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Thema: Wesensänderung nach Operation

Wesensänderung nach Operation
Pubsi77_svsc_will_loeschung
26.05.2012 11:54:52
Hallo Zusammen,
meine Mutter (64) wurde Ende April 2012 an einem "Glioblastoma multiforme" operiert. Am Tag der OP lag Sie auf der Intensivstation. Am darauffolgenden Tag wurde Sie auf die normale Station verlegt und wir durften Sie besuchen. Man konnte leider nicht alle Tumore entfernen, weil diese an so empfindlichen Gehirnarealen platziert sind, das man Ihr mit einer OP mehr Schaden würde als Nutzen.Sie war direkt nach der OP linksseitig gelähmt, aber diese Lähmungserscheinungen gingen mit jedem Tag zurück. Jetzt ist sie wieder flott auf den Beinen (mit Ihrem Rolllator) unterwegs, aber Sie hat Ihr Wesen sehr stark verändert. Meine Mutter bekommt auch zur Zeit Chemo- und Strahlentherapie. Früher war meine Mutter ruhig, zurückhaltend, verständnisvoll, hatte keinen Hang zu Dekoartikel (Schmutzfängern, Nagellack etc.) und konnte sehr gut mit Ihrem Geld haushalten. Jetzt ist Sie wie ausgewechselt. Sie ist unruhig und sitzt nie länger wie 2 Minuten. Sie braucht Schlafmittel um die Nacht schlafen zu können. Sie zittert an den Händen. Sie wiederholt sich ständig. Ihr Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht richtig und Sie gibt auf einmal Geld für den unmöglichsten DekoKram aus. Sie hat sich jetzt die Haare ganz kurz abgeschnitten und die Fingernägel lackiert. Sie ist so anders, so fremd, so vorlaut, so resulut und vor allem sehr schnell gereizt.
Ich erkenne Sie gar nicht mehr wieder und ich mache mir Sorgen. Wir können auch nicht alles tollerieren oder mitmachen. Und wir haben keine Ahnung was uns noch erwartet. Wir lieben Sie, aber es kostet uns allen so unglaublich viel Kraft, Geduld und Nerven und dann noch der Zweifel, ob Sie sich bald wieder findet. Vor allem beim Einkaufen ist es eine Qual mir Ihr, wenn wir das was Sie will nicht kaufen, droht Sie gleich mit Selbstmord oder Schreit durch den Laden wie geizig wir wären. Es ist zum heulen. Heute wurde Sie aus dem Krankenhaus entlassen und jetzt kommt schon die nächste große Sorge. Wir können Sie nicht rund um die Uhr betreuen und stehen total hilflos da. Wir möchten, das Sie schnell wieder normal wird und suchen nach alternativ Therapien. Ich habe etwas von "Vitalpilten", "Mesundra"-Tabletten und Tee "Flor Essence" gelesen. Habt Ihr damit Erfahrung ? Was können wir eigentlich für Sie tun ?
Liebe Grüße, Sonja
Pubsi77_svsc_will_loeschung
alma
27.05.2012 22:33:40
Hallo Sonja,
zum Teil, glaube ich, kann man die Wesensveränderung unter Schock durch die Diagnose verbuchen, nicht gleich unter Beschädigung des Gehirns durch Tumor und OP. Sonst hätten die Erscheinungen ja schon vorher auftreten müssen. Es ist für Angehörige sicher schwer, mit der plötzlichen Fremdheit klar zu kommen. (Kurze Haare, lackierte Fingernägel, Schlafstörungen und Unruhe sind wohl gewöhnungs-bedürftig, aber noch harmlose Reaktionen. Für schwierig halte ich eher die Drohungen und Erpressungsversuche.)
Von den alternativen Therapien habe ich noch nichts gehört, bin aber eher skeptisch. Ich würde mich an einen ambulanten Pflegedienst wenden und mich erkundigen, welche Betreuungsmöglichkeiten bestehen und wie man sich als Angehöriger am besten verhält. Die haben sicherlich mit dementen Patienten Erfahrung und Demenz kann auch sehr anstrengend sein.
Wenn die Mutter gut betreut wird, ist das erst einmal eine Entlastung und schafft Raum für Verarbeitung des Schocks. Und dann wird man sehen, ob sie sich wieder gefangen hat.
Es gibt eine Menge Leute, die sich nach so einer Diagnose seltsam verhalten.
Gruß, Alma
alma
Pubsi77_svsc_will_loeschung
28.05.2012 00:01:27
Hallo Alma,
danke für Deine Rückmeldung. Ich werde versuchen am Dienstag mit einem Arzt aus der Uni-Klinik zu sprechen. Wir brauchen etwas, damit meine Mutter ruhiger wird.
Ihr Zustand verschlechtert sich leider von Tag zu Tag.
Sie wird immer aggressiver, Sie beißt, tritt um sich und wenn man nicht schnell genug aus Ihrer Reichweite kommt, dann zereist Sie einem das Shirt. Sie steigert sich vorher in alte Geschichten aus der Vergangenheit und erlebt Sie quasi dann zum aggressivsten Zeitpunkt in Ihrer subjektiven Gegenwart. Die Stimmung kippt bei Ihr von eine auf die andere Sekunde ohne das irgendetwas den Anstoß gegeben hat.
Heute war der Tag für die ganze Familie eine einzige Stapaze.
Erst folgen Beleidigung, dann Entschuldigungen, dann Heulkrämpfe und dann tut Sie so, als wäre nichts gewesen. Wir haben alle große Sorgen.
Vor allem weil meine Mutter Nachts mit meinem Stiefvater allein ist und er der Situation nicht gewachsen ist.
Wir haben vor 2 Wochen bereits einen Betreuungsantrag gestellt und warten noch auf das Ergebnis.
Ihre Aggressivität macht uns am meisten zu schaffen, weil sich in unserem Kopfkino schon Horrorszenarien abspielen, welche wir nicht verantworten könnten. Sie bräuchte ja nur mal in Rage irgendwelche Gegenstände zufassen bekommen und dann wird es richtig kritisch.
Ausschließen kann man das bei Ihrem jetztigen Zustand nicht.
Wir lieben Sie und versuchen Sie in diesen aggresiven Situationen abzulenken, indem wir Sie an schöne alte Zeiten erinnern. Das klappt am Besten mit alten Fotos oder Geschichten. Ich fühl mich einfach so hilflos.
Gute Nacht Alma. Liebe Grüße Sonja
Pubsi77_svsc_will_loeschung
alma
28.05.2012 11:52:59
Hallo Sonja,
ja, auf jeden Fall fachlichen Rat. Ich tippe auf Psychose (was mir eigentlich als Nicht-Arzt nicht zusteht). Das kann sich wieder legen, trotzdem muss etwas passieren.
Was ist mit euch? Holt euch doch auch Unterstützung. In einer Angehörigengruppe z.B. Und wie ist es damit, sich einen niedergelassenen Neurologen (also mit Arzt-Praxis) für die Mutter zu suchen?

Ihr braucht mehrere Anlaufstellen.
Viel Kraft.
Alma.
alma
Prof. Mursch
28.05.2012 13:34:30
Wenn Fremd- oder Selbstgefährdung vorliegt, müssen Sie den ärztlichen Notdienst (steht in der Zeitung oder im Internet) verständigen, der dann auch reagieren muss.
Für derartige, sich noch verstärkende Veränderungen kann es unterschiedliche Ursachen geben, die abgeklärt werden müssen.


Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
Pubsi77_svsc_will_loeschung
28.05.2012 22:05:21
Guten Abend,
danke für Eure Rückmeldungen. Meine Mutter hat die ganze Nacht die Wohnung verwüstet, hat Stuhl verloren und in der Wohnung verteilt. Sie war so unruhig und aggresiv. Ich konnte heute morgen die Situation nicht mehr verantworten, deshalb habe ich den Rettungswagen gerufen. Die Sanitäter haben uns dann erst zur Psychatrie gefahren, wo wir zum Glück nicht aufgenommen wurden. Wir wurden dann ins Uniklinikum eingewiesen und ich bin so überaus glücklich darüber, das meine Mutter nach der Medikamenteneinnahme und nach 2 Stunden Schlaf, fast wieder "normal" war. Damit meine ich, Sie war entspannt und zufrieden. Ich bin den ganzen Abend da geblieben, habe Ihr zugehört, Ihr lustige Geschichten vorgelesen, Sie geduscht und um 20 Uhr war Sie so müde, das Sie ohne Schlaftablette eingeschlafen ist. Ich hoffe, dass das erst einmal so bleibt, weil mir die Entscheidung heute morgen sehr schwer gefallen war. Aber die Ärztin vor Ort hat mir versichert, das es so das Beste war. Jetzt wird Sie dort 2 Wochen lang betreut, weil Sie ja auch jeden Tag Bestrahlung bekommt. Grund für diese Aggressivität war oder ist vermutlich der erhöhte Hirndruck gewesen, weil Sie die Tabletten übers Wochenende nicht genommen hat und mein Stiefvater sich darum nicht kümmerte. Er ist auch seid heute morgen weg gefahren, weil er mit der Situation nicht klar kommt. Aber weiter Unterstützung werde ich mir noch suchen. Vielen Dank.
Liebe Grüße
Sonja
Pubsi77_svsc_will_loeschung
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