Liebe Mirli, Mego und Interessierte,
von vornherein möchte ich sagen, dass wir in Bezug auf die Fahreignung und das Fahrverbot die gleichen Interessen haben.
Für mich war die Information der Deutschen Epilepsievereinigung über das Fahrradfahren bzw. das Fahren mit den immer mehr werdenden Varianten von Zweirädern durch Epilepsiepatienten sehr wichtig, da ich dazu noch keine Informationen gefunden hatte. Logisch ist es und mein Arzt (Oberarzt der Neurochirurgie im KH) hat mich nach meinem ersten Anfall sofort auch darüber aufgeklärt.
Nun aber zur Frage, wie man als Person, die Anfälle hat oder hatte, nachweisen soll, dass man seit 3 oder 6 oder 12 oder 36 Monaten anfallsfrei ist.
Ich gehe immer zu demselben Neurologen bzw. dessen Nachfolger, um mir die Antikonvulsiva (Medikamente, die die Anfallsschwelle erhöhen) verschreiben zu lassen.
Die EEGs haben bisher nie einen Anfall aufgezeichnet.
(Das liegt daran, dass ein EEG nur dann einen Anfall aufzeichnet, wenn er gerade stattfindet, evtl. kann der Neurologe Hirnregionen erkennen, in den Anfälle ausgelöst werden oder ausgelöst werden könnten.)
Nun ist der Neurologe auf meine Aussage darüber angewiesen, ob und wenn, dann wie oft, wie lange, zu welcher Tageszeit und mit welcher Ausprägung ich Anfälle hatte.
Das beantworte ich ehrlich, weil ich verantwortungsbewusst bin.
Nun kommt die egoistische Variante:
Ich kann meinem Neurologen mit vollster Überzeugung sagen, dass ich mit dieser Medikation seit z.B. einem Jahr keine Anfälle mehr hatte, obwohl ich gar nicht anfallsfrei bin.
Denn ich möchte oder muss unbedingt Auto fahren.
Ich muss nämlich zur Arbeit fahren, muss die Kinder in die Einrichtungen bringen, muss einkaufen, muss zum Arzt fahren, möchte gern Freizeiteinrichtungen besuchen oder in den Urlaub fahren.
Ich habe das immer so gemacht und ich will das nach einer gewissen Zeit weiter so machen und da interessiert es mich überhaupt nicht, welche Regeln im Straßenverkehr für die Fahrerlaubnis oder für das Blinken oder das Parken vor Schulen in der Feuerwehrzufahrt oder für die Geschwindigkeit oder für die rote Ampel oder für Fußgängerüberwege oder für sonst welche Regeln gelten, die für mich ja sowieso nie ganz so wichtig waren, wenn ich es einfach mal eilig hatte, um die Kinder vor der Arbeit in die Schule zu bringen und auf dem Rückweg zwischendurch den Einkauf zu erledigen, um dann kurz vor Ende der Betreuungszeit die Kleinen wieder abzuholen ...
Was scheren mich die vielen Regeln, jede habe ich schon mal nicht beachtet und nichts ist passiert. Und jetzt wird auch nichts passieren.
Dem Arzt werde ich also erzählen, wie ich das mit vielen Hilfen zuvor überbrückt habe, jetzt aber schon lange anfallsfrei bin, obwohl ich es nicht bin.
Ich werde die Tests auf Konzentration, Reaktionsschnelligkeit, Erfassen und Berücksichtigen äußerst vieler Ereignisse usw., auf die ich mich vorbereiten kann, bestehen.
Auch im weiteren Gespräch werde ich dem Arzt überzeugend darlegen, dass ich äußerst vorsichtig fahren, große Sicherheitsabstände lassen und bei Müdigkeit sofort anhalten und eine Pause machen werde ...
Der Arzt und auch der mich begutachtende Verkehrsmediziner ist auf meine Aussagen angewiesen - und ich kann ihn austricksen.
Was bleibt dem Arzt dann anderes übrig, als mir die Fahrtauglichkeit zu bescheinigen.
Dann habe ich meinen "Darfschein", verliere meine Arbeit nicht - und gefährde im öffentlichen Verkehr Unbeteiligte, meine Kinder und mich selbst.
Jetzt wieder real von der Sicht des Egoisten zum Handeln des Verantwortungsbewussten:
Ich selbst habe das Auto aus diesen Gründen in den Jahren 2016-2017 14 Monate stehen lassen und es gab keinerlei finanzielle Unterstützung oder Krankentransport-Verordnungen für den Fall eines Fahrverbots.
(Ich lebe allein in einer Gegend, wo ich mit dem öffentlichen Personennahverkehr für Fahrten Stunden länger benötige. Meine drei Kinder haben eigene Familien und wohnen nicht "um die Ecke".)
Im Forum erhielt ich auf meine diesbezügliche Frage, wie ich denn wenigstens zum Arzt komme, keine Antwort.
Ich ging zu Fuß einkaufen, bat Verwandte und Bekannte um Hilfe, musste aber dennoch Arztbesuche ausfallen lassen, da sie zu den Öffnungszeiten gearbeitet oder ihre Kinder betreut haben.
Das ist die Realität!
Natürlich hätte ich mir während oder nach Ablauf dieser Zeit einen Neurologen suchen können, der auf Verkehrsrecht spezialisiert ist. Das kann dann (wie das Beispiel von Kiez1979 zeigt) drei Monate dauern, bis ich den Termin habe. Dass das so lange dauert, kann ich ja vorher nicht ahnen. (Und Kiez1979 arbeitet schon wieder, ich hätte 4 km zu Fuß laufen müssen.) Für mich steht dann die Frage, wie komme ich nun auch noch zu diesem Arzt, wenn ich schon mehr als ein Jahr lang immer um Hilfe bitten musste, um überhaupt wenigstens zum Arzt zu kommen.
Ich weiß doch selbst, dass ich ein Jahr lang keine Anfälle mehr hatte. Ich habe mich im Alltag als Fußgänger im öffentlichen Verkehr doch ausprobiert und weiß, dass ich reaktionsschnell bin und konzentriert genug, um auch viele gleichzeitige Situationen erfassen und berücksichtigen zu können. Ich weiß das schon seit einigen Monaten und halte das Fahrverbot trotzdem ein. Und ich werde zu Zeiten, an denen die Straßen wenig befahren sind, sehr vorsichtig zu fahren beginnen. Ich bin mir der Gefahr bewusst und werde sehr lange noch besonders aufmerksam und rücksichtsvoll fahren. Ich will keinesfalls meine Fahrerlaubnis gefährden.
Was soll ich dem Verkehrsneurologen denn anderes sagen?
Entweder glaubt er mir oder nicht.
Falls ich in einen Unfall gerate, schuldhaft oder nicht, kann ich, falls er überhaupt durch meinen epileptischen Anfall ausgelöst wurde bzw. falls ich danach gefragt werde, mit Hilfe meines (einen!) Neurologen und meines Anfallstagebuches nachweisen, dass ich ein Jahr lang anfallsfrei war.
Aber wenn dieser Unfall durch einen durch mich nicht vorhersehbaren Anfall (nach mehr als einem Jahr Anfallsfreiheit) ausgelöst wurde, dann weiß ich, dass ich wenigstens ein Jahr nicht mehr Auto fahren darf.
Zusätzlich findet dann die Begutachtung statt, die sich nach den Begutachtungsleitlinien richtet, in der für mich geregelt ist, dass ich nach einem Jahr Anfallsfreiheit wieder fahrtauglich bin bzw. war. Dieses Jahr kann ich nachweisen, ob durch mein Anfallstagebuch (in dem seit mehr als einem Jahr nichts mehr steht) und meinen Neurologen (der mich seit längerem kennt) oder durch ein Gutachten eines "Verkehrsneurologen". Ich hätte mit einer Strafe zu rechnen und das muss dann auch sein. Denn mein Gewissen würde mich nicht in Ruhe lassen, wenn ich anderen und mir geschadet hätte und ich straffrei bliebe.
Das einzige, was mein Gewissen vermutlich etwas weniger belasten würde, wäre, dass ich mit der Gewissheit gefahren bin, dass ich ein ganzes Jahr lang und noch danach keine Anfälle hatte. Ich konnte das nicht ahnen. Und mein Neurologe konnte das auch nicht vorhersehen. Eine Katastrophe wäre es trotzdem.
Hätte es ein Verkehrsneurologe in seinem Gutachten vorhersagen können?
KaSy