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Thema: Verschlechterung der Belastbarkeit durch Sport??

Verschlechterung der Belastbarkeit durch Sport??
Ottilie82
19.10.2024 12:11:52 Neu
Hallo zusammen,

Ich bin 41 Jahre alt und Ende März dieses Jahres an einem größeren (4x5cm) infratentoriellen Meningeom Grad 1 rechts operiert worden. Ich war vor der OP komplett asymptomatisch, postoperativ hatte ich leider eine erhebliche Sehstörung mit teilweiser Hemianopsie nach links, bedingt durch eine venöse Stauung der Sehrinde. Gott sei Dank hat sich diese im Verlauf der letzten Monate komplett zurückgebildet, auch die verstärkte Ermüdbarkeit durch optische Reize ist im Alltag mittlerweile nicht mehr vorhanden.

Da der Knochendeckel infiltriert war, wurde er nicht mehr eingesetzt, dh ich habe am rechten Hinterkopf einen Defekt der Schädeldecke von ca 7x5cm.

Ich habe vier kleine Kinder (zum OP Zeitpunkt noch alle im Kindergartenalter) und habe deswegen auf eine AHB verzichtet.

Nachdem ich den Alltag wieder ganz gut bewältigen kann, will ich wieder Sport treiben. Ich habe angefangen mit ca 20min Pilates am Tag, das bringt mich schon an die Leistungsgrenze, habe viel Kondition verloren.

Was mich total irritiert: Ich merke nach dem Sport eine Verschlechterung meiner „Hirnsymptomatik“, dh ich bin visuell wieder leichter erschöpft und auch verstärkt lärmempfindlich. Ich kann mir das physiologisch nicht gut erklären uns bin auch echt frustriert deswegen, da ich meinte, über den Berg zu sein. Pilates führt ja auch nicht zu besonderer Erschütterung des Gehirns.

Hat jemand hier ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie ging es weiter? Ich möchte schon sehr gerne wieder fitter werden, bin nie besonders sportlich gewesen aber eine Basiskondition hätte ich schon gerne.

Vielen Dank fürs Mitlesen und für alle Rückmeldungen!
Ottilie82
Mirlie
19.10.2024 13:51:50 Neu
Hallo Ottilie82,
diese Beschwerden haben evtl. gar nichts mit Erschütterung des Gehirns zu tun sondern mit der Anspannung veränderte Druckverhältnisse aufs Hirn, je nach Intensität der Übungen.

Ich selbst habe am linken Hinterkopf eine fehlendes Knochenstück, sportlich bewege ich hauptsächlich die größten Muskeln des Körpers im Oberschenkel - also Laufband und Ergometer, weil mir die Kraft und Ausdauer beim normalen Gehen fehlt.

Falls diese Auffälligkeit mit der Meningeom-OP überhaupt etwas zu tun hat?
Deine Kondition war womöglich schon sehr reduziert, so dass erst mal ein Fundament der Fitness neu gelegt werden muss: so wie du oben schreibst - erst mal "über den Berg sein" (konditionell).


Gruß Mirlie
Mirlie
KaSy
19.10.2024 15:40:46 Neu
Hallo, Ottilie82

Du hast zunächst OP-Folgen beschrieben, die nach einem halben Jahr nicht mehr da sind.
Das ist ein normal-üblicher Zeitraum dafür, es dauert mitunter länger oder kürzer. Bei Dir ist das sehr gut.

Dass Du nicht zur AHB warst, weil Du vier kleine Kinder hast, ist eine Möglichkeit.
In der AHB wird sofort mit "moderater" Bewegung allein, in Gruppen und mit einem Belastungsplan begonnen. In dieser Zeit hättest Du gemerkt, wie sich die OP-bedingte "miserable" Fitness nach und nach steigert.

Du hast zu Hause vier Kinder, die so klein sind, dass sie Dir auch körperliche Aktivität "abverlangen".
Eigentlich, denn so, wie Du Dich beschreibst, fehlt Dir derzeit viel mehr an körperlicher Belastbarkeit, als es durch die OP bedingt sein könnte.

Nun ist es so und Du fragst nach Erfahrungen, wie Du aus dieser zu langen "kaum Aktivität" wieder herauskommen kannst.

Pilates ist eine sanfte Bewegungsart, die ein guter Start sein könnte, wenn Du auf Dich, "auf Dein Bauchgefühl" hörst und bei oder ganz kurz nach dem Erreichen der Belastungsgrenze aufhörst. Vielleicht nimmst Du die Zeit, notierst sie und merkst, dass sie im Laufe eines längeren Zeitraums länger wird.

Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dass die Kinder allein Dich bereits "in Bewegung bringen". Das geschieht automatisch, wenn Du als Mama alles Mögliche mit ihnen tust.

(Ich hatte nach meiner 1. und 2. OP drei Kinder allein, ich war zur AHB und danach brauchte ich kaum gezielten "Belastungssport", weil die Kinder "mich auf Trab hielten". Sie waren etwas älter und wenn sie in der Schule waren, ruhte ich mich aus, aber wenn sie heimkamen, forderte mich jeder anders mit geistiger und körperlicher Aktivität.)

Dass Du Dich nach Sport genauso "überlastet" fühlst wie nach geistigen Anforderungen, ist gut erklärbar.
Beides wird von unserem Gehirn "gesteuert" und jede Aktivität ist Belastung.

(Ich musste das auch erfahren und lebe damit. Entweder bin ich körperlich aktiv oder geistig - jede Aktion ist anstrengend. Ich habe mich jetzt, wo die Kinder schon lange eigene Familien haben, darauf eingestellt, jede Aktion mit einem Sinn für andere und mich zu erfüllen. Körperlich gehe ich einkaufen, koche mir Essen oder mache etwas im Garten, um mich "geistig" dort wohlzufühlen. Stillsitzen kann ich irgendwie nicht, also fordere ich mich mit komplizierten z.B. Sudokus oder anderen Spielen "auf Zeit" verschiedener Art, die ich für mich als "Hirnleistungstraining" ansehe und die mich "beruhigen". Hinzu kommen viele Alltags- und "Arzt- Organisations- Fragen und auch Schwierigkeiten.
Alles ist Forderung und wenn ich "psychisch" überlastet bin, dauert es Stunden oder Tage, bis mir "körperlich" irgendetwas gelingt. Fordern mich körperliche Aktivitäten zu sehr heraus, kann ich mich danach Stunden oder Tage kaum auf etwas konzentrieren.
Ich muss dazu sagen, dass meine Tumoren im Persönlichkeitsbereich waren und ich sehr viele Hirn-OPs und auch drei Strahlentherapien hatte.)

Aus meiner Erfahrung ist diese Belastung bei mir zuviel, bei Dir wirst Du es schaffen, sie mit dem "normalen" Alltag mit den Kindern, dem Essen bereiten (körperlich anstrengend) und mit den "geistig + körperlich belastenden und schönen Organisationen für die Familie (Kindergarten, Schule, Hausaufgaben-Hilfe, Wissens- und lustige Tempospiele drinnen und draußen, Bewegung mit den Kindern und so vieles mehr) immer besser hinzubekommen. Allein der normale Familienalltag hat in Deiner Familie so viel mit Bewegung zu tun. Die Kinder gehen (!) doch noch gar nicht allein zur Schule und in den Kindergarten, bring sie zu Fuß hin, hol sie ab. Finde für das ältere Kind oder für jedes Kind Aktivitäten mit Sport oder so, wo Du sie hinbringen und abholen kannst.

(Ich habe mich damals in eine Kinder-Bewegungs-Gruppe als "Helferin" mit eingebracht, auch das fördert die eigene Bewegung und die Gemeinsamkeit mit den Kindern außerhalb der Wohnung. Ich habe nach 6 Monaten langsam wieder mit der Arbeit begonnen. Auch da merkte ich, wie "wenig" äußerst "zu viel" sein kann. Aber auch das steigerte sich mit dem normalen Berufs-Alltag. Insgesamt war ich jedoch erst nach 2 Jahren so fit wie zuvor, das merkte ich im Nachhinein.)

Du hattest eine schwere OP im Gehirn, Du hast Zeit zum Ausruhen mit geringer Aktivität gebraucht, nun beginne sanft mit der Steigerung und wundere Dich nicht mehr, wenn die eine oder die andere Art der Belastung Dich fordert. Gehe immer ein kleines Stück über die Grenze hinaus, die Grenze kann auch mal weiter weg oder näher dran sein, aber insgesamt wird es Dir gelingen!

KaSy
KaSy
Prof. Mursch
19.10.2024 21:39:03 Neu
Welche Argumente gab es dagegen, den Defekt im Schädeldach zu verschließen?

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
Ottilie82
19.10.2024 23:07:07 Neu
Keine harten Argumente außer Tradition der behandelnden Klinik. Die Kollegen sind der Meinung dass die muskuläre Deckung ausreichend ist, kosmetisch ist es nicht störend.

Ich überlege hin und her, ob ich doch noch mal eine Knochenprothese einsetzen lasse, scheue hauptsächlich den operativen Eingriff.
Welchen Vorteil würden Sie in der Deckelung sehen?

Vielen Dank!
Ottilie82
Prof. Mursch
20.10.2024 05:37:54 Neu
Im Kleinhirnbereich wird das manchmal so gemacht. Man weiß aber zumindest vom Großhirn, dass die andere mechanische Belastung nicht so gut für das Gewebe und die Funktion sein kann, wenn der Defekt so groß ist.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
kujessu
20.10.2024 08:42:56 Neu
@Ottilie82

Wie kam es dazu, dass der Tumor entdeckt wurde? Gab es Probleme mit der Nase, mit einem Ohr etc., sodass ein MRT gemacht wurde? Oder eine Gehirnerschütterung? Einen Grund gibt es ja eigentlich nahezu immer, soweit ich weiß, denn ein MRT vom Kopf zur Feststellung von Tumor-Zufallsbefunden ist ja weder im Kindesalter als Pflichtuntersuchung vorgesehen noch im Erwachsenenalter als eine typische Krebsvorsorgeuntersuchung (obwohl das Letztere eigentlich sehr logisch wäre). Oder hast du von der Problematik von Hirntumoren von anderen Menschen gewusst und einfach so ein MRT machen lassen und selbst dafür bezahlt?

Ich war nämlich im Jahr 2020 wegen ständiger Müdigkeit extra in einer Uni-Klinik zum Ganzkörpercheck, alles wurde durchgescannt, und selbst da kam keiner auf die Idee, dass ich einen Hirntumor haben könnte, ein MRT vom Kopf wurde nicht gemacht. Der Tumor wurde dann erst nächstes Jahr (ungefähr in einem halben Jahr danach) entdeckt, weil ich nach mehreren epileptischen Anfällen am selben Tag den Notruf wählte.

Irgendwie finde ich die Frage interessant, wie es zum MRT kommt, wenn tatsächlich nichts im oder am Kopf Probleme macht. Ich habe das manche hier schon gefragt, der eine hatte vorher Taubheitsgefühl links unten am Gesicht gehabt, der andere ständige Kopfschmerzen, der dritte hatte einen Erinnerungsausfall und einen Krampfanfall nach einer Alkohol-Party, aber immerhin, manches war ja trotzdem nicht in Ordnung.
kujessu
Ottilie82
20.10.2024 09:54:12 Neu
@kujessu

Ich hatte Ende 2021 eine heftige Gehirnerschütterung und habe ein CT machen lassen, da zeigte sich das Meningeom als Zufallsbefund. Ist nicht selten!
Habe es dann erst kontrollieren lassen weil ich fast parallel merkte dass ich schwanger war.
Anfang des Jahres war es dann deutlich größer geworden im MRT, sodass klar war dass ich es so nicht lassen kann. Beschwerden hatte ich weiter keine, auch nicht in der eingehenden neurologischen Untersuchung.
Ottilie82
kujessu
20.10.2024 10:01:23 Neu
@Ottilie82

Alles klar, danke. Also, ich kann aus meiner Erfahrung sagen, Tumoren wachsen schubweise. Also, bei mir war der zweite Tumor innerhalb eines halben Jahres stark gewachsen, und dann aber innerhalb der nächsten anderthalb Jahre gar nicht. Also, es ist nicht Fakt, dass der Tumor dann immer im gleichen Tempo weiter wächst. Aber wenn du das wusstest, dann war das ja eine informierte Entscheidung, und keine Entscheidung, die du bereust, das ist das Gute daran.
kujessu
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