Hallo Totoro!
Zuerst einmal finde ich dein Misstrauen gegenüber den Ärzten absolut verständlich und halte deine Vorgehensweise auch für richtig. Aber auch in Deutschland »preist jeder Händler seine Ware«.
Deshalb erst einmal Grundsätzliches: Das Akustikusneurinom ist ein gutartiger Hirntumor (WHO Grad I), was aber nicht heißt, dass er unproblematisch ist. Du musst bedenken, dass 9 der 13 Nerven, die zum Hirn führen, durch den Kleinhirnbrückenwinkel gehen, wohin der Tumor wächst. Dein Tumor ist noch recht klein, befindet sich noch im Gehörgang, ist also intrameatal. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Somit stehen dir alle Behandlungsoptionen (Operation oder Bestrahlung) offen.
Ziel einer Operation muss immer die Totalresektion des Tumors sein. Die Bestrahlung scheint einfacher zu sein und sieht auf den ersten Blick recht elegant aus, hat jedoch den Nachteil, dass der Tumor nicht zerstört bzw. entfernt wird, sondern nur »stillgelegt« wird. Das gelingt jedoch nicht immer. (Ich meine, etwa in 5 bis 8 Prozent der Fälle gelingt das nicht, was dann den Nachteil hat, dass eine dann notwendige Operation schwieriger wird, weil der Tumor noch mehr mit den Nerven verklebt ist. Betroffen sind eigentlich immer der 7. und 8. Hirnnerv. Der 7. Hirnnerv ist der Gesichtsnerv. Der 8. Hirnnerv besteht aus drei Teilen, dem Gehörnerv und zwei Teilen Gleichgewichtsnerv.) In seltenen Fällen kann es auch sein, dass nach einer Bestrahlung aus dem ehemals gutartigen Tumor ein bösartiger wird. Es gibt zur Bestrahlung kaum Langzeiterfahrungen. Wenn du Probleme mit deinem Gehör oder deinem Gleichgewichtssinn hast, werden diese Probleme nach einer Bestrahlung wohl bleiben. Du wirst dann auch jedes Jahr ins MRT müssen und hoffen, dass der Tumor nicht gewachsen ist. Insofern ist eine Entscheidung für eine Operation oder für eine Bestrahlung oft auch eine Charaktersache.
Bei einer Operation gibt es verschiedene Zugänge zum Tumor. Bei Tumoren, die sich noch im Innenohr befinden, kann ein translabyrinthärer Weg eingeschlagen werden, der schonender ist als andere Zugänge. Du musst hier aber wissen, dass dein Gehör auf der betroffenen Seite auf jeden Fall verloren ist. Das Innenohr wird sozusagen komplett »ausgeräumt«. Wie gut hörst du jetzt noch? Könntest du damit leben? Bei einem suboccipitalen Zugang könnte das Gehör unter Umständen erhalten bleiben.
Die Materie ist relativ komplex. Es gibt aber eine Fülle von Informationen im Netz, die eigentlich alle möglichen Fragen beantworten. Deshalb würde ich dir auf jeden Fall raten, dich gut zu informieren, weil du dann auch besser mit den Ärzten kommunizieren kannst (da du sie besser verstehst). Hierzu kann ich auch das Nachbarforum www.akustikusneurinom.info empfehlen, in dem nur Akustikusneurinome thematisiert werden.
Das Wichtigste überhaupt ist: Gehe nicht zu irgendeiner Klinik in deiner Nähe, sondern du musst unbedingt zu einem Spezialisten gehen, der schon am besten einige hundert Akuustikus-Neurinom-Operationen gemacht hat und so etwas wöchentlich macht. Das Akustikusneurinom ist ein bisschen »tricky«. Eine OP kann relativ problemlos verlaufen, es können aber auch Schwierigkeiten auftauchen, die man vorher im MRT nicht erahnen kann. Auch deshalb ist es wichtig, einen Operateur zu haben, der eine gewisse Erfahrung hat, damit er auf unvorhergesehene Ereignisse adäquat reagieren kann. Vereinfacht gesagt: der gute und erfahrene Operateur wird ein besseres Ergebnis erzielen als der unerfahrene (das zu wissen ist wichtig!).
In Deutschland gibt es z.B. 40 Kliniken, die eine AKN-Operation durchführen würden. Ich würde dir aber nur wenige empfehlen. Erstens ist da Prof. Sephernia aus Luzern in der Schweiz (der früher in Deutschland tätig war), einer der weltweit führenden Operateure, der schon weit mehr als 1.000 Operationen durchgeführt hat. Weiterhin kann ich dir die Uni-Klinik Tübingen nennen (Prof. Tatagiba und Prof. Ebner), die sehr viele Operationen mit guten Ergebnissen machen. Drittens möchte ich dir noch Prof. Strauß von der Uni-Klinik Halle/Saale nennen, von dem ich mich hab operieren lassen. Das sind alles kompetente Leute, da muss dann letztendlich auch das Buchgefühl entscheiden.
Zur Bestrahlung: Hier gibt es das Cyberknife-Zentrum München und auch ein Cyberknife-Zentrum in Krefeld. Hierzu kann ich jedoch nicht soviel sagen, weil eine Bestrahlung für mich keine Option war (nicht wegen der Größe des Tumors, sondern weil ich eine endgültige Lösung wollte).
Zu den Kosten: Ein MRT dürfte etwa bei 700 bis 900 Euro liegen. Ich meine einmal gelesen zu haben, dass Prof. Sephernia in der Schweiz für eine Operation 20.000 Euro nimmt. Ich denke, das ist erst einmal ein Richtwert. Eine Cyberknife-Behandlung liegt bei etwa 7.000 Euro. Du kannst aber auch zu allen Kliniken vorher Kontakt aufnehmen und vielleicht schon vorab Daten erfragen.
Alle Kompetenzzentren bieten Beratungsstunden an, die du nach Terminabsprache wahrnehmen kannst. (Dann solltest du alle vorhandenen Unterlagen, z.B. auch Hörtests, mitbringen.) Ich würde mir auf jeden Fall auch Zweit- oder Drittmeinungen einholen. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich erst einmal ein Kontakt per E-Mail anbietet und du die vorhandenen MRTS in Kopie zu den Operateuren sendest und dann per E-Mail kommunizierst, bevor du dann nach Deutschland oder in die Schweiz kommst.
Wie oben schon erwähnt, möchte ich dir das Nachbarforum www.akustikusneurinom.info zur Informationsbeschaffung ans Herz legen. Je mehr du weißt, umso sicherer wirst du in deiner Entscheidungsfindung sein und weißt dann auch ganz genau, was auf dich zukommt. Ich z.B. hatte aufgrund meiner guten Faktenkenntnis überraschenderweise gar keine Angst vor der OP, obwohl ich sonst eher vorsichtig und vielleicht auch ängstlich bin.
Bei Fragen kannst du dich auch direkt an die beiden Moderatoren des Forums www.akustikusneurinom.info wenden (snowdog und anfux). Sie haben eine wirklich profunde Sachkenntnis (besser als jeder HNO-Arzt) und können dir eigentlich so gut wie jede Frage beantworten und dir auch wertvolle Ratschläge geben.
Natürlich stehe ich dir auch gerne bei Rückfragen zur Verfügung.
Noch etwas zu wait & watch. Klar kann man das (bis zu einer gewissen Größe) machen, aber eines ist sicher: Der Tumor wächst langsam, aber er wächst. Er wird das Innenohr verlassen und in den Kleinhirnbrückenwinkel weiter vordringen. Es ist sicherlich keine Eile geboten, aber ich würde die Sache angehen. Es wird auf keinen Fall schaden.
So, ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.
Viele Grüße und alles Gute
chess64