Hallo Zusammen,
ich möchte heute mal ein Thema aufgreifen, mit dem der ein oder andere von Euch vielleicht auch schon selbst konfrontiert worden ist. Sei es in der Familie, im Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreis.
Und zwar nehme ich meinen Arztbesuch bei meinem behandelnden Neurologen von letzter Woche zur Auswertung des MRTs mal zum Anlaß für die Beschreibung. Ich möchte vorwegnehmen, daß ich diesen Arzt bereits seit fast 26 Jahren kenne und nach wie vor als Mensch und Arzt sehr schätze. Also, mein Mann und ich waren beide gemeinsam zu diesem Termin und da sagt der Arzt dann irgendwann zu mir: Ich würde Ihnen empfehlen nicht so viel in diesen Internetforen nachzusehen. Er weiß, daß ich seit Beginn meiner Erkrankung im Forum der Deutschen Hirntumorhilfe bin und auch Mitglied selbst dort bin. Weiterhin meinte er, daß man in diesen Foren ja doch immer nur mit Krankheit und Tod konfrontiert würde und das wäre für die Genesung nicht gut?!
Da habe ich ihm erst einmal meinen Standpunkt dazu ganz klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Es gibt ja sicherlich auch "schwarze Schafe" bei Internet-Foren, auch zu diesem Krankheitsthema, wie dem Unseren. Aber ich muß ganz ehrlich und mit Nachdruck feststellen, daß ich die Diagnose und den Umgang damit nicht so gut hätte bewältigen können, wenn ich dieses Forum hier mit Euch allen nicht gehabt hätte. Vor allem auch die Mitarbeiter der Hirntumorhilfe, weil meine Ärztin mich gar nicht darüber aufgeklärt hatte, daß es sich um einen Hirntumor handelt.
Ich habe nicht das Gefühl, daß wir uns hier gegenseitig "belasten", sondern, daß wir uns gegenseitig eine ganz große Hilfe sind, egal auf welche Art und Weise, unseren Alltag zu meistern mit all den damit verbundenen "Einschränkungen", ganz gleich, ob körperlicher oder seelischer Art, die ja nun mal aufgrund der Diagnose unser Leben von jetzt auf gleich komplett auf den Kopf stellen und auch das unserer Familien.
Deshalb ist dieser Austausch, sei es durch einen Beitrag im Forum, eine "Gesprächsrunde im chat", eine PN oder eine private Mail, ein ganz wichtiger und fester Anlaufpunkt in meinem und unserem Leben geworden, den ich auch nicht mehr missen möchte. Ich habe in Euch und unter Euch ganz tolle Menschen kennen- und schätzen gelernt, die ihr verändertes Leben in die Hand nehmen, nach vorn schauen und sich gegenseitig Mut machen und Hilfe geben. Das können wir nicht unter dem medizinischen Aspekt, wohl aber unter dem "seelischen" Aspekt, der für eine Bewältigung dieser Krankheit eine ganz, ganz wesentliche Rolle spielt.
Auch heute bekam ich von einer Verwandten wieder so eine Frage gestellt. Ist es denn für Deine Psyche gut, wenn Du Dich mit den Problemen anderer beschäftigst? Aus meiner Sicht verkennen die meisten den Sinn und den Inhalt einer solchen "Gemeinschaft" wie wir es hier im Forum sind, was uns die Deutsche Hirntumorhilfe ermöglicht. Das gegenseitig Halt und Kraft geben, zuhören und Trost spenden - das ist doch ein ganz wichtiger Punkt in den zwischenmenschlichen Beziehungen, ganz egal auf welcher Ebene (Betroffener, Partner, Angehöriger, Freund oder Kollege). Nur leider vergessen das die meisten Menschen in "gesunden" Zeiten. Sind sie selbst oder Angehörige betroffen, dann sieht die Welt schon ganz anders aus.
Ich habe dann meinem Arzt noch gesagt, bei allem Bemühen seinerseits, kann er nicht einschätzen, wie es mir gesundheitlich wirklich geht, wie ich mich fühle, welche Beschwerden ich habe und wie ich damit klar komme. Ein "echtes Empfinden und Fühlen", wie es einem geht, das kann wirklich nur ein Betroffener. Das stellt die liebevollen Bemühungen aller Angehörigen und Freunde um einen keinesfalls in Frage und ist auch nicht negativ gemeint.
Aber, wenn ich hier schreibe, ich habe heute wieder mal einen Freifahrschein für das Karussell - dann wissen die/wir Betroffenen, was ich meine und wie es mir dabei geht. Dafür gibt es hier die unterschiedlichsten und vielfältigsten Beispiele.
Oder einfach auch nur das "Aneinander-Denken" hier im Forum mit dem Daumendrücken oder einer PN, das sind doch ganz wunderbare Sachen, die uns mit Dank und Liebe erfüllen, daß man nicht allein ist. Wenn dann Antworten kommen: wir haben an Dich gedacht; oder: schön, daß Du nachfragst. Da geht einem doch selbst das Herz auf!!!
Ganz anders reagierten alle behandelnden Ärzte zur Reha, war ja eine Klinik, die Schulmedizin mit traditioneller chinesischer Medizin und Psychiatrie verbindet - also eine Betrachtung und Behandlung von Körper und Geist als Einheit. Dort fand man unsere gegenseitige Hilfe ganz wunderbar und wertvoll.
Ich möchte hier mal zum Abschluß ein Zitat von Goethe einstellen, was ja der eine oder andere vielleicht auch noch aus seinen Kindheits- und Jugendtagen in seinem Poesiealbum stehen hat:
"Willst Du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück. Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz zurück."
In diesem Sinne wünsche ich Euch und uns allen weiterhin alles nur erdenklich Gute in jeder Hinsicht.
Herzliche Grüße.
Andrea
P.S. Schreibt doch mal, wie Ihr so darüber denkt, würde mich sehr interessieren.