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Thema: Warum sind die Prognosen bei Hirnmetastasen so schlecht?

Warum sind die Prognosen bei Hirnmetastasen so schlecht?
Mirili
28.05.2015 08:23:34
Hallo zusammen
Ich hoffe, ihr könnt mich unwissenden Neuling aufklären! Ende 2006 wurde bei meiner Mutter (Jg 1961) Brustkrebs diagnostiziert. Der Tumor war noch klein und wurde operativ entfernt. Danach folgten 3 Monate Chemo- und 6 Wochen täglich Strahlentherapie.
Da der Tumor auf Hormone ansprach, nahm sie fast 6 Jahre lang Tabletten und wurde im Frühjahr 2013 als geheilt erklärt.
Ende 2013 wurden dann Ableger in der Wirbelsäule entdeckt. 1 Wirbel war völlig durchfressen, ein zweiter etwas befallen. Wieder bekam sie Spritzen und Tabletten. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was genau. Sie spricht nicht gerne darüber. Ich weiss nur, dass der Tumor eine Mischform ist zwischen wuchernd und zerfressend (ich hoffe, ihr wisst, was ich meine). Die Diagnose lautet unheilbar, Prognose unbekannt.
Danach hielt der Krebs sich still. Bis sie diesen April Kopfweh bekam und Ausfälle beim Schreiben bemerkte. Sie hatte einen Hirntumor mit einem Durchmesser von 2cm am Hinterkopf, der an der Hirnhaut angewachsen ist. Die Symptome nennen sich Gerstmann- Syndrom. Sie wurde diese Woche operiert und der anschliessende Hirnscan zeigte, dass die Ärzte wohl alles rausbekommen haben. Nun meine Frage: ich lese überall, die Prognosen mit Metastasen im Hirn seien schlecht und selten überlebe der Patient auch mit optimaler Behandlung mehr als einige Monate. Warum? Bilden sich dauernd neue Metastasen? Meine Mutter hat sich vom ersten Befall 2006 erholt und ist wieder voll ins Leben eingestiegen. Nach der Diagnose "unheilbar" hatte sie ein psychisches Tief aus dem sie sich wieder hochgekämpft hat. Sie ist ansonsten gesund, fit, lebensfroh und mitten im Arbeitsleben. Sie hat weder Ableger im Skelett noch in Organen. Da wirken offenbar die Medikamente. Nur über die Hirnschwelle schafften sie es nicht. Darum meine Frage: warum sind die Prognosen so schlecht?
Ich danke für eine Antwort. In der Familie wird das Thema irgendwie totgeschwiegen.
Herzlich, Mirili
Mirili
alma
28.05.2015 10:12:24
Der erste Grund besteht in der Grenzüberschreitung des Krebses über das Ursprungsorgan hinaus. Dann sind die malignen Zellen im Blut, setzen sich woanders fest und bilden neue Tumore, die man manchmal erst suchen muss.
Hirnmetastasen behandelt man mit Bestrahlung. Der Grund: das Gehirn hat eine Sicherheitsschranke, die den Übertritt im Blut befindlichen von Substanzen (Gifte, Medikamente usw.) in das Gehirngewebe behindert, ein wichtiger schützender Vorgang. Deshalb muss die Chemotherapie gegen die Hirntumoren in der Lage sein, diese Schranke zu überwinden, denn das Medikament soll ja in den Tumor. Das wiederum können viele Mittel nicht, die für andere Krebsarten eingesetzt werden. Das macht eine Behandlung des ganzen Systems (wie die Chemotherapie es ist) so schwierig.
Und sicher bilden sich auch neue Metastasen, denn es handelt sich um eine chronisch fortschreitende Erkrankung. Wie schnell und in welchem Umfang das passiert, ist im Einzelfall natürlich verschieden.

Gruß, Alma.
alma
SpinEcho
28.05.2015 11:19:43
Sobald es erkennbare Metastasen gibt, ist die Prognose generell schlecht, denn für jede erkennbare Metastaste gibt es zu dem Zeitpunkt meistens schon mehrere Mikrometastasen, die man nur noch nicht finden kann.

Und das Gehirn hat jede Menge wichtiger Funktionen, kaum "Reservekapazität", um den Ausfall einzelner Areale zu kompensieren, und es ist vom harten Schädelknochen umgeben, der keine Möglichkeit bietet, einer wachsenden Raumforderung irgendwie auszuweichen.
SpinEcho
Supermama
28.05.2015 12:57:45
Hallo Mirili,

die anderen haben es schon beschrieben, es handelt sich um sogenannte Fernmetastasen und damit beim Krebs um das Stadium IV. Hier gilt, dass keine Heilung mehr erzielt werden kann. Aber ich habe gerade die Geschichte meines Vaters aufgeschrieben, die ich Dir hier noch einmal reinkopiere.Trotz schlechter Prognosen gibt es durchaus positivere Verläufe!

Mein Vater ist mittlerweile 75 Jahre alt und war bis zu seiner Tumordiagnose nie krank, hat ein Krankenhaus nur zu Besuch von innen gesehen. Das sollte sich Heiligabend 2012 ändern. Seine Lebensgefährtin rief an, dass mein Vater kaum sprechen könnte, die linke Seite nicht benutzen könnte, sich aber weigern würde, sich ins Krankenhaus bringen zu lassen. Mein Bruder fuhr hin, wir gingen auch von einem Schlaganfall aus. Gegen Mittag hatte mein Bruder ihn überredet. Das erste angefahrene Krankenhaus verlegte ihn gleich in ein größeres. Ziemlich schnell war klar, dass es sich um eine Hirnblutung handelte, ausgelöst durch einen Tumor. Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde er operiert. Zwischen den Feiertagen einen Arzt zu erwischen, war Glücksspiel, die die ich dann erwischte, sagte mir nur: "Einen Tumor konnten wir weitgehend entfernen, ein weiterer würde unerreichbar im Gehirn liegen. Sie gehe von Metastasen aus, der Ursprungsherd müsse noch gefunden werden, man vermute ein Bronchialkarzinom." So war es denn auch, befreundete Ärzte und das Internet rieten mir, mich darauf einzustellen, dass er das Jahr 2013 nicht überleben würde. Er war fest davon überzeugt, gesund zu werden! Seine Freunde wollten im Sommer wieder Radtouren mit ihm machen und ich dachte, welche Heuchler. Ich fragte mich auch, was die Ärzte ihm erzählten. Nach der OP folgten 66 (!) Bestrahlungen (ich dachte, warum tut man ihm das an) und kombinierte Strahlen-/Chemotherapie stationär. Auch der Ursprungstumor in der Lunge wurde nur bestrahlt und nicht operiert. Er vertrug alles unglaublich gut, machte tatsächlich im Sommer 2013 und auch 2014 Radtouren mit seinen Freunden, verreist ... Er lebt immer noch - mit einem Bronchialkarzinom im Stadium IV!!! Mittlerweile gibt es wieder Tumorwachstum, aber er hat wirklich jetzt über zwei Jahre mit guter Lebensqualität gelebt. Also: Jeder einzelne kann auf sein persönliches Glück hoffen! (Und ich habe auch schon das Gegenteil erlebt - von der Diagnose bis zum Tod in sechs Wochen bei meiner Mutter.)

LG und alles Gute
Maja
Supermama
Amnatou
28.05.2015 16:01:25
Liebe Mirili
Brustkrebs ist fies, er kann trotz erfolgreicher Therapie sog. okkult metastasieren. Einzelne Krebszellen schwirren irgendwo im Körper herum und setzen sich dann irgendwann mal fest, manchmal erst nach 15 oder 20 Jahren. Beim Brustkrebs gibt es zwei verschiedene Arten der Metastasierung, lymphatisch und hämatogen. Lymphatische Metastasen sind die Knochenmetastasen, diese haben die etwas bessere Prognose, wenn auch nicht heilbar. Die hämatogene (via Blut) Metastasierung betrifft die Weichteile wie Leber, Lunge, Haut oder das Gehirn. Im Gehirn unterscheidet man zwischen singulär, solitär oder multipel. Bei Deiner Mutter ist es wie Du beschreibst eine singuläre Gehirnmetastase, dh. es wurde im Kopf nur eine einzige Metastase gefunden, was die Prognose im Gegensatz zu multiplen Metastasen verbessert. Deshalb konnte deine Mutter auch operiert werden. Bei multiplen Metastasen wird nicht mehr operiert, es bleibt nur noch die Bestrahlung und palliative Chemotherapie.
Bleibt bei deiner Mutter der Zustand stabil, dh es kommen nicht noch andere Organmetastasen oder neue Hirnmetastasen hinzu, könnte die Lebensprognose deiner Mutter noch mehr als nur einige Monate betreffen, vorausgesetzt auch, dass die Chemo gut anschlägt. Aber grundsätzlich sind Prognosen immer sehr schwierig, niemand kann die Dynamik der Metastasen voraussehen.
Versuche aber trotzdem mit deiner Mutter darüber zu sprechen, vielleicht würde sie sich gerne mitteilen hat aber Angst dich damit zu sehr zu belasten!
Ich wünsche dir und deiner Mutter viel Kraft und alles Gute.
Liebe Grüsse
Amnatou
Amnatou
Mirili
28.05.2015 16:39:21
Vielen vielen Dank für die Antworten! Es hilft mir sehr, das Stadium meiner Mutter einzuordnen.
Meine Eltern sprechen mit uns Kindern fast gar nicht über den Krebs. Wir erfahren, wenn überhaupt, erst im Nachhinein, wenn sich etwas Neues ergeben hat. Dass sie einen Hirntumor hatte, erfuhren wir am Montag, am Dienstag wurde sie schon operiert.
Sie spielen immer alles herunter. Und bis jetzt hatten wir wohl tatschlich Glück. Im Jahr 2006: sie hat Brustkrebs, aber es ist ein kleiner Tumor und einfach zu operieren. Dann Jahre später die Nachricht: sie hat Metastasen (haben wir wiederum über Umwege erfahren). Und auch hier, Glück im Unglück, sie sind lokal begrenzt in der Wirbelsäule. Und jetzt der Hirntumor, der nur ein einziger ist und gleich unter der Schädeldecke sitzt.
Mir ist klar, dass man sich an das Positive klammert. Ich weiss auch, dass meine Eltern uns nur schonen und schützen wollen. Doch ich bin 27 und meine Schwestern 25, 23 und 20 Jahre alt. Uns wäre wohler, wenn wir nicht nur das Positive sondern auch das Negative am ohnehin Negativen erfahren würden. Und so auch besser vorbereitet wären, wenn es plötzlich ganz schnell geht. Und so wie man in diversen Foren lesen kann, kann das durchaus sein. Auch wenn mir das nie bewusst geworden wäre, aus den Gesprächen mit meinen Eltern.
Eigentlich haben wir ansonsten ein enges Verhältnis. Obwohl von den Kindern alle ausgezogen sind, treffen wir uns alle sicher einmal in der Woche zum Essen. Nur der Krebs kommt nie zur Sprache. Wenn wir fragen, weicht sie aus. Vielleicht ändert es ja, jetzt wo die "Bedrohung" akuter ist.
Vielen Dank für eure Hilfe und Unterstützung
Mirili
Mirili
Nele 2014
26.10.2015 22:27:17
Ja auch bei mir wurde 1 Jahr nach dem Brustkrebs eine Hirnmetastase im kleinhirn festgestellt.operiert und ein Ganzhirnbestrahlung gemacht. Die Nebenwirkungen sind für mich katastrophal. Heute habe ich erfahren, daß ich keine 50 werde, bin 47 ,im Januar werde ich 48....tolle Aussicht. ..
Nele 2014
martin30
26.10.2015 23:36:51
@ Nele:

Das Wissen der Medizin verdoppelt sich alle 6 Jahre, wenn sie noch 3 Jahre leben, wird die Medizin um das Wissen der letzten 50 Jahre fortgeschritten sein.

Singuläre (!) Metastasen können auch singulär bleiben. Das kommt gar nicht so selten vor. (Nämlich alle die, die die "Noch 1 Jahr"- Prognose (o.ä.) überwinden. Bei denen blieb es bei der singulären Metastase.

Das habe ich als Arzt schon oft genug erlebt, dass im Arztbrief von vor 5 Jahren eine Metastase gefunden wurde und den Patienten geht es gut.. Z.b. bei Hodenkrebs können Metastasen schon "mitgeheilt" werden. Warum nicht in zwei Jahren bei Brustkrebs z.B. per Antikörper?
martin30
monk
20.02.2016 17:54:05
"wurde im Frühjahr 2013 als geheilt erklärt"
So erging es mir auch.Mit Tumor wurde ich für gesund erklärt. Erst eine Zweitmeinung mit Untersuchung brachte die Schlamperei zum tragen. Meine Schuld selber, ich hatte den Ärzten trotz Widerstand irgendwann geglaubt. Man befand sich in der Nachtsorge nur noch als lästig und als Hypochonder..Operationen sind nicht mehr möglich
monk
einzigartig
13.04.2016 09:34:31
Die Diagnose Brustkrebs bekam ich im Sommer 2012 mit 41 Jahren. Da es sich um einen schnellwachsenden Triple negativ Tumor handelte, gab es das volle Programm, Chemo, OP und Bestrahlung. Exakt ein Jahr nach der Erstdiagnose wurde eine singuläre Metastase im Kleinhirn diagnostiziert, nachdem ich zweimal ohne Anlass umgekippt war und auf ein Kopf-MRT bestanden habe.

Mein Onkologe (Spezialist für metastasierten Brustkrebs) schickte mich zur stereotaktischen Bestrahlung in ein Gamma Knife Center, wo das Ding erfolgreich bestrahlt wurde. Bisher sind keine neuen Metastasen aufgetreten.

Natürlich kann niemand vorhersagen, wie lange das alles noch gutgeht, aber bis jetzt habe ich schon 2,5 Jahre bei guter Gesundheit geschenkt bekommen.
einzigartig
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