
mitimboot
Liebe Alle,
mein Mann ist Langzeitüberlebender, d.h. er lebt seit 15 Jahren mit einem inoperablen Astrozytom III im Hirnstamm. Er hat in dieser Zeit 2 Bestrahlungen durchgemacht und macht gerade die 2. Chemo (stationär, jeweils 3 Tage, alle 6 Wochen). Ich bin erst seit 5 Jahren mit ihm zusammen, kenne ihn aber schon ein paar Jahre länger, wir haben einen dreieinhalbjährigen Sohn. Letztes Jahr hat mein Mann noch Darmkrebs bekommen, hatte temporär einen künstlichen Darmausgang, mehrere OPs, gilt jetzt diesbezüglich als "geheilt". Nun wurden Rezidive am Hirntumor festgestellt und deshalb eine Chemo angesetzt.
Er ist schon seit Längerem kein Mensch mehr, mit dem man es aushalten kann. Ich hadere mit mir, ihn in dieser Situation zu verlassen und im Stich zu lassen. Ich glaube, dass er noch ein paar Jahre vor sich hat, aber ich glaube, ich kann es psychisch nicht durchhalten. Unser Sohn und ich sind Zielscheibe seiner Aggressivität und werden von früh bis spät nur fertig gemacht. Ich fliehe so oft ich kann aus dem Haus und unternehme etwas mit unserem Sohn, und ich wünsche mir so sehr, mal wieder respektiert und geachtet zu werden. Zumal ich seit 4 Jahren alles für meinen Mann regle, Behörden, Krankenkassen, Papierkram, Haushalt, mich ums Kind kümmern, außerdem bin ich freischaffende Journalistin und muss voll arbeiten und Geld verdienen. Mein Mann ist seit 15 Jahren verrentet und spricht immer nur davon, er habe halt schon seine 30 Jahre Arbeit absolviert; er sieht meine vielfältigen Belastungen nicht. Er redet den ganzen Tag schlecht über mich und das Problem ist: er will nichts davon wissen, dass er Wesensveränderungen hat. Wenn ich das sage, dann behauptet er, ich sei psychisch krank und bräuchte Psychopharmaka und solle zum Psychiater gehen. Und beschimpft mich eben wieder. Wir sind in einer Paartherapie. aber da kommen wir auch nicht an das Thema heran. Er weist das weit von sich, dass mit ihm etwas nicht stimmen könnte. Zu gern würde ich mal mit seinen Ärzten in Heidelberg darüber sprechen, aber an die komme ich ohne ihn ja gar nicht heran. Mein Mann glaubt fest an die Schulmedizin und an seine Ärzte in Heidelberg (DKFZ und Neuroonkologie). Das ist meines Erachtens auch mit ein Grund für seinen guten Verlauf, für sein langes Überleben. Er ist sich ganz sicher, dass die alles richtig nach dem neuesten Forschungsstand machen und er macht alles mit und er hat Hoffnung. Aber er lebt in und für seine Krankheit und hat diese "professionalisiert", wie ich das gerne nenne. Es ist sein Lebensinhalt, er redet von nichts anderem und nimmt auch nichts anderes wahr, weder mich, noch seinen Sohn und vor allem macht er ihn und mich den ganzen Tag schlecht. Ich wünsche mir so sehr, dass mein Sohn bestätigt wird und vor allem in einem fröhlichen Zuhause aufwächst. Aber er sieht mich zuhause nie lachen und ich bin auch nie locker, wenn mein Mann da ist. Wenn er mal wieder längere stationäre Aufenthalte hat (was bei ihm öfters vorkommt, da er aufgrund seiner Hemiparese oft stürzt und sich regelmäßig noch Knochenbrüche und andere Verletzungen zuzieht), dann bin ich ehrlich gesagt immer sehr froh, mal ein bis zwei Wochen meine Ruhe zu haben und einfach leben zu dürfen. Ich habe Angst davor, noch jahrelang mit ihm so weiterleben zu müssen. Wenn ich noch etwas von meinem Leben haben möchte und möchte, dass unser Sohn eine schöne Kindheit hat, dann muss ich ihn verlassen. Ich bin bereit, ihn zu pflegen und ihm zu helfen und alles, aber diese ständigen Anfeindungen, diese ständigen Spannungen und auch diese soziale Isolation, denn meine Freunde besuchen mich schon lange nicht mehr, weil mein Mann dann auch vor denen nur über mich schimpft und lästert, die kann ich nicht ertragen.
Wenn seine Ärzte ihm erklären würden, dass er eine psychische Problematik hat, dann würde er das eher annehmen können. Ich befürchte aber, dass es gar keine Psychopharmaka gibt, die hier wirksam eingesetzt werden können?
Für unseren Sohn wäre es wichtig, einen Papa zu haben, der ihn annimmt. Ich habe oft Suizidgedanken, weil ich so niedergemacht werde, obwohl ich helfe wo ich kann. Ich weiß, dass mein Sohn mich braucht, deshalb bin ich nicht wirklich suizidgefährdet, aber ich nenne es mal "des Lebens müde", denn ich habe einfach kein Leben. Ich diene meinem Mann und schenke ihm mein gesamtes Leben und meine Energie und der schätzt es kein bisschen.
Danke für Eure Gedanken dazu.