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Thema: Wechselmodell: Trennung – Kinder weg? Väter kämpfen.

Wechselmodell: Trennung – Kinder weg? Väter kämpfen.
Torsten Röhl
23.01.2001 19:26:33
Trennung – Kinder weg? Väter kämpfen, ein Hildesheimer erzählt
https://www.hildesheimer-allgemeine.de/news/article/ein-hildesheimer-kaempft-um-seine-kinder.html
Veröffentlicht von Ulrike Kohrs am 7. April 2019.

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Kreis Hildesheim - Gehören Kinder nach der Trennung ihrer Eltern zu Mutter oder Vater? Sollten sie bei der Mama ihr festes Zuhause haben und Papa bekommt lediglich Besuchsrecht und zahlt Unterhalt? So ist es in Deutschland üblicherweise noch immer geregelt. Obwohl dieses Modell überholt ist, andere Länder die Eltern im Fall einer Trennung längst deutlich gleichberechtigter behandeln.

Doch auch in Deutschland kommt Bewegung in das Thema. Denn auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hält das sogenannte Residenzmodell für gesellschaftlich überholt und will engagierte Väter von Trennungskindern bei Unterhaltszahlungen entlasten. Dafür wird sie nun allerdings von vielen Müttern scharf kritisiert.
Forderung nach Flexibilität

Es könne aber nicht angehen, „dass der Vater weiterhin vollen Unterhalt zahlt, wenn das Kind viel Zeit bei ihm verbringt und sogar sein eigenes Zimmer bei ihm hat“, hatte Giffey erklärt. Man brauche möglichst viel Flexibilität für verschiedene Betreuungsmodelle. Wie genau Betreuungsleistung und Unterhaltszahlung künftig verrechnet werden sollen, ist bisher noch unbekannt. Das Justizministerium von Katarina Barley (SPD) bereitet die Reformvorschläge gerade vor.
Immer weniger Teil des Lebens

Martin H. wird wohl nicht mehr von der Reform profitieren. Der Vater kämpft dafür, mehr Anteil am Leben seiner Kinder haben zu können. Seine Zwillinge sind elf Jahre alt. Und er befürchtet, dass sie wohl längst erwachsen sind, bis die politische Debatte tatsächlich fruchtet. Martin H. lebt von seiner ehemaligen Lebensgefährtin und den Kindern getrennt – und leidet darunter: finanziell, aber vor allen Dingen seelisch. Er sieht die Kinder nur tageweise und hat das Gefühl, immer weniger Teil ihres Lebens zu sein. Das Recht, die Situation zu ändern, hat H. aber nicht.

2008 wurden die Zwillinge des Hildesheimers geboren. Verheiratet waren H. und seine Lebensgefährtin nicht. „Das war auch nie ein Thema“, erinnert er sich. Noch während der Schwangerschaft ließ das Paar aber das gemeinsame Sorgerecht eintragen. Als die Babys sechs Monate alt waren, nahm der vollberufstätige H. neun Monate Elternzeit, damit seine Lebensgefährtin wieder in den Beruf zurückkonnte. „Das war bei meinem Arbeitgeber damals nicht leicht durchzusetzen“, erzählt er. H. hat sich in dieser Zeit ganz den Kindern gewidmet, Krabbelgruppen besucht und diverse Kindergärten besichtigt. „Mit Inlineskates und Kinderwagen bin ich durch Hildesheim gekurvt“, erinnert sich der heute 51-Jährige.
Harmonie kurz nach der Trennung

Nach dem Ende seiner Elternzeit kamen Tochter und Sohn in die Krippe, später in den Kindergarten. H. ging zurück in die Vollzeitstelle seines Jobs, die Mutter arbeitete in Teilzeit. Doch das Familienglück hielt nicht lange an. Als die Kinder fünf Jahre alt waren, trennten sich die Eltern. Wie in Deutschland üblich, galt auch für H. und seine Familie fortan das sogenannte „Residenzmodell“. Die Mutter zog mit den Kindern in eine Wohnung in der Nähe. H. kam seiner finanziellen Verpflichtung nach. Es gab feste Besuchsregelungen.

„Und wir haben das anfangs alles super geregelt“, sagt H. Für ihn war klar, beide Elternteile würden die volle Verantwortung für den Nachwuchs tragen und sich alle Aufgaben und Freuden teilen. Das klappte offenbar zunächst auch gut. Die Zwillinge verbrachten mindestens zwölf Tage im Monat bei ihm, besuchten den Papa aber auch zwischendurch ganz unproblematisch. H. konnte eng am Schulleben der Kinder teilnehmen. Die lernten mit ihm für die Schule, ließen sich zum Schwimmtraining oder zu Freunden zum Spielen fahren. Ferien und Feiertage wurden gerecht aufgeteilt. „Wir haben sogar alle zusammen Weihnachten gefeiert und waren im Urlaub.“
Neuer Freund ändert alles

Doch vor knapp zwei Jahren wendete sich das Blatt. „Als meine Ex einen neuen Freund hatte“, erinnert sich der Hildesheimer. Die Kinder kamen plötzlich nicht mehr zwischendurch, sollten alle Feiertage bei der Mutter bleiben und in den Ferien blieben H. nur noch wenige Tage mit den Zwillingen. Zudem gab es keine Absprachen mehr zwischen den Eltern, beim Vater flatterten stattdessen Briefe von Anwalt oder Jugendamt ein.

„Überall musste ich mich erklären und rechtfertigen“, erzählt H.. Rechte habe ein Vater offenbar überhaupt keine. H. nahm sich einen Anwalt und wollte das „Wechselmodell“ erstreiten. Danach würden die Kinder zu gleichen Zeitanteilen von Mutter und Vater betreut, erzogen und versorgt. Beide Elternteile bieten dem Kind ein Zuhause, in dem es sich abwechselnd aufhält.
Viele Kosten – wenig Zeit

Entsprechend würde dann auch der zu zahlende Unterhalt ausfallen. Das hieße aber nicht, dass H. wenn er vor Gericht erfolgreich wäre, nichts zahlen müsste. Beide wären unterhaltspflichtig. die Höhe des Betrags hänge vom jeweiligen Einkommen ab. Derjenige Elternteil, der über mehr Einkommen verfügt, muss mehr als 50 Prozent des Unterhalts leisten. Derzeit zahlt H. rund 800 Euro im Monat für beide Kinder.

Dazu kommen die Kosten, die in der Zeit anfallen, wenn die Zwillinge bei ihm sind. Auch Kinderzimmer, Ausstattung, Kleidung und ähnliches hat der Vater für seinen Nachwuchs. Mit dem Wechselmodell würden seine Kosten kaum niedriger sein, aber er hätte deutlich mehr von seinen Kindern – und die von ihm. Denn auch darum geht es H.: „Dass sie auch von mir lernen können, ich ihnen Dingen fürs Leben weitergeben kann.“
Noch kein Erfolg vor Gericht

Bislang war der Mann vor Gericht nicht erfolgreich. „Ich musste dort Rede und Antwort stehen, genau erklären, warum es mir wichtig ist, dass die Kinder mehr bei mir sind“, so H. Doch die Mutter hat das Wechselmodell abgelehnt – „begründen musste sie das nicht“, ärgert er sich. Der ständige Kampf um die Kinder, die Vollzeitbeschäftigung und die juristischen Auseinandersetzungen nagen heftig an dem Mann.

Um einem Burnout vorzubeugen, würde er gern die Arbeitsstunden reduzieren. „Aber das kann ich mir nicht leisten“, erklärt er. Denn in Deutschland wird Vollerwerbspflicht vorausgesetzt, der Unterhalt darauf berechnet. „Wie sollte das gehen, wenn ich 1000 Euro im Monat weniger verdiene?“, fragt er. Bliebe unterm Strich nur, die wenige Zeit, die er jetzt mit den Kindern hat, noch weiter zu verkürzen. Aber das komme nicht in Frage. „Ich kämpfe weiter – für meine Kinder.“
Torsten Röhl
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