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Thema: Wenn Kinder vom Tod reden

Wenn Kinder vom Tod reden
lotte98
12.04.2014 15:38:40
Liebe Mitmenschen,
gestern Abend war ich echt geschockt, meine Tochter fing an von Kindern im Krankenhaus zu reden und so nach und nach kamen wir auf ihren Knubbel und ihr Fazit von unserem Gespräch war, daß sie nach ihrem Gefühl bald stirbt. Mir ist das Herz stehen geblieben und ich wußte nicht wen ich anrufen soll oder wo ich mich lassen soll. Gott sei Dank waren meine netten Nachbarn da und ich konnte zu ihnen kommen.
Ich weiß ja, daß sich Kinder generell mit dem Tod befassen, aber es kommt immer so unverhofft, wenn es gar nicht paßt.
Heute morgen haben wir nochmal geredet und ich habe Florentine gesagt, daß ich sehr traurig war über das was sie mir gesagt hat und ob sie Angst hat.
Aber Kinder beruhigen einen dann ja wieder....
Sie wollte wissen, wie ihr Knubbel aussieht, wir haben dann MRT-Bilder angeschaut und ich habe ihr aus der Was ist Was Reihe "Das Gehirn" vorgelesen. Ich wollte das einfach mal loswerden.
Alles Liebe
Lotte
I
lotte98
Iwana
12.04.2014 16:18:21
Hallo Lotte
Wir sind nicht ganz in der gleichen Situation, da bei uns ich einen "Knubbel" habe wie ihr das ausdrückt. Wir reden da von Tumor und auch von Krebs, aber mein Sohn ist auch schon 8. Wir gehen den Weg mit meinem Tumor schon 6 Jahre mit 3 Rezidiven. Eines habe ich gelernt in der Zeit.

Kinder sprechen das Thema immer dann an, wenn es nicht passt, keine Zeit da ist, oder der Ort nicht stimmt.
Situation 1 an die ich mich erinnere: Wir sitzen im Bus und ich hänge meinen Gedanken nach. Plötzlich höre ich wie er mit der Frau neben sich spricht und sagt: Mein Mami hat einen Tumor im Kopf. Ich sogleich hellwach und denke, dass darf doch nicht sein, ich kenne die Frau nicht. Ich drehte mich zu ihr und sagte, dass mein Sohn recht habe und da ihr Mann an Krebs gestorben ist, konnte sie glücklicherweise damit umgehen und es ergab sich ein gutes Gespräch.
Situation 2
10 Min bevor die Schule anfängt, mein Sohn müsste schon unterwegs sein, ich mache die Türe auf und will mich von ihm verabschieden, da schaut er mich an und fragt: Kann man an einem Tumor auch sterben?
Gedanken jagen wie Blitze durch meinen Kopf, ich müsste mir doch Zeit nehmen etc. die Türe offen, er auf dem Sprung. Ich beantworte seine Frage. Ja man kann. Türe zu. Mein Herz klopft.

So läuft das bei den Kindern. Wahrscheinlich wollte er keine Erklärungen, nichts schweres, keine Tränen, nur eine simple Antwort und dann weiter in seinem Leben und es ist OK so!

Gruss Iwana
Iwana
dine93
12.04.2014 16:25:47
Hallo ihr lieben ,
Ich bin gott froh das mein sohn noch so klein ist und noch solche fragen mir nicht stellt aber vor dem hab ich schon sehr angst.
Mir fällt es schon sehr schwer wenn meine kleinen Cousinen mich da drauf ansprechen die richtigen worte da drauf zu finden.
Lg dine
dine93
Iwana
12.04.2014 19:40:26
Hallo Dine
Ich habe zwei Grundsätze:
Nicht lügen und nur die Fragen beantworten die gestellt werden, für die anderen Sachen ist die Kinderseele ev. noch nicht bereit und sobald sie bereit ist wird sie die entsprechende Frage stellen.
Mein Sohn z.B. hat noch nie gefragt ob ich an dieser Krankheit sterben werde... Er hat generell formuliert kann "man" an einem Tumor sterben. Der Schritt zu dieser letzten schrecklichen Frage hat er noch nicht gemacht obwohl seine Kinderseele es im Prinzip schon ahnt möchte er es noch nicht ausgesprochen haben.
Der Tag wo er mich dies fragt werden wohl bei mir Dämme brechen, da gibt es kein cool bleiben, da fliessen dann halt die Tränen. Wir werden einen Weg finden so wie wir bis jetzt immer einen gefunden haben.
Gruss Iwana
Iwana
mtimm73
12.04.2014 20:40:51
Hallo Lotte,
unser jetzt 5-jähriger Sohn ( anaplastisches Ependymom WHO III) hat solche Dinge zum Glück noch nie angesprochen. Ich glaube , ich würde in Tränen ausbrechen! Auch wenn ich das immer vor ihm vermeide.
Wir haben noch zwei ältere Söhne (12 und 14 J.) , von denen nur der ältere bisher Fragen gestellt hat. Was ist, wenn der Tumor wiederkommt?
Kann man dann überhaupt noch etwas machen?
Schon das fand ich schwierig, aber wir haben es offen besprochen. Der 12-jährige hat natürlich auch einiges mitbekommen, fragt von sich aus aber nicht.
Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, um Deine Tochter weiter zu unterstützen!

Liebe Grüße Michaela
mtimm73
dirlis
13.04.2014 00:13:35
Hallo Ihr Lieben,
durch ungünstige Planung der Kinderbetreuung am Tag an dem mein Mann die Diagnose Glioblastom erfahren hat, mussten wir gemeinsam allen (seinen Eltern und unsere 3 Kinder 11, 9, 5) gleichzeitig die bittere Wahrheit erzählen...
Jeder davon hat nur den Teil der ganzen Information angenommen, den er (altersentsprechend?) zu diesem Zeitpunkt ertragen und verarbeiten konnte.
(Das die Eltern meines Mannes bis heute Vogel-Strauß-Taktik betreiben, ist eine kleine, komische Hässlichkeit am Rande).

So ungefähr halten wir es bis heute. Jeder kann jederzeit mit uns sprechen. Wir lügen nicht. Wir haben keine Geheimnisse. Wir versuchen nicht unsere Kinder durch Heimlichkeiten zu schützen, aber alles im Detail müssen sie auch (noch) nicht wissen.

Der große, der inzwischen pubertiert, kommt immer wieder mit Kleinigkeiten zum Thema, tastet sich ein Millimeter heran und lässt das Thema wieder ruhen.

Der mittlere (der als erster und schon vor der Diagnose erkannt hat, was drohen könnte) spricht nicht direkt mit uns ( ist aber schon immer eher mundfaul), nur nach Situationen, die ihn dreifach belasten, blitzt die Angst, die er in sich trägt, hervor.

Die Kleine spielt, hopst vorbei, knutscht den Papi und teilt klar mit, dass sie möchte, das wir ein Familiengrab haben, hopst weiter und spielt wieder.

Und das Leben hilft manchmal, das Thema Krankheit, Sterblichkeit, Angst im neutralem Bereich zu besprechen... (Gerade sind mehrere Nachbarn in hohem Alter verstorben, meine Oma hat inzwischen Altersdemenz....)

Wir haben kürzlich Disney' Aladdin gesehen, mit der Wunderlampe und den 3 Wünschen. Ich bin überhaupt nicht darauf gekommen, dass dieser Film für uns kritisch sein könnte. Und habe dann gemeinsam den Kids Rotz und Wasser geheult, weil wir eigentlich nur einen einzigen Wunsch bräuchten...

Der Vogel frisst den Wurm, die Katze den Vogel, die Blätter fallen im Herbst zu Boden, das Leben ist nicht fair und, ja, wir alle werden irgendwann sterben. Aber wann, dass weiß keiner. Der Zeitpunkt wird kommen und wird uns vielleicht nicht passen.

Jeder der hier im Forum ist, ist Teil einer Tragödie. Ja, ich finde das passt. Es ist tragisch, was wir alle durchmachen und hier ein bisschen versuchen zu teilen. Und ich wünschte, wir alle hier hätten ein anderes, unbeschwertes Leben (zurück).

Aber nicht die Tonart macht die Musik, sondern die Melodie.
So versuchen wir die Zeit, die wir haben gut zu verbringen, uns gemeinsam an dem zu freuen, was wir schon hatten und heute gemeinsam haben. Klappt nicht immer, aber oft. Und wir schaffen heute gemeinsame Erinnerungen.

Iwana, ich finde Deine Einstellung großartig.
Die Fragen werden kommen, der Zeitpunkt wird nicht passen. Wir werden alle so gut es geht reagieren und antworten und was soll dann schlecht daran sein, wenn Dämme brechen? Auch das ist doch ein Weg.

Herzliche Grüße von Dirlis
dirlis
Andrea 1
13.04.2014 09:14:58
Hallo ihr Lieben,
ich bin gerade echt überwältigt.
Überwältigt deshalb, mit wieviel Feingefühl und dennoch Ernst ihr eure Kinder mit einbezieht.
Liebe Lotte, was für ein wichtiges Thema!!!
Liebe Dine und liebe Michaela, ich hoffe, dass euch das Thema für die Zukunft genauso hilfreich sein wird, wie vermutlich für uns alle hier.

Meiner Meinung nach ist das genau der richtige Weg.
Fragen, die Kinder stellen, einfach so zu beantworten, wie sie gestellt wurden. Einfach, direkt und unverblühmt.
Ich erinnere mich an meine eigene Kindheit, da ich zwischen meinem 3. und 10. Lebensjahr bereits schon schwere Krankheiten bewältigt habe. Mir war es damals schon wichtig, dass ich Bescheid weiß. Ich wollte auch nicht jedes Detail wissen, aber wenigstens die grobe Richtung.
Auch ich dachte schon oft daran zu sterben, fand das aber merkwürdiger Weise nicht so schlimm. Vielleicht, weil man in dem Alter noch nicht so komplex in seiner Gedankenwelt ist?
Weil man sich der Konsequenzen nur bedingt bewusst ist?

Wenn ich mehr wissen wollte, habe ich weiter gefragt und genauso sollte man es wohl heute bei seinen Kindern machen, sofern sie noch rel. klein sind.
Liebe Lotte, ich kann dich so gut verstehen, was solche "spontanen Fragen" in einem auslösen. Als ich selbst Mama wurde und mein Sohn im entsprechenden Alter war, musste ich mich auch mit den "wundersamsten Fragen" befassen, auf die ich zugegeben hin und wieder keine Antwort wusste und zum Teil bis heute nicht weiß, was ich hätte sagen können/sollen.
Eine Frage davon war: "Warum lebt der Mensch?"
Mein Sohn war damals 5!

Liebe Iwana, ich sehe das ganz genau so!
Liebe Dirlis, Du hast das alles so super geschrieben, dem möchte ich mich ebenfalls voll und ganz anschließen.
Andrea 1
lotte98
13.04.2014 09:28:43
Liebe Mitmenschen,
danke für eure vielen Gedanken und Erlebnisse, die ihr mir mitteilt.
Im Grunde habe ich keine Scheu mit Kindern über den Tod zu reden, aber mich hat einfach total erschüttert, als Florentine von ihrem Gefühl sprach, bald zu sterben. Ich könnte das niemals aushalten, leider weiß ich, was da auf einen zukommt, da meine erste Tochter ein Neuroblastom hatte und an den Folgen starb.
Mein Bauchgefühl vermittelt mir Gott sei Dank Zuversicht, mit einem pil. Astro kann man lange leben.
Ihr könnt mir glauben, wie sehr ich mit euch leide und Anteil nehme, wenn ich eure Beiträge lese.
Ich wünsche euch Mut und Kraft und danke euch nochmal.
Lotte
lotte98
Andrea 1
13.04.2014 09:36:56
Liebe Lotte, fühl dich lieb gedrückt. <3
Der Gedankenaustausch bringt uns vermutlich keine Heilung, aber er hilft uns ungemein, mit der Gesamtsituation anders - besser umgehen zu können.
Es ist gut, dass wir hier frei über so viele Themen "reden können", welche viele andere Menschen, als absolute Tabu-Themen ansehen.
Andrea 1
ClaudiaG
20.04.2014 20:46:11
Liebe Lotte...ich möchte Dir einfach nur sagen, dass ich in Gedanken ganz bei Dir bin. Auch bei uns ist es noch ein "Knubbel". Ich denke, jeder geht da seinen Weg. Darf ich fragen, wie alt Deine Tochter ist? Liebe Grüße, Claudia
ClaudiaG
lotte98
21.04.2014 12:17:24
Liebe Claudia,
meine Tochter ist 6, bei der Erstdiagnose war sie 4.

Manchmal redet sie auch von Hirntumor, ich finde, das klingt so brutal.

Wie alt ist euer Kind?
Liebe Grüße,
Lotte
lotte98
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