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Thema: Vater mit Glioblastom

Vater mit Glioblastom
blue jazzer
21.07.2019 19:10:06
Hallo, ich bin neu hier im Forum.

Bei meinem Vater (61 Jahre) wurde Anfang April ein Glioblastom diagnostiziert. Für mich als Sohn, aber auch für meine Mutter und meinen jüngeren Bruder, ist das ein schwerer Schock. Wir waren immer eine Familie aus uns vieren (und Hund), da meine Eltern mitte der 80er aus Polen nach Deutschland kamen und der Rest der Verwandschaft in Polen geblieben ist.

Ich habe bisher keine eigene Familie gegründet und so habe ich einen sehr engen Draht zu meinen Eltern, daher wiegt die Krankheit meines Vaters auch entsprechend schwer für mich, da ich ihn fast jeden Tag meines Lebens sehe. Ich tue mir daher mit der Diagnose sehr schwer und habe da nicht so den Abstand, den vielleicht andere erwachsene Kinder zu ihren Eltern haben.

Aktuell sieht es so aus, dass mein Vater kurz nach der Diagnose im April operiert wurde. Der GB wurde zu 90% entfernt. Der Tumor sitzt hinten Links und entsprechend schränkt er die rechte Körperseite meines Vaters stark ein. Natürlich ist er seit der Diagnose nicht mehr arbeitsfähig und somit kommen demnächst mein Bruder und ich größtenteils für die Kosten auf, was aber kein Problem ist.

Nach der OP begann eine er eine niedrigdosierte Chemotherapie und eine mehrwöchige Strahlentherapie. Die ersten Wochen waren auch Fortschritte zu erkennen, er fing wieder, an besser zu gehen. Er stellte mit Hilfe meiner Mutter seine Ernährung um, und wir waren alle guter Dinge, dass er den Krebs besiegen könnte. Er hatte auch keine kognitive Ausfälle, er war nur manchmal schneller erschöpft. Doch im Laufe der Therapie wurde er immer schwächer, die Mobilität begann zu Leiden. Wir dachten alle, dass hängt mit der Bestrahlung zusammen. Nachdem die Bestrahlung zu Ende war, war er bei der Ärztin im Gespräch und schilderte seinen zunehmend schlechterwerdenden Zustand. Die Ärztin veranlasste ein MRT. Dieses stand am Mittwoch an und am Donnerstag kam heraus, dass der Tumor trotzt Bestahlung und Chemo nicht kleiner geworden oder gar gleichgeblieben ist, sondern das er wieder größer geworden ist und anscheinend anfängt sich in gesundes Hirngewebe einzunisten. Die Ärztin gibt meinem Vater nur noch wenige Monate.... Die Ärztin meinte noch vor der Bestrahlungstherapie, dass die durchschnittliche Lebenserwartung heute bei 3-4 Jahren liegt. An diesem Zeitlimit hat sich mein Vater orientiert und war sehr zuversichtlich.

Für mich, meine Familie und meinen Vater ist das eine dermaßen niederschmetternde Diagnose. Ich habe mich von meiner Arbeit freistellen lassen und war auch Freitag nicht arbeiten, da ich einfach nicht in der Lage war mit dieser Diagnose umzugehen. Das ist sowas was man immer hört, aber sich nie vorstellen kann. Es ist einfach schrecklich und ich fühle mich so machtlos, jede Erinnerung an meinen Vater tut weh. Einfach weil die Erkenntnis in mir reift, dass das einzige sein wird, was von meinem Vater bleiben wird. Bisher war das Jahr eine totale Katastrophe für meine Familie. Vor wenigen Monaten sind meine Großeltern gestorben, vor ein paar Wochen verstarb überraschend mein Onkel auch erst im Alter von 60 Jahren. Die Erkrankung meines Vaters, hat ihn stark mitgenommen, da beide sich seit der Jugend kannten. Und jetzt scheint es als habe der Tod meinen Vater als nächstes auf seiner Liste....

Ich weiss, dass sein Tod kommen wird, aber ich versuche mittlerweile nach Möglichkeiten zu suchen um es hinauszuzögern, solange er ein einigermaßen selbstbestimmendes Leben führen kann. Er hat immer hart und viel gearbeitet und mir und meinem Bruder eine gute Zukunft ermöglicht, sowie sich und meiner Mutter ein gutes Leben in Deutschland ermöglicht. Er hatte soviele Pläne, so hatte er kurz vor der Diagnose den Kredit für sein Haus abbezahlt und plante seinen Lebensabend mit meiner Mutter gemeinsam zu verbringen und mit meinem Bruder und mir seine Oldtimer zu restaurieren. Mein Vater ist seit der Diagnose absolut desillusioniert. Ich hätte mir gewünscht, er hätte das Ergebnis nie erfahren. Seine Traurigkeit macht auch mich sehr traurig. Ich würde ihm 10 meiner Lebensjahre geben, damit er sie genießen kann. Langsam fange ich wieder an eine Art Zweckoptimismus zu entwickeln. Denn Aufgeben will ich ihn noch nicht. Im Moment geht das noch, mein Vater kann noch auf eigenen Beinen stehen, aber beim Gehen ist er auf eine Gehstütze oder eben Hilfe von eines unserer Mitglieder angewiesen. Er hat keinen Hunger mehr und vom Trinken wird ihm meist etwas schlecht. Er schläft viel und ist oft stark erschöpft. Ich weiss nicht wieviel davon vom Tumor kommt und wieviel davon die Nachwirkung der Bestrahlung/Chemo ist. Die Bestrahlung hat er vor etwa 2 Wochen beendet.

Die Option für meinen Vater wäre es eine "aggressivere Form" der Chemotherapie zu beginnen. Eine andere wäre die Behandlung mit der Elektrohaube zu beginnen. Allerdings sind da Zweifeln (wohl auch von der Ärztin), ob dies in diesem Stadium helfen kann. Mein Vater ist sich wegen der Chemotherapie nicht sicher, da er nicht weiss, wie groß die Heilungschance ist. Ich ermutige ihn es ein letztes mal zu versuchen, solange er noch die Kraft hat.

Das Ziel sollte es meiner Meinung sein, das Wachstum des Tumors für ein paar Monate (am besten Jahre) außer Kraft zu setzen, damit wir ihm ein schönes Restleben ermöglichen können und viele Sachen, wie zB die Restauration der Oldtimer, nachholen können.

Kritik muss ich auch ein bisschen an das Krankenhaus üben, das meinen Vater eher wie eine Nummer behandelt und nicht wirklich auf die Bedürfnisse des Patienten eingeht. Ich verstehe ja, dass die Ärzte da einer Belastung ausgesetzt sind, aber hier war mein Vater während der Chemo/Bestrahlung in medizinischer Hinsicht, auf sich alleingestellt. Keine beratende Unterstützung durch die Ärzte, nur am Anfang und am Ende der Therapie einen Termin. Die Ärzte konnten oder wollten meist auch nicht sagen, ob mein Vater mit einer Umstellung der Lebensumstände wie Essen und Bewegung seine Chancen verbessern kann oder nicht.

Wenn irgendjemand Tipps oder Empfehlungen für Ernährung oder Bewegung oder medizinische Verfahren kennt, wie man ihm einen Teil der Mobilität zurückgeben kann, so wäre ich sehr dankbar. Gerne auch über private Nachricht.

Ich bedanke mich vorab. Liebe Grüße
Marcin
blue jazzer
fasulia
21.07.2019 23:14:44
eine Tumorvergrößerung so kurz nach Bestrahlungsende kann auch ein sog. Pseudoprogress sein- das kann man mit einem PET-CT ausschließen-
wurde das in Erwägung gezogen? evtl. die Bilder bei einer Zweitmeinung ( andere NC-Uniklinik) beurteilen lassen.

Wenn "echter" Progress und der Tumor MGMT methyliert ist, kommt evtl. eine Behandlung mit CCNU in Frage ( da gibt es Studien, die "bessere" Ergebnisse zeigen) - und/oder Methadon ( da gibt es noch keine Studien, aber viele positiven Erfahrungsberichte- mehr Info dazu gibt es in einer fb Gruppe)

Auch wenn du die Suchfunktion dieses forums oben rechts nutzt, findest zu viele hilfreiche Infos, wenn du die gesuchten Begriffe in " setzt.
fasulia
Peruvian
22.07.2019 10:57:10
I will write in English since I do not know German. You have to know about the MGMT Metilation Test as soon as possible. You have to spend the most time you can with your father.

Send me a private message and I will comment a real case of Glioblastoma evolution ocurred in 2018.
Good luck!
Peruvian
KaSy
22.07.2019 13:15:53
Zu Peruvian:

Die MGMT-Methylierung kann die Wahl der optimalen Chemotherapie beeinflussen, wenn sie denn noch in Frage kommt.

Sehr viel Zeit mit Eurem Vater verbringen, ist das Beste, was Ihr jetzt tun könnt.
Das hilft ihm, es hilft Euch, es hilft seiner Lebensqualität und womöglich sogar der "doch noch" Zusage zu einer Therapie.

TTF ist möglich, aber belastend und unter Ärzten umstritten. Die Erfolge sind vergleichbar mit denen, die durch eine erhöhte, liebevolle Zuwendung zum Patienten erfolgen.

Mein Tipp:
Geht mit Eurem Vater in die Garage, wo die Oldtimer stehen, lasst ihn zuschauen, wenn Ihr daran bastelt, vielleicht gibt er Euch Tipps oder erinnert sich mit Euch gemeinsam an die wunderbaren Zeiten von damals ...

Ich wünsche Eurer Familie eine wenig belastete und von vielen glücklichen Erinnerungen durchströmte Zeit! Nutzt sie!
KaSy
KaSy
Toffifee
22.07.2019 13:51:43
Hallo Bluejazzer
willkommen im Forum (bin auch relativ neu da und erst seit kurzem aktiv da ich die Anmeldung vergessen hatte). Alles Gute Deiner Familie und Dir. Vom Glioblastom habe ich keine Ahnung nur was ich da zufällig gelesen habe u.a. das manche trotzt schlechter Prognose 3 bis 5 Jahre oder länger überleben. Appetitverlust kenne ich bestens obwohl ich "nur" ein relativ einfaches Meningeom hatte und eigentlich keine Schmerzen. Bei mir kam der Appetit spätestens nach drei Monaten wieder. Mediterrane Ernährung wäre wohl ganz gesund und gut verträglich also viel Gemüse, Olivenöl, Fisch, Meeresfrüchte und Nüsse und Ähnliches. Am besten googeln, und Bibliotheken checken. Genügend trinken ist auch wichtig besonders um Leber und Nieren vor den "Abbauteilchen" der Medikamente zu schützen. Eventuell Tees vielleicht gekühlt, oder Ingwer Teilchen ins Wasser geben oder Zitronenspritzer alles versuchen und schauen wie es funktioniert, schmeckt und vertragen wird. Je nach dem wie sportlich Dein Papa vor der Erkrankung unterwegs war vermute ich dass spazieren gehen oder walken ganz gut wären vorausgesetzt die Kräfte reichen. Fahrradfahren ist mit Vorsicht zu sehen falls es stressbedingt zu einem epileptischen Anfall kommen sollte. Auslöser dafür kann alles sein: zuviel Stress, oder Raumforderung auf ein Hirnareal, bei mir war es ein Pilz. Alles Gute Dir und Deiner Familie

@Peruvian it is no problem that You contribute in English with helpful facts and sources. Also good luck!
Toffifee
KaSy
22.07.2019 16:35:06
Habt Ihr schon von der Deutschen Hirntumorhilfe e.V. das aktuell herausgegebene "Glioblastom-Heft" angefordert?
Adresse siehe unten in Nutzungsregeln oder im allerersten Thread!

https://www.hirntumorhilfe.de/projekte/x/

KaSy
KaSy
Werkstatt2
22.07.2019 20:41:43
Hallo,
Bei meinem Vati 70 Jahre wurde vor einem Jahr ein Glioblastom festgestellt im Stadium lV!
Der Tumor wurde komplett entfernt, aber die vielen Chemos und die Bestrahlung hinterlassen ihre Spuren auf Dauer!
Lasst euch vom Arzt Physiotherapie und Ergotherapie auf Rezept verschreiben!
Beantragt den medizinischen Dienst für eine Einstufung in die Pflegetufe!
Da haben deine Eltern finanzielle Unterstützung!
Fragt den behandelnden Arzt nach Hilfsmittel!
Macht einen Termin mit einem Rehaberater aus, der kann euch gut beraten!
Mein Vati hat ein Motomed zu Hause zum Üben für Arme/Beine, ist Top!
Wenn dein Vati nicht viel ißt, lasst euch Fresubin Dinks und Quarks aufschreiben, diese sind hoch dosiert in der Kalorienanzahl um das Gewicht zuhalten!
Wenn ihr die Möglichkeit habt, sucht euch Psychoonkologische Betreuung um mit der Situation besser klar zukommen!
Fragt immer beim Onkologen nach und recherchiert selbst!
Es ist ein harter Weg und beim Glioblastom ist immer der Tumor der Gewinner!
Ich wünsch euch viel Kraft!!!
Meld dich, wenn du noch mehr wissen willst!
Werkstatt2
blue jazzer
30.07.2019 12:51:27
Hallo, und vielen Dank für die vielen netten Worte. :) Ich schreibe was später, da ich im Moment berufllich auch was eingespannt bin und nebenbei, wie von einigen empfohlen, viel Zeit mit meinem Vater verbringe.

Bisher kann ich nur berichten, dass es meinem Vater nach der Diagnose noch recht gut geht. Er wurde mittlerweile von der Neurochirurgie auf die Onkologie verlegt, wo es eine sehr nette, empathische Ärztin gibt, die meinem Vater wieder etwas Mut gemacht hat. Mittlerweile hat er auch eine Physiotherapie und Medikamente verschrieben bekommen. Allerdings kommt jetzt auch viel Papierkram auf uns zu, unter anderem Rentenversicherung, Schwerbehinderung, palliative Pflegebetreuung und und und...

Mein Vater bekommt jetzt Kortison, was zumindestens seiner Bewegung gut tut, da er sich jetzt wieder besser und mehr bewegen kann. Die Ärztin in der Onkologie meint, dass sie bei meinem Vater jetzt eine andere Chemotheapie versuchen werden, die erst noch genehmigt werden muss. Diese wird allerding erst in etwa 4 Wochen stattfinden, da die Wirkung der letzten Chemotherapie noch nicht ausgestanden ist bzw. der Intervall noch zu kurz ist.

Eine weitere Möglichkeit soll wohl die Radiochirurgie sein. Dazu hat ein Freund der Familie mit einer Ärztin einer anderen Uniklinik telefoniert. Wir sollen die ganzen Krankenunterlagen zukommen lassen und die werden sehen was man machen kann. Mein letzter Wissensstand (2017) ist, dass Radiochirurgie bei Glioblastomen i.d.R. nicht zum Einsatz kommt, da man das befallene Gewebe nicht vom gesunden unterscheiden kann. Ich bin mir nicht sicher, ob das mittlerweile mit Fluoreszenz anders ist? Weiterhin hat mein Vater in 2 Wochen einen Termin im Forschungszentrum.

Vielen Dank auch für die netten Empfehlungen. Ich werde mir das alles in Ruhe anschauen und recherchieren. TTF hat mein Vater erstmal für sich ausgeschlossen. Die Ärzte in der Neurochirurgie schienen auch nicht sonderlich überzeugt von der Methode gewesen zu sein.

Grüße Marcin
blue jazzer
Ninja89
03.08.2019 21:18:08
Hallo,ich wünsche euch ebenfalls viel Kraft und hoffe ihr habt noch viele schöne gemeinsame Momente. Wie oben bereits einmal erwähnt gewinnt ja bei sowas leider meistens der tumor. Ich drücke euch trotzdem die Daumen das ihr die Zeit bis dahin noch stecken könnt.
Habt ihr mit euren Ärzten schon mal über methadon gesprochen? Ich weiß bei den meisten Ärzten kommt das nicht gut von wegen schulmediziener die nur den suchtfaktor sehen.... Aber ich habe betroffene gesehen die so froh darüber waren das sie methadon nehmen konnten das ich denke es is immerhin ein Versuch. Es verspricht keine Heilung aber kann vielleicht den Allgemeinzustand verbessern und ganz vielleicht ja auch den tumor Wachstum verlangsamen....
Ich drücke die Daumen und sende viel Kraft.
Ninja89
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