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Jenny R.

Hallo Zusammen!

Ich bin schon seit Oktober 2016 hier angemeldet und habe mich bisher nicht getraut einen Beitrag zu verfassen, da ich sowohl sprach-als auch ratlos bin.

Zu meiner Geschichte:
Ich selber bin 27 Jahre alt und bei mir wurde am 11 August 2016 ein Oligodendrogliom Grad II diagnostiziert. Dies ist aufgrund eines epileptischen Anfalles aufgefallen. Am 18.08.2016 wurde dieses ohne weitere Komplikationen (vollständig) entfernt.
Seitdem muss ich Keppra einnehmen und durfte nun ein halbes Jahr lang kein Auto fahren, obwohl ich beruflich auf mein Auto angewiesen bin.
Folglich habe ich noch bis zu diesem Mittwoch einen Krankenschein. Dann darf/kann ich wieder arbeiten gehen.
Dies zu meiner Person.

Kurz nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen worden bin, wurde bei der Mutter meines Freundes (51 Jahre alt) ein Glioblastom Grad IV diagnostiziert. Leider ist dieses inoperabel. Sie hat die Bestrahlungen bereits hinter sich gebracht und ist zurzeit bei Ihrer dritten *Runde* Chemo.
Zusätzlich nimmt sie Cortison und ebenfalls Keppra 500-0-500.
Sie hat sehr abgebaut, ist schlapp, verlässt nicht mehr das Haus, bewegt sich kaum, weigert sich gelegentlich Ihre Keppra-Tabletten zu nehmen und ist (verständlicherweise) im psychischen Ausnahmezustand.
Ständig sagt sie keiner will sie haben, man möchte sie loswerden ihr nichts zuessen geben (was nicht der Wahrheit entspricht da sie von allen umsorgt wird) etc. Außerdem meckert sie ständig an allen rum und sowieso kann niemand was richtig machen.
Die ganze Familie meines Freundes ist nervlich am Ende einschließlich mir... hat jemand damit Erfahrungen?

Ich kann das alles was bei mir im Kopf vorgeht gar nicht richtig schriftlich in Worte fassen. Ich weiß nicht wie ich mit der Situation umgehen soll?! Zuerst mein Zwischenfall und nun noch der meiner Schwiegermama in Spe. Ich habe so dolle Angst vor dem was kommt.
Ich war immer so stark doch jetzt kam die geballte Ladung auf einmal. Nun lerne ich mich selber von einer ganz anderen Seite kennen und es ist für mich schwer zu akzeptieren.
Ich habe in den letzten Monaten so viel geweint wie in meinem ganzen Leben noch nicht und das auch bei noch so banalen Situationen. Egal worauf man mich anspricht. Sobald ich einmal schlecht drauf bin hält diese Laune den ganzen Tag an, es ist wie ein Teufelskreis.

Könnte dies am Keppra liegen? An der gesamten Situation? - Oder aus einer Mischung von allem?

Ich hoffe ich konnte mich irgendwie verständlich ausdrücken. Vielleicht gibt es ja den ein oder anderen der auf irgendeine meiner Fragen antworten kann. Auch wenn diese nicht eindeutig als Frage gekennzeichnet sind.

Beste Wünsche

Jenny

della

Hallo Jenny,

das tut mir sehr leid, dass es euch so heftig erwischt hat. Ich glaube, ich weiß, wie du dich fühlst. Auch ich habe nach der Diagnose - mein Vater leidet seit Dezember 2016 an einem inoperablen Glioblastom - erst mal nur geweint und war fix und fertig. So langsam lerne ich aber, mit der Situation umzugehen, auch wenn das nach wie vor sehr, sehr schwer ist.

Von Keppra weiß ich nur, dass es schwere Nebenwirkungen hat und auf die Psyche geht, aber auch nur von einer Freundin, die Epilepsie hat und mit dem Medikament überhauptnicht zurechtgekommen ist.

Dass deine Schwiegermama in spe so sehr abgebaut hat und sich kaum mehr bewegen mag, dürfte am Muskelabbau liegen, woran wiederum das Cortison schuld ist. Schau dich mal im Web um, da gibt's etliche Beiträge zu. Mein Vater quält sich gerade auch ziemlich, er hat massiv Muskelmasse eingebüßt und insgesamt 7 kg Körpergewicht verloren (er war vor der Erkrankung trotz seines hohen Alters sehr fit und durchtrainiert). Vorher hat er problemlos eine 15-Kilometer-Bergwanderung absolviert, jetzt schleppt er sich zu Hause auf dünnen Beinchen die Treppen hoch. Aber immerhin, er schleppt sich und trainiert die Muskulatur wieder auf, strampelt auf dem Radergometer, macht Hanteltraining etc. und ernährt sich entsprechend.

Das würde ich deiner Schwiegermama auch raten. Sie sollte nicht die Flügel hängen lassen (ist leicht gesagt, ich weiß), sondern kämpfen und ihren Körper so stark wie nur möglich machen. Wieviel mg Cortison pro Tag nimmt sie denn? Bei meinem Vater waren's anfangs 6 mg, das Ziel ist 3 mg. Seit er nur noch 4 mg nimmt, scheint der Muskelabbau gestoppt.

Liebe Grüße
della

Ironfighters

Hallo Jenny,
da stürmt aber auch wirklich vieles auf Dich ein. Das es Dir damit momentan nicht gut geht, ist doch überhaupt kein Wunder.

Deine Psyche muss die eigene Diagnose verarbeiten, das Leid der Schwiegermutter und die Hilflosigkeit des Partner im Umgang mit den Folgen einer ähnlichen Diagnose, sowie die (eventuellen) Begleitwirkungen der Keppra Medikation stemmen. Das ist schon sehr heftig, da sämtliche Lebenssituationen plötzlich verändert sind (Arbeit, Beziehung, Familie)

Kurzum: such Dir frühzeitig und zeitnah professionelle Hilf.Das kann eine psychoonkologische Beratung oder auch ein Niedergelassener Psychotherapeut sein. Dort ist auch eine längerfristige Begleitung für Dich möglich. Kontaktadressen kann Dir die behandelnde Klinik (Psychoonkologen) oder Deine Krankenkasse oder der Hausarzt (Psychotherapeuten) vermitteln.

Entscheidet dann gemeinsam, ob es überhaupt sinnvoll ist im momentanen Zustand wieder arbeiten zu gehen.
Viel Kraft und alles Gute für die nächste Zeit.

Jenny R.

Vielen Dank für eure Antworten, freue mich sehr dass ich dies mal loswerden konnte ohne das man mir sagt ich soll mich zusammen reißen!

@ della:

Das mit deinem Vater tut mir sehr leid! Ich hoffe, dass ihr es gemeinsam schafft mit solch einem Schicksalsschlag umzugehen (soweit man damit umgehen kann). Ich wünsche deinem Papa und natürlich auch dir nur das Beste und viel Kraft für das bevorstehende!
Ich hoffe, dass ihr eure gemeinsame Zeit weiterhin wie zuvor oder noch intensiver genießen könnt.

Ihre Cortisondosis liegt zurzeit bei 4 mg. Gestartet ist siesoweit ich weiß mit 24 mg. Aber es wird leider alles nicht besser sondern von Tag zu Tag schlimmer und sie gibt sich selber auf :(
Wir tun alle alles was in unserer Macht liegt um es ihr so leicht wie möglich zu machen. Nur leider wird sie auch wütend wenn wir ihr Vorschläge machen wie z.B. ein kurzes Stück an die Luft zu gehen und ein paar Meter (auch wenn es nur zehn Meter sind) mit uns zu spazieren.
Irgendwie kommen wir nicht mehr an sie ran da sie völlig blockiert. So fällt es noch schwerer zu helfen. Hilfe von außen (Psychologen o.ä.) möchte sie ebenfalls nicht annehmen. Es ist wirklich schwierig.
Ich wünschte sie hätte die gleiche Lebenslust wie dein Papa! Davor habe ich wirklich großen Respekt.

@ Ironfighters

Danke für deine klaren Worte. Du hast recht, das wäre womöglich das Beste. Allerdings weiß ich nicht ob ich es kann jemanden fremdes der mir gegenüber sitzt meine Sorgen und Ängste zu erläutern.

Ich hoffe dass mich die Arbeit ablenkt und aus diesem (seit nunmehr als einem halben Jahr) Trott rausbringt.
Sollte dies nicht helfen werde ich mir wohl auf diesem Wege Unterstützung holen müssen.


Vielen Dank euch beiden
Liebe Grüße und alles Gute für die Zukunft

della

Hallo Jenny,

danke für deine lieben Worte!

24 mg Cortison. Oh wei. Das ist heftig. Mein Vater hat anfangs ja "nur" 6 mg eingenommen, und trotzdem war der Muskelabbau immens. Der Wirkstoff ist übrigens Dexamethason, ich nehme an, bei deiner Schwiegermama auch?!

War deine Schwiegermama denn früher sportlich und gut trainiert? Wenn nicht, wirkt sich das alles natürlich noch viel gravierender aus, denn dann ist sie von einem ohnehin schon niedrigen Niveau ganz in den Keller gerauscht. Mein Papa hat immerhin Bewegungserfahrung, sein Nervensystem weiß sozusagen, wie er die Muskeln anzusteuern hat, und er weiß, wie wichtig körperliche Fitness ist.

Ein Psychologe wird ihr da auch nicht helfen können, genauso wenig irgendein Arzt, denn in diesen Kreisen hat sich die Erkenntnis, dass Muskelabbau sozusagen die Co-Katastrophe ist, noch nicht wirklich durchgesetzt. Was sie braucht, ist die Einsicht in die Notwendigkeit körperlichen Trainings. Dazu gehören auch Spaziergänge. Kannst du sie nicht zu einer täglichen "Gassirunde" überreden? Ihr könntet euch Ziele setzen - x km in y min - und deren Erreichung mittels eines Fitnesstrackers überwachen. Egal, wie, Hauptsache, sie hat einen Anreiz, findet das, was sie tut, spannend, und gibt sich nicht ganz auf. Und dir täte das sicher auch gut!

Liebe Grüße und viel Erfolg euch beiden!
della

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