Hallo,
ich lese seit Dezember 2017 in diesem Forum, es hilft mir, mich nicht so allein zu fühlen, auch wenn es nur eine virtuelle Nähe ist. Ich lebe seit 30 Jahren in Norditalien, meine erwachsenen Söhne (23 und 26 Jahre) studieren und leben in Österreich.
Mein Mann (57) wurde Anfang Dezember an einem 12 cm grossen Glioblastom (lt.Biopsie MGTM 57% positiv methyliert, 1DH1 wt, Proliferationsindex 20%) okzipital-parietal-temporal operiert. Der ganze rechte Temporallappen sowie ein 5cm grosser Frontalsatellitentumor wurden entfernt. Bis 10 Tage vor der OP war er so gut wie symptomfrei, er sagte lediglich, er würde nicht so gut sehen....das ganze linke Gesichtsfeld ist jetzt weg. Es handelt sich um ein multifokales Glioblastom. Nach der OP ging es ihm ab dem 3.Tag sehr sehr schlecht, aber nach einer Woche hat er sich wieder aufgerappelt. Nach weiteren 3 Wochen wurde er entlassen, der Neurochirug hat mir und meinen 2 Söhnen 2 Jahre "Überlebenzeit" mitgeteilt. Zu Hause war ich erstmal geschockt, ich hatte meinen Mann Ende November nachts zum Notdienst gebracht und nun hatte ich jemanden zu Hause, der aussah wie mein Mann, aber nicht mehr er war. Eine Bestrahlung von 60 Gy, fraktioniert in 30 Sitzungen zusammen mit Temodal leicht dosiert, wurde bereits abgeschlossen, ein Zyklus Temodal Monotherapie ist auch durch. 40 Tage nach Beendigung der Strahlentherapie wurde ein MRT gemacht, was leider Progression des Tumors zeigte, es sind sogar 2 neue Tumore an zwei neuen Stellen entstanden, okzipital links und ein grosser Teil vom "Corpus callosum" ist befallen und es sieht so aus, als würde der Tumor nun auf die gegenüberliegende Seite migrieren. DAS hätte ich bei Leibe nie erwartet nach einer kombinierten ChemoStrahlentherapie !!! Zumal die Tumorzellen methyliert waren. Ein grausames Ergebnis. Ende Februar bin ich nach 3 Monaten Abwesenheit auf Wunsch meines Mannes wieder zur Arbeit zurückgegangen. Er schafft es noch, den Tag allein zu Haus mit unserem Hund zu verbringen, ab und zu in der Woche schaut jemand vorbei.Es klappt noch. Auch seine Psychologin hat mich gebeten, arbeiten zu gehen solange er allein bleiben kann. Auf diese Art und Weise erscheint das Leben für ihn noch ein bisschen normal, da er früher fix nachts gearbeitet hat, er war Polizist. Er war daran gewöhnt, nachts zu arbeiten und tagsüber allein zu sein, er hat im Garten gearbeitet, am Pc, hat sich mit dem Hund beschäftigt usw. Jetzt verwildert der Garten, mein Mann hat keine körperliche Kraft mehr, er ist ständig müde und kaputt. Den PC nutzt er nicht mehr. Lesen tut er auch nicht mehr. Geistig ist er noch zum Grossteil da, allerdings existiert der Aspekt Logik nicht mehr. Er weiss nie, was für einen Tag wie haben, und obwohl ich es ihm hundertmal wiederhole , fragt er dann erneut. Die Info wird irgendwie nicht gespeichert. Er weiss genau über seine Krankheit und Aussichten Bescheid, er weiss, dass die Jungs und ich alles wissen, aber er tut vor uns, als ob er wieder gesund werden könne. Das ist alles so absurd. Dann erzählt er seiner Psychologin, dass er den Gedanken nicht erträgt, zu gehen und mich mit allem allein zu lassen..... mittlerweile widerspreche ich ihm nicht mehr, wenn er von Heilung redet, ich lasse ihn reden, wie er mag. Einer der Onkologen, der ihn untersucht hat, hat über 2 Jahre Lebenserwartung gelächelt und sprach von 15 Monaten. Ich glaube mittlerweile, dass auch das ein zu hohes Ziel ist, was er nicht erreichen wird.
Mein Mann ist extrem emotional geworden, weint oft über alles mögliche und ist sehr empfindlich geworden.
Ich habe Momente, besonders im Büro, wo ich ewig heulen muss, aber ganz verzweifelt und stark, und andere Momente, in denen ich wie ein Roboter alles mache und fast wie gelähmt bin. Manchmal kommt mir das alles so surreal vor, als ob ich in einem Film wäre. Das ist eine Nummer zu gross .....ich liebe meinen Mann so sehr, dass ich mir das Leben ohne ihn absolut nicht vorstellen kann, niemals. Ich weiss, irgendwann wird es schlechter werden, und vor dem Tag habe ich höllische Angst. Ich weiss auch nicht, wielange ich noch arbeiten soll, ich gehe ungern von zu Hause weg, aber er möchte es so. Woran merke ich dann, dass er nicht mehr allein sein kann ? sicher wird er es mir nicht sagen.
Ich habe durch dieses Forum erst gelernt, wieviele Menschen an einem Glioblastom erkrankt und gestorben sind, aber nie habe ich einen persönlich kennengelernt, es gibt in meinem Umfeld niemanden. Ach ja, die Familie meines Mannes will nichts genaues wissen, die denken, wenn sie das Thema ignorieren, wird er wieder gesund. Wie absurd. Ich selber habe keine Familie "hinter mir stehen", ich habe aber zum Glück 2 super Söhne, wenn auch im Ausland.
Die meisten Menschen sagen mir "Du musst das jetzt endlich akzeptieren und nicht dagegen rudern", aber ich schaffe das noch nicht, wie denn ? Unser ganzes Leben wird langsam zerstört. Ich war noch nie zuvor in meinem Leben für so lange Zeit so tieftraurig.
Ich suche nach einer Dimension, in der und mit der ich das alles ertragen kann.