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Thema: Wesensveränderung bei meiner Frau

Wesensveränderung bei meiner Frau
teletown
02.04.2023 11:42:40
Hallo liebe Community,

meine Frau (47 Jahre) lebt schon seit 10 Jahren mit einem Oligodendrogliom WHO-Grad II. In dieser Zeit wurde Sie zweimal operiert, bestrahlt und hat auch mal eine Chemotherapie erhalten.

In den ersten 5-7 Jahren war das Zusammenleben überhaupt kein Problem. Sie hat aus Ihrer Situation kein Geheimnis gemacht und ist offen damit umgegangen. Auch nachdem Sie Ihr wegen der Bestrahlung die Haare zur Hälft abgeschnitten hatten, ist Sie trotzdem mit uns rausgegangen und hat sich im Leben nicht unterkriegen lassen. Das bewundere ich heute noch an Ihr, wüsste nicht, ob ich so reagiert hätte.

Der Alltag selbst hatte sich natürlich durch Ihre starke Vergesslichkeit und langsame Auffassungsgabe verändert. Die Kinder (heute 14 und 24) haben aber mit der Zeit gelernt damit umzugehen.

Gegen 2019 hat sich dann aber langsam der Zustand meiner Frau verändert. Sie hat angefangen mit teilweise täglich nachts zu wecken und mich für irgendwelche Sachen zur Rede zu stellen. Hierbei hat Sie einfach Sätze von mir aus der Vergangenheit aus dem Zusammenhang gerissen und mich damit konfrontiert. Wir haben manchmal stundenlang gesprochen, bis Sie dann einigermaßen mit meinen Rechtfertigungen zufrieden war. In der Nächsten Nacht ging es dann von vorne los. Auch unsere vorangegangenen Diskussionen hat Sie teilweise wieder vergessen, sodass wir einzelne Themen von neuen diskutiert haben. In dieser Zeit kam ich mir vor, wie in dem Film “Und täglich grüßt das Murmeltier). Ich bin in dieser Zeit aber einigermaßen damit klargekommen, da unsere Kinder das nicht mitbekommen haben und es auch immer wieder Tage/Wochen gab, wo Sie mich nachts hat schlafen lassen.

Dann kam aber der Lockdown 2020 und alles hat sich gravierend verändert. Meine Frau konnte über Nacht nicht mehr in Ihren Reha-Sport gehen und auch Treffen mit Ihren Freundinnen gingen dann nicht mehr. Außerdem waren die Schulen zu, sodass dann auch noch beide Kinder den ganzen Tag zuhause waren. In dieser Zeit hat Sie sich komplett zurückgezogen und ist den Großteil des Tages am Handy gesessen. Sie wurde zu den Kindern immer aggressiver, sodass sich diese irgendwann nicht mehr aus dem Zimmer getraut haben.

Wenn ich zuhause war oder abends gekommen bin, war Sie immer nett und freundlich. Sobald ich aber das Haus verlassen hatte, haben es die Kinder abbekommen. So habe ich die Veränderung leider nur sehr spät mitbekommen. Dies ging am Ende so weit, dass sich unsere kleine Tochter zweimal versucht hat das Leben zu nehmen (Tabletteneinnahme). Dort habe ich dann die Reißleine gezogen und die Kleine vorübergehend bei meinen Eltern (gegen den Willen meiner Frau) untergebracht. Mittlerweile geht es Ihr besser, die große Tochter ist aufgrund der Situation ausgezogen. In dieser Zeit stand ich schon eng im Austausch mit dem Jugendamt.

Das Leben im Moment ist leider kein richtiges Leben. Meine Frau erkennt bei sich überhaupt keine Veränderung. Aus Ihrer Sicht ist bei Ihr alles in Ordnung (O-Ton: So gut ging es mir noch nie). Wir versuchen Sie seit Monaten dazu zu bewegen, mal mit einem Arzt darüber zu sprechen. Da Sie bei sich kein Problem sieht, will Sie das nicht machen. Sie sagt dann immer: Wenn Ihr ein Problem habt, dann solltet Ihr zum Arzt gehen. Auch die gravierenden Probleme der letzten drei Jahre spielt Sie immer runter: Alle Familien hatten während Corona Ihre Probleme. Wenn ich dann aber sage, dass nicht alle Kinder einen Suizid-Versuch unternommen haben, bekomme ich keine Antwort.

Heute geht Sie nicht mehr in den Sport und hat bis auf Telefonate mit Ihrer Schwester und Tante keinerlei sozialen Kontakte. Im Prinzip steht Sie morgens auf und fängt an die Wohnung zu putzen. Geht zwischendurch kurz einkaufen, kocht und setzt sich später auf die Couch und schaut Fernsehen. Dies wiederholt sich so gut wie jeden Tag.

Ich habe versucht mit Ihren Ärzten über die Situation zu sprechen. Leider hat Sie den Ärzten verboten, mit mir zu sprechen. Lt. Ihrer Aussage fühlt Sie sich entmündigt, wenn ich mich da einschalte. Da ich aber nicht mit den Ärzten sprechen kann, erzählt Sie die Situation aus Ihrer Wahrnehmung. Diese entspricht leider nicht der Realität. Ich habe die letzten Arztbriefe gelesen, Ihrer Aussagen dort im Gespräch entsprechen teilweise dem Gegenteil der Realität.

Ich habe in der Zwischenzeit alles versucht. Ich war beim Jungendamt, Krebshilfe, AWO, etc. Auf die Ärzte bin ich auch zugegangen, aber keiner kann mir helfen. Ich bin jetzt zum ersten Mal an dem Punkt, wo ich keine weitere Idee mehr habe.

Die letzte Option wäre jetzt natürlich eine räumliche Trennung. Aber ich bin schon seit 20 Jahren mit meiner Frau (beide 47 Jahre alt) verheiratet. Ich will und kann im Moment Sie so nicht alleine lassen. Zumal ich das Gefühl habe, mit der richtigen Hilfe könnte es ggf. besser werden.

Aber so gemeinsam noch jahrelang leben, wird vermutlich auch keine Option sein. Zumal ich Ihr gegenüber immer ungeduldiger werde und mich immer weiter zurückziehe. Ein Miteinander ist das schon lange nicht mehr.

Was mich an der ganzen Situation am meisten belastet ist, dass ich mit den Ärzten nicht sprechen darf. Hierdurch fehlt mir im Moment die Phantasie, wie sich an der Situation etwas ändern soll.

Die Zeilen sind natürlich eine sehr komprimierte Zusammenfassung unserer Situation. Ich könnte vermutlich schon ein Buch darüberschreiben.

Gerade im Moment habe ich Corona. Aufgrund dessen wollte ich mich isolieren und auf der Couch schlafen. Dies lässt Sie nicht zu und penetriert mich solange, bis ich mich mit Ihr ins Schlafzimmer legen. Versuche zwar die Maske aufzulassen, aber das funktioniert nicht die ganze Nacht. Mit Sachargumenten kommt man da einfach nicht weit bei Ihr. Habe vor ein paar Wochen mal versucht eine Tür abzuschließen, damit Sich mich in Ruhe lässt. Sie hat es dann geschafft, die verschlossene Türe einzuschlagen. Ein Schreiner wird jetzt vermutlich den kompletten Türrahmen wechseln müssen.

Hat jemand von euch jemand solche Erfahrungen gemacht?

Danke euch.
teletown

 

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