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Jennica

Hallo zusammen,

im November letzten Jahres wurde mein Meningeom entfernt. Es hatte einen großen Teil der Hirnhaut befallen, diese wurde durch eine Duraplastik ersetzt. Am schlimmsten hatte der Tumor aber den Schädelknochen befallen, an meiner rechten Schläfe war der Knochen aufgebläht, dadurch habe ich den Tumor selbst bemerkt. Es wurde sehr großzügig Schädelknochen entfernt, was in einem solchen Ausmaß vor der Operation gar nicht fest stand bzw. absehbar war. Das Meningeom lag an meinem Gehirn dran hatte also noch keine verdrängenden Eigenschaften. Nach der Operation war ich elf Tage im Krankenhaus, ein CT für eine Schädeldachplastik wurde aufgenommen und mein Kopf wurde für einen Schutzhelm vermessen. Am Entlassungstag bekam ich den Helm, der gar nicht mal so ätzend war wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Die Schädeldachplastik war für März diesen Jahres geplant, was bedeutete fast vier Monate mit "offenem" Kopf rum zu laufen. Der Hautlappen über dem nicht mehr vorhandenen Knochen fiel immer mehr ein, bis mein Kopf aussah, als hätte jemand ein Stück aus einem Kuchen heraus geschnitten. Wenn ich gehustet oder gelacht habe fühlte es sich an als würde mir der Kopf zerquetscht werden. Wie war das bei euch? Wetterwechsel waren auch sehr schmerzhaft. Mitte Januar bekam ich neurologische Probleme, meine linke Hand hatte motorische Ausfälle, ich hatte keine Kontrolle mehr über meine Finger. An manchen Tagen kam es auch zu Lähmungserscheinungen. MRT s von Gehirn und HWS waren unauffällig, sodass die neurologischen Beschwerden auf das überlastete Gehirn zurück geführt werden konnten. In dem Zusammenhang bin ich auf das Syndrom der Trepanierten oder auch Sinking Flap Syndrome, gestoßen. Hattet ihr auch neurologische Beschwerden durch den "offenen" Kopf? Die Operation für die Plastik wurde in den Februar vorverlegt, sie lief problemlos, das Implantat passte perfekt. Nachdem das Gehirn wieder "sicher verwahrt" war, fühlte ich mich sofort besser, allerdings bin ich mit einer komplett gelähmten linken Hand aus der OP aufgewacht. Hab direkt Ergotherapie und Physiotherapie im Krankenhaus erhalten und nach fünf Tagen war ich zum Glück schon wieder in der Lage mich alleine anzuziehen. Meine Hand ist fast wieder ganz in Ordnung, manchmal knickt das Handgelenk noch weg. An das Implantat in meinem Kopf habe ich mich schon gut gewöhnt, wenn ich nicht drüber nachdenke, merke ich gar nichts. Was nervt ist, dass ich nicht so liegen kann wie ich es möchte, es ist ja schon ein großer Teil meiner rechten Schädelhälfte, ob ich da nie wieder richtig drauf schlafen kann? Was sind eure Erfahrungen? Laut Pass hat die Schädeldachplastik ein Maß von 110x82x27(mm). Wie kommt ihr mit Sonne klar? Ich vertrage die gar nicht mehr, bekomme direkt ein unangenehmes Ziehen und irgendwie Druck an der Stelle mit Implantat, daher trage ich jetzt immer eine Kopfbedeckung. Und das Wetter insgesamt macht mir sehr zu schaffen an manchen Tagen. Ich würde mich freuen, wenn ihr von euren Erfahrungen berichten würdet.

Danke und viele Grüße

Jennica

KaSy

Liebe Jennica,
Ich hatte auch das Glück, wenn man es so nennen darf, dass ich eine Beule an der linken Stirn bis fast hinauf zur linken Schädelmitte selbst bemerkte. Meine Hausärztin veranlasste ein CT und vereinbarte in meinem Beisein den Termin beim Chefarzt der Neurochirurgie, der mich 2 Monate später operierte. Bei mir war der Persönlichkeitsbereich bereits verdrängt worden und ich hatte diesbezüglich nicht sehr große Probleme.

Ich erhielt während dieser 1. OP eine Palacosplastik (aus "Knochenzement") in etwa der Größe wie bei Dir.

Viele Jahre später musste wegen einer hartnäckigen Wundheilungsstörung nach meiner 5. Meningeom-OP die Plastik entfernt werden. Zuvor wurde ein spezielles CT angefertigt, das für die Anfertigung einer Knochenplastik aus PEEK (Poly-Ether-Ether-Keton) nach Jena geschickt wurde.

Die Entfernung der Plastik erfolgte im November und erst nachdem keinerlei Entzündung mehr im Körper war (was das Risiko, es nicht zu überleben, enorm erhöht hätte), durfte die PEEK-Plastik eingesetzt werden, das war im April des darauf folgenden Jahres.

Insofern gibt es Vergleichbares.

Ich hatte jedoch die fehlende Plastik im Stirn-Oberkopf-Bereich und von einem Helm war keine Rede.

Es entstanden durch das fehlende Schädelteil bei mir keine Lähmungen oder neurologischen Folgen.

Ich habe einen Schädelersatz seit 1995 (jetzt den 3.) und damit nie Probleme gehabt. Nun ja, wenn ich mich doch mal dort stoße, tut es viel mehr als normal weh, aber tatsächlich sind sowohl die 2 Plastiken aus Palacos und die aus PEEK äußerst stabil.

Insofern denke ich, dass Du auch normal darauf schlafen könntest, da Du ja geschrieben hast, dass Du Dich schon gut daran gewöhnt hast.

Versuche weiterhin, zu vergessen, dass da etwas Anderes im Kopf ist. Am Tag gelingt es Dir, das sollte auch beim Schlafen möglich sein. Es gehört jetzt zu Dir, Du merkst es eigentlich nicht, aber Du weißt es. Es ist etwas Gutes, denn durch die OP hast Du Dein Leben wiedergewonnen.
Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass dieser Ersatz stabiler zu sein scheint als der normale Schädel ( Kofferraumklappe daraufgeknallt bekommen - es hielt).
Trau Dich drauf zu liegen!

Das mit der Sonne ist ein Problem, das viele oder alle "Kopfoperierten" haben. Es ist bei mir nie weggegangen, vielleicht etwas geringer geworden.
Allerdings bin ich da evtl. nicht die Richtige, da ich seit 1999 nach großflächigem strahlenbedingten dauerhaften Haarausfall eine Perücke trage, die ersetzt bei normaler Sonne so ein bisschen die Kopfbedeckung. Zur Zeit sitze ich gern im Garten, wenn mich keiner sieht, auch ohne Perücke, aber dann geht das nur im Schatten.
Ich denke, es könnte bei Dir irgendwann etwas besser werden, aber ob Du Dich wieder wie früher in der vollen Sonne aufhalten kannst, weiß ich nicht. So gesund ist das ja auch gar nicht, aber es fehlt einem doch immer mal.

Mit diesen sehr warmen Tagen habe ich auch Probleme. 20°C sind so meine Wohlfühl-Obergrenze. Hitze geht gar nicht.

Wetterwechsel scheinen mich auch aus dem (psychischen) Gleichgewicht zu bringen, aber da suche ich diese Ursache nicht mehr, weil ich ohnehin nicht mehr so sehr belastbar bin. Ich hatte noch 16 Jahre nach der ersten Meningeom-OP gearbeitet, musste dann leider aufhören. Die Meningeome hörten nicht auf und ich lernte nach der Geduld auch die Gelassenheit (mit wechselndem Erfolg), also, wenn es gerade nicht geht, dann geht es eben nicht, aber es geht später wieder.

Ich weiß aber von so einigen Betroffenen, dass für sie Sonne, Wetterwechsel, aber auch weitere Alltäglichkeiten wie laute Gespräche mit mehreren Personen zugleich oder der Aufenthalt in Menschenmengen mehr stören als zuvor.

Ich denke, dass Du Dich freuen kannst, dass der Tumor weg ist und hoffentlich nie wiederkehrt. An die Plastik hast Du Dich schon etwas gewöhnt, das wird Dich bald nicht mehr stören. Das andere halte ich für Kleinigkeiten, die besser werden können, mit denen man aber recht gut leben kann, wenn man mal bedenkt, dass man das gegen einen Tumor im Kopf "eingetauscht" hat.

Du hast eine schwere Zeit hinter Dir und es geht Dir bereits ziemlich gut, Du kannst sehr stolz auf Dich sein!

Ich wünsche Dir weiterhin viele Schritte in ein normales langes und erfülltes Leben!

KaSy

Toffifee

Hallo Jennica,

von Sinking Flap Syndrome habe ich heute erstmalig gelesen und dann gegoogelt. Ich fand auch eine Dissertation zum Thema, bei Gelegenheit kann ich versuchen sie zu lesen. Mein "Loch" in der Stirn ist etwa 5,5 * 5 cm über der Nase. Ein pilzinfizierter Stirnknochen verschaffte mir die Ehre, das Vergnügen. Das Krankenhaus bot mir einen Ersatz mit Knochenzement an. Ich wollte eine Zweitmeinung. Da wurde ein CT gemacht und weitere Untersuchungen aber letztendlich von einer OP Abstand genommen. Als ich bei einer Epilepsiesprechstunde an einer anderen Uniklinik war wurde mir auch ein Knochenersatz schmackhaft gemacht. Wegen Coronazeiten wollte ich es aufschieben oder vertagen. Da liest man oft von Wundheilungsstörungen und die erste Uniklinik wies auf die Gefahr der erneuten Pilzbesiedelung des Implantats hin.
Probleme habe ich keine, außer ästhetischer Natur. Fahrrad fahre ich nur noch mit Helm und habe manchmal Kribbeln in den Zehen. Wetterfühlig bin ich glücklicherweise nicht.
Da ich nicht auf dem Bauch schlafe stellt es auch kein Problem dar.
Sonne vermied ich oft wegen Blenden und der Hautkrebsgefahr. Nun sollte ich die Sonne suchen wegen einem Vitamin D Wert im Keller (7,5 anstatt mindestens 30).
Ich hoffe daß sich Deine Probleme im Laufe der Zeit reduzieren oder verschwinden.

Alles Gute
Willi

Jennica

Hallo KaSy, hallo Toffifee,

vielen Dank für eure Antworten, dass ich hier mit Menschen kommunizieren kann, die einfach wissen wie es ist, an deren Erfahrungen teilhaben zu dürfen, hilft mir wirklich sehr.
Ich habe mir oft Gedanken gemacht, was so ein Implantat wohl aushält, meins ist auch aus PEEK. Da es ja offensichtlich einen Kofferraumdeckel aushält, brauche ich mir wohl wirklich keine Sorgen zu machen, wenn ich darauf schlafe ;-)
Was du gesagt hast KaSy, dass das Implantat nun zu mir gehört, das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich glaube, dass ich es noch nicht richtig akzeptiert habe, daran kann ich nun arbeiten. Für mich fühlt sich das Erlebte noch etwas unwirklich an und jetzt nach ein paar Monaten habe ich das Gefühl, alles mehr und mehr zu erfassen und zu verstehen. Das ist an manchen Tagen ein erdrückendes Gefühl. Dennoch, ich bin froh, dass es mir körperlich schon relativ gut geht, ich arbeite noch am Feinschliff.

Viele Grüße

Jennica

KaSy

Liebe Jennica,
Ich habe nach meiner ersten Meningeom-OP eigenartigerweise den Knochenersatz sofort akzeptiert, also ich habe nie das Gefühl gehabt, dass da etwas Falsches im Kopf ist. Ja, ich sah es und später sahen es meine Schüler, aber es war eben so.
Ich habe erst im Forum mitbekommen, dass es Betroffene gibt, die damit längere Zeit Probleme haben, etwas Fremdes im Kopf zu haben.
Für mich war es so, dass der Hirntumor für mich das größte und lebensgefährlichste Ding war, das mich als Person enorm hätte ändern können. Mit dieser Angst war ich 2 Monate lang "wie Falschgeld" oder "wie ein Zombie" herumgelaufen, wenn ich nicht gerade arbeitete, mich um meine Kinder kümmerte, den Urlaub mit Oma/Opa umgeplant hatte ...
Es blieb immer noch genug Zeit für diese Angst.
Dass da ein Schädelersatz in den Kopf kommen könnte, habe ich vorher nicht realisiert und nach der OP war es eben so. Ich habe sehr viel später erst wahrgenommen, dass ja auch Hirnhäute entfernt und ersetzt wurden. Das war mir alles unwichtig.
Diese Angst, ein anderer Mensch zu werden, der seine Kinder nicht mehr erkennt oder, schlimmer noch, nicht merkt, dass er völlig anders ist, war so dominierend, dass ich einfach nur froh war, als der Neurochirurg und der Anästhesist noch im OP-Saal zu mir kamen, sich freuten, dass ich normal aufwachte, dass ich sie erkannte und es ihnen sagen konnte, dass ich alles bewegen konnte - und ich ihre erleichterten Gesichter sah.
Der "Feinschliff", wie Du es schreibst, kam später, aber dafür hatte ich von vornherein Zeit, weil mich der Chef-NC darauf eingestellt hat, dass es einige Monate dauert. Ich habe eigentlich einfach nur gestaunt, dass man so einen Eingriff, wo jeder einen mitleidig anguckt, falls er davon erfährt, so normal überleben kann. Es ging einfach so voran, sicherlich mit einiger Aktivität, aber die Zeit gab mir die Ruhe und sogar auch die Chance, mich meinen Kindern zu widmen, wenn sie aus der Schule kamen. Ich habe diese Zeit als eine glückliche Zeit für unsere Familie in Erinnerung.

Da wusste ich natürlich noch nicht, dass mich das wieder einholen und dass ich nach und nach jede Menge darüber lernen würde, was ich jetzt bereits seit Jahren anderen weitergeben kann. Über die anerkennenden und dankenden Worte aus dem Forum bin ich immer sehr froh, auch wenn ich es nicht immer schreibe. Jetzt war mir mal danach ... Denn es tut auch mir gut, für andere sinnvoll dazusein.

Du wirst den "Feinschliff" packen!
Es muss nicht die Kofferraumklappe sein, die traf übrigens eine Palacosplastik, aber PEEK würde das auch aushalten. Deinen Kopf hält sie im Schlaf garantiert aus, auch wenn Du Dich noch mit "erdrückenden" Träumen im Bett herumwälzt.

Beste Grüße
KaSy

Jennica

Hallo KaSy,

meine Angst vor dem Tumor kam bei mir erst nach der Operation, klingt seltsam, aber ich denke, dass ich es einfach bis zur Operation nicht wahrhaben wollte. Ich hatte so eine Angst vor dem Aufwachen, dass ich wach werde und mich selbst nicht mehr versorgen kann. Mit 23 hatte ich einen Bandscheibenvorfall, der mich fast in den Rollstuhl verfrachtet hat, ich war nicht in der Lage ohne Hilfe mein Leben zu bestreiten, das war eine ganz furchtbare Situation. Und vor dieser Hilflosigkeit hatte ich die meiste Angst. Und davor, dass mit Geräten an meinem Kopf gearbeitet wird, die da eigentlich nicht hingehören. Für mich war es so, mir geht es gut, was soll das alles. Sehen wollte ich nicht, dass es mir schon länger nicht gut ging und dass der Grund der Tumor in meinem Kopf war. Wo jetzt schon einige Zeit seit beiden OPs vergangen ist, kann ich sagen, dass es mir besser geht als zuvor. Es haben sich sogar ein paar Dinge verbessert, die ich schon viele Jahre hatte. Ich bin sehr froh, dass dieses Ding kein Teil mehr von mir ist. Die Nachwirkungen, mit denen ich jetzt noch zu kämpfen habe, nehme ich an und versuche mein bestes zu geben, aber auch geduldig mit mir zu sein. Wie ich im Beruf wieder klar kommen werde, macht mir schon manchmal Sorgen, aber soweit ist es noch nicht.
Nocheinmal herzlichen Dank KaSy, dass du deine Erfahrungen mit mir teilst.

Jennica

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