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Thema: Statistische Häufigkeit Rezidiv trotz Resektion und Radio-/Chemotherapie

Statistische Häufigkeit Rezidiv trotz Resektion und Radio-/Chemotherapie
geoman
25.05.2019 09:47:53
Guten Tag,
mein Glioblastom, temporal links, MGMT-Promotor methyliert, wurde "komplett" entfernt und zur Zeit erfolgt die Standardbehandlung. Es ist nicht wirklich heilbar. Soweit mein Informationsstand.
Ein oder mehrere Rezidive können nach mehr oder weniger kurzer Zeit auftreten. Wie es dann weitergeht, ist erst einmal unklar.
Die prognostizierte mittlere Überlebenszeit soll ca. 4 Jahre sein mit großen Schwankungen.
Wie sieht die Statistik aus: in wieviel % der Fälle sind irgendwann Rezidive zu erwarten?
Kommt das auf jeden Fall, weil der Grad der Infiltration der Gliazellen nicht wirklich bestimmt werden kann?
Kann der "nächste" Hirntumor überall entstehen?
Und die Art der dadurch bedingten neurologischen Ausfälle ist nicht vorhersehbar, bis man im MRT etwas findet?

Fragen über Fragen. Seufz.
geoman
frida88
26.05.2019 22:29:10
Hallo geoman,
leider (oder Gott sei Dank) kann sich ja kein Betroffener auf Statistiken verlassen, die berechneten Mittelwerte gelten ja nicht für den einzelnen Menschen. Deine eigene Überlebenszeit gehört nur dir und keiner Statistik - was das Ganze aber auch nicht leichter macht, ich weiß das aus eigener Erfahrung.
LG, frida88
frida88
Fabi
26.05.2019 22:30:08
Hallo Geoman

Zunächst hast du recht, dass ein Glioblastom stand jetzt nicht heilbar ist. Die Leute hängen sich gerne an den rezidivere auf und die damit verbundene eher kürzere Überlebenszeit. Auf den letzten Hirntumorinformationstag wurde recht deutlich gesagt in dem Vortrag über rezidivtherapie, dass ein schneller kommendes rezidiv an sich keine Aussage über eine Kürzere Lebenserwartung ist. Also wenn es kommt, dann ist nicht gleich alles verloren und heißt auch nicht, dass man jetzt kürzer oder länger lebt als ein anderer der noch kein rezidiv hatte. Natürlich sofern es noch behandelbar ist. Das Glioblastom neigt sehr stark zu einem Rezidiv... und na klar wer wünscht sich das schon. Am liebsten wäre es uns alle doch wenn man einmal operiert und dann wüsste das war es! Leider neigen diese Art von Tumoren sehr stark dazu „wiederzukommen“. Wiederkommen in Anführungszeichen, weil sie faktisch nie weg sind. Kleinste Ärmchen (Infiltration) können auf dem MRT gar nicht gesehen werden und aus diesen kann im Zweifel etwas Neues erwachsen. Also eine vollständige Entfernung der Tumoren ist quasi nicht möglich. Grundsätzlich entsteht der neue/alte Tumor an der Resektionshöhle bzw. an dessen Außenstellen.... aber ich las auch schon von Fällen, wo der Tumor an einer anderen stelle wieder auftrat. Häng dich bitte nicht an den Prognosen auf. Die sind so unterschiedlich, dass es sich gar nicht lohnt darüber nachzudenken wie lange du noch hast. Vielleicht sind es die 4, vielleicht aber auch 10 oder 15 oder noch mehr. Wäre doch schade wenn du 4 von 20 Jahren damit vergeudest übers streben nachzudenken ;-)

In diesem Sinne alles gute und immer schön positiv denken!
Fabi
geoman
26.05.2019 23:00:12
Frida, schöner Hund da auf dem Foto!
Fabi, bis du Banksyfan? (;-))

Ich suche halt nach Wegen, nicht unrealistisch zu sein. Das Vertrauen in meinen Körper ist nicht mehr da. Bei der Vorsorgeuntersuchung vor 1 Jahr attestierte mein Hausarzt sehr gute Gesundheit. Auf Grund dessen wollte ich evtl. erst mit 65Jahren+10Monaten in Rente gehen. Jetzt mit 62 brauche mir darüber wohl keine Gedanken mehr machen.

Positiv denken ist für mich ok - solange es nicht völlig unrealistisch ist bzw eigentlich nur Wunsch oder Traum.
geoman
geoman
Mayla
27.05.2019 09:37:51
Guten Morgen geoman,
die zweite OP hatte ich nach nur 10 Monaten und nun sind seitdem 3 Jahre vorbei. Gesund bin ich nicht, aber mir geht es gut! Mit 44 bin ich verrentet worden... mein Plan war ein anderer.
Was ist im Leben wirklich wichtig? Meine Antworten auf diese Frage hat sich für mich geändert.
LG Mayla
Mayla
Fabi
27.05.2019 09:53:15
Ich kann dich absolut verstehen... nur die Frage nach realistisch sein finde ich sehr schwer. Denn man kann einfach nicht sagen, dass du nur 4 Jahre leben wirst... genau so wenig kann man sagen, dass du 100 Jahre alt wirst. Trotzdem ist es doch unter den verschiedensten Gesichtspunkten möglich. Die Ärzte wissen schon vieles über die Hirntumoren, aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Wenn du körperlich fit bist, dann ist das schon mal ein super Pluspunkt für dich. Mach dir deine Gedanken zu der „Prognose“, aber lass dich von den Gedanken nicht zerfressen. Und versuche bei allem Mist und schlechten Nachrichten wie schlimm die Krankheit ist, trotzdem die schönen Dinge im Leben zu genießen. Und dazu kommt du lebst und es geht dir aktuell gut. Ich glaube ein „realistisch“ gibt es hier nicht. Guck dir Frida an, sie hätte laut deiner Info vor knapp 11 oder sogar mehr Jahren nicht mehr hier sein dürfen. Und sie sprengt auch die Prognose. Und sie ist kein Einzelfall.

Und ja ich bin ein Banksyfan und erstaunt, dass du das Bild erkannt hast :-)

Lg Fabi
Fabi
geoman
27.05.2019 12:47:26
Ihr habt alle gute Worte gefunden.
Da ich seit 5 Jahren keine Arbeit mehr habe (hatte nichts mit Krankheit zu tun damals) mache ich mir auch noch Gedanken, für was ich das vorhandene Budget ausgeben sollte. Mein Motorradgespann habe ich bereits verkauf und statt dessen ein E-bike angeschafft, auch um fit zu bleiben. Das Fahrvergnügen ist aber nicht vergleichbar.
Vllt. sollte ich mal ein buddhdistisches Buch lesen um besser loslassen zu können und im hier und jetzt zu leben.
Na ja, alles wirr und durcheinander im Kopf. Betrifft auch meine Beziehung zu meiner Frau.
LG geoman
geoman
Mayla
27.05.2019 14:17:12
Bin auch mal Motorrad gefahren, Yamaha FZ6, BMW RR, Oldtimer Zündapp Norma Luxux 200 und eine Triumph. Die Tourenmaschinen sind verkauft, und die Oldtimer stehen in der Garage. Das ich nicht mehr fahren kann macht mich gelegentlich wehmütig. Aber das was ich mir nicht nehmen lasse sind die schönen Erinnerungen an die Ausfahrten, Dolomiten, Sardinien, bayerischer Wald und viele mehr. Bin auch auf E-bike umgestiegen.
Was ich mir wieder zurückerobert habe ist viel wertvoller. Ich bin nicht von 100 auf was auch immer runtergerutscht. Ich habe mir von fast 0, 3/4 wieder zurückerobert.

Hier ist ein bisschen etwas davon niedergeschrieben:
https://forum.hirntumorhilfe.de/neuroonkologie/dankbarkeit-fuer-den-gehirntumor-13692.html
LG
-Das Leben ist schön. Das es einfach wird hat mir niemand versprochen.-
Mayla
cs66
28.05.2019 11:52:36
@geoman
Auf dem Hirntumorkongress in Berlin gab es einen Vortrag zum Langzeitüberleben mit der Diagnose Glioblastom. Kurz gehalten: Außer der IDH Klassifikation gibt es keine statistisch signifikanten Prädiktoren.
Für die Überlebenszeit hat z.B. Methylierung einen Einfluß. Bewegt man sich auf der Verteilung dann nach rechts in den Bereich des Langzeitüberlebens, ist dieser Einfluß nicht mehr nachweisbar.
Alles ist möglich. Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen. Oder mit Gertrude Stein: Eine Verteilung ist eine Verteilung ist eine Verteilung.

Als solche funktionieren Verteilungen gut auf großen Populationen, ob in der Medizin oder der Versicherung (mein Tätigkeitsfeld). Für den einzelnen ist es dagegen relativ egal ob wir von 1,2,3 oder 4 auf 1000 sprechen.

Hier noch zwei englischsprachige Sprichwörter die mich immer wieder daran erinnern:

- Never build your personal life on probabilities
- Don't get averaged
cs66
Aziraphale
04.06.2019 09:10:21
"Wie sieht die Statistik aus: in wieviel % der Fälle sind irgendwann Rezidive zu erwarten?"

In annähernd 100% der Fälle. Aber ihr seid keine Statistiken.
Aziraphale
cs66
21.06.2019 22:53:35
Gerade mußte ich feststellen, daß die Moderation in meinem Beitrag vom 28.05.2019 aus Medianüberlebenszeit Überlebenszeit gemacht hat.

Liebe Moderation: Falls Ihr anderer Meinung seid und meint, daß eine Formulierung nicht passt, können wir das gerne transparent hier diskutieren. Aber Beiträge zu ändern, ohne daß dies für Leser sichtbar ist, finde ich grenzwertig.

Die Medianüberlebenszeit wird in den meisten wissenschaftlichen Publikationen verwendet. Aus guten Gründen wird das arithmetische Mittel (siehe u.a. Median-Artikel auf Wikipedia) nicht verwendet. Ich gehe davon aus, daß die meisten Benutzer hier "Überlebenszeit" mit dem arithmetischen Mittel gleich setzen würden.
Was ich unbedingt durch Nichtnutzung von "Überlebenszeit" vermeiden wollte, war die klassische "Sie haben noch ein halbes Jahr zu leben" Assoziation auf die Frage nach der "Überlebenszeit".
Es gibt einfach nicht *die* Überlebenszeit. Davon sollten wir uns befreien. Es gibt ein Medianüberleben. Die Hälfte vorher, die andere nachher. Nicht mehr, nicht weniger.

Don't get averaged.
cs66
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