Unterstützen Sie unsere Arbeit für Hirntumorpatienten. Jeder Beitrag hilft.

Jetzt spenden

RedRene

Hallo,

ich habe ein Glioblastom seit Ende August 2019. Bei mir hat sich der Lebensalltag geändert, obwohl ich nach der Strahlungs- und ersten zwei Zyklen der Chemotherapie mich bei der Arbeit wieder eingegliedert habe.

Veränderungen:
+Die Beziehung mit meiner Ehefrau und meinen beiden Söhnen ist deutlich stärker als vorher geworden. Wir verbringen mehr Zeit miteinander und versuchen auch sinnvolle Events, Spieleabende, Essen gehen, etc. gemeinsam zu unternehmen.

-In der Beziehung mit einigen Freunden, Bekannten vom bisherigen Sportverein, etc. geht es aber deutlich runter. Mir kommt es vor, als wenn andere Personen, die selbst bereits etwas in ihrer Familie o.ä. erlebt haben, sich noch gerne mit mir unterhalten. Die anderen nehmen aber mehr und mehr Abstand bei einem Treffen, Chatten, etc.

Wie sind eure Erfahrungen und wie geht ihr damit um?

Viele Grüße RedRene

Mego13

Lieber RedRene,

was Du beschreibst, habe ich zum Glück bisher wenig erlebt. Große Teile meines Freundes- und sogar Kundenkreises sind sogar sehr unterstützend. Die wenigen Erfahrungen, die in die negative Richtung gingen, waren dafür recht bitter. Eine Freundin, die eher zum engsten Freundeskreis gehörte, hat sich faktisch gar nicht gemeldet. Ist jetzt nach 10 Monaten wohl von einem schlechten Gewissen gepackt worden und sucht jetzt über andere Freunde indirekt Kontakt. Da merke ich allerdings, dass ich blockiere, weil ich nicht einmal mehr wütend bin, sondern hinter dieser "Freundschaft" einfach keinen Sinn mehr erkenne.
Auf eine andere Freundin musste ich intensiv zugehen, weil sie furchtbare Angst hatte, etwas "falsch" zu machen. Ich habe schon das Gefühl, dass ich manchen Menschen den Kontakt "einfacher" machen muss. Indem ich scherze, Witze mache und besonders auf meinen Gesprächspartner eingehe. Das muss jeder für sich entscheiden, ob man das kann oder möchte.

Meine Sorgen auch mal so richtig loswerden, kann ich bei einer Freundin (und ihrem Mann), die mir jeden Tag seit meiner Diagnose, eine liebevolle Nachricht geschickt hat, bei einer Freundin die Pfarrerin ist und deswegen mit Kummer umgehen kann sowie einer Kundin, deren Mann auch eine neurologische Erkrankung erlitten hat.
Richtiges Verständnis finde ich bei einer ganz lieben Teilnehmerin, die ich hier über das Forum kennengelernt habe. Daneben telefoniere ich auch häufiger mit meiner ehemaligen Bettnachbarin und wir machen uns gegenseitig Mut.

Du fragst nach konkreten Ratschlägen. Das ist ganz schön diffizil, weil ich natürlich nicht weiß, wie Deine Freundesbeziehungen vorher waren. Ich kann Dir nur aus meinen beruflichen und jetzigen Erfahrungen sagen:

Auch auf die Menschen zugehen, versuchen gegen die Hemmungen der anderen anzugehen.

Bewusst an den Interessen des Anderen ausrichten.

Um Hilfe bitten, das muss ich auch immer wieder lernen, weil es so schwer ist.

Freundschaften, die gar nicht mehr funktionieren, gehen lassen. Du bist nicht Schuld! Es gibt Menschen, die können mit Krankheiten leider nicht umgehen. Das ist traurig, aber wir brauchen unsere positiven Energien für uns.

Manche Menschen brauchen Zeit, um mit der neuen Situation umzugehen, bekrabbeln sich dann wieder.

Wenn es mir ganz schlecht geht, pflege ich meine Dankbarkeit für meinen tollen Mann und meine Familie.

Ach ja und meine Freundin, die Pfarrerin, empfiehlt, dass man ob der viele Dankbarkeit und Askese, die man in unserer Situation pflegen muss, auch ruhig mal ein wenig schadenfroh sein darf. Damit man nicht zu brav wird. ;-)

Die schlimmsten Gesprächssituationen kann man hier auch noch im Bullshit- Thread verwenden.

LG
Mego

Efeu

Lieber RedRene,

bei mir ist die erste OP 5 Jahre her.

Es gibt ganz wenig Freunde, die noch da sind, die geblieben sind auch als es klar wurde, dass ich nicht mehr "auf die Füsse komme", die blieben, als immer sichtbarer wurde, dass es kontinuierlich bergab geht, kognitiv vor allem, und auch körperlich.

Es gibt eine neue Freundin in meinem Leben, die mir nah ist, viel nachfühlen kann, auch wenn ich kaum sprechen kann.

Ich habe durch die Krankheit meine Schwester "wiedergefunden", wir hatten 15 Jahre kaum Kontakt, wir sind uns Vertraute geworden. Sie ist die Einzige, der ich wirklich alles sagen kann, wie es mir geht, auch weil sie eine medizinische Ausbildung hat.

Meine erwachsenen Kinder verunsichert es schmerzlich, sie wissen oft nicht, wie mit ihrer Mama, die so gar nicht mehr ist wie früher, umgehen, ihr begegnen.

Ich versuche, offen mit meiner Krankheit, den Folgen umzugehen, z.B. meinen Kindern so die Unsicherheit zu nehmen, zu verkleinern. Und vieles bleibt kaum erklärbar, ich suche nach Metaphern, Bildern....und erkenne, es ist für den Anderen schwer/kaum vorstellbar, aus-denkbar.

Oft bleibt nur die Deskription, und, loslassen.

Und, wie du sagst, Mego, manche Menschen kommen nach einiger Zeit auch wieder ein Stück näher, mit genügend Sicherheitsabstand im Gepäck, wie eine Regenjacke jederzeit zum rausholen....

Unsere Krankheiten machen Angst, unsicher, rühren an tiefen Ängsten bei den anderen - von aussen betrachtet ist das nachvollziehbar für mich. Weh tut es mir trotzdem.
Beides gehört zusammen. Wo der Schmerz ist (seelisch meine ich), ist die Sehnsucht.

Irgendwer hier im Forum hat mal geschrieben, es wäre wohl einfacher, er hätte ein Bein verloren, sichtbare Behinderung, andere könnten viel eher Mitgefühl haben....ich denke, da ist was dran, es weist darauf hin, wie speziell es bei uns ist, mit uns, und für uns.

Zu guter Letzt: Ihr hier im Forum - ich gehört fest zu meinem Alltag, ihr seid mir wichtig, von euch lesen, gemeinsam virtuell den Weg zu gehen.

LG Efeu

mona

Hallo RedRene,

ja diese Erfahrung habe ich auch gemacht.Ich schau nach vorne ,versuche außerhalb der Familie neue Kontakte zu knüpfen...

Lg mona

Gemeinsam Stark

KaSy

Hallo, RedRene und alle,
ich habe im Laufe der Jahre mit rezidivierenden anaplastischen Meningeomen einige unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Über alle möglichen kleinen und beeindruckenden Krankheiten wird im beruflichen Umfeld und z.T. in weiterer Öffentlichkeit geredet und es gibt Tipps, was man tun oder lassen soll, die "Zipperlein" werden dramatisch bedauert, über den armen Kranken wird sonstwem berichtet und jeder weiß etwas dazu zu sagen ...

Als ich meine erste Hirntumordiagnose bekam, waren die Leute, denen ich es sagte, schockiert. Sie halfen mir mit Worten und Taten, aber dieses Gerede fand nicht statt.

Ich habe das besonders gemerkt, als ich wieder arbeiten ging. Alle meine Kollegen in der Schule kannten meine Diagnose, aber sie hatten es keinem Schüler und keinem Elternteil gesagt.

Eine Freundin, mit der ich einen lockeren Kontakt hatte, ließ sich noch seltener sehen. Sie sagte mir dann sehr ehrlich: "Ich wusste ja nicht, wie es Dir geht, ob Du überhaupt noch ansprechbar bist. Das geht doch manchmal so schnell, wenn man einen Hirntumor hat."

Es gibt wohl eine unsichtbare Grenze zwischen diesen und jenen Krankheiten. Über die einen meinen alle, alles zu wissen und geben diese ach so hilfreichen Tipps. Aber ein Hirntumor macht Angst, er erschreckt die Leute.

Er ist etwas Fremdes, das einen unsicher macht, mit dem man nicht umgehen kann und oft auch nicht will. Und man weiß ja (also, man meint es zu wissen), dass er die Betroffenen sowieso fast gleich sterben lässt, aber zuvor sind sie erst mal pflegebedürftig, bekloppt oder so, und bestenfalls werden die pflegenden Angehörigen bedauert, ohne ihnen wirksam zu helfen.

Ich habe es dann als meine Aufgabe angesehen, meine Umgebung durch meine Person und meine Aktivitäten davon zu überzeugen, dass ein Hirntumor den Betroffenen nicht "bekloppt" macht, dass man damit ein ganz normales Leben führen kann (mit Einschränkungen, aber die haben andere ja auch)
Nach und nach erfuhren es die Eltern, später auch Schüler. Es gab Staunen, Anerkennung.
Aber obwohl sie mich als normalen Menschen kannten, wurde nie zu sonstwem darüber geredet. Es blieb etwas zugleich Bewundernswertes und Unheimliches.

Eben fremd.
(Mir kommen dabei immer wieder die Gedanken an die "Fremden" -als eigenartiger Vergleich - in den Kopf, die hier einerseits wegen ihrer Schicksale bedauert und bewundert werden, aber man will mit ihnen nichts zu tun haben.
Bis man ihnen wirklich begegnet - und merkt, dass sie auch ganz normale Menschen sind.)

Ich merke auch jetzt (nachdem ich nicht mehr arbeiten darf) immer wieder diesen unterschiedlichen Umgang in der weiteren Familie und in den 2 Stunden Ehrenamt mit einigen aktiven Leuten, die alle wissen, dass ich Hirntumoren habe.
Hat irgendwer eine Krankheit, über die man meint, reden zu können, wird geredet, bedauert und einer übertrifft den nächsten mit den besten Tipps.
Taucht das Wort Hirntumor auf, setzt der Schreck und die Schockstarre ein.
Und selbst wenn ich dann vorsichtig sage, dass ich auch Hirntumoren habe, ändert das an dem Schweigen nichts.

Ich lebe mein Leben so normal, wie es ging und jetzt noch geht und "demonstriere" damit, dass man damit leben und agieren kann. Ich weiß, dass mir niemand Tipps geben wird, wo ich die besten Therapien finde, weil es (fast) keiner weiß. Das heißt, ich muss die Initiative ergreifen und auf die Menschen zugehen, die es mir wert sind.
Irgendwie so als "Botschafter für Hirntumorpatienten".

In unserem Ort gibt es einen Hirntumorbetroffenen, den ich vor seiner Diagnose kannte und mit ihm ungern umging. Meine Mutter erlebte ihn einmal in seiner dreisten Art und fragte mich, ob das am Hirntumor läge. Nein, denn auch Menschen mit Hirntumor ändern nicht unbedingt ihren Charakter - und ich gehe immer noch ungern mit ihm um, selbst seit es diesen Tumor als Gemeinsamkeit gibt.
Im Ort ist er bekannt und wird "unter der Hand" bedauert, ihm direkt sagt es kaum einer.

Ich weiß nicht genau, ob ich nicht auch "hinter vorgehaltener Hand" bedauert und bestaunt oder bewundert werde.

Aber offen geredet wird über heilbare Krankheiten.

("Tabu" sind ja viele "Behinderungen", aber auch psychisch Auffällige, Homosexuelle, Abtreibungen wegen möglicher behinderter Babys, u.a.)

Der verständnisvolle Satz eines Neurochirurgen: "Sie müssten Krücken an den Ohren hängen haben ...", gilt leider immer noch.

KaSy

asteri1

Ich habe die Erfahrungen leider auch in vielerlei Hinsicht machen müssen. Viele Menschen sind alleine schon genervt, weil ich aufgrund meiner Fusshebeparese nicht ganz so schnell gehen kann. Ich kann manchmal nur den Kopf schütteln.
Ich habe in meiner Umfeld erlebt, dass die gleichen Personen, sich für den Schutz behinderter Menschen, ausgesprochen haben.

alex90

Hallo zusammen,

bei uns war es auch so, dass unsere Beziehung innerhalb der Familie (Mama, Papa, Papas Schwester und ich) deutlich intensiver wurde nach der Diagnose "Glioblastom".

Wir mussten leider im Verlauf der Krankheit feststellen, dass sich einige Freunde und Bekannte nicht mehr gemeldet haben. Wir gingen immer offen mit der Erkrankung von Papa um. Weshalb sich aber Freunde und Bekannte von uns abwendeten, können wir bis heute nicht sagen.

Papas Tod ist nun schon 14 Monate her und wir haben seit der Diagnose im April 2018 von vielen nichts mehr gehört...

Deshalb ist es umso wichtiger, dass Mama und ich noch zusammenhalten, denn leider ist Papas Schwester zwischenzeitlich auch verstorben.

Liebe Grüße
Alex

Antworten nur für eingeloggte Benutzer möglich

Nur angemeldete Nutzer können eine Antwort erstellen. Bitte loggen Sie sich ein oder erstellen Sie einen Account.