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Thema: Wechsel von PC auf Temozolomid?

Wechsel von PC auf Temozolomid?
floraphilia
02.03.2017 21:44:48
Hallo,
ich bin im Mai 2016 an einem Oligodendrogliom (WHO III, IDH-mutiert und kodeletiert) operiert worden. Danach begann die Standardtherapie mit RT und PC-Chemotherapie. Es sollten 6 Zyklen PC durchlaufen werden, ich habe aber nur 2,5 Zyklen "geschafft", da das CCNU und Procarbazin knochenmarkstoxisch wirkte und die Blutbildung sich nur sehr (zu) langsam regenerierte. Meine Onkologin hat vor zwei Wochen zum Abbruch der PC-Chemotherapie geraten. Da das MRT im Januar keinen Tumor mehr zeigte (glattrandige Resektionshöhle), ist die Beratung schlüssig und nachvollziehbar.
Dennoch plagte mich die Angst, nicht alles getan zu haben, um Restzellen zu vernichten. Meine Ärztin griff meine Angst auf und bot mir an, die drei "fehlenden" Zyklen mit Tomozolamid zu machen ...

Ich habe Fragen:
Der Goldstandard von RT + 6 Zyklen PC(V) wurde statistisch ermittelt und wirkte beim Oligo mit Mutation und Deletion hoch signifikant lebensverlängernd. Wie aber sind die Erfahrungen mit denen, die die 6 Zyklen nicht durchgehalten haben? Ist es zwangsläufig so, dass das Rezidiv dann früher kommt? ("Je länger die Chemotherapie, desto später kommt das Rezidiv?")
Und: Hat jemand Erfahrung mit dem (nahtlosen) Wechsel von PC auf Tomozolomid?

Und plage mich mit der Entscheidung:
Soll ich abbrechen und das Rezidiv abwarten, bevor ich mit Temodal weiter mache?
Oder soll ich nahtlos von PC auf Temodal wechseln und den Therapiestandard erfüllen?

Im Voraus vielen Dank!

Flora
floraphilia
alma
02.03.2017 22:52:08
Hallo Flora,

bei deinem Beitrag fällt mir die Zwickmühle wieder auf, in der wir stecken. Wir sollen eine überlebenswichtige Entscheidung treffen, ohne ausreichende Kenntnisse zu besitzen.
Ob Goldstandard oder nicht - mit sagte mein Neuroonkologe beim letzten Besuch, er würde mir beim Rezidiv TMZ geben, nicht PCV. (Oligodrendo III, IDH-Mutation, Kodeletion. Wie du also.)
Ich hatte 2011 12 Zyklen TMZ und das hat 4 Jahre gehalten, also gewirkt. 2016 hatte ich eine RT, folglich wäre dann wieder eine Chemo dran. PCV oder PC würde er mir wegen der stärkeren Nebenwirkungen nicht geben wollen. Aber ich hatte auch schon mit Ärzten zu tun, die das wollten.
Mit TMZ bin ich einverstanden. Nicht, weil mir die Dinge so sonnenklar sind, sondern einfach aus dem Bauch heraus.
Man kann es kaum entscheiden. Selbst die Ärzte spalten sich, was die Therapie angeht, häufig in mehrere Lager.
Ich weiß das, weil ich übergangsweise mit 4 NC-Kliniken, 3 Onkologen und 3 Radiotherapeuten gleichzeitig zu tun hatte. Wegen Umzug in eine andere Stadt.

Gib die Verantwortung an deine Ärztin ab. Und wenn du versuchen willst, etwas mehr durchzublicken, erkundige dich nach Studien.
Alle Restzellen kann man eh nicht vernichten. Diese Messlatte hängt bei einem malignen Gliom zu hoch.

LG, Alma.
alma
floraphilia
03.03.2017 00:28:56
Liebe Alma,

vielen Dank für die Antwort. Ich nehme drei Botschaften mit:

1. Ich sollte mich an den Gedanken gewöhnen, dass mein Tumor mich immer begleitet und sich nicht durch eine einmalige Serie von OP-RT-Chemo ausmerzen ließe. Das fällt mir schwer. Andererseits nimmt es etwas vom Druck, dass die laufende Therapie die alles entscheidende ist.

2. TMZ war bei dir ohne gravierende Nebenwirkungen und hat gewirkt.

3. Ich werde eine Zweitmeinung einholen. Meine Onkologin hat mir die Vor- und Nachteile der beiden Therapiewege (Abbruch der Chemo und erst bei Rezidiv mit TMZ beginnen oder nahtloser Wechsel von PC auf TMZ) aufgezeigt und Risiken abgewogen. Entscheiden muss ich selber.

Mitte April habe ich wieder ein Kontroll-MRT, bis dahin nehme ich mir Bedenkzeit. Nächste Woche beginne ich eine onkologische Reha in Freiburg und werde versuchen, einen Neuroonkologen zu konsultieren und meine Angst und den Druck in den Griff zu bekommen.

LG Flora
floraphilia
alma
03.03.2017 08:27:38
Der Tumor begleitet dich, muss aber rechtzeitig behandelt werden. Die laufende Therapie entscheidet über die Frage, wann das nächste Rezidiv kommt. Je später, desto besser. Insofern nicht unwichtig, welche Therapie man wählt.
Angenehm war die Chemo nicht. Aber das Blutbild war die ganze Zeit über in Ordnung. Und das ist aus Sicht der Ärzte die Hauptsache. Helfen kann man nur noch bei der Übelkeit.
Und ich hatte ein Jahr Fatigue danach. Aber angesichts einer möglichen Polyneuropathie erscheint mir TMZ als das geringere Übel.
Entscheiden musst du allein, aber auf der Grundlage welcher Informationen?
Deshalb braucht man eine gute Aufklärung. Die kann aber nicht ausreichen, weil wir keine Mediziner sind, schon gar nicht im Bereich von Molekularpathologie. Da gerätst du schnell an den Punkt, wo das Wissen aufhört. Aber auch die Ärzte kommen an einen solchen Punkt. Nur nicht so schnell wie wir Laien.
Gewöhnen solltest du dich an den Gedanken, dass du mit RT und CT klare Verhältnisse schaffst. Dass TMZ bei mir nicht gewirkt haben soll, habe ich erst 4 Jahre später beim nächsten Rezidiv erfahren. Noch in der Einnahmephase, wo sich im Kopf keine Rückbildung zeigte, wurde mir gesagt, das sei völlig normal.
Eine Zweitmeinung ist eine gute Idee.

LG, Alma
alma
Andrea 1
03.03.2017 11:15:52
Hallo und herzlich Willkommen Flora,
"freut mich", dass Du den Weg ins Forum gewagt hast, denn das ist schonmal ein guter Schritt, um sich von direkt Betroffenen mit selbiger Tumorart Unterstützung und Möglichkeiten zu holen/aufzeigen zu lassen.
Gegen Almas und deinem Prozedere, bin ich vermutlich eher uninteressant, denn bei mir verlief es bis jetzt ziemlich gradlinig.
Bei mir war es auch ein 3er Oligo, vorn rechts frontal, Anfang 2011 und bis heute Rezidivfrei. *dreimalaufholzklopf* :-)
Meine Vorraussetzungen waren insofern gut, da man bei mir den Tumor (etwa faustgroß) so ziemlich komplett entfernen konnte.
Da ich noch ein kleines "etwas" (vermutlich Meningeom) auf der gleichen Seite habe, muss ich halt auf ein paar Dinge achten. Bis jetzt ist alles stabil und ich hoffe, dass es so bleibt.
Im Übrigen bekam ich damals lediglich 6 Zyklen (5/23) Temodal nach der OP und habe noch immer Nachwirkungen/Einbußen vom damaligen Eingriff - Konzentrationsmäßig/Belastbarkeit. Seit dem bin ich noch immer auf der Minimaldosierung von Levitiracetam 1-0-1 (500mg) und halt meinem Magenschutz, was aber andere Gründe hat.
Von Anfang an bin ich in der UK Mainz in Behandlung. Ich fühle mich dort sehr gut aufgehoben, sehr gut beraten und verstanden.
Falls Du dort nicht schon in Behandlung bist, vielleicht wäre das eine Anlaufstelle für dich, um eine weitere Meinung zu erhalten, was Du künftig noch tun kannst.
Alles Gute für dich!
LG Andrea
Andrea 1
floraphilia
03.03.2017 20:18:35
Liebe Alma, liebe Andrea,
vielen Dank für die Informationen. Die Uni Tübingen veröffentlichte eine Doktorarbeit von 2006 mit der Auswertung von Fallbeispielen zur Rezidiv-Therapie mit PCV. Ich habe die Arbeit unter dem Aspekt gelesen, wie viele Patienten die Therapie komplikationslos durchgestanden haben, und wie viele Zyklen gegeben wurden. Dabei fand ich heraus, dass viele Patienten nur 2-3 Zyklen bekommen haben. Die Fallbeispiele zeigten, dass fast jeder anders reagierte. Die Nebenwirkungen, weswegen ich die Chemo abbrechen sollte, scheinen gar nicht selten zu sein. Hier der Link zur Arbeit:
https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/44945/pdf/Diss_PDF_6.6.06.pdf?sequence=1
Ich frage mich, wie die "Goldstandard" von 6 Zyklen PCV zustande kam und wie viele abbrechen mussten und vielleicht trotzdem eine bessere Überlebenschance hatten .... das ist statistisch ja nicht erfasst.
Ich frage mich auch, ob Knochenmarksreaktion mit Absenkung der Blutplättchen auf 30.000 und Leukozyten auf 1800 über drei Wochen, am Ende viel häufiger vorkommt als meine Ärztin (keine Neuroonkologin, sondern eine empathische, umsichtige und geschätzte Hämatologin), es glaubt.
Ich werde die nächsten drei Wochen an der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg verbringen (Reha) und werde dort die Gelegenheit für eine neuroonkologische Konsultation haben. Ansonsten wäre ich deinem Rat, Andrea, gefolgt, mich in Mainz vorzustellen.

LG Flora
floraphilia
Andrea 1
05.03.2017 17:43:50
Liebe Flora,
von Herzen wünsche ich dir- wo auch immer du dir deine Zweitmeinung einholst - dass Du eine kompetente und aufschlussreiche Beratung und Behandlung bekommst. Gut ist schonmal, wenn es ein Oligodendrogliom ist, da er eine langsamwachsende Tumorart ist. Das kann einem wichtige Zeit verschaffen.
LG Andrea
Andrea 1
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