Hallo Zeitblume
Du liegst sicher nicht falsch damit, dass man bei einem schwierig zu operierenden Hirntumor kaum etwas dagegen ausrichten kann, dass man danach fix und alle ist.
Vor allem wenn wenn im Stirnlappen und in der Schädelbasis operiert wird, ist eine längere Zeit zur Erhohlung vorprogrammiert. Ich fürchte auch, dass man dann im Vorfeld machen kann was man will, es nützt kaum.
ich hatte meinen Tumor im sensorischen Areal des Scheitellappens, der neben der Gefahr von postoperativen Gefühlsdefekten, eher weniger sensibel ist. Einziger Schaden der entstanden ist, ein tauber Daumen. Allerdings fühlte der schon vor der OP nicht mehr besonders viel. Ansonsten vom Areal her hab ich natürlich Glück gehabt.
Ein Arbeitskollege hatte einen Astro III im oberen Teil des Stirnlappens, der ist 4 Jahre nach der OP noch nicht der Alte. Kommt kaum Treppen hoch, hat extreme Konzentrations Probleme und ist aufgrund seines Zustands nur noch 30% Erwerbsfähig. Kommt zweimal die Woche halbtags. Wir sprechen jede Woche miteinander und ich spüre dass ihm eigentlich das Verständnis dafür fehlt, warum ich rumlaufe als wäre nichts gewesen. Nicht dass er es mir nicht gönnt, aber für ihn ist das kaum nachvollziehbar. Er sagt oft, dass es mitder heutigen Erfahrung vielleicht bessser gewesen wäre, wenn er sich nicht hätte operieren lassen. Es sei kein Vergleich zu seinem alten Leben, aber er hatte aufgrund der malignität eben keine Wahl.
Für mich war der Sport und die Erhöhung der körperlichen Leistung nichts anderes, als ein Rettungsanker der mir den nötigen Halt gab. Ich dachte mir immer, so fit wie ich bin haut mich nichts um und ich brauche keine Angst vor der OP zu haben. Bevor ich den Sport für mich als Mittel gefunden hatte, sah meine Welt schrecklich und von Ängsten zerfressen aus. Oh ja, ich hatte auf deutsch gesagt unheimlich Schiss davor. Erst mit der körperlichen Fitness und der endgültigen Zusage zur OP mit Absprache des Termins, viel diese Angst von mir ab. Respekt hatte ich noch davor, natürlich, aber diese furchtbare Angst war weg.
Am Tag als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hatte ich auch ein Mega seelisches Tief. Mit dem Wissen dass alles gut gegangen war und ich es überstanden hatte, brachen so ziemlich alle Dämme,ohne dass ich auch nur irgendetwas dagegen machen konnte. Eigentlich ein schöner Tag wenn man heim darf, aber für mich war es schlimm und ich weiss bis heute nicht warum. Nach zwei Tagen war dieses unheimlich traurige Gefühl verschwunden und es kam auch nie wieder zurück.
Ich für mich vermute, dass ein Eingriff am Gehirn die Seele, vielleicht durch fehlende oder zu hohe Mengen an Hormonen, sehr stark beeinträchtigt. Ich sehe auch nach 3 Monaten noch die Markierungen und Rillen in meinen Fingernägeln, die nach der OP an allen Fingern aufgetaucht sind. Mein Hausarzt meint, es sei ein Hinweis auf eine kurzzeitige Unterversorgung in der Zeit vor oder nach der OP. Auch die Haut wurde im Gesicht in Mitleidenschaft gezogen, wurde trocken, rötete sich an verschiedenen Stellen und juckte wie verrückt. Haare vielen vermehrt aus. Für mich war das keine Unterversorgung, sondern zusammen mit der kurzen Depression ein Aufschrei der Seele. Die Hormone spielen einfach verrückt.
Heute hab ich keine Probleme mehr, die Rillen auf den Nägeln sind kurz davor heraus zu wachsen, die Haare sitzen wieder fest und die Haut ist wie eh und je ohne irgendwelche Rötungen oder Juckreiz. Auch die Traurigkeit kam nie mehr, ich bin also wieder im normalen Leben angekommen und mache meinen stressigen Job wie eh und je. Wenn ich versage, sind Millionen futsch - aber es ist nur Geld und wir alle wissen, es gibt wichtigeres...
Ich habe am Mittwoch übrigens mein erstes postoperatives MRT und treffe meinen Chirurgen wieder. Bin sehr gespannt wie es jetzt in meinem Kopf aussieht. Vor allem ob der Knochendeckel wieder anwächst, wobei das im MRT glaub nur schwer erkennbar ist. Aber mal sehen.
Allen weiterhin eine rezidivfreie Zeit und alles Gute