Krabbe

Meine Schwester wurde bei Ihnen am 6.9.2023 zwecks Entfernung eines großen aber gut zugänglichen Meningeoms am Hinterkopf (zwischen Kleinhirn und Großhirnlappen operiert. Durchmesser 4,5 Zentimeter, Sehrinde war durch den Tumor stark nach oben verlagert/verschoben aber vor OP vollkommen intakt).
Nach dieser OP zeigten sich erste Gesichtsfeldausfälle - sie beschrieb einen waagrechten Streifen oberhalb der Mitte des Gesichtsfeldes und einen weiteren senkrechten rechts der Mitte. Insgesamt ärgerlich aber Lesefähigkeit weiter vorhanden.
Sie wurde nach einer knappen Woche zunächst entlassen.

Nach ca. einer Woche zu Hause hatte sich ein großes Liqorkissen gebildet, so dass die Narbe zu platzen drohte. Eine zunächst durchgeführte Punktion in Ihrem Hause (Ambulanz) sowie anschließende stationäre Liqordrainage erbrachten keine Besserung, so dass sie am 18. Oktober nochmals in ihrem Hause operiert wurde, um das Leck zu schließen.
Dabei wurden auch Keime im Gehirn festgestellt, sodass das Schädelstück entsorgt werden musste.

Nach dieser OP hatte meine Schwester noch stärkere Gesichtsfeldausfälle, konnte aber bis zum 20. Oktober´ (mit Mühe) zumindest nachts noch längere Texte am Handy tippen.
Seitdem hat sich aber Ihr Sehen dramatisch verschlechtert, so dass sie seit dem Sonntag 22. Oktober nicht mehr lesen kann und sich auch nicht mehr orientieren kann. Im Grunde ist sie blind (Sehfähigkeit 5 Prozent).
(Beim Kontroll-MRT von Kopf und Lendenbereich am Montag, 23.10. wurden auch Ödeme im Lendenbereich festgestellt, so dass wir vermuten, dass im Bereich der Drainage Hirnwasser ausgelaufen ist (sie berichtete auch von einem nassen Bett)).

Inzwischen ist klar, dass auch die zweite OP das Gehirn nicht verschlossen hat, so dass seit Montag eine weitere Liqordrainage läuft.

Wir sind in größter Sorge, wie es weitergehen soll. Meine Schwester ist berufstätig, und hat zwei kleine Kinder zu versorgen.
Unser Gefühl ist, dass die Ärzte ratlos sind.

Sie ist Kassenpatientin, wir sind auf der Suche nach Hilfe/Koordination.
Wie soll es weitergehen?
* Wie wird das nach wie vor bestehende Leck im Hirn geschlossen?
* Wie verhält es sich mit den Keimen im Gehirn?
* Was passiert mit dem Augenlicht - bisher liegt sie einfach da, und es werden keine Maßnahmen ergriffen???
* Wohin können wir uns wegen einer Zweitmeinung wenden und wäre evt die Übergabe der Behandlung an eine andere Klinik angezeigt?

Vielen Dank für Ihre/Eure Hilfe

Jule1205

Hallo Krabbe,
wende Dich doch einfach mal hier telefonisch an die Hirntumorhilfe. TelefonNr. findest Du auf der ersten Seite.
Alles Gute für euch.
Lieber Gruß
Jule

KaSy

Liebe Krabbe

Das Ergehen Deiner Schwester zeigt leider, das eine Operation am Gehirn mit hohen Risiken verbunden ist.

Deine Schwester ist in dieser Klinik wegen dieser problematischen Folgen der Meningeom-OP wiederholt behandelt worden. Sie ist dort jetzt bekannt und Ihr solltet zunächst dieser Klinik weiterhin vertrauen.

Sprecht unbedingt mit dem Chefarzt der Neurochirurgie, welche Schritte jetzt überlegt werden, welche Fachkräfte aus der eigenen Klinik bereits hinzugezogen wurden und welche Spezialisten aus anderen Kliniken befragt und mit einbezogen werden.

Es spricht nichts dagegen, dass Ihr Euch um eine Zweitmeinung in einer anderen Klinik bemüht. Ihr könnt die Kopien aller Unterlagen und der MRT-CDs nach Hannover schicken. Dort gibt es zwei bedeutende Krankenhäuser. Obwohl Deine Schwester gesetzlich versichert ist, könnt Ihr die dortige Privatklinik nutzen. Dort sind sehr gute Neurochirurgen tätig, die eine (erste) Zweitmeinung kostenlos (glaube ich) erstellen.


Das „Leck im Hirn“ ist eine Liquorfistel.
Nach Operationen im Gehirn ist es nicht selten, dass so etwas entsteht.

Das Gehirn ist von Hirnwasser (Liquor) umgeben, das im Normalfall dieses wertvolle und wichtige Organ vor Erschütterungen, Stößen u.ä. schützt. Um die einzelnen Hirnteile und um das gesamte Gehirn mit dem Liquor befinden sich Hirnhäute, die das Verbleiben des Liquors sichern.
(Man nennt die Hirnhäute auch Meningen, aus dessen Zellen können Meningeome entstehen.)

Wenn nun die Kopfhaut und die Hirnhäute durchtrennt werden müssen, um das Meningeom zu entfernen, müssen die Hirnhäute anschließend auch wieder vernäht werden – und zwar wasserdicht! Dabei kann es geschehen, dass beim Vernähen der Hirnhäute kleine Lücken verbleiben, durch die das Hirnwasser hindurchlaufen kann. Es befindet sich dann außerhalb des Gehirns zwischen den Hirnhäuten und der Kopfhaut und kann „Beulen“ erzeugen, die in aufrechter Lage flacher und beim Liegen praller sind. Diese Lücken nennt man Liquorfisteln.

Es ist nicht so selten, dass Liquorfisteln entstehen. Bei den meisten schließen sie sich innerhalb mehrerer Tage von allein, bei anderen dauert es einige Wochen oder Monate und nur selten müssen weitere Schritte unternommen werden, um das Zuheilen der Hirnhäute zu unterstützen.

Die Punktion von Hirnwasser aus dem Liquorkissen war ein richtiger erster risikoarmer Schritt, der leider erfolglos blieb.

Bei mir wurden nach meiner zweiten Meningeom-OP als erstes derartige Punktionen durchgeführt und beim zweiten Mal unmittelbar danach mit einem geeigneten Kleber versucht, die Fistel zu verkleben. Es blieb erfolglos.

Die zweite Möglichkeit einer „stationären Liquordrainage“ blieb auch ergebnislos.
(Damit kenne ich mich nicht aus.)

Danach wurde als dritter Schritt ein operativer Verschluss der Liquorfistel durchgeführt, der mit einem größeren Risiko für Deine Schwester verbunden ist. (Wie wurde er durchgeführt?)
Und auch diese Maßnahme brachte nicht den erhofften Erfolg.


Bei mir wurde nach den Punktionen etwa zwei Jahre gewartet, ob sich das Liquorpolster zurückbildet. Dann erwog man eine OP, um die Liquorfistel nun doch zu verschließen. Allerdings waren sich die Ärzte wegen des Risikos und des möglichen Misserfolgs nicht einig. Um nicht ewig zu zweifeln (Hätte ich es doch versucht …?), entschied ich mich für die OP. Sie hielt sechs Wochen lang und dann entstand eine Hirnhaut- und Gehirnentzündung, die die Neurochirurgen zum Glück erfolgreich mit einer stationären Antibiose aus dem Tropf in den Griff bekamen. Nach weiteren zwei oder drei Jahren hatte sich die Fistel dann von selbst verschlossen.


Es ist möglich, dass bei Deiner Schwester dieser operative Eingriff wegen der noch vorhandenen Infektion zu früh erfolgte.


Wegen der Besiedelung des Schädelknochens mit Keimen war es unumgänglich, dieses Knochenteil zu entfernen.
Es musste verhindert werden, dass die Infektion auf das gesamte Gehirn übergreift. Das kann zu schwersten irreversiblen Schäden führen! Die Bekämpfung der Infektion dauert mehrere Wochen oder länger.

Ich nehme an, dass sofort eine Antibiose eingeleitet wurde?

In dieser Zeit, die sich einige Monate hinziehen kann, kann kein Knochenersatz eingesetzt werden. Es ist aber möglich, wenn es Deiner Schwester etwas besser geht, ein spezielles 3D-CT anzufertigen und mit dessen Hilfe einen passgenauen sterilen Knochenersatz herzustellen, der so lange gelagert wird, bis er eingesetzt werden kann.
Irgendwann sollte das getan werden, um den Schutz für das Gehirn wieder herzustellen. Übrigens sind diese „Ersatzteile“ äußerst stabil.


Nach meiner 5. Meningeom-OP hatte ich derartige Erfahrungen.
Drei Wochen nach der OP waren zwei Stellen der OP-Naht nicht zugeheilt und in der Klinik wurde die Infektion des Knochenersatzes festgestellt.
Mit einer täglich zweimaligen sterilen Wundversorgung blieb ich sechs Wochen in der Klinik. Eine Wundschwester wurde hinzugezogen.
Nach den sechs Wochen wurden zu Hause die nicht heilenden Wunden täglich von Pflegekräften mit einer Anleitung einer Wundschwester steril versorgt. Einmal pro Woche stellte ich mich in der Klinik zur Wundkontrolle vor. Ich musste penibel auf Sterilität achten, nicht nur auf dem Kopf, sondern generell sollte ich keine Putzmittel anfassen, die Hände ständig desinfizieren ...
Etwas mehr als drei Monate nach der OP wurde in einer Spezialklinik die Abdeckung der nicht heilen wollenden Naht großflächig mit Eigenhaut durch einen äußerst erfahrenen Plastischen Chirurgen mit seinem Team durchgeführt. Der Chefarzt der Neurochirurgie kam in diese Klinik, um jetzt erst die Knochenplastik zu entfernen, bevor der Plastische Chirurg die Dreifach-OP fortsetzte.
Nach einigen Komplikationen dauerte es dann seit der Meningeom-OP insgesamt acht Monate, bis es ganz sicher war, dass sich keinerlei Infektionen mehr in meinem gesamten Körper befanden. Erst in dieser Situation wurde der bereits auf mich wartende Knochenersatz aus PEEK (Poly-Ether-Ether-Keton) von meinem Chefarzt eingesetzt. Diese OP war im Vergleich zu der vorangegangenen Dramatik nahezu eine Kleinigkeit. Das Gehirn wurde ja nicht berührt. Dennoch blieb ich zur Sicherheit etwa zwei Wochen in der Klinik.
Uns allen war bewusst, dass es um mein Leben ging!


Und um ihr Leben geht es derzeit auch bei Deiner Schwester.


Das muss alles nicht ganz so dramatisch verlaufen, wie ich es erleben musste. Aber es gibt hier im Forum einige wenige Betroffene, die nach eigentlich gelungenen Meningeom-Entfernungen mit Liquorfisteln und infizierten Knochenteilen zu tun haben bzw. hatten und das ist immer eine für alle sehr Besorgnis erregende Situation. Es gibt dafür keine Handlungsrichtlinien für die Neurochirurgen. Jeder Therapieschritt muss individuell überlegt und mit dem Team besprochen werden.

Das Vernähen von Hirnhäuten, die nach der Meningeom-OP schon nicht gut heilten, beinhaltet ein großes Risiko, dass die Heilung wieder nicht gelingt. Und wenn noch Infektionen vorhanden sind, dann ist es – im Nachhinein gesehen – leider auch erfolglos geblieben.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich der Chefarzt der Neurochirurgie mit seinem Team immer wieder berät, um geeignete Wege und Spezialisten zu finden, um Deiner Schwester zu helfen.
(Deswegen schrieb ich das so zu Beginn.)

Dabei steht der Erhalt ihres Lebens an erster Stelle!


Als Angehörige sorgt Ihr Euch zu Recht um ihr Augenlicht.
Und Ihr seht, dass sie „einfach daliegt und es werden keine Maßnahmen ergriffen???“

Das Erreichen der Keimfreiheit braucht viel Zeit und viel Ruhe.
Wenn Ihr ihr jetzt helfen wollt, dann lasst sie Hörbücher oder Podcasts hören.

Viel Zeit brauchen auch die Ärzte für die richtigen Maßnahmen. Es macht sie genauso unruhig wie Euch, dass diese Komplikationen entstanden sind, die sie nicht erwartet haben. Sie werden alles tun, was möglich ist, um Deiner Schwester zu helfen, denn auch sie wollen sich mit Misserfolgen nicht zufrieden geben. Aber welcher Weg ist jetzt richtig? Welche Therapie ist die mit dem geringeren Risiko? Wo ist der Spezialist, der erfahren genug ist?


Du hast geschrieben, dass Deine Schwester zwei kleine Kinder zu versorgen hat. Ich nehme an, dass ihr das in der Familie geregelt habt. Es gibt Möglichkeiten, z.B. Haushaltshilfen durch einen ambulanten Pflegedienst zu bekommen, den die gesetzliche Krankenkasse finanziert, wenn kleine Kinder im Haushalt leben. Nutzt das! Ihr braucht Freiräume, um Euch nicht zu überlasten.
Der Sozialdienst der Klinik hilft Euch bei der Organisation.


Wie sich das Sehen Deiner Schwester verbessern wird, dazu ist es schwer, etwas zu sagen. Ich könnte mir vorstellen, dass eine längere Zeit mit viel Ruhe dazu führen könnte, dass sich noch Veränderungen im Gehirn (Abschwellen) ergeben, die das Sehen etwas verbessern.
Obwohl bei mir durch einen Unfall ein Auge sehr schlecht sieht und ein Meningeom das andere Auge „ärgert“, ist die Sehfähigkeit derart komplex, dass eine Aussage hier kaum sinnvoll ist.
Die Neurochirurgen wissen das besser und ich hoffe, dass sie einen Augenarzt hinzugezogen haben.
Bei mir war es so, dass ein externer Augenarzt in die Klinik zum „Konsil“ kam.


Ich wünsche Euch viel Kraft für den vermutlich sehr langen Weg.
Deine Schwester wird ihn durchstehen. Sie hat ihre Kinder als Motivation und sie ist jung.
Lasst Euch helfen, denn sie braucht Euch fit und gesund!

KaSy

Arwin

Hallo KaSy
alle Achtung da hast du ja auch schon sehr viel durch, ich glaube da hat jeder sein Päckchen (oder Paket ) zu tragen und jeder empfindet seins als schlimm. Wir wollen nur alle hoffen das es bei uns allen "etwas" besser wird.
Hallo Krabbe
Wie KaSy schon sagte das Gehirn braucht viel Zeit. Es ist schmerzunempfindlich, aber es gibt seinen "unmut" weiter. Bei mir ist es die linke Seite mit Teillähmungen und Epilepsie und bei deiner Schwester die Augen. Ich hoffe die Spezialisten können ihr gut helfen.Ich drücke euch fest die Daumen.
Richte ihr einen Gruß von mir unbekannterweise aus.
VG Arwin

Krabbe

Lieben Dank allen, die schon geschrieben haben für eure hilfreichen Gedanken.ich antworte nur kurz, noch aus dem khs und mit sehr eingeschränkter Tastatur und Sehfähigkeit.
Seit 4:Tagen hänge ich nun erneut an einer Liquordrainage. Man vermutet einen Zusammenhang zwischen Liquorinstabilität durch Fistel, Aussackung der hinteren Spitze des Hirnlappens in Richtung der jetzt fehlenden Schädelscheibe als Ursache für en Gesichtsfeldausfälle.
Mit Drainage verbessert sich das sehen tatsächlich. Jetzt wird entscheidend sein, was passiert, wenn die Drainage beendet wird.
Notfalls 3. OP für Verschluss von Liquorleck und provisorisches Zudecken. Ich werde berichten...
Ich bin sehr dankbar, daß die Ärzte hier sehr engagiert sind die Auflösung des Vorgangs und den besten lösungsweg zu finden.
Bus bald, Krabbe

KaSy

Liebe Krabbe,
Es ist wunderbar, dass Du bereits selbst schreiben kannst.
Und noch besser ist Dein Vertrauen in Deine Ärzte.
Sie helfen Dir mit all ihren gebündelten Kräften für ein optimales Ziel, auch wenn der Weg dorthin länger ist, als alle es erwartet hatten.
Ich wünsche Dir jede Menge GLÜCK !
KaSy

Arwin

HalloKrabbe
ich freue mich auch das es besser wird auch mit unseren ZusprüchenWir sitzen ja alle im selben Boot, der eine mehr angeschlagen als der andere aber wir schaffen das , das es uns besser geht, auch wenn es länger dauert das es vorran geht
VG Arwin

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