

wie lange er das Glio schon hatte, weiß man nicht. Es gibt Glioblastome, die aus den Vorstufen entstanden (Grad II, Grad III) und erst als Grad IV entdeckt werden, und solche, die gleich Grad IV sind. Das ist die Unterscheidung in primäre (gleich IV) und sekundäre Glioblastome. Woran man das histologisch erkennt, weiß ich nicht, aber wenn es dir keine Ruhe lässt, frag doch die Ärzte. Damit ist aber der Zeitpunkt der Entstehung nicht klar.
Das Hirn kann lange einen Tumor kompensieren. Gerade, wenn nicht gleich vitale Strukturen betroffen sind, was in der linken Hirnhälfte an vielen Stellen der Fall ist. Und es verfügt über eine sog. Plastizität, d.h. wenn es Zeit hat, kann es Defekte durch Neustrukturierung ausgleichen, wie z.B. beim Schlaganfall. Irgendwann geht es dann nicht mehr und das erscheint als der Moment, wo der Tumor deutlich Symptome macht.
So ohne weiteres kommen niedergelassene Ärzte nicht auf die Idee, nach einem Hirntumor zu suchen. Bei einem großen epileptischen Anfall schon, weil das ein relativ eindeutiges Zeichen ist, und bei einigen anderen Symptomen. Bei Kopfschmerzen und kognitiven Defiziten aber eher nicht.
Hirntumore machen nur 2% der Krebserkrankungen aus, sind also vergleichsweise selten.
Wenn es von der Prostata käme, wären es Metastasen gewesen. Das hätte man histologisch gesehen. Dieses Thema kannst du zur Seite legen.

Erinnerung (als Verarbeitung) ist auch etwas Aktives. Das ist das, was du jetzt machst. Einiges kannst du klären, anderes nicht. Es gibt bei den Gliomen Dinge, die noch niemand weiß.

LG, Alma.
alma
Helma
26.09.2016 14:56:35
Darüber habe ich nochmal nachgedacht. Danke alma.
Helma
Justina
27.09.2016 01:54:32
Hallo Helma,
ähnliches kann ich ebenfalls berichten. Diese Müdigkeit und Dinge nicht zu Ende bringen. Was habe ich mich geärgert... Typische Symptome wie Kopfschmerzen und Anfälle hatte er nie. Er hatte eine Magen-Darm-Grippe und ich war sauer, weil ich der Meinung war, dass dies keine ist. .. naja, und dann war es der Tumor.
Der Tumor meines Mannes war "riesig". Was habe ich mir Vorwürfe gemacht... mindestens 2 Monate vorher hätte man es merken können. Aber wer steckt einen Patienten mit Magen-Darm ins MRT?!? Er hat nie erzählt, dass ihm das Schreiben schwer fällt. Das gehe doch wieder weg, hatte er gehofft. Ich habe es nicht gemerkt (wir tippen doch nur noch in unsre Handy, wir schreiben keine Notizzettel mehr)
Manchmal überlege ich, ob es nicht wirklich ein seit Jahren bestehendes Astro gewesen sein kann. .... aber was hilft es? Nichts. Auch meine Selbstvorwürfe helfen nichts.
Helma, wir sind nicht Schuld an der Sache. Es ist einfach Pech. verdammtes Pech.
Gestern war er richtig lustig drauf. Ein lustiger Spruch nach dem andern. Was haben wir gelacht. ich werde es nie vergessen.
Nun wollen wir ein paar Tage verreisen. Hoffe, dass alles gut geht und bin dankbar, dass es wohl doch noch möglich werden wird.
Auf den Tag mit der Polizei warte ich noch... manchmal fällt ihm die Orientierung schwer ...

LG, Justina
Justina
Helma
29.09.2016 08:26:23
Das ist wirklich ein ähnlicher Verlauf, Justina. Wie schön, dass dein Mann immer wieder mal gut drauf ist und ihr noch eine schöne Reise macht. Es wird euch gut tun. Ich wünsche euch warme, sonnige Tage!


Bei uns stand im Entlassungsbericht der Uni MS nach der Biopsie "Mit durchgehend stabilen kardiovaskulären Parametern erfolgte die Rückübernahme . Auch hier konnte ein regelrechter Verlauf beobachtet werden und die Aufmobilisation des Patienten erfolgte zeitgerecht. Ein neues neurologisches Defizit trat nicht auf. Zum Zeitpunkt der Entlassung war Hr. M. wach, zu allen Qualitäten orientiert, antriebsgemindert, jedoch ohne ein eindeutiges fokalneurologisches Defizit."

Da wundere ich mich über den anschließenden schnellen Abbau, der eine spätere weitere Therapie wegen zu großer Strapazen verhinderte.

Diagnose: bifrontal gelegener Tumor mit Kontakt zum Balken, DD Balkengliom. Die frontalen Ventrikelhörner sind konsekutiv komprimiert, jedoch kein Hinweis auf Liquorzirkulationsstörungen. Mäßiggradiges perifokales Ödem. Z.n. stereotaktischer Biopsie rechts frontal einer bifrontalen Raumforderung mit Beteiligung des Corpus Callosum. Lufteinschlüsse im rechts frontalen Bereich der Raumforderung.

Was das alles genau heißt, werde ich später noch genauer klären.

Ein sehr guter Ratgeber begleitet mich nun "Was bei Trauer gut tut." Das Büchlein kann ich empfehlen.
Helma
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