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Thema: Sterbebegleitung

Sterbebegleitung
Trojanerin74
07.10.2017 15:35:57
Hallo zusammen, ich bin eine Sterbebegleiterin, ich begleite Menschen in den letzten Monaten, Wochen manchmal auch nur Tage auf dem letzten Weg. Ich bin tätig in Altersheimen, Palliativstationen und in privaten Haushalten. Oft fällt es Angehörigen schwer mit allen Fragen offen untereinander umzugehen, man möchte den Partner nicht noch zuzätzlich belasten und manchmal hilft es sehr Seine Gedanken und Fragen einem Aussenstehenden stellen zu können. Das möchte ich hiermit anbieten. Ich bin 43 Jahre alt, habe eine Ausbildung in der Alten und Krankenpflege und mache Ehrenamtlich Sterbebegleitungen. Oft bin ich anwesend im Sterbeprozess... und da ich selbst auch meine Mutter begleitet habe die mit 48 Jahren an einem Hirntumor starb weis ich wieviele Fragen auftauchen und wie groß die Hilflosigeit ist. Es wird immer gesagt das die Zeit alle Wunden heilt, dem kann ich nur zum Teil zustimmen. Es bleiben immer Narben...und diese Schmerzen immer wieder, auch nach Jahren. Ich bin keine Ärztin, ich kann nur anbieten meine eigenen Erfahrungen mit euch zu teilen. LG, Carmen
Trojanerin74
tomas
07.10.2017 20:59:51
Das stimmt, die Zeit heilt nicht diese Wunden und ich kann nichts dagegen tun. Vielleicht klingt es komisch aber ICH sterbe jeden Tag ein wenig mehr....
tomas
HelgaDS
07.10.2017 23:49:39
Liebe Carmen, vielen Dank dafür, dass du deine Hilfe hier anbietest!
Mein Man ist gerade 27 geworden und an einem Rezidiv Glioblastom operiert. Wir wissen, dass es jederzeit eine neue Diagnose geben und sehr schnell gehen kann. Für ihn ist die Frage des "Wie" entscheidend, also wie wird er sterben. Tatsächlich sollte man mehr wissen über diese Prozesse und auch darüber, wie das Sterben wegen Gehirntumor denn tatsächlich ist. Leider ist das Sterben so negativ besetzt und tabuisiert, dass man wirklich zu kämpfen hat, um anständige, realistische Informationen zu erhalten. Ich frage mich auch, ist es wirklich richtig, dass heute niemand mehr mit Schmerzen sterben muss? Das wird einem zumindest ständig zur Beruhigung gesagt.
Viele liebe Grüße, Helga
HelgaDS
alma
08.10.2017 00:56:58
Liebe Helga,

über das Wie lässt sich nicht viel sagen, jedenfalls nicht im Einzelfall. Es kommt auf die Ausbreitung des Tumors an, d.h. welche Areale befallen werden. Es liegt also nicht daran, dass das Sterben so negativ besetzt ist, sondern an dem Spekulativen einer Aussage über die letztendliche Todesart.

Allgemeinere Möglichkeiten: erhöhter Hirndruck und großer epileptischer Anfall. Beim Hirndruck bekommt der Patient Kortison bzw. Mannitol. Und Schmerzmittel.
An Schmerzmitteln wird nicht gespart, wie gesagt wird, aber es ist auch nicht so, dass heute niemand mehr mit Schmerzen sterben muss. Das hört man in Talkshows über Sterbehilfe, um den Forderungen vieler Betroffener
den Druck zu nehmen. Eine verlogene Debatte in der Hinsicht.
Ich weiß nicht, ob ihr es schon in Angriff genommen habt, aber es hilft sehr, sich mit einem ambulanten Palliativpflegedienst und einem Hospiz in Verbindung zu setzen. Das schafft etwas mehr Klarheit über die anstehenden Schritte und reduziert die Angst.
In meiner Stadt kann man auch vor der stationären Aufnahme vom Hospizdienst einen Begleiter bekommen. Der ist ehrenamtlich.
Und Psychoonkologen gibt es im Pflegedienst und im Hospiz.
Es wird viel getan, um zu helfen, anders als noch vor Jahren. Ein Zeichen dafür, dass das Sterben - jedenfalls da - nicht negativ besetzt und tabuisiert wird.
Ihr seid noch jung. Es tut mir leid, dass ihr euch damit schon herumplagen müsst. Möglich aber, dass die Angst auch damit zusammen hängt. Man muss zu viel aufgeben und das verursacht Schmerz und eben auch Angst.

LG, Alma.
alma
Trojanerin74
09.10.2017 17:56:30
Hallo,
ich gebe Alma recht, über das wie lässt sich wirklich nichts sagen da es bei jedem unterschiedlich ist. Was ich anbieten kann ist darüber zu sprechen. Denn im Prinzip beginnt das Abschiednehmen ja schon wenn man diese Diagnose bekommt. Das muss verarbeitet werden, von dem der Betroffen ist, aber auch von den Angehörigen. Und da ist es Erfahrungsgemäß manchmal hilfreich wenn man mit einer aussenstehenden Person darüber sprechen kann. Wenn jemand das gerne möchte dann schreibt mich gerne privat an, denn manches ist vielleicht nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Und....für mich wichtig euch zu sagen....nur weil ich ein Sterbebegleiterin bin bedeutet das noch lange nicht das mich einzelne Schicksale kalt lassen. Ganz im Gegenteil. Jede einzelne Begleitung die ich mache betrifft mich sehr. Ich denke wenn das nicht so wäre....wäre ich am falschen Platz.
Trojanerin74
ILDEN
10.10.2017 09:15:10
Hallo,
mein Vater liegt seit Freitag Abend in der palliativen Sedierung ohne Flüssigkeits- und Nahrungszugabe. Das macht die Familie total fertig.
Woher weiß man, dass der sedierte Mensch kein Hunger- und Durstgefühl verspürt ? Hat man das evtl. bei einem gesunden Menschen schon mal getestet in dem man ihn 1-2 Tage sediert hat und danach gefragt ???
Es wäre schön, wenn wir 100% wüssten, dass wir uns da keine Sorgen machen brauchen.

Vielen Dank
Michael
ILDEN
alma
10.10.2017 12:06:12
Lieber Michael,

in der letzten Phase nehmen Hunger- und Durstgefühl stark ab. Unsere Maßstäbe gelten dann nicht mehr. Häufig werden die Patienten durch die noch gegebenen Infusionen überwässert. Ihr könnt ihm gelegentlich die Lippen befeuchten.
Es gibt einen Palliativmediziner: Gian Domenico Borasio, der ein lesens-wertes Buch über das Sterben geschrieben hat.
Und auf youtube Interviews mit ihm.

Alma.
alma
ILDEN
16.10.2017 10:26:41
Liebe Alma,

vielen Dank für Deine Antwort.
Er hat es am Freitag überstanden. Er hat im Beisein meiner Mutter seinen letzten Atemzug vollzogen.

Nochmals Danke

Michael
ILDEN
alma
16.10.2017 17:22:50
Lieber Michael,

ich wünsche euch viel Kraft für die kommende Zeit.

Alma.
alma
Holunder
29.06.2018 22:44:23
Hallo, mein Mann hatte ED im Dez. 2017, OP, Radiochemotherapie, dann Chemotherapie allein.... jetzt liegt er im Hospiz und tut sich schwer damit, zu sterben, den er ist 57 und ausser dem multifokalen Glioblastom ist er kerngesund. Er hatte heute früh starkes Fieber, das ist wieder verschwunden, war aber schon die letzten Tage voller für ihn angenehmen optischen Halluzinationen, hat nicht mehr gesprochen und hatte jegliche Erinnerung verloren. Seine Tumore sind überall verstreut im Hirn und haben auf keine Therapie angesprochen, sondern sind fröhlich weitergewachsen.
Es gibt nichts schöneres als einen so schwerkranken Menschen im.Hospiz zu sehen, wo ein liebevolles Personal sich mit grosser Achtsamkeit um ihn und um uns kümmert. Da wird die ganze Familie miteinbezogen und dass tut wahnsinnig gut.
Jetzt liegt er da und atmet, mal mit kleinen Pausen, aber es wird noch dauern. Er lässt noch nicht los.
Holunder
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