Liebe La_Isa,
Nach einer Operation eines Hirntumors kann nicht sofort eine Bestrahlung erfolgen. Die OP-Naht muss erst sicher genug zugeheilt sein.
Die Heilung geschieht dadurch, dass die Zellen des zertrennten Gewebes (auch innen) durch den Schnitt (wie bei einer Verletzung) dazu angeregt werden, sich zu teilen, um die Wunde rasch zu verschließen. Der Körper schützt sich auf diese Weise selbst vor eindringenden Keimen, Erregern usw., die eine Entzündung hervorrufen würden.
Wenn nun genau dort die Strahlen auftreffen und bis zum Resttumor gelangen, werden sie genau das verhindern.
Denn sie sollen ja die Zellen in ihrer Zellteilungsphase treffen, um durch die Störung der genetischen Information im sich teilenden Zellkern die Entstehung neuer Tumorzellen möglichst zu verhindern.
Wenn das während der Phase der Wundheilung geschieht, wird diese Wunde nie wirklich heilen und stellt ein Dauerproblem dar.
Die postoperativen MRT- Bilder schaut sich möglicherweise ein Radiologe an. Entscheidend ist aber das große Interesse des Neurochirurgen, der die OP durchgeführt hat. Er kann, ausgehend von seiner OP, nicht sicher genug sagen, ob er den Tumor wirklich vollständig entnehmen konnte oder ob ein Rest, den er nicht sehen konnte, verblieben ist.
Ein atypisches Astrozytom (= WHO II) ist ein Tumor, der infiltrierend wächst. Das bedeutet, dass seine Zellen auch im gesunden Gewebe vorkommen. Das ist auch mit den besten Möglichkeiten wie z.B. einem OP-Mikroskop sowie durch Blutungen durch die OP nicht sicher erkennbar.
Selbst bei Meningeomen, die nicht infiltrierend im Gehirn wachsen, wird im Anschluss, wenn es dem Patienten (und je nach den Möglichkeiten in der Klinik) zugemutet werden kann, nach der OP aus der Intensivstation (ITS) heraus eine MRT zur OP-Erfolgskontrolle durchgeführt..
Das ist bei Deinem Partner geschehen und diese MRT-Bilder hat sich der Neurochirurg angeschaut. Wäre dort ein Resttumor zu sehen gewesen, hätte er ihn nicht aus der ITS in das Patientenzimmer gelassen, sondern wieder in den OP-Saal bringen lassen.
Ich selbst bin mehrfach an anaplstischen (WHO III) Meningeomen operiert worden und kenne diese Vorgänge. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass ein Neurochirurg nach einer Hirntumor-OP nach Hause geht, ohne sich vergewissert zu haben, dass die OP so verlaufen ist, wie er es angestrebt hat.
Dreimal wurde bei mir nach den Operationen nachbestrahlt.
Das erste Mal waren es 7 Wochen, bis der Strahlenarzt einigermaßen sicher war, dass die Wundheilung wirklich beendet war. Es blieb eine kleine Stelle, die nie vollständig heilte und später zu Problemen führte.
Die 2. Bestrahlung erfolgte knapp 4 Wochen nach der OP, da war der Schnitt aber sehr kurz gewesen.
Die 3. Bestrahlung konnte wegen einer langwierigen Wundheilungsstörung erst mehr als ein Jahr nach der OP erfolgen. Diesmal war es "nur" ein atypisches Meningeom und es wurde das Wachsen des Resttumors häufiger im MRT kontrolliert, bis die Bestrahlung trotz meines noch nicht sehr stabilen Zustandes erfolgen musste.
Bei Deinem Partner ist es ein atypisches Astrozytom, das zwar wächst, aber langsam. In den 10 Wochen ist der Resttumor nicht bedeutend größer geworden. Wenn seine Bestrahlung jetzt geplant wird, wird die aktuelle Größe des Resttumors mit einer CT ermittelt. Dann wird die Bestrahlung von den Strahlen-Physikern so geplant, dass um den Resttumor bzw. um die Tumorresthöhle ein Sicherheitssaum von 2 cm mit bestrahlt wird, um diese versteckten Zellen mit zu treffen, aus denen Rezidive werden könnten.
Ich habe Dir das so genau erklärt, weil ich das Gefühl habe, dass Du verständlicherweise eine riesige Angst um Deinen Partner hast. Du stellst jedoch die Arbeit der Ärzte infrage.
Es ist der Tumor, der Deinem Partner das angetan hat, unter dem er und Du leiden.
Die Ärzte helfen ihm!
(Gab es nach der OP eigentlich Sprachprobleme?)
Die Zeit, die seit der OP vergangen ist, kann durchaus dazu genutzt worden sein, den histopathologischen Befund der Tumorzellen zu erfahren. Der vollständige Befund mit den genetischen Tumormerkmalen liegt mitunter erst nach 2 Wochen vor. Dann könnte die Tumorkonferenz getagt haben, an der mehrere Fachärzte (Neurochirurgen, Strahlenmediziner, Onkologen und evtl. weitere Ärzte) teilnehmen, um gemeinsam für Deinen Partner individuell die weitere Therapie bzw. Therapiekombination festzulegen und dann zu veranlassen.
Natürlich kann es auch sein, dass in dieser Klinik irgendetwas nicht so gelaufen ist, wie Ihr beide es erwartet habt.
Denkt gut darüber nach, fragt nach, Ihr könnt auch woanders weitere Meinungen einholen. Wichtig ist, dass es nicht zu einem Abbruch der geplanten Bestrahlung kommt.
Es ist auch möglich, dass die Tumorkonferenz zu einer Chemotherapie geraten hat.
Bei Oligodendrogliomen, die eine etwas günstigere Prognose haben, wird das beim WHO-Grad II bereits in der Erstbehandlung empfohlen, da es ohne Chemotherapie vermehrt zu Rezidiven gekommen war.)
Es wäre gut, wenn die gesamte Therapie in einer Klinik erfolgen würde. Wenn nicht, ist es für Deinen Partner aufwändiger, aber nicht weniger erfolgreich.
Ich wünsche Euch sehr, dass Dein Partner möglichst gut durch diese längere Zeit kommen wird und durch Dich ruhiger begleitet wird.
KaSy