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Thema: Umgang mit der Diagnose

Umgang mit der Diagnose
Karimui
19.10.2013 15:57:22
mich bewegt im Moment sehr die Frage, wie offen ich Dritten gegenüber mit meiner Diagnose umgehen soll.
Also: Seit OP im Mai 2013 weiß ich um meinen Gliobasti. Das erste MRT nach der Bestrahlung sah nicht wirklich klasse aus. Kontroll-MRT folgt nun am 28.10..
In der Familie und im engsten Freundeskreis wissen alle über die Diagnose bescheid. Allen anderen (Nachbarn, Arbeitskollegen und erst Recht Vorgesetzten) habe ich bisher "nur" erzählt, dass ich einen Hirntumor habe. Erst dachte ich, dass es für mich besser ist, wenn ich nicht vor Jedemann/frau meine Diagnose ausbreite. Ich befürchtete, dass ich dann nur noch als der "totgeweihte Thomas betrachtet werden würde. Nun fällt es mir zunehmend schwerer, über meine Erkrankung mit Leuten zu reden, die eben nicht genauer Bescheid wissen. Ich möchte in ein zwei Wochen wieder gern anfangen ein wenig zu arbeiten. Für alle Unwissenden, ist dies nun das Signal, dass alles wieder gut ist und ich bald wieder der Alte sein werde.
Es würde mir helfen zu erfahren, wie Ihr mit der Diagnose in der Kommunikation gegenüber anderen umgegangen seid und natürlich vor allem, welche Erfahrungen Ihr mit Eurem Weg gemacht habt.
Vielen Dank für Eure Beiträge im Voraus
Thomas
Vielleicht wird die Frage ja irgendwo hier bereits behandelt - dann wird man meine "neue" Frage dieser bestimmt irgendwie zuordnen können.....
Karimui
Felsquellwasser
19.10.2013 16:21:08
hallo Thomas
du kannst das erzählen und wirst so unterschiedliche Reaktionen erleben, dass du denken könntest du bist im Wunderwald.
Erstaunen,Unglauben, Trauer, Mitgefühl,,Verdrängen, Abkehren, Abwehren, Abwenden,,Unsicherheit, undHoffnung,all das sind mögliche Reaktionen ,die du erfahren wirst.
Folge deiner Intuition ,die hast du doch.
Ich kann das beschreiben ,was ich erfahren habe,diese Begriffe sind mir eingefallen,ich lebe jetzt fast 3 Jahre damit, Menschen haben sich losgesagt ,manche waren plötzlich weg, es fanden sich ganz neue Bezüge, egal ob innerfamilliär oder im Freudes und BekanntenKreis,
ich sehe in gewiisser Weise viel klarer als je zuvor .
Mein Arbeitgeber war schier erleichtert ,dass ich die EU rente beantragt
habe und sofort bewilligt bekam, so hatte ich den ""Verein"" nicht eingeschätzt, aber als nicht mehr Leistungsträger, war ich fern von allem.
Die Wahlverwandschaft ,die ich heute habe ist ein so wundervolles großes Geschenk ,nicht zuletzt trägt das Forum dazu bei ,dass sich Menschen finden,einander begegnen,denen man nichts erklären muss.
Es ist ein anderes Leben ,ein neues Leben ,das Alte möchte ich nicht mehr,meine Ehe ist so gut ,intensiv, das ist Glück ,der Tag will gelebt werden, und es ist eine Freude ,am leben zu sein.
Dir viel Glück ,vetraue deinem Gefühl und viel Glück für den weiteren Weg.
Herzlich H2 O
Felsquellwasser
Aivlis
19.10.2013 22:44:43
Hallo Karimui,
ich kann die Erfahrungen von Felsquellwasser nur bestätigen. Bei uns hat sich ebenso die ganze Bandbreite menschlicher Reaktionen gezeigt. Der Umgang damit war nicht immer leicht. Letztlich sind mein Mann (er ist der Betroffene) und ich allerdings froh über die erlangte Klarheit. Zum Beruflichen: Mein Mann war im Angestelltenverhältnis tätig und wurde nach erfolgloser Reha leider "ausgesteuert", das heißt verrentet. Mein Eindruck dazu, er leidet heute noch darunter, das heißt nach nahezu 2 Jahren!
Viele Grüße und ebenso viel Mut im Umgang mit den lieben Mitmenschen sendet Aivlis.
Aivlis
Harry Bo
20.10.2013 06:25:45
Hallo Thomas,

ich gehe eigentlich sehr offen mit dem Thema um, manchmal auch mit schwarzem Humor und auch über das Thema Tod und Lebenserwartung kann ich sprechen.

Es hat sich aber gezeigt, dass nicht jeder unbedingt alles wissen sollte. Das gilt für Arbeitskollegen und Vorgesetzte solange man noch arbeiten möchte oder muss.

Bei Angehörigen, Freunden und Bekannten sollte man auf jeden Fall individuell vorgehen. Nicht jeder kann mit der vollen Wahrheit umgehen und man sollte vorsichtig dosiert agieren, indem man genau versucht herauszufinden, was mein gegenüber wirklich wissen möchte und vorallem auch verkraftet.
Auch wenn ich ja schließlich der Erkrankte mit dieser heftigen Diagnose und Prognose bin, habe ich nicht das Recht jeden damit zu konfrontieren oder zu schocken und ihm damit Probleme zu bereiten das zu verarbeiten.

"Wie geht es Dir, ich hab gehört, du hattest einen Hirntumor?"
"Ja, mir gehts wieder prima, aber ich werde trotzdem bald daran sterben!"

Schock, Sprachlosigkeit und dann das ganze Spektrum der möglichen Reaktionen.

Deshalb bekommt jeder von mir soviel erzählt, wie ich meine was er wirklich wissen möchte und ergänze dann je nach Reaktion bis hin zur vollen Wahrheit.

Gruß Harry
Harry Bo
schorsch
20.10.2013 12:26:44
Hallo, ich kann mich den Kommentaren nur anschließen. Nach Diagnose und bislang 3 Operationen habe ich sehr unterschiedliche Phasen durchleben müssen. Nach einer anfänglichen großen Solidarität und Verständnis kippte diese Stimmung nach dem 1. Rezidiv und anschließender OP. Ich habe eine große Sprachlosigkeit erlebt und auch ein "Abrücken" von meiner Person; sprich: eine Überforderung mit der Situation. - Für Außenstehende steht der Hirntumor für Tod. Dass es unterschiedliche Hirntumorarten und damit verbunden, unterschiedliche und individuelle Lebens- und Kranheitswege gibt, ist zu meist unbekannt. - Miteinander sprechen ist manchmal schwieriger als man denkt. Auch gerade in der Partnerschaft/Familie/Freunde. Verlustängste, Existenznöte; "ich habe mir mein Leben so ganz anders vorgestellt"; stellen emotionale Bindungen oft auf den Prüfstand und gestalten sie schwierig. - Ich überlege es mir sehr genau, ob und wieviel ich zu meiner Erkrankung sage. Die Krankheit "Hirntumor" mit all sein Facetten ist etwas sehr Intimes und Privates von mir; so verhalte ich mich und mache es auch situativ abhängig. LG
schorsch
asta
20.10.2013 16:20:03
Hallo, geht den irgendjemand mit dem Glio wieder arbeiten? mein Mann möchte im Januar wieder arbeiten gehen. Er hat für 1 Jahr ein Fahrverbot. Auf Arbeit fehlt er total und sie wären echt froh, wenn er wieder arbeiten könnte. Es kann doch gehen? natürlich muß das mit dem Auto geklärt sein. Er brauch seine Arbeit .mir bitte. LG Asta
asta
Felsquellwasser
20.10.2013 16:23:30
hallo asta
Harry Bo geht arbeiten mit Chemo etc,
er wird sich bestimmt melden
Erich arbeitet,das hat er geschriben ,bestimmt viele mehr
es kommt auch darauf an ,wo das Glio saß oder sitzt.
Mit Hoffnung
H2 O
Felsquellwasser
mona
20.10.2013 18:01:14
Hallo Karimiu,
ich hab auch die hier beschriebenen reaktionen bekommen und ich erzähl nicht den meisten davon.In der Familie und engste freunde wissen bescheid aber auch da kommen manche reaktionen weil vorstellung fehlt was alles nach so einer diagnose und operationen mit sich bringt.Lg mona
mona
Harry Bo
20.10.2013 20:19:40
Hallo asta,
ob Dein Mann arbeiten gehen kann, kann Dir hier niemand beantworten.
Aber auch dass ist wie die finanziellen Probleme oder die Pflegestufe eine Sache, die ihr regln müsst.
Ich habe immer das Gefühl ihr steckt fest und könnt die Dinge nicht in Angriff nehmen.
Du kannst hier jederzeit nach dem Wie fragen, aber handeln müsst ihr selbst und nicht einfach nur abwarten.

Ob Dein Mann arbeiten kann, ist eine Frage seines Zustandes und der Möglichkeiten an seinem Arbeitsplatz auf die Situation einzugehen. Die Einstellung seines Chefs dazu ist auch nicht unwichtig.
Aber vieles lässt sich arrangieren. Wiedereingliederung, eine andere Aufgabe in der Firma, die nicht so belastet, eine Runterstufung auf Teilzeit.
Wie auch immer, die Frage ist nicht ob man kann, sondern ob man will und die Möglichkeit dazu hat.
LG Harry
Harry Bo
dirlis
20.10.2013 23:50:26
Hallo Karimui,

In den Beiträgen habe ich mich in dem ersten von Harry Bo wiedererkannt. Dieses Abwägen, wer wieviel verträgt.

Danke Harry, für die tolle Beschreibung - ich wäre jetzt zu müde und könnte es nicht so treffend formulieren.

Wir unterscheiden den inneren und den äußeren Bereich, dafür gibt es quasi unterschiedlich genaue Informationen über Erkrankung und aktuelle Situation.

Asta, so unterschiedlich wie die Menschen sind, sind wohl auch die Auswirkungen der Erkrankung im täglichen Leben. Wenn keine neurologischen Defizite bestehen, warum sollte man dann, wenn die Medikamente gut verträglich sind, nicht arbeiten? Wenn es zur Stabilisierung der Lage beiträgt und eventuell der Job zudem noch Spass macht? Wenn der Arbeitgeber einen passenden Rahmen schaffen kann? (mein Mann arbeitet, hat aber den stundenumfang reduziert)

Seid herzlich gegrüsst von Dirlis

Seid herzlich gegrüßt
dirlis
jusa
25.10.2013 22:39:12
Hallo, mehr oder weniger alle,
mit dem Arbeiten ist so eine Sache - Fühlt man sich überhaupt in der Lage die alte Arbeit wieder so wie vorher aufzunehmen? Kann man das überhaupt bewältigen? Oder muß man zeitlich und/odervon der Beanspruchung her kürzer treten? Das muß man für sich selbst schon mal einschätzenund hängt auch davon ab wie ich bestimmte Aufgaben zuhause bewältige.und dann kann ich mich mit meinem Chef zusammensetzen und muß nach LÖsungen suchenggf. wiedereingliederung nach verschiedenen Modellen möglich, wenn ich unbedingt wieder arbeiten gehen möchte /muß.Dazu muß ich zum Arbeitgeber offen sein, was meine Erkrankung betrifft, ist denke ich sowieso besser, denn man kann jederzeit länger wieder ausfallen und das würde ggf. Mißstimmung mit sich bringen. Ich kann da nicht in eurem Maße mitreden- habe "nur ein Astrozytom Grad 2. Ich habe nie verschwiegen welche Ausmaße auch das annehmen kann und so konnten alle meine Ängste bei den Rezidiven verstehen .Außerdem hat dein Arbeitgeber die Pflicht dich als Schwerbehinderter(der du nun mal bist) zu unterstützen. Hast du die Behinderung schon beantragt? Dann mach das , das dauert nämlich ne Weile mit der Bearbeitung. Wenn du einigermaßen mit dem Geld Klarkommen würdest, bleib zuhause und beantrag die EU-Rente, unterschätz die Belastung nichtVollzeit arbeiten und dann noch der Arbeitsweg(Kommst du überhaupt mit Öffentlichen zur Arbeit oder geht das nur mit Auto? Dann hat sich das doch eh schon erledigt, nimm das Krankengeld bis zum Schluß und dann siehst du was geht.
Eine gute Entscheidung und alles Gute LG Christel
jusa
schorsch
26.10.2013 12:19:51
Hallo, ich glaube es gibt keine pauschale Antwort zum Thema "Wiederaufnahme" der Arbeit. Ein Hirntumor kann so starke Auswirkungen auf z.B. kognitive Fähigkeiten, Motorik, Sprache, etc. haben, das Arbeit kein Thema mehr für die Betroffenen ist. Aber es gibt auch die Fälle von Betroffenen (dazu zähle ich mich momentan) , wo Arbeit in der "alten" Form nicht mehr möglich ist und ich nach einer anderen Form gesucht habe. Bis zum 1. Rezidiv habe ich Vollzeit gearbeitet und keinen Schwerbehindertenausweis ( damals Oligodendrogliom Grad II) beantragt. Ich habe gerne gearbeitet und eine fundierte Ausbildung. - Nach Jahren der Ruhe trat das erste Rezidiv auf, OP 08, kurze Ruhe, 2. Rezidiv; OP 11(Anapl. Oligo. Grad III und danach war nichts mehr so wie vorher. Starke kognitive Einschränkungen, Gesichtsfeldausfälle, Motorik); manches habe ich durch Training verbessert anderes stagniert. Für mich war klar, dass ich nicht mehr in meine "alte Arbeit" zurück kann. Nach langen Überlegungen und Gesprächen mit meinem Arbeitgeber konnte ich auf Teilzeit gehen und habe darüber hinaus eine teilweise EM-Rente beantragt und einen Schwer-beh.ausweis beantragt. - Mir tut die Arbeit gut, Ich erlebe durch sie Bestätigung und gleichzeitig Alltagsstrukturierung. Die finanzielle Absicherung muss ich nicht erläutern. - Ich erlebe immer wieder die Forderung meiner Umgebung nach mehr Leistung und die Frage "von mir an mich" ist das zu schaffen. Für mich ein täglicher Spagat, in dem ich in den letzten 3 Jahren aber sicherer geworden bin,wenn ich Wünsche/Forderungen auch verneine. Meine Schuldgefühle sind kleiner geworden und meine Kenntnis zu meiner Leistungsfähigkeit und meinen -einschränkungen ist größer und akzeptierender geworden. Mir ist klar, dass meine Krankheit mir jeder Zeit einen Strich durch die Rechnung machen kann. Ich plane in Träumen langfristig, aber konkret doch eher kurzfristig. LG und Mut!!
schorsch
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