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Bremer Vater fühlt sich benachteiligt
Sorgerecht: Im Zweifel für die Mutter?
Lisa Boekhoff 07.10.2017

Ein Kind gehört zu seiner Mutter – unter diesem Satz leiden viele Väter. Doch ist er mehr als ein bloßes Klischee? Ein junger Lehrer aus Bremen fühlt sich vom Jugendamt nicht richtig behandelt.

Wenn Eltern sich trennen, lebt das Kind meistens automatisch bei der Mutter weiter. Doch immer mehr Väter weisen daraufhin, dass auch sie an der Erziehung des Kindes weiterhin Anteil haben wollen.

Ohnmacht – Tom Basler* kennt das Gefühl seit ein paar Monaten gut. Seit der Trennung von seiner Ex-Partnerin teilt er sich mit ihr das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder. Abwechselnd sind Sohn und Tochter, zehn und drei Jahre alt, an festen Tagen bei ihrer Mutter oder bei ihrem Vater. Basler will nicht nur ein Papa für die Wochenenden und Geburtstage sein, sondern auch den Alltag mit seinen Kindern leben: „Ich möchte nicht, dass meine Kinder irgendwann sagen: Was ist denn eigentlich mit unserem Vater los? Warum ist der so wenig greifbar?“ Bisher haben sich die Eltern arrangiert. Die beiden haben sich im Sommer 2015 einvernehmlich getrennt.

Doch dann gibt es vor fast einem Jahr einen Bruch. Basler erinnert sich nicht gerne an das Gespräch im Jugendamt mit der zuständigen Fallmanagerin. Es geht um seine Tochter. Es geht um den Montag. Seine Ex-Partnerin habe erzählt, dass es dem Kind nicht gut gehe, es klammere. Die Fallmanagerin schlägt deshalb vor, den Montag, den das Mädchen alle 14 Tage beim Vater ist, zu streichen. Für Basler kommt das aus heiterem Himmel. Er ist vor allem perplex, dass seine Ex-Partnerin sich bereits mit der Fallmanagerin getroffen hat. „Das war wie eine geheime Absprache. Ich hatte das Gefühl, ich konnte nur verlieren.“ Er fühlt sich gedrängt, dem Vorschlag zuzustimmen, um nicht als egoistisch dazustehen, um als Vater ernst genommen zu werden. „Da kamen mir die Tränen. Ich fühlte mich unglaublich unter Druck gesetzt. Ich hätte doch gerne erzählt, wie es meiner Tochter bei mir geht.“

Sozialressort: "Wissen, wie wichtig für das Kind der gute Umgang mit beiden Eltern ist"

Basler sieht darin mehr als seinen Einzelfall. In der Gesellschaft und in den Behörden sei längst noch nicht angekommen ist, dass Männer sich genauso viel um ihre Kinder kümmern wollen wie Frauen. Von der Fallmanagerin fühlt er sich nicht gehört. Trotz gemeinsamen Sorgerechts hat er das Gefühl, er werde als Mann benachteiligt. Mit seiner Kritik ist Basler nicht allein. Immer wieder berichten Väter und Väterverbände, dass sie sich als Eltern zweiten Ranges fühlen. Das Kind gehört doch zur Mutter – diese Botschaft kommt bei betroffenen Vätern an.

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Bernd Schneider sieht dagegen kein generelles Problem. Rechtlich gebe es keine Benachteiligung der Väter. Das Jugendamt bemühe sich außerdem darum, eine gute Lösung gemeinsam mit Vater und Mutter zu finden, sagt der Sprecher des Bremer Sozialressorts: „Da wir wissen, wie wichtig für das Kind der gute Umgang mit beiden Eltern ist.“ Der Blick des Jugendamts sei jedoch fokussiert auf das Wohl des Kindes. Schneider rät, das Familiengericht anzurufen, wenn es im Einzelfall keine Einigung gibt oder jemand sich vom Jugendamt benachteiligt fühlt. „Es schaut sich die gefundene Regelung als ganz neutrale Instanz an. Dort geht es nicht um einen Rosenkrieg, sondern darum, die Situation zu klären.“

Familienrichter: "Wir leben in einer Umbruchzeit"

Basler überlegt, diesen Weg zu gehen. Der junge Lehrer schrieb den Leiter des Jugendamts an, doch bekam keine Antwort. „Ich habe das Gefühl, das Einzige, was ich machen kann, ist zum Anwalt zu gehen und meine Rechte zu erstreiten. Das finde ich einfach eine Katastrophe. Ich wollte das wegen der Kinder nicht.“ Die beiden sieht Basler fast genauso oft wie seine Frau: alle zwei Wochen von Freitag bis Sonntag, den Sohn jeden Montag und Dienstag, doch die Tochter zusätzlich nur jeden Dienstag. Für den Vater geht es um mehr als einen Tag mit ihr, der nun fehlt, für den er mehr Unterhalt zahlen soll. Basler will, dass mehr über die Rolle der Väter in der Familie nachgedacht wird. Er weiß von seiner Anwältin, dass er mit dem Problem nicht allein ist.

Heinrich Schürmann ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Familiengerichtstags und war viele Jahre als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht in Oldenburg schwerpunktmäßig für das Thema Familienrecht zuständig. Schürmann sagt, dass in der Gesellschaft ein bestimmtes Familienbild im Hintergrund nachhalle – und das könne im Einzelfall unterbewusst auch bei Entscheidungen der Justiz und Behörden einen Einfluss haben. „Wir haben das bürgerliche Familienmodell, dass sich die Mutter um die Kinder kümmert, über viele Jahrzehnte gelebt und als richtig empfunden. Heute wissen wir, das war so nicht stimmig, weil das Kind auch nach einer Trennung den Kontakt zu beiden Eltern braucht.“ Es könne jedoch noch zwei drei Elterngenerationen brauchen, bis sich dieses Bild nachhaltig verändere. Das sei ein Lernprozess. Dass es dabei zu Streitigkeiten komme, sei nachvollziehbar. Schließlich gehe es auch um Machtverhältnisse in der Familie, die neu definiert werden. Schürmann sagt: „Wir leben in einer Umbruchzeit.“

Kontinuitätsgrundsatz spielt wichtige Rolle

Schürmann geht davon aus, dass sich auch bei den Gesetzen Grundlegendes ändern muss. Schon die Trennung zwischen Umgangs- und Sorgerecht passe nicht mehr in die Zeit, weil viele Väter inzwischen auch nach einer Trennung intensiven Kontakt zu ihren Kindern halten und die Übergänge fließend seien.

Ute Mix beschäftigt sich seit langer Zeit mit dem Thema. Die Bremer Fachanwältin für Familienrecht sieht jedoch keine grundsätzliche Diskriminierung der Väter. „Das sind immer Einzelfälle. Ich habe auch schon die umgekehrte Situation erlebt.“ In Bezug auf das Sorgerecht gebe es allerdings schon eine Benachteiligung: „Wenn sich Eltern darum streiten, spielt der sogenannte Kontinuitätsgrundsatz eine wichtige Rolle. Es geht um die Frage, wo Kinder sich überwiegend aufgehalten haben. Das wird meistens zugunsten der Mütter ausgehen.“ Denn viel häufiger arbeiteten die Väter mehr, sorgten sich die Mütter mehr um die Familie. Nicht unproblematisch ist zudem die Unterhaltsfrage. Selbst wenn ein Elternteil das Kind zu einem großen Teil aber nicht hälftig bei sich hat, wird das nicht direkt beim Unterhalt berücksichtigt.

Um den Umgang werde dabei häufig gestritten. Wenn das Sorgerecht beiden Eltern zusteht, entscheiden sie zusammen, wo das Kind sich aufhält, wo es zum Beispiel zur Schule geht. „Wenn es da keine Einigung gibt, muss vor dem Gericht verhandelt werden.“ In Bremen trete im Verfahren dann oft ein Beistand auf, der nur die Interessen des Kindes im Blick habe.

Kinderschutzbund gibt Hilfe im Trennungsfall

Gibt es eine Trennung, empfiehlt Mix, sich in jedem Fall rechtliche Beratung zu suchen und zu informieren, welche Ansprüche und Pflichten es gibt. „Wenn mit diesem Wissen eine Einigung herbeigeführt wird, ist das eine gute Voraussetzung. Im Gespräch zu sein, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.“ Sinnvoll sei es, Papiere über die Vereinbarungen aufzusetzen. Hilfe geben laut Mix neben dem Jugendamt auch der Kinderschutzbund und die Häuser der Familie. Die Situation für die Eltern sei aber oft nicht leicht: Die Trennung bringe Enttäuschungen und Verletzungen mit sich. „Die können das Gespräch überlagern.“

Die richtige Kommunikation miteinander zu finden – das sieht Schürmann ohnehin als das größte Problem für getrennte Eltern. Darum müssten Fallmanager und Juristen mit Verhandlungsgeschick vorgehen. „Es ist das A und O, die Leute ernst zu nehmen. Ansonsten fühlt sich jemand nicht richtig wahrgenommen.“

Für Basler und seine Ex-Partnerin empfahl die Fallmanager damals eine Trennungs- und Scheidungsberatung. Eine Lösung für den Montag brachten die Gespräche jedoch nicht.

*Name von der Redaktion geändert

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