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La_Isa

Hallo!
Mein Partner hat Anfang Juni nach einem Krampfanfall die Diagnose Diffuses Astrozytom Grad 2 bekommen. Er wurde zwei Wochen später operiert. Zuerst meinten die Ärzte, der Tumor sei komplett raus, obwohl er in den Stammganglien beim Sprachzentrum saß. Nun hieß es, nachdem die Radiologie 6 Wochen (!) nach der OP aufs MRT-Bild schaute, es sei vermutlich doch noch Resttumor vorhanden. Die Beratungstermine waren ab da komplett wirr, teilweise haben die Ärzte vereinbarte Termine vergessen. Nun soll mein Freund ab 17.8. bestrahlt werden, die OP ist da schon 10 Wochen her! Ist das normal, dass so lange mit der Bestrahlung gewartet wird? Der Tumor sollte doch eigentlich direkt am Wachstum gehindert werden, oder nicht? Nun hatte er zehn Wochen Zeit, um wieder zu wachsen.. Von den Ärzten bekamen wir bisher null Unterstützung, jeder sagt etwas anderes. Wir sind verzweifelt.. wartet man mit einer Bestrahlung immer so lange, was habt ihr für Erfahrungen gemacht?

LG!

KaSy

Liebe La_Isa,
Nach einer Operation eines Hirntumors kann nicht sofort eine Bestrahlung erfolgen. Die OP-Naht muss erst sicher genug zugeheilt sein.
Die Heilung geschieht dadurch, dass die Zellen des zertrennten Gewebes (auch innen) durch den Schnitt (wie bei einer Verletzung) dazu angeregt werden, sich zu teilen, um die Wunde rasch zu verschließen. Der Körper schützt sich auf diese Weise selbst vor eindringenden Keimen, Erregern usw., die eine Entzündung hervorrufen würden.
Wenn nun genau dort die Strahlen auftreffen und bis zum Resttumor gelangen, werden sie genau das verhindern.
Denn sie sollen ja die Zellen in ihrer Zellteilungsphase treffen, um durch die Störung der genetischen Information im sich teilenden Zellkern die Entstehung neuer Tumorzellen möglichst zu verhindern.
Wenn das während der Phase der Wundheilung geschieht, wird diese Wunde nie wirklich heilen und stellt ein Dauerproblem dar.

Die postoperativen MRT- Bilder schaut sich möglicherweise ein Radiologe an. Entscheidend ist aber das große Interesse des Neurochirurgen, der die OP durchgeführt hat. Er kann, ausgehend von seiner OP, nicht sicher genug sagen, ob er den Tumor wirklich vollständig entnehmen konnte oder ob ein Rest, den er nicht sehen konnte, verblieben ist.
Ein atypisches Astrozytom (= WHO II) ist ein Tumor, der infiltrierend wächst. Das bedeutet, dass seine Zellen auch im gesunden Gewebe vorkommen. Das ist auch mit den besten Möglichkeiten wie z.B. einem OP-Mikroskop sowie durch Blutungen durch die OP nicht sicher erkennbar.
Selbst bei Meningeomen, die nicht infiltrierend im Gehirn wachsen, wird im Anschluss, wenn es dem Patienten (und je nach den Möglichkeiten in der Klinik) zugemutet werden kann, nach der OP aus der Intensivstation (ITS) heraus eine MRT zur OP-Erfolgskontrolle durchgeführt..
Das ist bei Deinem Partner geschehen und diese MRT-Bilder hat sich der Neurochirurg angeschaut. Wäre dort ein Resttumor zu sehen gewesen, hätte er ihn nicht aus der ITS in das Patientenzimmer gelassen, sondern wieder in den OP-Saal bringen lassen.

Ich selbst bin mehrfach an anaplstischen (WHO III) Meningeomen operiert worden und kenne diese Vorgänge. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass ein Neurochirurg nach einer Hirntumor-OP nach Hause geht, ohne sich vergewissert zu haben, dass die OP so verlaufen ist, wie er es angestrebt hat.

Dreimal wurde bei mir nach den Operationen nachbestrahlt.
Das erste Mal waren es 7 Wochen, bis der Strahlenarzt einigermaßen sicher war, dass die Wundheilung wirklich beendet war. Es blieb eine kleine Stelle, die nie vollständig heilte und später zu Problemen führte.
Die 2. Bestrahlung erfolgte knapp 4 Wochen nach der OP, da war der Schnitt aber sehr kurz gewesen.
Die 3. Bestrahlung konnte wegen einer langwierigen Wundheilungsstörung erst mehr als ein Jahr nach der OP erfolgen. Diesmal war es "nur" ein atypisches Meningeom und es wurde das Wachsen des Resttumors häufiger im MRT kontrolliert, bis die Bestrahlung trotz meines noch nicht sehr stabilen Zustandes erfolgen musste.

Bei Deinem Partner ist es ein atypisches Astrozytom, das zwar wächst, aber langsam. In den 10 Wochen ist der Resttumor nicht bedeutend größer geworden. Wenn seine Bestrahlung jetzt geplant wird, wird die aktuelle Größe des Resttumors mit einer CT ermittelt. Dann wird die Bestrahlung von den Strahlen-Physikern so geplant, dass um den Resttumor bzw. um die Tumorresthöhle ein Sicherheitssaum von 2 cm mit bestrahlt wird, um diese versteckten Zellen mit zu treffen, aus denen Rezidive werden könnten.

Ich habe Dir das so genau erklärt, weil ich das Gefühl habe, dass Du verständlicherweise eine riesige Angst um Deinen Partner hast. Du stellst jedoch die Arbeit der Ärzte infrage.

Es ist der Tumor, der Deinem Partner das angetan hat, unter dem er und Du leiden.

Die Ärzte helfen ihm!

(Gab es nach der OP eigentlich Sprachprobleme?)

Die Zeit, die seit der OP vergangen ist, kann durchaus dazu genutzt worden sein, den histopathologischen Befund der Tumorzellen zu erfahren. Der vollständige Befund mit den genetischen Tumormerkmalen liegt mitunter erst nach 2 Wochen vor. Dann könnte die Tumorkonferenz getagt haben, an der mehrere Fachärzte (Neurochirurgen, Strahlenmediziner, Onkologen und evtl. weitere Ärzte) teilnehmen, um gemeinsam für Deinen Partner individuell die weitere Therapie bzw. Therapiekombination festzulegen und dann zu veranlassen.

Natürlich kann es auch sein, dass in dieser Klinik irgendetwas nicht so gelaufen ist, wie Ihr beide es erwartet habt.
Denkt gut darüber nach, fragt nach, Ihr könnt auch woanders weitere Meinungen einholen. Wichtig ist, dass es nicht zu einem Abbruch der geplanten Bestrahlung kommt.
Es ist auch möglich, dass die Tumorkonferenz zu einer Chemotherapie geraten hat.
Bei Oligodendrogliomen, die eine etwas günstigere Prognose haben, wird das beim WHO-Grad II bereits in der Erstbehandlung empfohlen, da es ohne Chemotherapie vermehrt zu Rezidiven gekommen war.)

Es wäre gut, wenn die gesamte Therapie in einer Klinik erfolgen würde. Wenn nicht, ist es für Deinen Partner aufwändiger, aber nicht weniger erfolgreich.

Ich wünsche Euch sehr, dass Dein Partner möglichst gut durch diese längere Zeit kommen wird und durch Dich ruhiger begleitet wird.

KaSy

kbb

Liebe La_Isa,

auch ich leide unter einer Läsion in den Stammganglien.
Mir ist bezüglich einer Bestrahlung gesagt geworden, dass es zu einer Reihe von Beeinträchtigungen kommen kann (aber nicht muss), da es eine hochsensible Hirnregion ist. Was genau passieren könnte, ist bislang gar nicht alles erforscht. Gesundes Gehirngewebe muss in der Lage unbedingt geschützt werden! Ich würde mich also dringend vorab mit den möglichen Konsequenzen beschäftigen und weitere Meinungen einholen. In der Regel dauert es maximal 2 Wochen einen Termin zu erhalten- bei mir ging es oft schneller. Einige Unikliniken bieten mittlerweile Videosprechstunden an.

Ein FET PET könnte Aufschluss geben über den aktuellen Status quo.

Was mir in Heidelberg gesagt wurde ist folgendes: Eine Bestrahlung ohne Chemotherapie sei nicht gesichert lebensverlängernd.

Liebe Grüße!

La_Isa

Liebe KaSy,
Vielen lieben Dank für deine ausführliche Erklärung, schade dass ich solche aufklärenden Informationen trotz zig Anrufen nicht von den Ärzten bekommen habe. Ich bin jetzt tatsächlich etwas beruhigter, vor allem was die Bestrahlung betrifft. Ich hatte mich so sehr aufgeregt, da der eine Arzt meinte es sei egal ob der Tumor wieder gewachsen ist, da die Bestrahlung sowieso erfolgt - im Gegensatz dazu behauptete eine andere Ärztin drei Tage später, dass man dann halt schauen müsse ob man nochmal operiert. Das hat mich zur Verzweiflung gebracht. Vor allem in Momenten, in denen man eh schon am Rande der Verzweiflung und voller Angst ist.
Mein Partner hatte nach der OP tatsächlich sehr große Sprachprobleme, das hatte man uns aber vorausgesagt. In den letzten Wochen hat er sich dahingehend erstaunlich entwickelt und man hört ihm sprachlich fast nichts mehr an.
Nach der Bestrahlung soll auch noch eine Chemotherapie mit Temodal erfolgen. Am Freitag haben wir per Videotelefonat einen Termin zur Zweitmeinung in Heidelberg, ich bin sehr gespannt auf die Meinung des Arztes dort, obwohl sich vermutlich nicht viel Neues ergeben wird.
Wie hast du denn deine Bestrahlungen vertragen? Wird die Dosis dann bei jedem weiteren Mal geringer?

LG La_Isa

La_Isa

Liebe kbb,

Wir haben uns über die Nebenwirkungen beraten lassen, es hieß dass diese sich vermutlich in Grenzen halten. Am Freitag ist der Termin zur Zweitmeinung in Heidelberg, ich hatte aber davor schon E-Mail-Kontakt mit demjenigen Arzt und er meinte schon vorab, dass eine Bestrahlung mit anschließender Chemo vor allem in diesem Bereich das gängige Vorgehen sei. Anscheinend zeigten auch Studien, dass die Prognose mit dieser kombinierten Anschlusstherapie besser ist als nur mit Bestrahlung. Wurdest du denn schon bestrahlt bzw wann hast du deine Diagnose erhalten?

KaSy

Liebe La_Isa,
Bei Meningeomen ist man normalerweise mit Bestrahlungen sehr vorsichtig, da die Betroffenen eine fast normal lange Lebenszeit haben. Jede OP und jede Bestrahlung können zu Beeinträchtigungen führen, mit denen man dann sein Leben lang eingeschränkt leben muss.
Meningeom-Betroffene können mehrfach bestrahlt werden, aber nicht an derselben Stelle. Die Strahlendosis kann jedesmal an die Empfindlichkeit des nahe liegenden Gewebes angepasst werden. Bei mir waren es zweimal insgesamt bis zu 60 Gy, beim dritten Mal bis zu 54 Gy, da die Sehnerven zu schonen waren.
Meine Strahlenärztin passte akribisch darauf auf, dass sich die Bestrahlungsfelder nicht überschneiden. Selbst wenn an einer bestrahlten Stelle ein Rezidiv entstehen sollte, wird nicht ein weiteres Mal bestrahlt.
Die Erfahrungen der Strahlenmediziner mit äußerst vielen Meningeom-Bestrahlten sagen jedoch aus, dass bestrahlte Meningeome äußerst selten Rezidive bilden. Und falls doch - dann wird dennoch nicht bestrahlt.
Aber es ist möglich, immer wieder Operationen durchzuführen, um die sinnvollerweise zum Erhalt der Hirnfunktionen verbliebenen Resttumoren, die wieder wachsen, zu verkleinern.

Bei hirneigenen Tumoren habe ich gehört, dass Rebestrahlungen auch dann durchgeführt werden, wenn der operativ entfernte und bestrahlte und mit Chemotherapie behandelte Tumor ein Rezidiv bildet. Es betrifft also dieselbe Stelle. Es sollen möglichst mindestens 6 Monate seit der Bestrahlung vergangen sein, bevor diese Stelle erneut, jedoch mit einer geringeren Dosis, bestrahlt wird.

Wenn hirneigene Tumoren Rezidive bilden, muss rasch gehandelt werden.

Das ist anders, als jetzt bei Deinem Partner, wo durch den noch niedrigen WHO-Grad und die sonstigen Tumoreigenschaften zügig, aber mit Bedacht therapiert werden kann.

Im Fall von Rezidiven stehen alle Therapiemöglichkeiten wieder zur Verfügung. Es gibt dann wegen der Vorbehandlung mehr diagnostische Möglichkeiten, um Rezidive von Narben unterscheiden zu können. Es gibt speziellere Verfahren für die Operation und die Bestrahlung. Falls die besser erprobten und verträglicheren Chemotherapeutika ein Rezidiv nicht verhindern konnten, gibt es andere, die vielleicht andere Nebenwirkungen haben.

Aber das sind Informationen, die Dir nur etwas Sicherheit und vielleicht Ruhe geben sollen, dass immer noch etwas möglich ist, woran jetzt überhaupt noch gar kein Bedarf besteht.

KaSy

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