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Thema: Sollen wir es ihr sagen?

Sollen wir es ihr sagen?
Stefan[a]
23.05.2005 21:59:43
Bei meiner Mutter (61) wurde nach halbseitigen Lähmungserscheinungen ein Gehirntumor festgestellt. Die Ärzte vermuteten dass sich Metastasen vom vorhergehenden Brust und Lymphdrüsenkrebs gebildet hatten. Wie sich bei der OP herausstellte war das aber nicht so. Es ist ein völlig eigenständiger Tumor. Meine Mutter wurde vor zwei Wochen operiert. Der Arzt sagte uns dass sie nicht alles herausoperieren konnten, da der Krebs schon zu tief sitzt. Seit der OP ist meine Mutter halbseitig gelähmt und weiß nicht dass der Tumor noch da ist. Sie hofft dass bald eine Besserung eintritt und ist im Glauben dass alles bald besser wird. Die Ärzte geben ihr aber nach Auskunft noch ca. ein halbes bis ein Jahr. Ich weiß nicht was ich tun soll. Es ist so schrecklich das mitanzusehen und jeden Tag aufs neue meine Mutter zu belügen. Was soll ich machen? Ihr die Hoffnung nehmen und sie weiter belügen? Oder ihr die Wahrheit sagen, und hoffen dass sie nicht aufgibt?
Stefan[a]
Petra A.
23.05.2005 23:33:35
Hallo Stefan,

mein Vater verstarb am 01.03.2005 nach 20 Monaten und 9 Tagen an seinem Glioblastom. Von Anfang an wollte er Beschid wissen und wußte Bescheid. So konnten wir alle Optionen mit ihm besprechen und angehen. Und er konnte alle Dinge, die ihm wichtig waren regeln und (mit-)bestimmen.

gebt nicht so schnell auf. Holt Euch Zweit- und Drittmeinungen ein.

Alles Gute

Petra
Petra A.
Kristina[a]
23.05.2005 23:54:01
Lieber Stefan,

das ist eine wirklich sehr schwierige Frage, die man - ohne Deine Mutter zu kennen und zu wissen, wie sie vermutlich reagieren wird - wohl auch gar nicht so richtig beantworten kann. Mir, meiner Schwester und meinem Vater ist es im Hinblick auf meine Mutter ähnlich gegangen. Meine Mutter hatte ein Astrozytom II bis III und ist zunächst bestrahlt worden, da der Tumor inoperabel war. Während der Bestrahlung war sie voller Hoffnung, daß sie den Tumor besiegen kann. Nicht zuletzt aufgrund der optimistischen Aussagen der behandelnden Ärzte haben auch wir geglaubt, daß jetzt zumindest für 1 oder 2 Jahre Ruhe ist. Bereits ein halbes Jahr später hatte sich jedoch an einer anderen Stelle ein weiterer Tumor gebildet, der - da dieses Mal operabel - operiert worden ist. Dieses Mal stand fest, daß es sich um ein Astro III handelt. Die Ärzte teilten uns nach der OP ebenfalls mit, daß der Tumor nicht vollständig entfernt werden konnte; die Ausbreitung des Tumors jedoch möglicherweise durch nochmalige Bestrahlung der neuen Stelle mit anschließender Chemotherapie hinausgezögert werden könnte. Zugleich wurde uns mitgeteilt, daß die Krankheit letztlich allerdings zum Tod meiner Mutter führen würde; in zeitlicher Hinsicht wurde jedoch keine Prognose gemacht. Meine Mutter war so stolz darauf, die 6-stündige OP überstanden zu haben, daß wir es nicht über das Herz brachten, ihr all das zu sagen, was uns der Prof. mitgeteilt hat. Wir haben ihr zunächst nur gesagt, daß es sich bei dem neuen Tumor um einen malignen Tumor handele; der Tumor jetzt aber ja erst einmal entfernt worden sei und wir versuchen müssen, ihn durch zusätzliche Bestrahlung und Chemotherapie am Weiterwachsen bzw. an der Neuentstehung zu hindern. Meine Mutter -mittlererweile hälftig gelähmt- hat dann auch die Bestrahlung tapfer und mit bewundernswertem Mut durchgestanden; d der Tumor aber bereits während der Bestrahlung schon wieder weitergewachsen und hat dieses Mal schrecklicherweise auch noch den Sehnerv angegriffen; d.h. meine Mutter konnte immer schlechter sehen und hatte furchtbare Angst davor, blind zu werden. Zunächst glaubte sie allerdings, daß das mit ihrem grünen Star zusammenhinge oder sie einfach nur eine stärkere Brille brauche. Die Ergebnisse in der Augenklinik ergaben allerdings, daß die Verschlechterung der Sehkraft mit dem neuen Tumorwachstum zusammenhängt. Wir haben immer und immer wieder überlegt, ob wir es meiner Mutter sagen sollen, haben es aber nicht getan, da wir dachten, daß meine Mutter dann verzweifeln würde. Stattdessen haben wir ihr Mut zugesprochen und gemeint, daß ja möglicherweise die Chemotherapie anspricht. Wir haben meine Mutter dann nach dem ersten Zyklus nach Hause geholt. Zunächst waren wir wieder alle guter Hoffnung, daß die Chemo vielleicht wirklich was bewirkt, hat sie aber nicht. Vielmehr hat sich der Zustand meiner Mutter von Woche zu Woche verschlechtert, Obwohl ich es mir so oft überlegt habe, mit ihr darüber zu sprechen, daß wir den Kampf möglicherweise verloren haben, habe ich es bis zuletzt nicht getan. Ich konnte es nicht, weil ich geglaubt habe, wenn ich es ausspreche, dann haben wir den Kampf wirklich verloren. Erst als meine Mutter nicht mehr ansprechbar war, sondern wie bewußtlos vor sich hindämmerte, habe ich zu ihr gesagt, daß sie wegen uns nicht mehr kämpfen muß, sondern beruhigt sterben kann und daß sie es dort, wo sie dann sein wird, bestimmt wieder schön haben wird. Ich weiß nicht, ob meine Mutter mich gehört hat. Ich weiß nur, daß ich es bis heute bereue, daß ich mit meiner Mutter nicht schon früher - als ich mich noch mit ihr unterhalten konnte - ganz ehrlich über ihr mögliches Sterben gesprochen habe. Denn vielleicht hätte ich ihr damit eine Last abnehmen können und sie hätte nicht für uns stark sein müssen, sondern hätte mit uns über ihre sicherlich sehr großen Ängste und Sorgen sprechen können.

Herzliche Grüße und viel Kraft für die kommende, sicherlich sehr schwere Zeit

Kristina
Kristina[a]
Petra H.
25.05.2005 21:49:01
Mir geht es genauso. Ich denke auch die ganze Zeit darüber nach, was ich meiner Mama hätte zumuten können und ich denke sehr oft, dass sie nur für uns so stark war und eigentlich schon viel eher in Ruhe gelassen werden wollte.
Wie lange ist der Tod Deiner Mutter her? Und wie geht es Dir jetzt?
Bei uns ist es sieben Wochen her und ich verdränge es noch immer sehr erfolgreich und kann und will es nicht wahrhaben.
Petra H.
Kristina[a]
26.05.2005 19:39:30
Liebe Petra,

meine Mutter ist am 23. November letzten Jahres gestorben. Entdeckt wurde der Turmor Anfang August 2003. Ja, wie geht es mir jetzt ? Es gibt Tage - wie z.B. mein erster Geburtstag ohne meine Mutter - da finde ich es ganz schlimm und ich frag mich immer wieder, warum es meine Mutter getroffen hat. Und irgendwie kann ich es noch immer nicht fassen - insbesondere wenn ich mir Bilder von ihr anschaue - daß sie nicht mehr da ist und ich nie wieder ihre Stimme hören kann. Aber trotzdem gibt es auch viele Tage, an denen ich schon wieder fröhlich bin. Ich glaube auch, daß meine Mutter trotzdem irgendwie bei uns ist und sich bestimmt wünscht, daß es uns gut geht und wir nicht so traurig sind. Mein Vater ist nach dem Tod meiner Mutter sogar noch zu dem Hirntumortag im April gegangen; ich konnte das nicht; irgendwie hätte ich es ganz furchtbar gefunden, wenn es eine neue Therapie gegeben hätte; die meiner Mutter möglicherweise helfen hätte können. Das ist ziemlich dumm, das weiß ich selbst. Aber es war so.

Wie alt war Deine Mutter denn und wie lange hat die Krankheit bei Ihr gedauert ? War sie zum Schluß zuhause und wart Ihr bei ihr?

Herzliche Grüße

Kristina
Kristina[a]
Petra H.
26.05.2005 22:47:30
Liebe Kristina,

meine Mama war 66 und der Tumor wurde bei ihr im Juli 2003 festgestellt. Es war ein ziemlich schwerer Weg die ganze Zeit, aber meine Mama war so unglaublich stark, so wie sie bisher auch in ihrem ganzen Leben war.
Mein Vater ist es leider nicht; er hat sich nicht damit abfinden können, dass es eine tödliche Krankheit ist, klammerte viel zu lange an irgendwelchen Krankenhausbehandlungen. Davon habe ich mich auch beeinflussen lassen und habe meiner Mama wahrscheinlich mehr zugemutet, als sie wollte. Ich habe dann durchgesetzt, dass alle Maßnahmen abgesetzt wurden, nachdem meine Mama drei Monate ein schwerster Pflegefall war, sie nicht mehr sprechen konnte, sich wochenlang mehrfach am Tag übergeben hat. Und in der ersten Nacht bzw. am Morgen nach der ersten Nacht im Hospiz ist sie verstorben. Ich war die ganze Nacht bei ihr, allein und begleitete sie bis zum letzten Atemzug, so wie ich eigentlich auch die meiste Zeit mit ihr verbracht habe.
Jetzt erhole ich mich langsam von den vielen schlaflosen Nächten, der psychischen Anspannung, aber wenn das Handy klingelt, schrecke ich immer noch zusammen, obwohl ich jetzt den Klingelton geändert habe. Ich bin, wie gesagt, immer noch benommen und will es nicht wahrhaben.
Wie alt war Deine Mama?
Petra H.
Kristina[a]
28.05.2005 18:39:11
Liebe Petra,

meine Mama war 65. Auf ihren 65. Geburtstag hatte sie sich sehr gefreut, da sie das erste Mal nach ihrer Bestrahlung wieder zu uns nach Berlin kommen wollte und sie ein paar schöne Tage bei uns verbringen wollte. Ich hatte mich auch sehr gefreut, daß meine Mutter das erste Mal wieder eine längere Reise unternehmen wollte. Leider haben wir ihren Geburtstag dann statdessen alle in der Uniklinik Heidelberg verbracht. Aber zumindest konnten wir alle bei ihr sein und am Abend haben wir sogar noch mit einem Glas Wein angestoßen. Mein Vater war zum Glück sehr stark; obwohl er zuerst eine höllische Angst davor hatte, meine Mutter mit nach Hause zu nehmen. Wir haben dann die untere Etage umbauen müssen, da zuvor natürlich keine behindertengerechte Ausstattung vorhanden war. Und hatten eine Pflegerin rund um die Uhr, die uns eine wirklich große Hilfe war. Am Anfang hat meine Mutter - glaube ich - die Zeit daheim auch genossen, vor allem am Anfang, als es ihr noch halbwegs gutging und sie in ihrem geliebten Garten sitzen konnte.

Wie schön muß es für Deine Mutter gewesen sein, daß Du bis zur letzten Stunde bei ihr sein konntest. Das war ihr bestimmt eine sehr große Hilfe und bestimmt auch für Dicheine Beruhigung.

Bei mir war es leider so, daß ich zwar seit mehreren Wochen bei meinen Eltern in Süddeutschland war, und auch bei meiner Ma im Zimmer geschlafen habe, da ich bei ihr sein wollte, wenn sie mich braucht; in dem Moment, in dem es geschehen ist, aber nicht bei ihr im Zimmer, sondern in der Küche war. Schrecklich. Aber sie sah zum Glück sehr friedlich aus und sie hatte zum Glück auch bis zuletzt wohl keine Schmerzen (meinten zumindest die Ärzte).

Wie geht es Deinem Vater denn jetzt ?

Herzliche Grüße

Kristina
Kristina[a]
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