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Thema: Tagespflege?

Tagespflege?
suace
31.01.2019 20:23:52
Ihr Lieben,
Ich bin im Moment grundlos am Ende
Seit Dezember schlage ich mich mit einer grundlosen Depression rum, meinem Liebsten geht es nicht schlechter.... aber mir doch.
Offenbar bin ich einfach "alle"
Ich habe Tagespflege nie in Erwägung gezogen, aber sowohl Teile der Familie als auch der Psychater den ich heute erstmals kontaktiert habe finden eine Tagespflege für einen oder zwei Tage in der Woche ne gute Idee. Ich tue mich total schwer damit.... ich will ihn keinesfalls abschieben - andererseits ist die Idee mal ein paar Stunden frei verplanbare Freizeit ziemlich gut - ich bin einfach alle nach fast 5 Jahren "on". Ich habe aber ein total schlechtes Gewissen allein bei der Idee darüber nachzudenken. Ich hab schließlich keinen Grund zu meckern und er ist ja auch noch ausreichend fit.... OMG ich bin so unsicher......
suace
KaSy
01.02.2019 00:12:05
Liebe suace,
ich bin eine Betroffene und ich würde selbst ein verdammt schlechtes Gewissen haben, wenn ich mich fünf Jahre lang rund um die Uhr von meinem Partner betreuen, pflegen, bekochen usw. lassen würde.
Ich bin krank und ich schaffe nicht mehr alles, aber ich habe mir von drei verschiedenen Leuten Hilfe organisiert.
Hätte ich einen Partner, würde ich ihm sagen, er soll mal rausgehen, ins Kino, zum Konzert, zu seinen Freunden, Rad fahren, spazieren gehen ...
Und dann soll er wiederkommen und mir davon erzählen, von dem Schönen, was er gesehen, gehört, erlebt hat, von den Gesprächen und dem Wald oder dem See.
Wir würden uns beide freuen, ich darüber, dass er mal weg von mir sein kann und Kraft und Frohsinn genießen konnte, er darüber, dass er mir etwas erzählen kann, was nicht nur in der fernen Vergangenheit liegt.

Du bist nicht "grundlos" depressiv und kaputt.

Du bist keine Maschine, die pausenlos funktionieren kann - und das fünf Jahre lang.
Auch Deine "Batterien" müssen aufgeladen werden, und zwar mit dem, was Menschen zum Leben brauchen, mit Freude, mit Glück, mit anderen Menschen. Das gibt Dir die Kraft, die Energie, die Ausdauer für Deinen Liebsten.

Genau das braucht er auch!

Eine suace, die sich ganz bewusst woanders den Optimismus und die Kraft holt, die IHM zugute kommt.

Wie willst Du für IHN da sein, wenn Du nicht für Dich sorgst?

Als kaputte oder unzuverlässige "Maschine", die für ihn "funktioniert" und heimlich fix und fertig ist, bist Du ihm nicht die Hilfe, die er wirklich braucht.

Es ist wirklich gut für ihn und für Dich, wenn Du Dich ein wenig mehr um Dich kümmerst, um Dich besser um ihn kümmern zu können.

Ist es denn wirklich so abwegig, Hilfe zuzulassen?
Es ist notwendig, Hilfe einzufordern!

Es alles allein schaffen, klingt wirklich sehr einsatzbereit, aufopferungsvoll. (Ist es ja auch.)

Aber sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht, darüber mit dem Liebsten zu sprechen, die Hilfe zu suchen und sie zu akzeptieren, dazu gehört Stärke!

Du bist den ersten Schritt gegangen.
Nun sage Deinem "Gewissen" auch, dass es genau der richtige Schritt ist, um für Euch beide (!) eine bessere Lebensqualität zu erzeugen.

Es wird Euch beiden gut tun!
KaSy
KaSy
LinaK
01.02.2019 00:22:24
Haĺlo Suace! Auch wenn du ein schlechtes Gewissen hast, du musst auch dafür sorgen, dass du bei Kräften bleibst! Es ist eine schwere Aufgabe, für den Partner so da zu sein. Ich denke manchmal, wir Betroffenen haben den leichteren Part erwischt... LG Lina
LinaK
Babsi
01.02.2019 13:22:51
Liebe Suace,
ich durfte meinen geliebten Mann leider nur etwas mehr als 2 Jahre bei seiner Krankheit begleiten und umsorgen, kann also nur annähernd nachempfinden, wie man ausgelaugt ist, wenn die Begleitung bereits 5 Jahre dauert.

Ich weiss auch nicht, warum wir pflegenden Angehörigen (Ehefrauen) meinen, nur wir alleine müssen ununterbrochen allgegenwärtig sein. Hier aber trotzdem meine sehr kurze Erfahrung.

Ich hatte mir auf Anraten meines Umfeldes eine Tagespflegestätte angeschaut. Hier wird sich um die, ich nenne sie mal Gäste gekümmert. Sie werden nicht abgestellt. Je nach den individuellen Gegebenheiten geplaudert, diskutiert, gespielt, um einige Tätigkeiten zu nennen. Aus unserer persönlichen Situation habe ich den Platz nicht angenommen. (Mein Mann hätte im Rollstuhl über Fahrdienst transportiert werden müssen. Da hatte ich den Nerv nicht, das auch noch organisieren zu müssen.)

A B E R, ich habe mich auf Hospizbetreuung eingelassen. Das sind Leute, die ehrenamtlich nach Hause kommen. Am Anfang hatte ich tausend Bedenken, eine fremde Person für ca. 3 Stunden mit meinem Mann allein zu lassen. Ich konnte die ersten paar Mal das Haus gar nicht richtig verlassen. Eigentlich war es schon peinlich!!! Die Dame, die zu kam, hatte einen ganz besonderen Draht zu meinem Mann. Wenn sie in der Folge kam, strahlte mein Mann über sein ganzes Gesicht. Im Nachhinein muss ich sagen, es tat meinem Mann gut, nicht nur mich um sich zu haben.

Vielleicht ist das auch das überzeugende Argument für dich. Gib deinen Mann die Chance, unter andere Menschen zu kommen, mit ihnen zu plaudern, spielen, angenommen zu sein.

Ich wünsche dir, dass du einfach mal los lassen kannst. Dein Mann ist nicht abgeschoben und du darfst deine Batterien wieder laden. Und das tut euch beiden gut.

Ganz liebe Grüße
Ursula
Babsi
Tulip
01.02.2019 16:03:59
Liebe Suace, wie sich das mit Tagespflege verhält, wann man die bekommt und der Status Deines Mannes sind mir nicht bekannt. Aber: Du bist ganz sicher nicht „grundlos“ am Ende. Die Diagnose, die ständige Unsicherheit über sich, die Verlustangst - das allein wird und würde jeden anfechten, und schon deutlich früher. Ihr habt soviel schon an Kraft gebraucht, dass es Dir vielleicht inzwischen „normal“ vorkommt. Leute von außen werden es anders wahrnehmen. Und Du zum Glück nun auch, dass Hilfe wohltuend sein kann. In welcher Form wirst Du am besten für Dich und Euch einschätzen können. Gewähre sie Dir und Euch ohne schlechtes Gewissen.
Liebe Grüße
Tulip
suace
01.02.2019 16:20:33
Ich danke Euch <3
suace
alex90
18.02.2019 16:35:08
Liebe suace,

Ich habe im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, wie es ist, einen Angehörigen zu pflegen. Bei meinem Papa wurde im April ein Hirntumor diagnostiziert - Glioblastom. Es blieben uns nur 7 Monaten mit ihm, bis er im November für immer einschlafen konnte.

Die tägliche Pflege laugt aus, kostet wahnsinnig viel Kraft. Ich halte die Idee mit der Tagespflege für gut. Du musst auch nach dir selbst schauen. Nur wenn es dir einigermaßen gut geht und du Kraft hast, hältst du das durch. Meiner Mutter ging es ähnlich. Sie war nach einiger Zeit der intensiven Pflege zu Hause am Ende.

Mein Papa hatte eine Phase, in der er nachts andauernd das Bett abgezogen hat, Schränke ausgeräumt hat, Kleidung zerschnitten und aus dem Fenster geworfen hat usw... Die behandelnden Ärzte haben uns geraten, Papa in Kurzzeitpflege ins Pflegeheim zu geben. Das hatten wir dann auch getan. Nach drei Wochen ging es ihm besser, sein "Verhalten" war wieder normaler. Vermutlich waren es Nebenwirkungen der Bestrahlung, die er damals bekam. Wir haben Papa daraufhin wieder nach Hause geholt, wo er noch 2 Monate war. Dann ging es ihm allerdings so schlecht, dass wir in im Hospiz untergebracht haben, wo er nach 2,5 Wochen verstarb.

Die Zeit, in der Papa im Pflegeheim war, war für Mama gut. Nachts wieder schlafen können usw. Sie war trotzdem jeden Tag bei ihm im Heim. Aber der Besuch dort ist etwas anderes als 24/7 zu pflegen.
Die Zeit nach dem Pflegeheim war die schönste der gesamten Krankheit. Wir hatten noch wunderschöne Momente zusammen.

Ich bin derselben Meinung wie KaSy - es ist notwendig, Hilfe einzufordern!
Auch wenn es schwer ist, anderen zu vertrauen und den Partner in deren Obhut zu geben. Es ist unumgänglich.

Liebe Grüße
Alex
alex90
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