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Thema: Wesensveränderungen

Wesensveränderungen
Naomi 66
21.05.2019 19:03:27
Hallo,

wie ist das mit dem Glio , laut MRT war beim letzten mal kein Tumor zu sehen. "Ist er dennoch vorhanden oder nicht?? " Gefühlsmäßig sind wir leider nicht mehr Mann und Frau obwohl er keinen Tumor zur Zeit hat. Ich weiß, einige werden jetzt sagen, daß das mit dem Tumor nix zu tun hat. Ich bin traurig darüber und kann kaum in Worte fassen, wie oft ich an den Mann denke, der er vorher mal war und ich ihn bräuchte.
Naomi 66
Greta80
21.05.2019 19:22:47
Hallo Noami,
wo sitzt der Tumor und welcher ist es histologisch? Wurde dein Mann behandelt und wie ist der Status derzeit?
Greta80
GMT
21.05.2019 21:14:57
ein Glioblastom ist ein Tumor des Zentralennervensystems, der sich aus den Gliazellen 'bildet.....

https://de.wikipedia.org/wiki/Gliazelle

Lies einfach mal, welche Funktionen diese Zellen haben und man erahnt nur halbwegs, was da alles in Mitleidenschaft gezogen wird...…vielleicht wird dann das Bild klarer weshalb ein Glioblastom-Patient in vielen Facetten eingeschränkt ist.....

Diese Gliazellen umhüllen das ganze Hirn und auch wenn z.Zt. nichts beim MRT zu sehen ist, bedeutet das nicht, dass da nichts ist....
GMT
eviablau
21.05.2019 22:43:45
Ich sehe das auch so, bei meinem Mann wurde das Glioblastom als stable disease eingestuft, minimal war der Tumor sogar geschrumpft, trotzdem ging es beständig bergab.Und er war ganz schnell "nicht mehr derselbe Mann"...das ist schon schlimm mitzuerleben, wie der Tumor die Steuerung übernimmt, vor allem im Bereich der Gefühle und Empathie. Teilweise war er auch agressiv...er hat mir unendlich leid getan....manchmal konnte ich seine Angst erahnen.Ja eine schwere Zeit ist das...bzw. kann es sein. Es gibt auch immer wieder bessere Verläufe!!!
eviablau
Tulip
23.05.2019 23:18:28
Hallo ,
@eviablau: hast du den “Abbau” dann kontinuierlich trotz gutem MRT wahrgenommen? Hat sich das MRT-Bild dann später entsprechend den Veränderungen auch schlechter gezeigt oder blieb es ordentlich und die physische und psychische Abnahme ging trotzdem voran?
Es gibt doch einige, die immer mal berichten, dass ein gutes MRT war, alles andere aber nicht dazu passt. Leider.
Tulip
Efeu
24.05.2019 13:28:16
Hallo ihr,

ich schreibe als Betroffene.
Kenne genau das, was du z.B. Tulip beschreibst.
Nach OPs und Bestrahlung ist bei mir der Tumor mit minimalem Wachstum stabil, aber alles geht bergab.

Psychisch bin ich, mal flapsig gesagt, ein Wrack.
Mein Psychiater sagte, das Zentrum für Gefühle sei beschädigt worden.
Ich habe Teile des emotionalen Spektrums nicht mehr zur Verfügung, ich weiss, früher habe ich das gefühlt, heute ist da einfach: Nichts. Keine Regung, ein Wollen, Sehnen, Verlangen, nix. Wie ein Text, den ich nicht lesen kann, eine Sprache, die ich nicht verstehe. Anschlag und Abwehr.
Aufkommende Aggressionen hab ich gut im Griff, die brechen nicht aus, ich kann sie umlenken, sind auch nicht grosses Thema, zum Glück.

Mein Endokrinologe, der einzige Arzt, der sich immer noch sehr engagiert, sagte letztes Jahr, dass Bestrahlung 8-10 Jahre wirkt, und bei empfindlichen Menschen auch da, wo die Strahlen durchs gesunde Gehirn gehen.
Zitat: Im Grunde hat man noch nicht richtig erforscht, wie Bestrahlung auf Langzeitschäden gesehen, wirklich wirkt.

Diagnostiziert wurde jetzt auch Autismus, strahlungsbedingt.

Was die Wesensveränderung mit mir macht: Ich fühle mich oft hilflos, unverstanden, verstehe mich selbst nur schwer, halte mich selbst oft kaum aus, und kann gleichzeitig einfach nicht anders.
Das ist ein entsetzlicher Zustand. Ich bin mir selbst fremd.
Ich kann nur versuchen zu beschreiben, und oft gibt es keine passenden Worte dafür.
Am liebsten bin ich alleine, nicht nur weil mir Mitmenschen, auch die die ich liebe, ganz schnell zu viel sind, sondern auch, weil es etwas einfacher ist. Ich bin dann nicht ständig mit diesen Veränderungen so umfänglich konfrontiert.

...... immer das Beste draus machen, es ist nun mal so.

Efeu
Efeu
eviablau
24.05.2019 20:22:24
Hallo ,
@tulip..das MRT war ja nur bedingt gut, das Glioblastom war inoperabel und ja, nach Ende der Radiochemotherapie ging es beständig bergab, wir haben keine MRTs mehr gemacht, es hat meinen Mann auch nicht mehr interessiert.
4 Monate nach Diagnose war das letzte, das recht gut aussah, einen Monat später hätten wir ihn schon nicht mehr in die Röhre bekommen, da hätte er es schon nicht mehr verstanden und war nur noch Gefühl, Angst und ....irgendwie völlig weg vom Rationalen.
@Efeu du kannst aber wirklich gut dein Wesen, deine Veränderungen reflektieren und beschreiben, das ist toll, du scheinst dem nicht einfach ausgeliefert zu sein. Und du schreibst toll!
eviablau
Tulip
24.05.2019 20:59:28
Danke, @eviablau und @efeu. Es ist immer eine große Hilfe in der eigenen Situation, wenn man von anderen hören darf.

@naomi66: eine sehr liebe Person hat mal gesagt, in dieser Situation geht es einfach darum, dem Partner ein Freund zu sein, mehr als als Partner zu agieren.
Ich finde, das ist so groß und wahr. Natürlich bist Du unendlich traurig, weil Dir Dein Mann fehlt. Der, der er einmal war. Das macht diese Krankheit. Und wir müssen lernen, gehen zu lassen, auch, wenn noch alle da sind. Das empfinde ich als die ganz besondere Härte dieser Krankheit. Sich zu haben und dennoch schon vieles zu verlieren, sehend.
Wenn Du es aus der anderen Warte sehen kannst, freundschaftlich da sein, hilft es vielleicht ein wenig?
Tulip
suace
25.05.2019 12:53:05
Ich habe auch seit 5 Jahren keinen Mann mehr. Neben mir sitzt ein überwiegend etwa 5jähriges (schwankend von 2 - 13) Kind, daß man auf gar keinen Fall anfassen darf.
Das ist sehr schwer. Aber ich liebe eben auch dieses Kind und es weckt meinen Gluckentrieb (ich arbeite hart daran, die Glucke in Schach zu halten). Nach so langer Zeit sehe ich das nun als meine neue Aufgabe an: Er soll eine schöne Zeit haben. Unser Trauspruch war: "Dienet einander, ein jeglicher mit den Gaben, die er empfangen hat" . Retrospektiv gesehen war der Spruch fast prophetisch. Und er hilft mir.
Viel Kraft !
suace
Efeu
25.05.2019 17:52:28
Hallo Tulip, suace,

eure Worte rühren mich so an. Sie viel Liebe liegt in ihnen für mich. Es ist unbeschreiblich schwer für euch, es braucht so viel Kraft und Demut von euch, euren Liebsten zu begleiten, bei ihm zu bleiben mit dem, was er noch vermag.
Wenn einer eine Hand verliert oder einen Arm, ist es ganz klar, der kann nicht mehr Cello spielen, würde keiner auf die Idee kommen.
Wenn im Gehirn Teile kaputt sind oder immer mehr Schaden nehmen - das sieht man nicht, kann man nicht erklären, nur den Symptomen folgen und versuchen, sie anzunehmen.

Ich sitze die Tage hier und weine so viel. einer meiner Söhne ist zu Besuch, ich liebe meine Kinder über alles, und ich kann nur minutenweise, einmal am Tag vielleicht für 45 Minuten, mit ihm zusammen sein. Der Rest ist ausweichen, mich irgendwo draussen im Wald rumtreiben oder in meinem Zimmer sein, mich von völliger kognitver Erschöpfung und Zusammenbrüchen versuchsweise zu erholen. Es ist ein Versuch, Fazit: Gescheitert. Ich kann nicht mehr.

Mein Mann ist mir seit der OP nur noch partnerschaftlich möglich, ohne Sexualität, ich ertrage fast keine Berührungen, es ist unfassbar und immer wieder kann ich nur sagen: Aber es ist so, ich weiss nicht warum, es ist so.
Und ihr Angehörigen, die ihr eure vollen Emotionen noch habt, plus einen Schwer-/Todkranken Liebsten.....welche Herkulesaufgabe, plus Alltag, plus....
Ich habe grosse Achtung vor euch.

Und egal was ist, sorgt auch für euch, sonst könnt ihr für euren Partner auch nicht da sein.

Ja, ich schicke meinen Mann oft auch weg, auf Reisen, Ausflüge, zu Freunden, noch kann ich alleine sein auch für eine Woche, wenn ich ein Helfernetz im Hintergrund, auf Abruf habe.

Bei euch ist der Betroffene nicht mehr in der Lage dazu - ihr müsst das stellvertretend euch selber "verordnen". Und je schwerer es wird, um so konstanter, wichtiger ist es. Auszeiten. Auftanken.

Ich habe das Bild einer Waage. Wenn die eine Seite schwer wird, Gewichte reingelegt werden, muss auf die andere Seite auch was drauf, sonst gerät man aus dem Gleichgewicht, der inneren Balance.

Ja! Und ich weiss, das ist leicht gesagt. Trotzdem sage ich es.

Viel Kraft euch,
Efeu
Efeu
GMT
25.05.2019 18:14:55
Liebe Efeu,

da hat man sofort Tränen in den Augen wenn man deine Beiträge liest.

Du hast so viel Gefühl in dir - Du könntest es nicht so beschreiben wenn es nicht so wäre - wahrscheinlich mehr als Du selber glaubst (siehe deinen Beitrag weiter oben).
Was Dir und den vielen Anderen passiert ist - erscheint mir auch eher wie ein unbeschreibliches Traumata, dass nun alles überschattet..... diese Hirntumore sind wie ein Generalangriff auf die Seele - etwas, was man kaum beschreiben kann aber was immer da ist und "alles im Leben zusammenhält und ausmacht"...…

Ich ziehe vor Dir und all den anderen Menschen, die sich damit so tapfer auseinandersetzen und immer noch Trost und Gefühl für ihre Mitmenschen haben, den Hut!

Mein Mann war auch bis zur letzten Sekunde mehr besorgt um mich als um sich selbst... Vielen Dank an Euch!
GMT
SkiAdler
28.05.2019 12:06:18
Liebe Efeu,

vielen Dank für diese schönen Worte die einen zu Tränen rühren.

Meine Mutter, Oma meiner zwei Kinder, hat seit 9/2018 die Diagnose und seitdem verliere ich manchmal den Glauben an alles Gute im Leben. Es ist für alle eine schwere Zeit !

Deine Worte helfen mir sehr sehr weiter im Umgang mit meiner Mutter.
Es gibt mir Kraft ! und Verständnis -Vielen Dank !


Ich danke an dieser Stelle all den Betroffenen und Angehörigen für die tolle seelische Unterstützung !
Es hilft einem sehr, wenn man am Boden zerstört ist- gibt einem Kraft weiter zu kämpfen und Dinge zu tollerieren.
SkiAdler
LinaK
28.05.2019 18:12:24
Liebe Efeu, du sprichst mir mal aus der Seele. Ich hatte schon immer eine "autistische Ader", brauche viel Zeit für mich alleine, und es fällt mir schwer, mich länger als 2 Stunden auf Gespräche zu konzentrieren. Vor allem, wenn viele Leute zusammen sind.
Das ist seit der OP schlechter geworden, vor allem, wenn kleine Kinder dabei sind, leider. Glücklicherweise war ich schon vor meiner Krankheit in Altersrente, so muss ich da keine Formulare ausfüllen. Solche Dinge sind schnell zu kompliziert für mich. Ich bin leider ziemlich schnell alt geworden im letzten Jahr. Aber eigentlich geht es mir immer noch gut! Mein lieber Mann ist mir eine große Hilfe und erträgt meine alten und die vielen neuen Macken mit viel Geduld.
Lina
LinaK
Greta80
28.05.2019 20:53:45
@Skiadler,
ich kann deine Worte total gut nachvollziehen.
Seit der Diagnose meiner Mama verliere ich auch immer wieder zwischendurch den Glauben und das Vertrauen in das Gute...

Es ist gerade aktuell auch extrem schwierig, weil sich ihr Zustand etwas verschlechtert hat und nach einem "Not-CT" nun das MRT vorgezogen werden muss.

Sie ist so tapfer und kämpft sich durch und trotzdem weiß man nie, was der nächste Tag bringt. Extrem ungerecht und sehr schwierig für uns alle.
Greta80
mona
29.05.2019 09:09:39
Hallo ihr Lieben,
Krebspatienten erfahren die Auswirkungen des Tumors und der Therapie ganz direkt. Zu Schmerzen, Übelkeit, Haarausfall oder Hautirritationen kommen häufig Erschöpfungszustände und Gedächtnisstörungen. Ihre Gedanken kreisen um existenzielle Themen. Viele Patienten reagieren auf die hohe Belastung mit Verhaltensänderungen, die Angehörige anfänglich nur schwer einordnen können. Dabei sind Stimmungsschwankungen, Aggressionen, erhöhte Empfindsamkeit oder auch sozialer Rückzug Ausdruck großer Unsicherheit und zeigen, wie schwer es ist, die Diagnose zu verarbeiten. Als Angehöriger dürfen Sie in dieser Phase nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen – der Kranke ist nicht auf Sie wütend, sondern auf seine Krankheit.
Das offene Gespräch mit dem Kranken suchen

zu finden : Krebsgesellschaft .de

tja diese Erfahrung habe ich auch gemacht wie viele andere mit dieser Erkrankung und vieles ist so ohne jegliche Vorwarnung

mona

Gemeinsam Stark
mona
SkiAdler
29.05.2019 14:25:35
Es ist für Alle eine große Belastungsprobe.

Ich frage mich nur manchmal, darf ich auch mal wütend sein und ganz offen meine Meinung sagen, darf ich auch mal schwach sein, darf ich auch mal jammern weil ich nur einen Schnupfen oder Kopfschmerzen haben?!
Darf ich auch mal genervt sein wenn ich das 100 Mal die Antwort in einer Stunde gebe - Deine Kopfhaut sieht heute gut aus und nicht gerötet-

Es ist nicht böse gemeint und auf gar keinen Fall soll es ein Angriff an Irgendwen sein!! aber mir fehlt manchmal auch mal einer der mir über den Kopf streicht und mir Kraft überträgt ;-(

Ich glaube ich fühle mich manchmal so erschöpft weil ich auch noch den Spagat zwischen zwei Kindern und dieser Situation habe. Den Kindern werde ich schulisch gar nicht mehr gerecht. Das überfordert mich manchmal.
SkiAdler
mona
29.05.2019 19:03:09
SkiAdler
natürlich darfst du es...manchmal bin ich auch auf ALLES wütend,verärgert usw.
Meine 5 Zwerge haben es mit mir auch nicht einfach ,umgekehrt ist es auch für mich nicht leicht

Lg mona

Gemeinsam Stark
mona
waasi
02.06.2019 21:53:27
Bei dem Thema Wesenveränderung muss ich auch mal ein bißchen mitfragen. Der Satz von suace hat mich getroffen. Du schreibst , dass dein Mann seit 5 Jahren ein Kind ist. ..... Das ist soooo lang.
Mein Mann hat sich hier vor 5 Jahren angemeldet, kurz nach seiner zweiten OP.
2005 hatte er die erste : Astrozytom 2,
Dann 2014 die zweite : Glioblastom
Keine Standardtherapie. Rezidiv ein Jahr später, danach verschiedene Chemos und später auch eine Strahlentherapie. Letztes Jahr dann eine weitere OP zur Probenentnahme . Seit dem heißt es Oligodendro 3.
Er war in dieser Zeit immer fit , hat sogar 3 Triathlons bestritten und wir haben viele Reisen gemacht und er war ein sehr aktiver Vater.
Und dann im April /Mai fing es mit Gedächtnisproblemen an. Emotionen wurden weniger. Eine Lungenembolie im September hat ihn sehr geschwächt Seit Dezember ist er Bettlägerig , die Sprache ist sehr eingeschränkt, er kann noch mit Mühe ein Brötchen essen. Alles andere füttere ich.
Am schlimmsten finde ich, dass er so wenig mitteilt ( mitteilen kann?)
Ich möchte es ihm so leicht wie möglich machen und frage deshalb viel, ob er dieses möchte oder das. Er antwortet sehr selten und ich weiß nie , ob ich dann einfach für ihn entscheide und ob das gut ist. (M)ein Partner ist er seit letzten Sommer nicht mehr, aber ich wäre schon froh, wenn ich wüsste, was in seinem Kopf vorgeht und ob er seine Situation überhaupt versteht .
Wie kommt man mit dieser Unsicherheit klar?
waasi
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