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Thema: Umfeld wer weiß Bescheid?

Umfeld wer weiß Bescheid?
Batzi
07.01.2019 20:05:54
Hallo

mein Sohn (12 Jahre)fragt immer wieder, ob er, sagen soll, das er unter einen Optikusgliom leidet. Er sagt bei bestimmten Sachen immer wieder, er mache das nicht (ist Ministrant und sollte auch mal in der Kirche lesen usw. und hat dann Angst, das er es dann nicht richtig lesen kann, da es zu klein geschrieben ist)er eckt dadurch manchmal an und die anderen schimpfen, das er sich drücke.
In der Schule weiß die Lehrerin Bescheid, da er schon einige male Probleme mit dem lesen in den Büchern hatte, da es ihm zu klein geschrieben war.

Nun meine Frage, in wie weit soll das Umfeld davon erfahren. Wie hat es das Umfeld aufgenommen, falls es gesagt wurde.
Batzi
Rehsis
07.01.2019 21:05:05
Hallo Batzi,
ich persönlich finde es besser, mit offenen Karten zu spielen und habe nie ein Geheimnis aus meiner Erkrankung und den damit verbundenen Einschränkungen gemacht. Schlechte Erfahrungen sind ausgeblieben. Im Gegenteil, es ist für das Umfeld viel einfacher, mit einem umzugehen, wenn sie wissen, woran sie sind. Ansonsten wirkt man immer irgendwie sonderbar und suspekt und es fällt den Mitmenschen schwer, Verständnis aufzubringen, wenn sie nicht wissen wofür. Gerade bei Kindern finde ich es noch wichtiger. Sie sollen doch Toleranz lernen. Das können sie aber nur, wenn die Sache für sie klar, und verständlich ist. Natürlich hat man als Eltern auch Sorge, dass das Kind deshalb gehänselt wird. Aber das wird es auch, wenn die anderen Kinder sich ungerecht behandelt fühlen. Das ist jetzt nur meine persönliche Denke zu einer Problematik, mit der ich selbst nie zu tun hatte und nicht der Weisheit letzter Schluss. Am Ende muss jeder für sich entscheiden, was das beste ist und ich hoffe, es kommen hier noch viele Kommentare und Anregungen.
Herzliche Grüße,
Iris
Rehsis
AnnikaK
07.01.2019 21:20:10
Ich denke, wenn er Einschränkungen dadurch hat, sollte er es auch offen formulieren, weshalb diese Einschränkungen da sind.
Gerade bei Kindern ist das wichtig, denn die hänseln gerne, wenn jemand „irgendwie komisch“ ist. Wissen sie aber, WARUM derjenige komisch ist, nimmt das meistens deutlich ab.

Vielleicht kann er in der Schule oder in der Kirche darum bitten, mal kurz vor der Gruppe zu erklären, was er hat und was er dadurch nicht so gut kann. Dann können die Kinder dazu fragen stellen und das ganze besser verstehen.

Bei meinem Sohn hat das geholfen.
AnnikaK
KaSy
08.01.2019 01:17:28
Als Lehrerin habe ich es als sehr wichtig empfunden, wenn auch die Kinder über "Behinderungen" ihrer Mitschüler Bescheid wissen. Sie gehen meist sehr sensibel damit um. Falls das "behinderte" Kind in Probleme gerät, verteidigen es die anderen bzw. helfen ihm. Auch die Lehrer können solche Situationen besser einschätzen und dem Kind die richtige Hilfe geben, auch gegen Hänseleien.

Gerade die Kirche steht doch für die "Armen, Schwachen, Kranken". Dort sollte es willkommen sein, ein Kind mit "Schwächen" in die Gruppe zu integrieren, z.B. konkret mit größer geschriebenen Bibeltexten.
KaSy
KaSy
May K.
08.01.2019 06:26:39
Moin Batzi :)

Ich selber hatte ein Optikusgliom, welches als ich ca. 6 Monate alt war erkannt und durch eine Chemo behandelt wurde. Nun habe ich einen Visus von etwa 2%

Ich habe immer offen gesagt wie es ist. Ich habe in normalen Vereinen Leistungsturnen und Leistungsschwimmen gemacht. Dort haben die Trainer anfangs immer skeptisch reagiert, als ich sagte, dass ich wegen dem Tumor fast blind bin, jedoch gerne mitmachen würde. Als sie jedoch sahen wie gut ich trotzdem mitmachen kann waren wirklich ALLE meine Trainer begeistert. Ich habe dann auch als einzige mit Behinderung an Wettkämpfen teilgenommen.

Meine Freunde reagierten auch eher positiv

Ich gehe auch in Geschäfte und sage dort, dass ich nicht so gut sehen kann, wenn ich bestimmte Dinge nicht finde die ich brauche und frage dann nach Hilfe.

Ich arbeite seit 2 Jahren ehrenamtlich im Tierheim, wo ich auch von Anfang an gesagt habe, dass ich nicht so gut sehen kann. Sie wollten dann zuerst den Umgang von mir mit den Tieren beobachten und waren dann aber auch begeistert. Nun arbeite ich mit den Härtefällen aus dem Tierheim

Einzig meine eigene Familie hat probleme damit. Ich habe das Problem, dass mein Visus sich im letzten Jahr wahrscheinlich wegen einem anderen Tumor, welcher ende 2018 diagnostiziert wurde schlechter geworden ist. Auch habe ich Tage an denen is mal mehr mal weniger gut/anstrengend klappt/ist mit dem sehen. Das versteht meine Familie nicht. Ich wohne aber eh nichtmehr dort (bin 20 Jahre alt), weshalb es ok ist.

Ich kann wirklich nur empfehlen wenigstens zusagen , dass die Augen schlechter geworden sind und msn bestimmte Dinge eben nicht mehr so gut kann. Wenn dann mehr nachgefragt wird kann man, wenn man möchte den Tumor erwähnen. Hat mir sehr geholfen. Außerdem habe ich dann vorallem in der Öffentlichkeit nicht immer das gefühl, dass mich Menschen dumm finden, wenn ich z.B. frage wo sich bestimmte Dinge befinden.

Hoffe das hilft einwenig.

LG
May K.

Lebe dein Leben mit all deiner Trauer, Mut und Stärke bis zum Tod! Du wirst es genießen.
May K.
Batzi
10.01.2019 07:29:21
Hallo zusammen

gestern erzählten wir bei der Versammlung, das er unter einem Optikusgliom leidet und es deshalb zu Einschränkungen bei seiner Sehfähigkeit (bei Sehtest war drei Tagen war eine leichte Verschlechterung da) kommen kann. Als ich es gesagt hatte, war erst mal großes Schweigen und als sich der Gemeindereferent wieder gefangen hatte (solche Nachrichten bekommt man ja nicht alle Tage) ging dann darauf ein, das auch einer mit Handicap zur Gruppe gehören kann und er nur rechtzeitig Bescheid geben soll, wenn er Probleme hat. Meinen Sohn war danach sichtlich erleichtert und war froh, das es so gut angenommen wurde. Er hatte eine sehr große Angst davor, das er ausgeschlossen wird.
Da nicht alle Minis bei der Versammlung waren, schrieb ich noch in die Gruppe, was gestern gesagt wurde und es kamen auch da keine schlechten Kommentare, was meinen Sohn noch mal beruhigte.
Gruß
Batzi
KaSy
10.01.2019 20:23:57
Das klingt sehr gut, besonders im Interesse des Wohlfühlens Deines Sohnes.
KaSy
May K.
10.01.2019 23:21:30
Hallo Batzi,
Freut mich, dass ihr euch für die Variante entschieden hab es zu sagen. Es wird nach meinen Erfahrungen deinem Sohn, wenn er wirklich rechtzeitig bescheid sagt, einiges erleichtern. Ermutige ihn ruhig dazu sich zu trauen etwas zu sagen, wenn er das gefühl hat, dass er durch den Visus Probleme hat.

Es gab leider auch bei mir Menschen, die es nicht verstehen wollen, aber ich denke, dass auch dein Sohn lernt in solche Situationen zu wachsen und da deüber zu stehen. Passiert aber auch nicht oft.

Ich wünsche euch, dass es weiterhin so gut angenommen wird.

LG
May K


Live your life with all your grief, courage and strength to the death! You will enjoy it.
May K.
Aziraphale
11.01.2019 09:55:06
Hallo Batzi,

es ist ja auch so, dass ihm niemand helfen kann, wenn er nichts sagt. Wenn er, wie Du schreibst, Probleme nur dann hat, wenn etwas zu klein geschrieben ist, gibt es da tolle Möglichkeiten zur Unterstützung (Vergrößerungshilfen z.B.). Dann muss er gar nicht mehr sagen: Ich kann das nicht, er kann das dann halt. Ich denke, dann minimiert sich auch das Gefühl, dass ihn die Krankheit ausschließt.

LG
Aziraphale
cora593
05.02.2019 20:15:00
Liebe Batzi,
wenn ich das lese, habe ich Tränen in den Augen. Ich dachte wir hätten andere Zeiten. Das was Dein Sohn heute erlebt, erlebte ich vor 32 Jahren, ich wurde gehänselt und gemobt, weil ich nicht vom Overhead Projektor ablesen konnte, weil ich mit der Nase fast auf dem Papier war und weil ich auch von der Tafel nicht abschreiben konnte. Die Ängste Deines Sohnes kann ich so gut nach vollziehen. Ich gehe davon aus, dass man auch Deinem Sohn sein Handicap nicht ansieht. Er soll es erklären, im Beisein von Lehrern und Betreuern - das ist der einzig richtige Weg. Er soll immer wieder sagen: Ich bin nicht dumm! Ich sehe schlecht. Aber bitte nicht sagen "Ich kann das nicht", das stimmt nämlich nicht. Er soll sagen "Das geht nicht, weil ich schlecht sehe". Ich wünsche Deinem Sohn ganz viel Kraft - er wird in sich in seinem Leben leider immer wieder erklären müssen, es ist deprimierend - vor allem, wenn man als erwachsener Mensch gefragt wird "Und warum trägst Du keine Brille?" (Ah, wusste nicht das es so was gibt! *Ironie*). Stärke ihn offen mit seiner Behinderung umzugehen. Er wird das schaffen.
Lieben Gruß
Constanze - auch mit Optikusgliomen ..
cora593
Batzi
05.02.2019 20:27:44
Hallo

wir haben es nun auch in der Klasse gesagt, er geht in ein Förderzentrum, alle haben es einigermaßen gut aufgenommen.
Die Lehrerin gab als Beispiel an, das man muss sich das so vorstellen muss, das es wie bei einen Wasserschlauch ist, der abgeknickt wird. Jakob kann vielleicht irgendwann schlechter sehen, da quasi seine Leitung zum sehen auch etwas gedrückt wird. und er nichts dafür kann. Jakob war sehr erleichtert das es von allen so gut aufgenommen wurde, es waren außer der Lehrerin, ich als seine Mutter und die Schulpsychologin dabei, falls es Probleme gegeben hätte, wegen irgendwelcher Sprüche. Ich hatte außerdem Krapfen und Saft für alle dabei und es wurde ein lockeres Gespräch dadurch.
Gruß
Batzi
cora593
05.02.2019 20:49:42
Hallo Batzi,
das freut mich sehr! Und er soll es einfach immer wieder sagen. Ich bin jetzt 48 Jahre alt, werde im Juni 49 - und muss mich trotzdem immer wieder erklären. Ich sage immer Fluch und Segen, dass man mir mein Handicap nicht ansieht. Ganz schwierig ist es z. B. auf der Arbeit - dort kenne ich mich aus, zähle die Treppenstufen mit um keine zu übersehen, weiß wo alles ist und alles steht - und wenn ein neuer Kollege/Kollegin kommt und das Thema kommt irgendwann zur Sprache werde ich oft ungläubig angeschaut... Ihr habt den richtigen Weg gewählt, ganz toll gemacht und schön, dass Ihr solche Unterstützung durch die Schule habt. Ich wünsche Euch, dass es so bleibt!
cora593
May K.
05.02.2019 21:45:28
Moin Batzi,

Ich finde es sehr gut, dass ihr diesen Weg gewählt habt. Es ist sehr gut damit offen umzugehen. Ich gehe mit meiner Sehbehinderung auch offen um und hab fast nur gute Erfahrungen gemacht. Mein Segen/Fluch war, oder ist nur, dass ich gelernt habe sie gut zu kompensieren. Nun merkt man mir nicht an, dass ich 2% sehe. Mein Problem ist jetzt nur, dass meine Eltern mit meiner schlechter gewordenen Sehbehinderung nicht gut klarkommen. Ich weiß nu leider nicht, wie ich ihnen erklären kann worin meine Unsicherheiten liegen, da ich durch meine kompensation diese vor meinen Eltern nicht zeigen kann. Aber es ist schwer für mich meine Behinderung komplett nicht zu kompensieren, wenn ich bei denen bin, damit sie selber sehen, wo meine schwietigkeiten sind.

Sorry für die villeicht unnötige Antwort. Eigentlich wollt ich nur sagen, dass ich die Umgangsweise gut finde.

Liebe Grüße
May K.

Lebe dein Leben mit all deiner Trauer, Mut und Stärke bis zum Tod! Du wirst es genießen.
May K.
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