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Thema: watch-and-wait Patient - wie handhabt man das in Deutschland?

watch-and-wait Patient - wie handhabt man das in Deutschland?
Totoro
27.12.2016 02:10:36
Hallo zusammen,
ich lebe in den USA, und wurde in 2012 mit einem 4mm AN diagnostiziert. Habe nach den jährlichen MRT's bis jetzt kein Tumorwachstum zu beklagen, und ich habe das Glück, in weniger als 30km Umkreis mehrere Kliniken mit gutem Ruf zu haben, die Head-and-Neck surgery anbieten. Mich würde mal interessieren, durch welche diagnostischen Schritte man in Deutschland geht, und wann das Pendel von Abwarten zum Handeln schwingt.
Nachdem mein Neurochirurg die Optionen mit mir diskutiert hat, ich mit dem Radiologen gesprochen hatte (der einen ziemlich halbherzigen Versuch unternahm, mir seine Cyberknife Prozedur zu verkaufen), und ich eine Zweitmeinung eingeholt hatte, war ich mit der Entscheidung, entweder abzuwarten oder zu handeln ziemlich allein. Habe mich für WaW entschieden, da meine Kinder noch ziemlich jung sind, und der Tumor an einer unübersichtlichen Stelle sitzt, an der weder Bestrahlung noch Eingriff gut auszugehen versprechen.
Auch wenn es eine nervliche Belastung ist, lebe ich damit ganz gut, wenn ich mir die Alternative (potentielle Fazialisparese = Arbeitsunfähigkeit, familiäre Belastung etc.) vorstelle.
Da wieder mal ein MRT anliegt, spiele ich mit dem Gedanken, ein solches in Deutschland einzuholen, und die Meinung eines weiteren Spezialisten dazu.
Meine Fragen:
- wo gehe ich am Besten hin (Großraum HH, FFM oder München)?
- mir wurde die "Zielgröße" 1.5cm an die Hand gegeben (hier hält man sich nicht mit der Volumenbestimmung des Tumors auf), bis zu der sich die chirurgische Entfernung nicht "lohnt" (Risiko der Verschlechterung der Lebensqualität hoch relativ zum Ist-Zustand). Gilt diese Argumentation so auch in GER? Was sind andere relevante Kriterien zur Abwägung Warten-oder-Handeln?
- welche Untersuchungen werden i.d.R. zusammen mit einem MRT durchgeführt? Wonach sollte ich fragen?
- Mir geht hier in den USA die "Verkaufsmentalität" der Ärzte ziemlich auf den Wecker. Jeder versucht, genau seine Prozedur zu verkaufen, und hilft einem überhaupt nicht, z.B. chirurgische Optionen gegen Radiotherapie abzuwägen. (Eine wohltuende Ausnahme war Dr. Steven Cheung von UCSF!) Ist das in GER auch so? Wenn Ihr eine Klinik empfehlt (s. erste Frage), hat euch dann der Arzt fundiert über ALLE Optionen beraten, oder nur über seine Spezialität?
- ich habe beim Lesen der Forumsbeiträge den Eindruck bekommen, dass watch-and-wait in GER nicht sehr verbreitet ist, trifft das zu? (statistisch nicht belastbar, ich weiss...) Ist man in Deutschland aggressiver, wenn es um die Entfernung von AN geht, als z.B. in den USA? Wenn ja, warum ist das so?

Besten Dank für Eure Ratschläge!
Totoro

P.S.
Dr. Cheung hat mir eine seiner Publikationen empfohlen, die eine Art Matrix zur Therapie-Entscheidung enthält - kann man hier im Forum Dokumente posten?
Totoro
2more
27.12.2016 10:18:27
Willkommen Totoro,

interessant von Dir einen kleinen Einblick in den Ablauf des Gesundheitswesens der USA zu erhalten.
Ich gehöre zu den wie Du sagst, raren Betroffenen, die auf wait-and-see oder wait-and-watch setzen, da mein Meningeom sehr langsam wächst und keine Probleme bereitet. Ich kann natürlich nur von meinen persönlichen Erfahrungen sprechen. Die Neurochirurgen empfehlen mir bei jeder Sichtung der MRT/MRI-Aufnahmen die Entfernung des Tumors ohne Eile/ohne Dringlichkeit, ohne einen zeitlichen Rahmen oder eine kritische Tumorgröße zu benennen. Die Tumorgröße allein ist nicht ausschlaggebend bei der Beurteilung, sondern auch die Lage des Tumors und ob er möglicherweise Gefäße oder Nerven tangiert, ob bereits Beschwerden bestehen und wie der Patient mit der Diagnose zurecht kommt
Mir wurde von einer Strahlentherapie seitens der NC abgeraten, dies hat sich bei meiner Anfrage in einem Gamma-Knife-Institut bestätigt.

Da ich in Nordrhein-Westfalen wohne, kann ich Dir leider keinen Hinweis für den süddeutschen Raum geben.
In NRW ist es so, dass ein Neurologe eine Überweisung zur Radiologie ausstellt, wo die MRT-Untersuchung durchgeführt werden soll.
Der Neurologe ist auch derjenige, der eine Überweisung oder Einweisung für eine Neurochirurgische Ambulanz ausstellt, wo die Aufnahmen ausgewertet werden können.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig zur Klärung des Ablaufs in Deutschland beitragen und wünsche Dir, dass Du die bestmögliche Beratung erhältst.

Edit: Du fragst, ob man in Deutschland ggf. aggressiver gegen AN vorgeht? Da ich die Frage nicht beantworten kann, eine Gegenfrage: sind die Methoden bei der Behandlung von AN in den USA ausgereifter, so dass z.B. sichergestellt werden kann, dass der evtl. in Mitleidenschaft gezogene Hörnerv erhalten bleibt?

VG
2more
2more
Totoro
28.12.2016 06:07:02
Hallo 2more,

vielen Dank für deine Antwort. Tja, ob in den USA die Behandlungsmethoden fortschrittlicher sind als in Deutschland/anderswo, das kann ich als Laie natürlich nicht beurteilen. Teile aber nicht das Gerücht, dass medizinische Innovation vorrangig aus den USA nach Europa importiert wird. Mein Zahnarzt z.B. erzählt mir immer ganz stolz, dass er die neuesten Zahnersatz-Materialien aus Deutschland verwendet. Aber das nur nebenbei.

Wie ich bereits schrieb, sind die Ärzte hier sehr darauf aus, ein Geschäft zu machen. Warum man hier noch "Patient" heißt, ist mir nicht klar, eine ärztliche Behandlung ist hier eine Dienstleistung wie der Reifenwechsel beim Auto, und man gibt sich nur wenig Mühe, das zu verbergen.

Mein Neurochirurg hat durchblicken lassen, dass er am liebsten den Translabyrinthinen Zugang versuchen würde. Die Zerstörung meines Gehörs im Tumor-Ohr rechtfertigte er mit der bestmöglichen Chance auf die Schonung des Gesichtsnervs. Gerechtfertigt hat er es dann damit, dass ich ja sowieso "schon morgen" mein Gehör verlieren könnte.

Nüchtern betrachtet ist da sicher was dran, aber muss man so einen frisch diagnostizierten Patienten/Kunden vor den Kopf stoßen. Schönen Dank auch, da fiel die Wahl, abzuwarten, nicht sehr schwer.

Meine laienhafte Antwort auf deine Frage ist, dass ich nicht an eine Überlegenheit amerikanischer Behandlungsmethoden glaube. Im Großen und Ganzen habe ich nur wenig Vertrauen in die Ausbildung von Ärzten in den USA, auch wenn sie vom Stallgeruch großer Privatunis umweht werden. Ob's in Deutschland besser ist? Das versuche ich herauszufinden. Hoffentlich schreibt noch jemand.

Bin auch sehr an den Kosten fuer die Behandlung/bildgebenden Verfahren interessiert, damit ich meiner KV erklären kann, warum ich in Deutschland zum Arzt gehen will und nicht daheim. Falls jemand bereit ist, mir Einblick in die Kostenseite zu geben, wäre ich zutiefst dankbar. Die Konversation kann ja per privater Email geführt werden.

Dir nochmals vielen Dank für die schnelle Antwort, 2more. Alles Gute, glücklicherweise gibt es ja auch Tage, an denen man nicht nur seine Krankheit lebt :)

Und natürlich einen guten Rutsch!
Totoro
Totoro
alma
28.12.2016 07:32:26
Hallo Totoro,

ich kann nicht beurteilen, ob wait and watch in deinem Fall das Richtige ist.
Verschiedene Meinungen führen in der Regel dahin, dass sich zwei Lager von für und wider bilden.
Ich habe aber den Eindruck, dass du den Einzelfall deiner Erfahrungen so verallgemeinerst, dass du es auf das ganze Gesundheitssystem der USA beziehst.
Wir haben in D ein anderes, aus meiner Sicht gerechteres, aber die Kostenfrage spielt hier auch eine große Rolle. Sie lässt sich nur besser vor dem Patienten verbergen. Krankenhäuser müssen wirtschaftlich arbeiten und der Patient wird Teil der Kalkulation - unnötig operiert, unnötige diagnostische Maßnahmen, zu kurze KH-Aufenthalte usw.
Und wir Patienten müssen auch nach den Ärzten suchen, denen wir vertrauen können. Wobei ich das mit dem Vertrauen skeptisch sehe, denn das ist häufig von Ängsten überlagert. Der Arzt wird zur omnipotenten Schutzfigur, die er natürlich nicht ist.
Ich versuche das pragmatisch zu lösen: für das MRT ein Institut, das qualitativ gute Bilder macht und einen Radiologen hat, der sich mit Hirntumoren auskennt. Für die OP eine Klinik mit viel Erfahrung. Und einen persönlichen Hausarzt, der auch für die seelischen Aspekte da ist.

Vielleicht ist das der Unterschied - hier kann man noch wählen. Das ist mir wichtig, da die Krankheit mir Entscheidungen aufnötigt, die sich gegen meinen Körper richten - OPs, Bestrahlungen, Chemo. Alles beschädigend, Langzeitfolgen noch nicht eingerechnet, weil nur z.T. bekannt.
Was die Kosten angeht, würde ich bei einer KV in Deutschland anrufen.
Im Internet kriegt man nur ungenaue Angaben.

Gruß, Alma.
alma
2more
28.12.2016 10:26:30
Hallo Totoro,

ob das deutsche Gesundheitssystem gerecht bleibt, sei dahingestellt. Nicht wenige niedergelassene Ärzte konzentrieren sich auf die Privatpatienten, weil die mehr Geld in die Kasse bringen. In meiner Hautarztpraxis wird das ganz offen praktiziert, da werden die Privatpatienten direkt in einen anderen Warteraum geführt und können schnell zum Arztgespräch

In Deutschland kämpfen inzwischen viele Kliniken ums Überleben. Der Aufwand an Leistungen und Personal ist oft höher als die Vergütung durch sog. Fallpauschalen. Einige Kliniken sind diesem System bereits zum Opfer gefallen. In NRW drängt das Gesundheitsministerium darauf, Qualifikation und Leistung zu bündeln - bedeutet z. B., dass in einer Stadt nicht gleich 2 Krankenhäuser eine Neurochirurgie haben müssen, sondern sich eine Klinik spezialisiert..

Die Kosten für ein MRT liegen bei ca. 700 - 800 Euro.
Die Entfernung meines Meningeoms würde mit Klinikaufenthalt lt. Kostenvoranschlag wohl bei ca. 15.000 - 20.000 Euro liegen. Treten Komplikationen auf, könnte es teurer werden (mitunter f.d. Klinik)
Die Zahl deckt sich auch mit dem Kostenaufwand der operativen Versorgung eines Hirnaneurysmas bei meiner Schwester.


Gruß
2more
2more
alma
28.12.2016 11:33:13
... oder bei der Kassenärztlichen Vereinigung, was ich eigentlich meinte.
alma
chess64
03.01.2017 12:40:55
Hallo Totoro!

Zuerst einmal finde ich dein Misstrauen gegenüber den Ärzten absolut verständlich und halte deine Vorgehensweise auch für richtig. Aber auch in Deutschland »preist jeder Händler seine Ware«.

Deshalb erst einmal Grundsätzliches: Das Akustikusneurinom ist ein gutartiger Hirntumor (WHO Grad I), was aber nicht heißt, dass er unproblematisch ist. Du musst bedenken, dass 9 der 13 Nerven, die zum Hirn führen, durch den Kleinhirnbrückenwinkel gehen, wohin der Tumor wächst. Dein Tumor ist noch recht klein, befindet sich noch im Gehörgang, ist also intrameatal. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Somit stehen dir alle Behandlungsoptionen (Operation oder Bestrahlung) offen.

Ziel einer Operation muss immer die Totalresektion des Tumors sein. Die Bestrahlung scheint einfacher zu sein und sieht auf den ersten Blick recht elegant aus, hat jedoch den Nachteil, dass der Tumor nicht zerstört bzw. entfernt wird, sondern nur »stillgelegt« wird. Das gelingt jedoch nicht immer. (Ich meine, etwa in 5 bis 8 Prozent der Fälle gelingt das nicht, was dann den Nachteil hat, dass eine dann notwendige Operation schwieriger wird, weil der Tumor noch mehr mit den Nerven verklebt ist. Betroffen sind eigentlich immer der 7. und 8. Hirnnerv. Der 7. Hirnnerv ist der Gesichtsnerv. Der 8. Hirnnerv besteht aus drei Teilen, dem Gehörnerv und zwei Teilen Gleichgewichtsnerv.) In seltenen Fällen kann es auch sein, dass nach einer Bestrahlung aus dem ehemals gutartigen Tumor ein bösartiger wird. Es gibt zur Bestrahlung kaum Langzeiterfahrungen. Wenn du Probleme mit deinem Gehör oder deinem Gleichgewichtssinn hast, werden diese Probleme nach einer Bestrahlung wohl bleiben. Du wirst dann auch jedes Jahr ins MRT müssen und hoffen, dass der Tumor nicht gewachsen ist. Insofern ist eine Entscheidung für eine Operation oder für eine Bestrahlung oft auch eine Charaktersache.

Bei einer Operation gibt es verschiedene Zugänge zum Tumor. Bei Tumoren, die sich noch im Innenohr befinden, kann ein translabyrinthärer Weg eingeschlagen werden, der schonender ist als andere Zugänge. Du musst hier aber wissen, dass dein Gehör auf der betroffenen Seite auf jeden Fall verloren ist. Das Innenohr wird sozusagen komplett »ausgeräumt«. Wie gut hörst du jetzt noch? Könntest du damit leben? Bei einem suboccipitalen Zugang könnte das Gehör unter Umständen erhalten bleiben.

Die Materie ist relativ komplex. Es gibt aber eine Fülle von Informationen im Netz, die eigentlich alle möglichen Fragen beantworten. Deshalb würde ich dir auf jeden Fall raten, dich gut zu informieren, weil du dann auch besser mit den Ärzten kommunizieren kannst (da du sie besser verstehst). Hierzu kann ich auch das Nachbarforum www.akustikusneurinom.info empfehlen, in dem nur Akustikusneurinome thematisiert werden.

Das Wichtigste überhaupt ist: Gehe nicht zu irgendeiner Klinik in deiner Nähe, sondern du musst unbedingt zu einem Spezialisten gehen, der schon am besten einige hundert Akuustikus-Neurinom-Operationen gemacht hat und so etwas wöchentlich macht. Das Akustikusneurinom ist ein bisschen »tricky«. Eine OP kann relativ problemlos verlaufen, es können aber auch Schwierigkeiten auftauchen, die man vorher im MRT nicht erahnen kann. Auch deshalb ist es wichtig, einen Operateur zu haben, der eine gewisse Erfahrung hat, damit er auf unvorhergesehene Ereignisse adäquat reagieren kann. Vereinfacht gesagt: der gute und erfahrene Operateur wird ein besseres Ergebnis erzielen als der unerfahrene (das zu wissen ist wichtig!).

In Deutschland gibt es z.B. 40 Kliniken, die eine AKN-Operation durchführen würden. Ich würde dir aber nur wenige empfehlen. Erstens ist da Prof. Sephernia aus Luzern in der Schweiz (der früher in Deutschland tätig war), einer der weltweit führenden Operateure, der schon weit mehr als 1.000 Operationen durchgeführt hat. Weiterhin kann ich dir die Uni-Klinik Tübingen nennen (Prof. Tatagiba und Prof. Ebner), die sehr viele Operationen mit guten Ergebnissen machen. Drittens möchte ich dir noch Prof. Strauß von der Uni-Klinik Halle/Saale nennen, von dem ich mich hab operieren lassen. Das sind alles kompetente Leute, da muss dann letztendlich auch das Buchgefühl entscheiden.

Zur Bestrahlung: Hier gibt es das Cyberknife-Zentrum München und auch ein Cyberknife-Zentrum in Krefeld. Hierzu kann ich jedoch nicht soviel sagen, weil eine Bestrahlung für mich keine Option war (nicht wegen der Größe des Tumors, sondern weil ich eine endgültige Lösung wollte).

Zu den Kosten: Ein MRT dürfte etwa bei 700 bis 900 Euro liegen. Ich meine einmal gelesen zu haben, dass Prof. Sephernia in der Schweiz für eine Operation 20.000 Euro nimmt. Ich denke, das ist erst einmal ein Richtwert. Eine Cyberknife-Behandlung liegt bei etwa 7.000 Euro. Du kannst aber auch zu allen Kliniken vorher Kontakt aufnehmen und vielleicht schon vorab Daten erfragen.

Alle Kompetenzzentren bieten Beratungsstunden an, die du nach Terminabsprache wahrnehmen kannst. (Dann solltest du alle vorhandenen Unterlagen, z.B. auch Hörtests, mitbringen.) Ich würde mir auf jeden Fall auch Zweit- oder Drittmeinungen einholen. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich erst einmal ein Kontakt per E-Mail anbietet und du die vorhandenen MRTS in Kopie zu den Operateuren sendest und dann per E-Mail kommunizierst, bevor du dann nach Deutschland oder in die Schweiz kommst.

Wie oben schon erwähnt, möchte ich dir das Nachbarforum www.akustikusneurinom.info zur Informationsbeschaffung ans Herz legen. Je mehr du weißt, umso sicherer wirst du in deiner Entscheidungsfindung sein und weißt dann auch ganz genau, was auf dich zukommt. Ich z.B. hatte aufgrund meiner guten Faktenkenntnis überraschenderweise gar keine Angst vor der OP, obwohl ich sonst eher vorsichtig und vielleicht auch ängstlich bin.
Bei Fragen kannst du dich auch direkt an die beiden Moderatoren des Forums www.akustikusneurinom.info wenden (snowdog und anfux). Sie haben eine wirklich profunde Sachkenntnis (besser als jeder HNO-Arzt) und können dir eigentlich so gut wie jede Frage beantworten und dir auch wertvolle Ratschläge geben.
Natürlich stehe ich dir auch gerne bei Rückfragen zur Verfügung.

Noch etwas zu wait & watch. Klar kann man das (bis zu einer gewissen Größe) machen, aber eines ist sicher: Der Tumor wächst langsam, aber er wächst. Er wird das Innenohr verlassen und in den Kleinhirnbrückenwinkel weiter vordringen. Es ist sicherlich keine Eile geboten, aber ich würde die Sache angehen. Es wird auf keinen Fall schaden.

So, ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.

Viele Grüße und alles Gute
chess64
chess64
Ingo1412
04.01.2017 11:23:15
Hallo Totoro,
da ich selbst betroffen bin und meine op erst am 13.12.2016 erfolgte. Schreibe ich dir gerne meine Erfahrungen mal Stichpunktartig auf. Frage ruhig nach belieben nach - wenn du mehr wissen möchtest.

ich war in 2 Kliniken um mich beraten zu lassen. Die erste in Fulda - hier operieren 2 Professoren, Schwager und Behr einer HNO, der andere Neurochirurg.
Habe mich allerdings für die Kopf-Klinik in Würzburg entschieden, denn dort ist es ein Routineeingriff mit ca. 160 operationen pro Jahr. Operiert wurde ich von Dr. Perez ein erfahrener Arzt der nach seinen Aussagen ca 1.000 solcher op's begleitet hat. Er hat auch mit viel Zeit alle meine Fragen beantwortet. alle Risiken erklärt und mir die Klinik in Tübingen empfohlen falls ich eine dritte Meinung einholen möchte. Denn in Tübingen ist die op des Akustikusneurinom auch ein Routineeingriff. unter dem Link kannst du dir fachliche Infos einholen ganz unten gibt es noch die Möglichkeit sich ein op-Video anzuschauen, sehr interessant.

http://www.hno.ukw.de/operative-schwerpunkte/chirurgische-therapie-bei-akustikusneurinom.html

damit du auch ein zeitlichen überblick bekommst, so ist es bei mir gelaufen:
1. Termin Beratungsgespräch, ich hatte aktuelle MRT Aufnahmen, Hörtest, Gleichgewichtstest dabei und mir war klar das ich eine OP machen lassen werde.
2. Termin ich wurde Donnerstags stationär im Krankenhaus aufgenommen. am gleichen tag, Freitags und Montags (am Wochenende dürfte ich Nachhause) umfangreiche Voruntersuchungen durchgeführt. Höhrtests, Gleichgewichtstest, Geschmackstest, neues MRT, Rnötigen Halswirbel, eeg, Blutabnahme, CT usw.
ich schreibe gleich weiter
Ingo1412
Ingo1412
04.01.2017 15:25:25
3. Dienstag 13.12.2016 bin ich um 7.30 Uhr in den op-Bereich gekommen der erste schnitt gegen 8.15 Uhr, gegen 14.30 Uhr kam ich auf die Intensivstation, wo ich dann am 14.12. früh Morgens um 2.00 Uhr aufwachte. Abgesehen von starken Kopfschmerzen ging es mir sehr gut, etwas Übelkeit - jedoch kein erbrechen, drehschwindel hatte ich zu keiner Zeit, sodass ich um 4.30 Uhr den ersten Kaffee von den Schwestern bekam - auch der blieb drinne obwohl ich nach dem ersten schluck schon Übelkeit verspürte. um 9.30 Uhr wurde ich dann auf die normal Station verlegt.
Fortsetzung folgt...
Ingo1412
Ingo1412
05.01.2017 14:51:27
- jetzt gab's endlich was zu essen, denn die Schwestern hoben mir mein Frühstück auf :-)
die Kopfschmerzen verstärkten sich bei jeder noch so kleinsten Bewegung, zur Linderung dieser gab es entsprechende Schmerzmittel.
ich bekam diverse Infusionen über einen ZVK

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Zentraler_Venenkatheter

es wurde am 14.12. ein CT vom Kopf gemach, soweit okay.
der Hörnerv war leider schon soweit zerstört das dies zur 100% Taubheit auf der betroffenen Seite führte. Ebenso trat eine leichte Gesichtslähmung auf. Die während meines ganzen Klinikaufenthalts medikamentös behandelt wurde. Eine Geschmacksstörung zählte ich auch zu den Nebenwirkungen (alles schmeckte gleich), nach einer Woche schmeckte ich bereits wieder stark salziges. Zur Zeit schmecken süße Speisen erst süß, dann schlagen diese in einen bitteren Geschmack um. Es wird noch etwas dauern bis es sich gibt. Leider überkam mich am Abend des 14.12. eine Niesattacke 4 - 5 heftige Niesen die ich auch nicht versucht habe zu unterdrücken. in den frühen Morgenstunden musste ich dann auf Toilette, dabei lief mir etwas die Nase - dachte an eine leichte Erkältung wenn überhaupt, ich putzte mir vorsichtig die Nase und gut war es, als ich mich wieder ins Bett legte war es auch zu gut wie weg. dies trat in den nächsten Tagen immer mal auf wenn ich auf stand. Es waren wirklich nur 3 - 5 tropfen die ich einfach abtupfen. Mich Beschäftigten zu dieser Zeit eher die wichtigen Dinge, wie z.b. meine gleichgewichtsprobleme oder auch die starken Kopfschmerzen. Ich glaube es war der 18.12. Abends als ich der Nachtschwester von der tropfenden Nase erzählte, Sie wurde hellhörig und holte mir ein Röhrchen mit der bitte die Flüssigkeit aufzufangen, natürlich kam dann nichts aus der Nase auch als ich mich nach vorne beugte. Schlussendlich gelang es mir doch im laufe der Nacht eine geringe Menge aufzufangen die im Labor untersucht wurde und es war Nervenwasser, das zusätzliche CT gab die Bestätigung. Montag Mittag wurde eine Spinaldrainage gelegt um den Druck kontrolliert zu senken und das Nervenwasser abzuleiten. Die betroffene Nasenseite war jetzt trocken. Nach 3 Tagen wurde erst die Drainage abgestellt um zu sehen ob die Undichtigkeit im Kopf (ich vermute das es durch das zuvor geschilderte Niesen undicht wurde) sich verschlossen hat. Die Nasenseite tropfte zwar nicht mehr ist aber feucht geblieben. Nun wurde beobachtet, es war ein hin und her evt. erneute OP, warten, Flüssigkeit auffangen - Labor, negatives Ergebnis oder Menge nicht ausreichend, weiter beobachten. Am 27.12. wurde nochmals ein CT vom Kopf gemacht bezüglich der undichtigkeit, ganz genau könnte man es nicht sagen ob diese bereits verschlossen oder noch vorhanden ist. Bis zum 26.12. bekam ich vorsorglich Antibiotika. am 27.12. wurde ich entlassen, jedoch mit der Bitte die Nase im Auge zu behalten, bzw wenn die Kopfschmerzen wieder zunehmen, usw. nicht zu zögern und wieder in die Klinik zu kommen.
Während des Klinikaufenthalt wurde ich nochmal in der HNO vorgestellt dort wurden erneute Hörtests gemacht und mich noch über diverse Hörgeräte informiert. Auch wurde eine Anschlussheilbehandlung REHA in die Wege geleitet. Diese wurde sehr schnell beschlossen, sodass ich den Bescheid am 31.12.2016 im Briefkasten hatte, seit dem 2.1.2017 befinde ich mich vorerst für 3 Wochen in Reha, mit jedemenge Anwendungen, aber auch hier mit der bitte wenn es mir zuviel wird dieses zu sagen.

Weil dir dein USA Chirurg empfahl den Zugang durch das Ohr zu wählen, weil du ja schon Morgen eh taub sein könntest. Halte ich für persönlich für Unsinn. Denn solange du noch ein Hörvermögen, auch wenn es nur gering ist, ist dieses auf jedenfall erhaltenswert! Ich hatte eine -20 Dezibel Höhrminderung gegen über den gesunden Ohr.

Mein Zugangsweg erfolgte hinter dem Ohr.

Wenn alles gut geht bist du in Deutschland sicher nach 7 - 10 Tagen wieder aus dem Krankenhaus und mit Sicherheit 6 Wochen nur bedingt belastbar.

Meine nächste Anwendung ruft!
Ingo1412
Totoro
06.01.2017 03:25:38
Na klasse, da schreibe ich an einer Antwort, und dann loggt mich das Forum aus...

also, noch einmal von vorn. Zunächst wünsche ich euch allen ein Frohes Neues Jahr! Vielen Dank fuer eure Zuschriften, es hilft wirklich sehr, von euch zu hören.

Alma - vielen Dank fuer den Tip mit der Kassenärztlichen Vereinigung.
Chess64 - ganz recht, "irgendeine" Klinik auszuwählen, kann gar nicht gut sein. Ich habe das Glück, in der Nähe von Stanford und der Uniklinik in San Francisco zu wohnen, wo zwei Spezialisten residieren, mit denen ich auch nach der Diagnose gesprochen habe. Besten Dank fuer den Forumshinweis speziell fuer AN! Unter http://www.akustikusneurinom.info/cms/pdf/Neurologie2.pdf
habe ich einen interessanten Artikel gefunden von Prof. Sepehrnia, aus dem ich entnehme, dass er für eine frühzeitige Tumorbehandlung plädiert. Ich weiss nicht, ob sich das auf die Behandlungsfreudigkeit deutscher Neurochirungen verallgemeinern lässt, aber es deckt sich mit meiner eingangs geäußerten Vermutung, dass in Deutschland früher/schneller operiert wird als hier.
Hier in den USA scheint man den Patientenwillen höher einzuschätzen, denn die Anzahl der watch-and-wait Patienten bei AN ist hoch. Kann aber auch an dem komplizierten Haftungsrecht für Behandlungsfehler liegen. Mit dem Kunstgriff, dem Patienten die Entscheidung zu überlassen, windet man sich zunächst um die Haftung für die Folgen herum. Oder bin ich jetzt einfach paranoid...
Nochmals Danke, von dem schweizerischen Forum hatte ich vorher nichts gewusst.
Ingo1412 - dein Bericht gibt ja in Echtzeit die Behandlung deines AN wieder. Vielen Dank dafür! Ich hoffe sehr, dass sich die Kopfschmerzen bald bessern, und dass das CF Leak hinter dir liegt, und keine weiteren Probleme bereitet!
Darf ich fragen, wie die emotionale Lage ist? Da gibt's ja alles von "hätte ich bloss die Finger davon gelassen" bis hin zu dem euphorischen Gefühl, den Tumor los zu sein.
Und wie sieht in GER die Reha für so eine Tumorerkrankung aus? Was für Anwendungen kriegst Du so?
Jedenfalls wünsche ich dir vollständige und schnelle Genesung!

Mir wird so langsam klar, was fuer eine Belastung das Abwarten mit sich bringt. Bin im Augenblick nicht zu viel zu gebrauchen, obgleich familiäre und jobmässige Entscheidungen anstehen. Ich habe fast 2 Jahre gewartet, ein neues MRT anfertigen zu lassen, da wir in den vergangenen 2 Jahren dreimal die Krankenkasse wechseln mussten. Bei jedem Wechsel fängt der Eigenanteil von 6 bis 8.000 Dollar neu an zu zählen, so dass man sich grosse Ausgaben jedesmal dreimal überlegen muss.

Aber ich muss es angehen, um dann über ein weiteres Jahr Abwarten oder eine Behandlung zu entscheiden. Danke euch allen, ihr helft mir sehr.

Beste Gruesse,
Totoro
Totoro
Ingo1412
06.01.2017 14:20:10
meine emotionielle Lage war zu Anfang der Diagnose sehr entspannt, habe die Krankheit sachlich gesehen - meine Frau hatte damit Bis zur op viel mehr Ängste ob alles gut geht. Jedoch muss ich eingestehen das ich umso mehr ich von den Komplikationen im i-net las meine Ängste zu nahmen und die letzten 6 Wochen vor der OP mir die eine oder andere schlaflose Nacht bescherte. Was wohl auch daher kam das mir die bereits massive Schwerhörigkeit und der Schwank Schwindel immer mehr bewusst wurde.
Der OP selbst sah ich dann eher gelassen entgegen und freute mich das der Termin recht schnell statt fand. als ich aus der Narkose aufwachte und ich einige Krimassen schneiden konnte war ich Happy. Die Taubheit auf einen Ohr fiel mir erst gar nicht auf, erst als ich das Finger reiben einseitig nicht wahrnahm. na gut, war halt so dachte ich mir... Welche Auswirkungen dies jedoch hatte, unterschätzte ich im Vorfeld total. Bewusst wurde es mir als während eines audiogram ein Rauschen auf das Gesunde Ohr gelegt wurde und ich die Ärztin gar nicht mehr verstehen konnte. So eine gewisse Unzufriedenheit ist geblieben, jedoch mit dem Wissen, dass das Gehör und der Gleichgewichtsinn immer schlechter werden würde bin ich froh die op gemacht zu haben und ich würde diese auch wieder in Würzburg durchführen lassen.
Reha-Anwendungen:
Fußreflexzonentherapie
Ergotherapie
Physiotherapie
Autogenes Training
Ergometer
Laufband
Posturomed (Wackelbrett)
Massagen
diverse Vorträge z.B. Ernährung
mein Plan ist gut gefüllt mit Anwendungen - wobei ich auch schon 2 absagen musste da es mir zuviel wurde, was jedoch völlig okay ist.

Als Gedankenanstoß würde ich zum Thema op ja oder nein mir folgende Fragen stellen:

Belastet mich die Tatsache das ein Tumor in mir wächst? Bei mir war die Antwort NEIN

gibt es bereits krankheitsbedingte Ausfallerscheinungen die mich beeinträchtigen? Bei mir ein klares JA Gleichgewicht und Gehör. Beides würde mit der Zeit immer schlechter werden.

Wenn du mal einen recht einfachen Gleichgewichtstest machen möchtest (der mir die Augen öffnete welche Probleme ich bereits hatte) am besten mit einer zweiten Person die dich eventuell abstützen / auffängt um einen Fall zu verhindern. einen Raum oder Flur 6 - 8 Meter lang der dir die Möglichkeit gibt sich abzustürzen.

los geht's

du streckst deine Arme mit den Handflächen nach oben, fängst an mit geschlossenen Augen auf der Stelle zu laufen für ca 15 Sekunden (hier sollte die zweite Person bereit sein dich zu sichern) (ich würde hier schon unsicher) falls du während dessen merkst das du fallen könntest, sofort abbrechen!
wenn du die 15 Sekunden überstanden hast, machst du die Augen auf und gehst normal die 6 bis 8 Meter gerade aus, drehst dich um 180 Grad und kommst mit ganz kleinen Schritten (ein Fuß vor dem anderen Fuß setzen zurück) (bei mir klappte das gar nicht, ich war froh das die Wand da war, sonst wäre ich gefallen! So ist es im Moment immer noch, ich mache den Test einmal pro Woche für mich selbst)

Noch was von mir zum nachdenken.
Man wünscht sich zwar immer Gesund zu sein. Meiner Meinung ist es jedoch viel wichtiger das egal wie es um einen steht, dass man mit sich selbst im reinen ist, das beste draus macht und es schafft eine innere Zufriedenheit findet.
Denn nicht jeder der reich, gesund, beliebt oder anerkannt ist, ist auch glücklich.

im diesen Sinne, alles gute!
Ingo1412
birgitlmn
12.01.2017 18:39:30
Hallo Totoro,
ich habe ausschließlich deine Frage gelesen, nicht die anderen Antworten. Vielleicht überschneidet sich das eine oder andere ja, was ich dir zu berichten habe und fließt somit in deine Entscheidung mit ein. Ich kann nur für meinen "Fall" sprechen, mein Akustikusneurinom war groß und hatte bereits das Kleinhirn stark komprimiert. Es hat mir bis zum Schluss keine Probleme bereitet, bis mir nachts plötzlich schlecht wurde und ich nach dem Aufstehen umfiel und bewusstlos war. 1 Jahr später Tinnitus und Hörsturz mit linksseitigem Wattegefühl im Kopf. Empfehlenswert ist ausschließlich MRT mit Kontrastmittel zur Erkennung von Tumoren, manche Radiologen tendieren dazu, das nicht zu machen. Hat allerdings eine Komprimierung des Hirnstammes stattgefunden, sieht man das wohl auch ohne Kontrastmittel. Bestrahlung kam für mich nicht in Frage, da das AN zu groß war, allerdings hätte ich mich und würde ich mich wieder für eine OP entscheiden, da ein bestrahltes AN wesentlich schwieriger ist im Nachhinein zu operieren, weil es vom Nervengewebe schlecht weg geht. Wichtig ist eine Zweit- oder Drittmeinung oder auch weiterhin nach der richtigen Einrichtung/Operateurs zu suchen, bei dem man ein "gutes Gefühl" hat. Es gibt verschiedene Techniken für den Eingriff, einmal mit Abfräsen des Felsenbeines (dadurch dauert die OP erheblich länger, langer Schnitt und m.E. höheres Risiko) und einmal minimalinvasiv (kleine Öffnung hinter dem Ohr, Felsenbein wird nicht abgefräst, m.E.weniger riskant). Bei mir ist glücklicherweise alles gut verlaufen, der einzige Wehmutstropfen ist mein Resttumor von 5 mm, der mir Sorgen bereitet, eine vollständige Entfernung ist das Ziel. Es war jedoch nicht möglich. 9 Monate nach OP kann ich sagen, dass es mir verhältnismäßig gut geht. Mal schauen, was noch kommt. Vielleicht wächst dein AN ja gar nicht? Habe schon gelesen, dass manche Menschen jahrzehntelang ohne weitere Probleme damit leben. Habe dir auch noch eine vertrauliche Nachricht mit Tipps für Einrichtungen geschickt. Ich wünsche dir viel Glück!!!
LG birgitlmn
birgitlmn
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